Vol. 2

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Below is the raw OCR of Beiwerke zum Studium der Anthropophyteia volume 2.  If you would like to verify the text, please download the PDF of the scanned pages.


BEIWERKE

ZUM STUDIUM DER
ANTHROPOPHYTEIA.

HERAUSGEGEBEN VON

dr. friedrich s. krauss.

ii. band:

DAS GESCHLECHTLEBEN

in

GLAUBEN, SITTE UND
BRAUCH der JAPANER.

ШШ

BEZUGPREIS FÜR JEDEN BAND 30 MARK.


DAS

G ESCH LECH TL EBEN

in

GLAUBEN, SITTE UND
BRAUCH der JAPANER.

VON

dr. friedrich s. krauss.

leipzig 1907.

deutsche verlaosactienoesellschaft.


Privatdruck.

Nur für Gelehrte, nicht für den Buchhandel bestimmt

Zahl //f..l£..&...


Herrn

Dr. Iwan Bloch

in Berlin

zugeeignet von

Friedrich S. Krauss.

474284


Die Psychopathia sexualis findet sich überall und zu allen Zeiten.
Kultur, Zivilisation, Krankheiten, Degeneration spielen nur die Bolle von be-
günstigenden, modifizierenden, intensitatsteigernden Faktoren.

Der Geschlechttrieb als rein physische Funktion ist weder ein Vergleichung-
objekt noch ein Unterscheidungmerkmal zwischen primitiven und zivilisierten
Menschen. Die „Elementargedankena der Menschheit kehren in den elementaren
Erscheinungformen geschlechtlicher Yerirrongen überall wieder.

Dr. Iwan Bloch, Das Sexualleben unserer Zeit Berlin 1907, 8. 501
und 502.


Vorwort.

Der wichtigste, um nicht zu sagen einzige leitende Grundsatz
für die echte Volks- und Völkerforschung, wie sonst für jede wahre
wissenschaftliche Untersuchung, ist der, eingedenk zu bleiben, daß
es unsere Aufgabe ist, die Erscheinungen unverschönt und unver-
bessert, in ihrer unverhüllten Wirklichkeit kennen zu lernen,
bevor wir nach Erklärungen suchen oder nach höheren Ursachen
fragen mögen. Ist einmal eine Tatsache nach allen ihren Seiten
hin erkannt, so ist sie eben damit erklärt, und die Aufgabe der
Wissenschaft ist damit beendigt.

In diesem Sinne bemühte ich mich, einige der bedeutsamsten
Tatsachen des japanischen Volkstums sicher zu ermitteln, in einen
sich gegenseitig erklärenden Zusammenhang zu setzen und sie
möglichst in eine ethnologische und folkloristische Perspektive
zu rücken. Diese Monographie ist nur ein Beiwerk zu meinen
Jahrbüchern, zu den Anthropophyteia, in denen die
tüchtigsten Erforscher des menschlichen Geschlechtlebens ihre
Erhebungen veröffentlichen. Die Anthropophyteia bieten darum
die kostbarsten folkloristischen Parallelen zu den in dieser Schrift
mitgeteilten Anschauungen, Sitten und Bräuchen dar. Darum
durfte ich mich hier der gedrängtesten Kürze befleißigen unter
Verzicht auf literarische und künstlerische, raumverzehrende
Darstellungweisen. Diese Arbeit dient bloß der Belehrung.

Sollte der eine und der andere Leser Befriedigung an meinem
Werke finden, so möge er auch jener eingedenk sein, die mich
mittelbar in der Arbeit nachdrücklich gefördert und zu innigstem
Danke verflichtet haben, der Herren W. G. Aston in Devon,
Dr. Edmund Buckley in Chicago und Dr. Magnus
Hirechfeldin Charlottenburg. Ausdrücklich habe ich zu be-
merken, daß die in vorliegender Schrift abgebildeten Gegen-
stände von jeder öffentlichen Besichtigimg unbedingt » aus-
geschlossen sind, weil deren Eigentümer sie in Ruhe für sich be-
halten wollen.

Wien VII/2, Neustiftgasse 12, am 21. September 1907.

Dr. Friedrieh S. Krauss.


Inhaltangabe.

Seite

1. Vorwort

2. Einleitung.................... 1

3. Der Kult der männlichen und weiblichen Geschlechtteile 13

4. Die vaterrechtliche Ehe.............. 63

6. Die Stundenehe.................. 65

6. Uranier und Urninden .............. 76

7. Mechanische Mittel zur Befriedigung des Greschleoht-

triebes....................111

8. Erotik in Bildwerken...............119

9. Schlußwort....................139

10. Anhang: Der Fuchskult..............141

11. Namen- und Sachenverzeichnis...........151


Ł

Einleitung

Das Studium des Phallizismus. — Die Sittlichkeit — Ob-
szoen und erotisch. — Japan als Erzieher. — Die Japaner
ein Mischvolk. — Die Sinnlichkeit der Japaner. — Die
Badesitten. — Die angebliche Unsittlichkeit der Japaner.

Know: Geschlechtleben.

1



Der Präsident einer englischen anthropologischen Gesell-
schaft sagte (nach A s t o n s Zeugnis) — wohl im Scherze —, wer
sich mit dem Studium des Phallizismus befasse, müsse verrückt
werden. Das kann schon sein, wie ja ähnlich auch einer meiner
chrowotischen Lehrer, ein Franziskanermönch, vor dem Nach-
denken über die heiligen Dogmen der Kirche warnte, sonst werde
es uns wie einem gewissen Martin Luther ergehen, den zuletzt
der Teufel geholt hat.

Sollen und dürfen wir uns trotz allen den wohlgemeinten
Warnungen dennoch mit Stoffen befassen, die eigentlich auch
uns abartig sind und uns Kulturmenschen vielfach abstoßen?

„Uberhebender Dünkel, der Dunkelmännern besonders eigen
zu sein scheint, hat sich vermessen, die Sexualforschung als
Pseudowissenschaft zu verdächtigen.

Wissenschaft ist Ordnung des Mannigfaltigen zum Einheit-
lichen ; Erkennen und Urteilen ; Naturwissenschaft die Gewinnung
der Naturgesetze aus der Erkenntnis der Naturerscheinungen.
Alles dies trifft bei der Erforschung des menschlichen Geschlecht-
lebens gewiß zu, wobei es freilich hier noch mehr wie sonst
Geltung hat, daß es der Geist der Behandlung ist, welcher dem
Gegenstand die Würde verleiht.441)

Man hält uns aber immer und immer wieder vor, unsere
Schriften könnten in unrechte Hände geraten, die öffentliche
Moral untergraben und mancherlei Unheil stiften. Davon gehen
fast alle unsere Widersacher aus, indem sie sich in der Rolle von
Tugendbehütern gefallen.

Mit der angeblichen Sittlichkeit, mit der „Moral44 hat man
in der Welt alles begründet: die Inquisition, die Hexenprozesse,

l) M. Hirschfeld. Vom Wesen der Liebe, Jahrb. f. sex. Zwischen-
stufen VIEL Leipzig 1906. S. 4«

1*


— 4 —

alles; und diejenigen, die gegen solche veraltete Einrichtungen
aufgetreten sind, sind stets als Störer, als Untergraber der Sitt-
lichkeit hingestellt worden.*)

Was des Seins würdig ist, ist auch des Erkennens wert und
würdig, sagte Baco von V e r u 1 a m. Es ist eine dreiste Ver-
kehrung der Wahrheit, wenn man unsere ernsten Forschungen
obszöne Machwerke heißt und uns mit dem Namen Pornographen
bezeichnet.

Obszön ist toto coelo verschieden vom Erotischen, bemerkt
Iwan Bloch. Unzüchtige Schilderungen mögen in einer
Schrift vorkommen, ohne daß diese als „obszön" bezeichnet
werden kann. „Obszön ist nur dasjenige Buch,
das einzig und allein, ausschließlich zum
Zweck der geschlechtlichen Erregung ver-
faßt wurde, dessen Inhalt auf die Erweckung
der groben tierischen Sinnlichkeit im Men-
schen abziel t."*) Bloch meint ferner : „Wir haben be-
züglich der unbefangenen wissenschaftlichen und kulturgeschicht-
lichen Würdigung der Pornographie gewaltige Rückschritte ge-
macht, und es gehört heute ein gewisser Mut dazu, auch diese
Dinge der wissenschaftlichen Erkenntnis zu erschließen und auch
diese seltsamen Auswüchse unbefangen und objektiv zu be-
trachten." Diesen Mut haben heutzutage weitaus mehr echte
Forscher als jemals vorher. Edmund Buckley durfte z. B.
ohne weiteres seine Abhandlung über den phallischen Kult in
Japan der Universität in Chicago zur Erlangung der Doktor-
würde vorlegen und kein Geringerer, als Dr. Hirsch, der Ober-
rabbiner der Chicagoer Judenschaft nahm die Widmung der Ar-
beit an. In ethnologischer Perspektive betrachtet ist es unge-
rechtfertigt, von seltsamen Auswüchsen des Menschengeistes zu
reden, wenn es sich, wie bei unseren Untersuchungen, um primi-
tive Äußerungen des überall in der Welt vorkommenden mensch-
lichen Geschlechttriebes handelt. Nur infolge unserer Schul-
erziehung, die uns mit Scheuklappen fürs Leben versorgt, sehen
wir nicht, was sich rechter Hand, linker Hand um uns abwickelt,
und dann erstaunen wir jedesmal, so oft wir in die Lage kommen,
frei nach allen Richtungen auszuschauen. Der selbständige

*) Abgeordneter Thiele in der Reichetagverhandlung vom 31. Mai 1906.
*) Das Sexualleben unserer Zeit Berlin 1907. S. 7881


— б —

Forscher verlernt gar bald das Sicherstaunen, und die Welt der
Merkwürdigkeiten wird vor seinen Sinnen immer kleiner. Bloch
selber trägt mit seinem Werke dazu unendlich viel bei.

* 4t

Vorliegende Schrift behandelt ausschließlich das Geschlecht-
leben der Japaner, über das zur Zeit noch selbst in engeren Ge-
lehrtenkreisen seltsame, weil wesentlich unzutreffende Vor-
stellungen herrschen. Aus verschiedenen, sogar aus Nützlich-
keitgründen wird man eine Aufklärung, wie sie hier zu liefern
unternommen wird, willkommen heißen.

Unter der Uberschrift „Japan als Erzieher" führt Georg
Hirt h aus einer Zeitung ein Lob auf die japanische Krieg-
tüchtigkeit an und bemerkt dazu :

„Wir können noch mehr von Japan lernen! Dort gibt es
keine Vorzugsittlichkeit des Adels, keine Soldatenmißhand-
lungen, keinen Suff und keinen Pfaffen- und Beamtendünkel,
keine Konfessionschule . . • keine heiligen Röcke und Schnäpse,
keinen Weltschmerz und Größenwahn, keine Nuditätenschnüffelei
und keine Angst vor dem Teufel und der Sinnlichkeit. . . . Aber
mit der Zeit kann sich ja das ändern ; d a n n erst, wenn sie uns
alle Schnörkel und Locken unserer wundervollen mittel-
alterlichen Rückständigkeit abgeluchst haben, —
dann erst wird das hehre Wort am Platze sein : „Völker Europas,
wahrt eure höchsten Güter !"4)

Um mich als ein Weitsichtiger um die Einbildung nicht zu
bringen, bediene ich mich im Theater keines Opernglases, dagegen
muß ich als Ethnolog die Erscheinungen auf der Völkerbühne
in allernächster Nähe betrachten, und da gewinne ich von den
Zuständen in Japan eine andere Anschauimg als H і r t h , dessen
Buch im übrigen voll Weisheit, Klugheit und Wissen ist. Bei
den Japanern stößt man hinsichtlich der geschlechtlichen Ver*
hältnisse auf Uberlebsel allerältester menschlicher
Rückständigkeit und zugleich in neuerer Zeit auf eine
Bemühung, sie mit unseren Äußerlichkeiten zu verkleistern, oder,
um H і r t h s Wendung beizubehalten, uns unsere mittelalterliche

4) Wege zur Liebe. Idealisierung der Sinne und erbliche Entlastung.
München 1906. S. 498.


_ 6 —

6) Siebold, Ph. Fr. v.: Nippon. Archiv zur Beschreibung von Japan.
Leipzig 1897. I. S. 281 u. 287.

Rückständigkeit abzuluchsen. Japan guckt uns indes auch un-
sere
naturwissenschaftlichen Forschungmethoden glücklicher-
weise ab und schickt sich an, im Wetteifer mit uns, neue, die
Menschheit erlösende Weltanschauungen zu schaffen. Dies sei
nebenher bemerkt, doch ist es vorläufig sicher, daß der Ethnologe
aus dem Studium alt japanischen Volkstums noch vieles zur Ent-
wicklunggeschichte der menschlichen Sitte zulernen kann, ob
aber auch der Sozialpolitiker, das wage ich nicht unbedingt zu
bejahen.

Die physischen Eigenschaften der Japaner, ihre Staats- und
bürgerlichen Einrichtungen, ja selbst ihre geschichtliche Ent-
wicklung müssen bei einem flüchtigen Vergleiche mit jenen der
Chinesen sowohl den oberflächlichen Beobachter als auch den ge-
lehrten Forscher auf den ersten Anblick hin verleiten, die Ja-
paner als Abkömmlinge der Chinesen zu betrachten, und zwar
um so gewisser, wenn sie den Japaner in einem höheren Grade
der Kultur, nämlich als Bewohner großer Städte, ins Auge fassen.
Die Symbole der Religion und der Sprache, des Krieges und des
Friedens, wie Kunst und Wissenschaften tragen im allgemeinen
das Gepräge chinesischer Abkunft. Von Siebold, der diese
zutreffende Bemerkung macht, erwähnt späterhin, daß der
Buddhismus im Jahre 543 n. Chr. nach Japan gedrungen und
zwar durch Mönche und Nonnen aus Korea, woraus er den Schluß
zieht, daß die Japaner von den Chinesen nicht abstammen, wenn
sie ihnen auch die Hauptbestandteile ihrer Kultur zu verdanken
haben.5) Diese Folgerung leidet unter der Vermengung zu ein-
ander nicht gehöriger Erscheinungen. Daß der Grundstock des
japanischen Volkes dem chinesischen entstammt, ist ganz gewiß,
nicht minder, daß das Inselvolk alle weiteren fremdartigen Zu-
züge mit sich völlig zu verschmelzen gewußt. Die 1800 Inseln
und Inselchen dienten seit mehreren Jahrtausenden als Zuflucht
allen trotzigen, kräftigen, ja den kräftigsten Volkbestandteilen
Chinas und Koreas, sowie Nordamerika seit zwei Jahrhunderten
Europas. Aus dieser natürlichen Auslese der Tüchtigsten ent-
wickelte sich in Japan, sowie in Nordamerika ein eigenes, dem
Kern nach selbständiges neues Volkstum.


Die Hindu und Chinesen waren im Osten der alten Welt), wie
die Griechen, Römer und Juden im Westen die Verbreiter von
Sprache und Schrift, Kunst und Wissenschaft, Staatsform und
Religion, sie waren Japans Lehrer.

Die Japaner bilden heute ein Mischvolk, in welchem der Aus-
gleich der Rassen noch nicht beendigt ist, sagt K a r s c h :e) Man
muß hinzufügen, auch niemals beendigt werden wird, weil der
steigende Weltverkehr immer mehr die Menschengruppen durch-
einanderwürfelt.

Zum Schluß einer sehr gründlichen Untersuchung über die
Frage der Entartimg der Volksmassen auf Grund der ver-
schiedenen, durch die Statistik dargebotenen Maßstäbe der Vita-
lität sagt Dr. Walter Ciaassen: „Wenn jemals die heute
in passiver Ruhe, aber in ungebrochener Lebenskraft ver-
harrenden Mächte: Rußland und China ihre aktiven Führer
finden, dann hat die Stunde des Untergangs der europäischen
Zivilisation geschlagen. Das Ideal des Panslavismus : die Er-
richtung eines neuen byzantinischen Reiches auf den Triimmern
des „verfaulten Westens" wird erreicht sein, wenn auch in anderer
Form, als seine Propheten es sich denken. Wenn es Japan ge-
lingt, seine leidenschaftliche Aktivität in wirtschaftlicher Be-
ziehung einzudämmen und aufs militärische Gebiet zu be-
schränken, kann es nicht zweifelhaft sein, daß diese Nation der
Testamentvollstrecker des Panslavismus sein wird."7)

Wenn ! wenn ! Folklore und Ethnologie geben Ciaassen
nicht recht. Der ungebrochenen Lebenskraft der abend-
ländischen europäischen Völker droht weder von Rußland, noch
von China, noch von Japan das Verderben. Ein furchtbarer
kriegerischer Zusammenstoß der Völker könnte nur einige
Staatsformen auflösen, nicht aber die Kultur vernichten, eher
die Segnungen der Kultur im weitesten Umfange auch den ent-
legensten, despotisch niedergehaltenen Völkerschaften zuführen.
Neue Staaten und neue Religionen würden entstehen und die
Schulgeschichtbücher um einen neuen Abschnitt vermehrt
werden.

°) Das geschlechtliche Lehen der Ostasiaten: Chinesen, Japaner, Koreer.
München 1906. S. 66 f.

і) Archiv für Sassen- and Gesellschaftsbiologie. Berlin 1906. HL S. 860.


— 8 —

Für Europa, die Halbinsel Asiens, wäre es wahrscheinlich
das größte Glück, wenn es chinesische Kultur mit der eigenen
harmonisch in sich vereinigte. Die Vortrefflichkeit der
chinesischen Kultur erweist ein drei tausend jähriges stetiges Da-
sein, über die Lebensdauer unserer jungen europäischen Kultur
aber kann man doch nur unbestimmte Vermutungen wagen.
Diese Dinge sind so einfach und klar, daß man sich selbstver-
ständlich sträubt, sie ohne weiteres zuzugeben ; denn wir Europäer
müssen die besseren, die erleuchteteren Menschen sein.

„Der Abendländer schaut auf Japan durch die abend-
ländische Brille: er sieht moralischen Niedergang da, wo in
nackter Wirklichkeit nichts ist als unmittelbare Lebensfreudig-
keit und ununterdrückbare Lust an sexuellen Dingen bei gleich-
zeitigem Mangel jeder Art von Heuchelei.*")

S e 1 e n k a rühmt den Japanern einen lebensfreudigen
warmen Zug der Sinnlichkeit nach,*) dagegen schildern andere
„christliche" Schriftsteller den Japaner ziemlich allgemein als
ausschweifend, unsittlich, unkeusch und sehr der Unzucht er-
geben; er erwecke in ihnen den Eindruck, als sei ihm Scham-
haftigkeit eine geringwertige Tugend, dagegen die Unzucht eine
seiner hervorragendsten Untugenden, ja die Wollust sei so recht
das japanische Laster.10) Und dieses „Laster", meint K a r s c h ,
erscheine um so bedenklicher, als dem japanischen Wesen aus
dem metaphysischen Bedürfnisse entspringende religiöse An-
wandlungen fremd sind. Das trifft freilich nicht in dieser Fassung
zu, weil doch der Japaner nicht anders denken und fühlen kann,
als ein Europäer, wenn auch in einer uns fremdartigen Sprache
und in äußerlich etwas von den unsrigen verschiedenen Ge-
staltungen. Wenn da H ü b n e r sagt : Au quartier des plaisirs,
l'animation ; au quartier des Dieux, la solitude, so muß man ihm
erwidern tout comme chez nous. Die „wärmsten Züge der Sinn-
lichkeit" weisen in Europa die Chrowoten auf, wie man aus den
Anthropophyteia ersieht, und gerade die Chrowoten, die im

*) F. Karsch-Haack: Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten:
Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. S. 106, Anm.

9) Selenka, Emil u» Leonore. Sonnige Welten. Wiesbaden 1906.
S. 334.

10) Die Nachweise bei F. Karsch-Haack, Das gleichgeschlechtliche Leben
der Ostasiaten: Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. B. 67 f.


— 9 -

„Wollustlaster4' aufgehen, geberden sich als die tollsten Christen.
Ihr ganzes Leben von der Wiege bis zum Grabe ist mit lauter
kirchlichem und noch mehr urzeitlichem religiösen Firlefanz be-
lastet. Geschlechtliche Ausschweifung und metaphysische Be-
dürfnisse sind von einander unzertrennliche Begleiterscheinungen
und die Japaner lassen es an Geister- und Götterfurcht auch
nicht fehlen. AVenn sie sich trotzdem lieber in den Vierteln der
Lust ergötzen, ob sie ein Bonzengeplärre vor und in den Stift-
hütten anhören mögen, so beweist dies, daß sie nicht so vernagelt
sind, wie jene „christlichen" Schriftsteller, die den Aufenthalt
in den Heiligtümern der glotzenden Götzenfratzen als die höhere
Tugend betrachten.

„Das japanische Volk, selbst in Städten, ist einer zahl-
reichen, wohlerzogenen, gehorsamen Familie vergleichbar. Die
Väter — die großen Herren und Fürsten, erleben da nur selten
in ihrer Familie den Kummer, der leider! in Europa manchmal
so schwer empfunden wird — erziehen ihre Kinder zu Hause und
lassen sie in der Schule lernen/411)

Diese Bemerkung Siebolds ist recht sonderbar. Auch
bei uns erzieht man durchgehende die Kinder zu Hause und läßt
sie in der Schule lernen, auch unser Familienleben ist nicht
schlimmer als das japanische, aber wir setzen unseren Kindern,
wenn sie in die Geschlechtreife eintreten, schwere Schranken,
deren Übertretung wir als gröbsten Ungehorsam bezeichnen und
so erleben wir selbstbereiteten Kummer. In Japan darf jeder
Erwachsene ohne Scheu ein Freudenhaus besuchen und unter
gewissen Vorbedingungen jedes ledige Frauenzimmer sich im
Bordell ausleben, um mit ihren Reizen Geld zu verdienen. Der
Makel, der bei uns auf der feilen Dirne zeitlebens haftet, schändet
nicht die Japanerin, die auch als Freudenmädchen von ihrer
Familie nicht geächtet und nicht verstoßen wird. So erspart
die Sitte den japanischen Eltern endlosen Kummer, den bei uns
die öffentliche Meinimg erzeugt.

Aber, sagt man weiter, die vollendete Schamlosigkeit des
japanischen Volkes äußert sich in den Bädern!

Über die Badesitten der Japaner haben unendlich viele und
meist Ungehöriges geschrieben, ganz uneingedenk der Bade-

u) Siebold, Ph. Fr., Freih. v., Nippon: Archiv zur Beschreibung von
Japan. Leipzig|1907* I. S» 146.

Krauss: Geschlechtleben. 2


— 10 —

freiheiten in unseren abendländischen Seebädern und des mit
dem Prostitutionwesen verbündeten Badelebens in manchen
Großstädten. Rein bemerkt von den japanischen Bädern:
„Hier finden sich Bekannte täglich wieder, um vor oder nach der
Abwaschimg ihr Pfeifchen zu rauchen oder miteinander zu
plaudern. Früher badeten beide Geschlechter ungeniert unter-
einander, jetzt trennt sie eine hohe Bretterwand. Der Japaner,
obgleich im ganzen auf keiner hohen Stufe der Sittlichkeit
stehend, erlaubte sich bei solchen Gelegenheiten keine Unziem-
lichkeiten nach unserem Begriff. Erst die Berührung mit den
Europäern öffnete ihnen die Augen und machte dieser para-
diesischen Einfachheit ein Ende. War sie ein Zeichen sittlicher
Verderbtheit oder auch nur eines Mangels an Schamhaftigkeit ?
Keineswegs! In Japan steht der Erwachsene, der gewohnt ist,
seine Mutter und Geschwister mit entblößtem Oberkörper bei
der Arbeit zu sehen, der Nacktheit des weiblichen Geschlechtes
gegenüber anders da, wie derjenige des Abendlandes. Selbst dem
moralisch sehr zartfühlenden und musterhaft hochstehenden Ein-
geborenen erschien es nicht impassend, wenn seine nächsten
weiblichen Verwandten in seiner Gegenwart ihre täglichen Ab-
waschungen vornahmen und diese wußten ebenfalls, daß sie
damit keine gute Sitte des Landes verletzten."12)

In Japan, so erzählte ein Kapitän dem berühmten Sexual-
forscher Havelock Ellis, waren die Badeplätze für Frauen
vollständig offen — ja, das Kopfwaschen wurde von Männern
besorgt — und die Engländer, die in die Nähe kamen, wurden
nicht fortgeschickt; die Badenden zeigten bei ihrem Näher-
kommen nicht die geringste Prüderie. Oft gingen die Mädchen
nach dem Bade ganz ungeniert nackt nach Hause, wobei sie ihr
Haar, wie zu unschuldiger Bewunderung auffordernd, aus-
breiteten. Das dauerte so lange, bis unsere Landsleute sie durch
Gelächter und gemeine Spaße ängstlich und scheu machten, so
daß sie sich vor etwaigen Angriffen zu verstecken anfingen. So
breitet sich die Korruption aus und das Heidentum wird durch
den Kontakt mit uns nur düsterer.")

Bein, J. J.: Japan nach Reisen und Stadien im Auftrage der Kgl.
preußischen Regierung dargestellt. Leipzig 1906. I2. S. 570.

18) Geschlechtstrieb und Schamgefühl. — Autorisierte Übersetzung mit
Unterstützung von Dr. med. M. Kötscher, besorgt von J. E. Kötscher. Dritte
erweiterte und gänzlich umgearbeitete Auflage. Wjurzburg Д907. S. 32.


— 11 —

2*

Im Gespräch mit einem Herrn aus Japan bemerkte ich, daß
wir es für unanständig hielten, wenn beide Geschlechter ihre
Bäder und Waschungen gemeinsam vornähmen. Er zuckte nur
die Achseln und antwortete: „Ach, die westlichen Leute haben
solch geile Gedanken."14)

Bei den Japanern ist es gebräuchlich, täglich ein heißes Bad
zu nehmen.

Nach Selenka, Baelz und Heine sind hierbei die
Geschlechter ungeniert beieinander. Der letztere gibt davon aus
Simoda folgende Schilderung :

„In den öffentlichen Badeanstalten pflegt man etwas öko-
nomischer mit dem heißen Wasser umzugehen. Jeder Badegast
erhält nur ein kleineres Gefäß voll davon, kauert auf den mit
Steinen getäfelten Fußboden nieder, wäscht sich und schüttet
dann den übrigen Inhalt des Gefäßes über sich, der durch eine
in der Mitte des Fußbodens befindliche Rinne nach außen ab-
geleitet wird. Zum Beschluß nimmt dann noch jeder in einer
mächtigen, mit heißem Wasser gefüllten Bütte, die zum gemein-
samen Gebrauche dient, eine letzte Abbrühimg vor. Es bedienen
sich in dieser Bütte viele Badende hintereinander desselben
Wassers, sowie auch dasselbe Badegemach für alle dient, so daß
man alt und jung, Männer, Weiber, Mädchen und Kinder in
wunderlichster Mischung durcheinander krabbeln sieht. Sogar
die Gegenwart von Fremden störte die Gemütruhe dieser Nackt-
frösche durchaus nicht, oder rief höchstens ein etwas massives
Scherzwort der Japaner hervor, wie ich wenigstens vermutete,
wenn ich infolge eines solchen etwa eine oder die andere der
weiblichen Gäste jählings in die allgemeine Wasserbütte
plantschte oder auch die Armhaltung der mediceischen Venus in
kauernder Haltung imitierte."15)

Hält man diese Angabe mit der Schilderung russischer Bade-
sitten und Badegebräuche zusammen, die neuerlich Bernhard
Stern auf Grund eingehender Quellenschriften dargeboten
hat16), so muß man gerechterweise, schon mit Hinblick darauf,

14) Milford, Tales of Old Japan 1871. — Zit v. Ellis а. а. O.

15) Zitiert nach Ploss- Bartels: Das Weib in der Natur- und Völker-
kunde, 8. Auflage. Leipzig 1906. L Bd. 8. 601 f.

18) Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Rußland. Kultur, Aberglaube,
Kirche, Klerus, Sekten, Laster, Vergnügungen, Leiden usw. Berlin 1907.
S. 426—438.


12

daß Rußland geographisch einen großen Teil Europas bildet, zu-
geben, daß die Tugend und Sittlichkeit auf Seiten der Japaner
zu finden ist. Man hat sich aber bei Beurteilung solcher Er-
scheinungen von Verallgemeinerungen vorsichtig zurückzuhalten
und sich zu prüfen, ob vom Standpunkt der Beurteiler aus einer
dem Völkerleben fernestehenden mitteleuropäischen Gesell-
schaftschicht überhaupt irgend eine wissenschaftliche Berech-
tigung zukommt. Bei uns hält man die Nacktheit des Leibes für
obszön.17) Von dieser vorgefaßten, unbegründeten Meinimg aus-
gehend, verurteilt man die Japaner und andere Völker, die sich
am nackten Leib nicht so leicht, wie wir es erwarten, aufregen.
Zwingen wir jenen unsere Prüderie nicht auf, so erregen sie auch
bei uns keinen Anstoß.

Die heftigste Anklage gegen die Unsittlichkeit der Japaner
hätten unsere Tugendwächter auf Grund des japanischen Sinto-
glaubens erheben können, doch den haben sie entweder gar nicht
verstanden oder nicht einmal beobachtet, oder wenn schon,
darüber zumeist Unvernünftiges geäußert. Klarheit schufen hier
erst die Studien Buckleys, Schedels, Astons, F 1 o -
renzs, Karschs und noch einiger wenigen Anderer, die in
dieser Schrift zu Ehren kommen. Mit dem Aufgebot höchster
Entrüstung verweilen die Moralisten bei den Erscheinungen des
Uranismus und der Fülle erotischer Darstellungen in Japan. Es
wird sich jedoch zeigen, daß gerade hier am allerwenigsten ein
stichhaltiger Grund zu einer sittlichen Empörung vorliegt, weil
wir auch in diesen Fällen Tatsachen des Völkerlebens gegenüber-
stehen, die man vor allem in ihren Ursachen begreifen muß, ehe
man über ihre Wirkungen ein Urteil zu schöpfen berechtigt ist.
Die gerechteste Lehrerin und Richterin ist die Ethnologie, ihr
wollen wir uns anvertrauen, um die Wahrheit zu erkennen.

17) Das war nicht immer so« Man vergl. darüber das gediegene Werk
Alfred Martine: Deutsches Badewesen in vergangenen Tagen. Nebst einem
Beitrag zur Geschichte der deutschen Waeserheilkunde. Mit 159 Abbildungen.
Jena 1906.


п

Der Kult der männlichen
und weibliehen Gesehleehtteile.

Ein verkannter Ursprung der Religion. — Anthropo-
logische Betraehtungweise. — Die erotisehen Sehöpfung-
sagen. — Das Śinto. — Das Zwittergeschlecht der Götter.
Baumseelenkult. — Die namenlosen Weggötter. — An-
rufung der Zumpte. — Die Vozen. — Die Stifthütten.
Das Entblößen der Geschlechtteile. — Buckleys Studien

über den Zumptkult.



Ein guter Teil aller religiösen Vorstellungen wurzelt so sehr
im Geschlechtleben, daß manche Forscher darin sogar den Ur-
grund aller Religion suchen zu müssen glaubten. Sie irrten, denn
die Religion entstand aus einem ganzen Bündel für den primitiven
Menschen unerklärlicher Erscheinungen. Er verlebendigte alles,
sowie er zu denken und seine Träume auszulegen anfing : Bäume
und Gesteine, Wind und Wetter, dann alles, was sich da bewegt,
zuletzt aber besann er sich auf sich selbst und gestaltete seine
Triebe zu eigenen Wesen aus. Das war für ihn bereits ein großer
Fortschritt von den sichtbaren und greifbaren zu den unfaßbaren,
eingebildeten Dingen, für die er wohl die Werkzeuge, die männ-
lichen und weiblichen Geschlechtteile als die Ursache, das Ge-
bären und die Kinder aber als die Wirkung vor sich schaute. Wie
die Zeugung erfolgt, das wissen wir schon, die Zeugung selbst je-
doch ist für uns noch immer, wie sie es für unseren kulturlosen
Urahn war, ein undurchdringliches Geheimnis. Wir geben uns
indessen mit der naturwissenschaftlichen Erklärung zufrieden,
der primitive Mensch tat ein übriges, er erschuf sich Mächte der
Zeugung und suchte sich mit ihnen vertraut zu machen, um sie
in Freud und Leid günstig zu stimmen. Wir Naturforscher denken
nur bis zur Religion ; denn wir kleben förmlich am Stoff, und so
sind wir eigentlich unseren unwisseuschaftlich denkenden Ur-
vorfahren gegenüber, die in der Welt ihrer Träume und Phanta-
sien wirklicher als in der Wirklichkeit dahinlebten, endlos ver-
armt, unsere Wissenschaft hat uns um die Religion unserer Ur-
urheber gebracht.

Vorsichtig und dem Stand unserer Forschung gemäß drückt
sich Iwan Bloch aus : „In einem gewissen Sinne kann man
die Geschichte der Religion als Geschichte einer besonderen Er-
scheinungsform des menschlichen Geschlechtstriebes, besonders
in seiner Wirkimg auf die Phantasie und ihre Gebilde bezeich-


— 16 —

*) Das Sexualleben unserer Zeit. Barlin 1907. S. 106 ff. bis S. 116:
Die religiös-sexuellen Phänomene gehören zu den Überall wiederkehrenden Elementar-
gedanken dee Menschengeschlechtes (im Sinne Bastiane), denen nur die objektive
anthropologisch-ethnologische Betrachtungweise wissenschaftlich gerecht werden kann.

nen. . • • Eine wirklich objektive Grundlage für die Be-
urteilung der Beziehungen zwischen Religion und Sexualleben ge-
winnen wir nur, wenn wir sie nicht als eine Sache des Dogmas und
der Konfession auffassen, sondern sie auf diejenige Basis stellen,
auf die sie gehören : die anthropologische. Denn diese
Beziehungen sind dem Genus Homo als solchem eigentümlich.
Das sexuelle Element macht sich ebenso in der Religion primi-
tiver Völker geltend, wie in den modernen Kulturreligionen. . . .
Analog den anderen Naturphänomenen nahm der primitive Mensch
auch die Tätigkeit treibender Geister im Geschlechtstrieb und
was damit zusammenhängt an und zollte diesen als der sieht- und
fühlbaren Erscheinimg jener Geister göttliche Verehrung. . . .
Religion und Sexualität berühren sich auf das innigste in jener
Ahnung des Metaphysischen und jenem Abhängigkeitsgefühle;
daraus entspringen jene merkwürdigen Beziehungen zwischen
beiden, jene leichten Übergänge religiöser in sexuelle Gefühle, die
sich in allen Lebensverhältnissen bemerkbar machen. In beiden
Fällen wird die Hingabe, die Entäußerung der eigenen Persön-
lichkeit als ein Lustgefühl empfunden.4'1)

Izanagi fischt als Gott-Schöpfer das Land aus der wogen-
den Meerflut mit seinem himmlischen Juwelspeer (Arne no
tama-boko) heraus. Nach der Erklärung des Sinto-Theo-
logen H і r a t a (1776—1843) ist dieser Speer ein Zumpt, dessen
Eichel aus dem Juwel gebildet wird. Den Zumpt bezeichnet
auch das deutsche Volk als einen Speer. Um einen Zumptpfeiler
herumgehend erkennen Izanagi und Izanami einander und
zeugen die ersten Kinder unter Ausrufen höchster Wollust. Zuerst
aber hatten sie zur Begattung ein eigenes Haus, das F u s e y a
errichtet, gleichsam wie Menschen, die auch so tun, um ihr Wohn-
haus nicht zu besudeln. Dahinter steckt keinerlei religiöse
Weihung des Ehevollzugs, denn wie Aston nachdrücklich be-
merkt, kennt das Sinto weder eine Weihe der Ehe noch eine Ver-
dammung des Ehebruchs. Wie sich die erste Zeugung lebender
Wesen abgespielt, besagt eine Stelle aus dem Kojiki, die Flo-
renz verdeutschte : „Dann fragte er die weibliche Gottheit: Gibt


— 17 —

es an deinem Körper irgend etwas Geformtes?" Sie antwortete
und sprach : „An meinem Körper ist eine Stelle, welche der Ur-
sprung der Weibheit ist.u Die männliche Gottheit sagte: „An
meinem Körper hinwiederum gibt es eine Stelle, welche der Ur-
sprung der Mannheit ist. Ich habe den Wunsch, die Ursprung-
stelle meines Körpers mit der Ursprungstelle deines Körpers zu-
sammenzubringen." Hierauf pflegten die weibliche und männ-
liche (Gottheit) zum ersten Male geschlechtlichen Verkehr und
wurden Mann und Frau.

Eine andere Fassung lautet: „Da fragte er seine jüngere
Schwester Izanami no Mikoto: „Wie ist dein Körper gebildet?"
Sie antwortete und sprach: „Mein Körper wächst und wächst
(immer), aber eine Stelle ist da, die im Ubermaß wächst. Daher
wird es gut sein, daß ich diese im Ubermaße wachsende Stelle
meines Körpers in die nicht beständig wachsende Stelle deines
Körpers hineinstecke und so zeugend Länder hervorbringe."*)

Eine ethnologische Parallele dazu gibt uns die arisch-indische
Sage von der Urzeugung :

„Als älteste Götterprinzipien erkennen wir in der indischen
Religion: das Wasser (Vischnu) und das Feuer (Çiva). Der
Viechnu aber mußte seinem Bruder Çiva einst die Dienste eines
Weibes leisten, damit die Welt geschaffen werde." Das Zeichen
Çivae war ein Triangel mit der Spitze nach oben (Л), das auf-
wärtsstrebende Feuer versinnbildlichend, wie das umgekehrte (V)»
des feuchten Vischnu Symbol, das abwärtsfliegende Wasser ver-
sinnbildlichte."8) Von Römer weist auch darauf hin, daß also
dem Akt der Schöpfimg das Zeichen ф gegeben worden ist, das
bei den Juden zum Symbole Jehovas wurde.

Japanische Schriftsteller stellen Izanagi und Izanami gleich
dem Yang und Yen der Chinesen als das männliche und weibliche
Prinzip der Schöpfung und Zeugung auf. In der Urzeit, als das
Land noch öde und unbewohnbar war, rief Izanagi acht Millionen
Götter ins Leben, die, mit einemmale durch das ganze Inselland
verbreitet, dessen allseitige Entwicklung begannen und die Vege-
tation der Erde erzeugten. Noch schuf Izanagi die zehntausend

*) Zitiert nach РІ088• Bartels: Das Weib in der Natur* und Völker*
künde, 8. Auflage. Leipzig 1906. I. Bd. S. 643.

*) Ł.S.A. M. y. Börner: Über die androgynieche Idee des Lebens.
Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Y. IL Leipzig 1903. S. 716 f.

Kraust: Geschlecht! eben. 3


— 18 —

4) Siebold, Fb. Fr. v.: Nippon. Archiv zur Beschreibung von Japan.
Leipzig 1897. II. S. 233.

5) Vergleiche darüber die gediegene Studie L. S. A M. y. Börners: tJber
die androgynische Idee des Lebens. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. V. II.
Leipzig 1903.

Dinge, aus denen die unzählbare Menge aller vorhandenen Gegen-
stände hervorging.

Neben Izanagi erschuf dessen Gehilfin Izanami den Feuer-
gott, das Götterpaar der Metallberge, die Göttin des Wassers, und
während hier die zankenden Pflanzen himmelan sproßten, legte
sie tief unten im Wasser den Keim der Moose und gebot der Göttin
Hani jama hime no Kami, mit fruchtbarer Erde die Berge zu be-
decken.4)

Das Sinto weist wenige Personifikationen abstrakter Eigen-
schaften auf, wie dies in jeder anderen Naturreligion auch der
Fall ist. Izanagi und Izanami als Verkörperungen schöpferischer
Naturkräfte sind späte Spekulationen der Theologen. Aston
dürfte das richtige treffen, wenn er meint, sie wären ursprünglich
gar nicht japanisch, sondern ein Wiederhall von Yin und Yang
der chinesischen Philosophie. Von Haus aus waren Izanagi und
Izanami örtliche Gottheiten, und sie gelangten erst durch die
Machtstellung ihrer speziellen Verehrer zu einer allgemeinen An-
erkennimg. Die herrschende Klasse setzt ihre Götter überall
durch.

In den abendländischen Religionen müssen die Götter ent-
weder männlichen oder weiblichen Geschlechts sein, sagt Aston,
wobei er übersieht, daß ihrer eine große Anzahl ursprünglich
hermaphroditisch, d. h. von unsicherem Geschlechte ist. Er
meint, die Europäer wären durch den sprachlichen Bau genötigt,
von einer Gottheit er oder sie zu sagen. Das hat aber sachlich
nicht viel zu bedeuten, wenn auch für die Japaner in ihrer Sprache
eine Geschlechtunterscheidung wenig in Betracht kommt. Viele
Sintogottheiten sind überhaupt geschlechtlos nach A s t o n s
Auffassung, in Wirklichkeit sind sie wie viele althellenische Gott-
heiten Hennaphroditen, die aus sich selber heraus zeugen können
oder sich im Bedarffalle zu zwei Wesen, einem männlichen und
einem weiblichen spalten.5) Will man in den Sagen genauer
unterscheiden, so hängt man dem Namen ein wo (männlich)
oder ein m e (weiblich) an. Auch bei den Japanern gibt es gött-


— 19 —

liche Ehepaare, die sich gleich den sie verehrenden Menschen,
in „wilder Ehe" gatten. Auch in der japanischen Kunst ist ver-
hältnismäßig die Geschlechtzugehörigkeit der Gestalten wenig
ausgeprägt.

Nach einer japanischen Kosmogonie entsteht aus dem Weltei
der Geist der Erde und der ist ein Wesen mit zwei Charakteren,
von denen der eine das männliche, der andere das weibliche
Element repräsentiert. Ersterer heißt Isu no goi no
Kami, letzterer Eku goi no Kami.

Die ethnologischen Parallelen dazu bietet uns die persische
Religion des Mithras-Mitra dar, ebenso die ägyptische,
in der P t h a androgynisch auftritt.

Daß den hervorragendsten Sintogottheiten weibliches Ge-
schlecht zugesprochen wird, ist nicht bloß einer Laune zuzu-
schreiben. Die Mythenerzeuger hätten, sagt Aston, oft weit
sachlichere Gründe für ihre Phantasien gehabt, als man an-
nehmen mag. Er erinnert daran, daß im ältesten Japan Frauen
Mikados und häufig genug e Krieghäuptlinge gewesen. Auch er-
wähnt er, daß so manche Familie ihren Stammbaum in weib-
licher Linie führe und aus dem K o j і k і erfahre man, daß zur
Zeit Suinins es Brauch gewesen, daß die Mutter den Kindern
den Namen gegeben. Da nun damit der Bestand eines Mutter-
rechts für die prähistorischen Zeiten Japans erwiesen wird und
die Götterentstehung auch auf jenes Zeitalter zurückführt, so
darf man daraus schließen, daß die mutterrechtliche Familie
weibliche und die jüngere, vaterrechtliche wieder vorwiegend
männliche G ottheiten begünstige. Den Ausdruck Mythenerzeuger
muß man aber für eine naturgemäß gewordene Religion, wie es
das Sinto ist, rückhaltlos ablehnen. Das freie Erzeugen von
Göttern und Königen ist ein Sport chrowotischer Akademiker,
eine Art von krankhaften Phantasieauswüchsen, die das Volks-
tum nie und nimmer zu beeinflussen vermögen. Die Verfasser
von Kojiki und Nihongi darf man nur Mythenauf Zeichner nennen,
von Sagen, die eine mitunter lange Vergangenheit haben und die
sich meist auf Grund mannigfacher Vorstellungen, nicht in einem
einzigen Kopfe, sondern in den Köpfen unzähliger Menschen zu
einem Ganzen verschmolzen.

Die Sintopriester kleiden sich in eine mehr weibliche als

männliche Tracht. Auch bei dem Gottesdienst des Attis und der

Großen Mutter trugen die Priester Frauenkleider. Die Griechen

3*


— 20 —

leiteten hiervon die Benennung ab: Kureten würden K our ai
Mädchen bedeuten.

Firmicus schreibt über die Assyrier, daß sie die Luft unter
dem Namen der Juno oder der Venus verehrten. Sie stellten sich
dieses Element mann-weiblich vor. Denn da die Luft zwischen
Himmel und Meer gelegen ist, verehren sie sie mit effeminierter
Stimme:

„Die Priesterschaft dient ihr mit verweiblichten Gesichtern,
mit glatt gemachter Haut, das männliche Geschlecht durch weib-
lichen Schmuck verunzierend. Man sieht in ihren Tempeln die
fürchterlichste Unzucht in der Öffentlichkeit : Männer litten, was
nur Weiber leiden dürfen und sie zeigten gleichsam mit stolzer
Verherrlichung diese Schande ihrer unreinen und schamlosen
Körper. Sie zieren ihre gutgepflegten Haare wie Weiber, gehen
in üppigen Kleidern und können mit ihren ermüdeten Hälsen
kaum ihre Köpfe emporhalten."

Aston, einer der gründlichsten Erforscher des Sinto,
hebt hervor, das wäre kein primitiver Kult, denn er besitze eine
organisierte Priesterschaft und ein ausgebildetes Ritual. In einem
wohlgefugten Staatswesen mit einer hochentwickelten Kultur der
Metalle usw. könne man keine primitive religiösen Formen zu
finden erwarten. Mit seinem von tiefster Gelehrtheit zeugenden
Buche erbringt er den vollen Gegenbeweis für seine Behauptung
im Vorworte ! Rebellische Neuerungen treffen wir in Japan auf
dem Gebiete der Technik und Wissenschaft jeder Art, nur in reli-
giösen Dingen verblieb die Volksmenge auf der primitivsten
Stufe der Entwicklung trotz dem überhandnehmenden Buddhis-
mus und dem neuerlich wieder auftauchenden Christentum. Der
Buddhismus hat es zu allen Zeiten mit der alteinheimischen Re-
ligion zu paktieren verstanden, und das Christentum wird auch
in Japan, wie anderswo, mit dem Bestehenden ein Kompromiß
einzugehen wissen. Während einer tausendjährigen Gewaltherr-
schaft waren christliche Priester nicht imstande, die Chrowoten,
Serben und Bulgaren mehr als dem Namen nach zu christianisiren,
wie sollten ihre Bekehrungbrüder es in kurzer Zeit zu Wege
bringen, die Japaner dem Sinto abwendig zu machen, das sich als
eine für sie sehr zweckmäßige Religion im Laufe dreier Jahr-
tausende bewährt hat? Dieser Glaube ist trotz allen Anhängseln,
die er von seiner Priesterschaft empfangen, völlig identisch mit
dem ursprünglichen Glauben aller Völker. Das geht bereits aus


— 21 —

den spärlichen Angaben bisheriger Forscher hervor und wird über
jede Anzweiflung erhaben darstehen, sobald auch die Japaner
nach unserer folkloristischen Methode das tatsächliche Volks-
leben zu ergründen anfangen werden.

Aston bezeichnet hübsch das Sinto als eine Religion der
Dankbarkeit, Liebe und des fröhlichen Gemütes. Selbst der
Regensturmgott, der sich am meisten dem Typus einer bösen
Gottheit nähere, habe seine guten Seiten. Die Geister der Krank-
heit und des Unglücks wären dagegen zumeist dunkle und namen-
lose Wesenheiten. Das ist gar keine Eigentümlichkeit der Ja-
paner. Alle Völker lieben ihre Götter, sind ihnen dankbar und
feiern sie fröhlich, weil sie auf Gegenliebe, Dankbarkeit und Fröh-
lichkeit rechnen. Die bösen Götter mit schrecklichen Namen sind
dagegen häufig späte Gebilde, die ihr Dasein gewöhnlich der
Schlauheit und Gewinnsucht der Priestergesellschaften verdanken,
die den Verkehr zwischen ihnen und den eingeschüchterten
Menschen vermitteln, selbstverständlich gegen ausgiebige Ent-
lohnung.

Einen Glauben an die Unsterblichkeit der Seele kenne das
Sinto nicht. Die Japaner beten nicht für das Seelenheil der Ver-
storbenen oder für deren Wohl im jenseitigen Leben. Sie kennen
zwar ein Land der Finsternis (Y o m і), das etwa dem hellenischen
Hades entspricht, doch scheine Yomi weder von menschlichen
Wesen noch von Geistern bewohnt zu sein. Aston vermutet,
Yomi habe ursprünglich bloß Tod bedeutet. Für den Japaner
gibt es darum keine Höllenstrafen und keine himmlischen Be-
lohnungen. Er darf sich seines irdischen Daseins voll erfreuen.
Weil sie keine Hölle kennen, gleichen sie den unvernünftigen
Tieren! Wären die bisherigen Berichterstatter folkloristisch ge-
schult gewesen, so hätten sie derlei nicht vorgebracht ; denn tat-
sächlich wird das ganze Leben des Japaners in allen Volks-
schichten vom Seelenkult erfüllt, bei dem freilich die äußere Form
die ursprüngliche Anschauung überwuchert hat. Nach japa-
nischem Volksglauben sind die Menschen aus Gewächsen ent-
standen. Mit dem Tode eines Menschen kehrt sein Geist wieder
zur Welt der Gewächse zurück. Wer Gewächse pflegt, baut dahin-
geschiedenen Seelen Wohnorte. Aus dieser Vorstellung heraus
entwickelten sich bei den Japanern die endlosen Blumenfeste.
Da fühlt sich der Japaner mitten unter seinen Vorfahren, und er
bezeugt ihnen mit seiner Fröhlichkeit sein Vergnügen über ihre


— 22 —

Anwesenheit und ihre Anteilnahme an seinem Dasein. Die Ja-
paner sind wahrhaft das frömmste Volk der Welt!

Wenn man sagt, der alte Zumpt- und Vozenkult in Japan
wäre ausgerottet, weil ihn die Regierung den Ausländern zu Liebe
verbanne, d. h. seine äußerlichen Zeichen beseitige, so erinnert
dies an jenen Kaufmann, der seine Frau mit seinem Bediensteten
überraschte und, um der Buhlerei ein Ende zu bereiten, das Ka-
napee auf den Boden hinaufstellen ließ.

Die beliebteste und häufigste Gottheit im alten Japan war
der Zumpt, und ihm zu Ehren errichtete man an allen Wegen, be-
sonders an Kreuzwegen und an Feldrainen, steinerne oder auch
hölzerne Pfeiler, die rot angestrichene Zumpte darstellten. Man
versah mit solchen Zumptpfeilern auch die Brückenschutzwehren.
Ihr Name ist W o - b a s i r a. Diese Pfeiler haben ihr Gegenstück
im ältesten Hellas und im Latium. Sowie die Hellenen erst durch
die Ägypter und die Römer durch die Hellenen, so lernten die
Japaner durch die Chinesen die Kunst, ihren rohen Steinen und
Holzblöcken menschliche Formen zu geben. Die ursprünglichen
ungefügen Sinnbilder der Geister wandelten sich zu richtigen Ge-
stalten um, doch daneben behaupteten sich die Stein - Phalli in
ihrer einfachsten Darstellung, während die Hellenen und Römer
mit ihrer Vergangenheit nur zu bald abbrachen. Der Japaner wie
der Ägypter bewahrt alle Glaubensformen aller Zeiten ihrer Ent-
wicklung nebeneinander auf, so daß bei ihnen jeder nach seinem
Kunstgeschmack religiöse Befriedigung finden kann oder es
konnte. Darum erscheint ihre Religion wie ein Trödlerladen, wo
alte und neue Gegenstände die Räume vollpfropfen und wo sich
nur der Inhaber halbwegs auskennt, während der neue Kunde
beim Eintritt angesichts des Wirrwarrs in Verlegenheit gerät und
sich über die herrschende Unordnung ärgert.

Aston folgert auf Grund der im K o j і k і und N i h o n g і
enthaltenen Sagen, die phallischen Gottheiten — Personifikationen
der wollüstigen Lebenskraft — wären ursprünglich bloß magische
Anwendungen gewesen, die späterhin personifiziert und zu gött-
lichem Rang erhoben worden. Dagegen ist einzuwenden, daß
diese beiden Bücher aus den Jahren 712 und 720 unserer Zeit-
rechnung recht trübe folkloristische Quellen darstellen. Ihre Ver-


— 23 —

fasser waren chinesisch gebildete oder verbildete Priester, in ihrer
Art Systematiker, deren Arbeit für uns einen historischen Wert
hat, über die Auslegung aber können sie uns keinen wirklichen
Aufschluß geben. Die Personifizierung des Geschlechttriebes ist
an und für sich eine ursprüngliche Erscheinung, oder, wenn man
noch genauer sein will, die der Geschlechtteile. Die Südslavin
unterhält sich mit ihrer Voz, wie mit einer lebenden Person, und
der chrowotische Bauer mit seinem Zumpt.0) Der Fortschritt
besteht zunächst in der Nachbildung der Geschlechtteile in Holz
oder Stein, oder im Entdecken von Gebilden in der Natur, die ähn-
liche Gestaltungen aufweisen. Diesen wohnt dann der Geist inne,
der zur Begattung antreibt, von ihm kommt alles Vergnügen im
guten oder bösen Sinne, und er ist's, der zum göttlichen Rang auf-
steigt, wenn man von seinem Wohlwollen die Fruchtbarkeit der
Felder abhängig ansieht. Ihm zu Ehren begattet man sich auf
Feld und Flur. So bringt man ihm ein Opfer dar.T)

Schon vor hundert und mehr Jahren kamen dem japanischen
Städter die Zumptgebräuche der Landbewohner beinahe so fremd-
artig, wie einem Wiener oder Berliner Hochsommertouristen vor.
Davon legt eine im To-yu-ki, einem i. J. 1795 erschienenen Werke
enthaltene Reisebeschreibung Zeugnis ab : „An vielen Stellen ent-
lang dem Hochweg zu Atsumi in der Provinz Deha, wo auf beiden
Seiten die Klippen steil aufragen, sind kreuzüber die Sime-naha
von Fels zu Fels gespannt. Unter diesen Sime-naha sind kunst-
voll geschnitzte hölzerne Zumpte angebracht, die den Weg krönen.
Sie sind sehr hoch, sieben bis acht Fuß lang und haben vielleicht
drei oder vier Fuß im Umfang. Mir erschien dies gar zu an-
stößig, und ich befragte die Bewohner, warum sie derlei
täten. Sie antworteten mir, dies wäre ein uralter Brauch.
Man heiße sie (die Zumpte) Sai no Kami und erneuere sie all-
jährlich am 15. Tag des ersten Monats. Da es örtliche Gottheiten
wären, vernachlässigten sie sie unter keiner Bedingung und ent-
fernen sie nicht von ihrer Stelle, selbst wenn hohe Beamte des
Weges gezogen kämen. Man habe sie durchaus nicht, so erzählte
man mir, zum Vergnügen der jungen Leute aufgestellt. Überdies
sah ich eine Anzahl von Papierstreifen an die Sime-naha ange-

в) Vergleiche die Belege bei Krau88, Die Zeugung in Sitte und Brauch
der Südelaven.

Anthropophyteia Ш. 8. 20 ff. (Beiechlafaueubung als Kulthandlung).


— 24 —

hängt und erkundigte mich nach deren Bedeutimg. Es zeigte
sich, daß Frauen sie insgeheim dorthin gehängt als Fürsprecher
um schöne Liebhaber. Offenkundig ist hier einer jener alten
Bräuche, die in entlegenen Zeiten wurzeln. Zumpte und Vozen
aus Stein verehrte das Landvolk an vielen Orten als die Sintai
(Merkzeichen) ihrer Ujigami (Schutzgötter der Geburtorte).4*8)

Im Norito oder Sinto-Rituale ist auch eine Anrufung der
Zumpt- oder Wegschutzgötter enthalten, die, obwohl erst im
J. 927 veröffentlicht, dennoch um Jahrhunderte älter ist.

--Ich künde im Angesicht der oberherrlichen Götter, die

auf den großen, zahlreichen Wegstraßen gleichsam wie unzählige
Felsenhaufen eine Sperre bilden. Ich vollziehe die Preisrede, in-
dem ich eure erlauchten Namen nenne: Vielstraßen-Herr, Viel-
straßen-Herrin, Komm-nicht-her. Ohne mit den dämonischen
Wesen, die aus dem Wurzelland, aus dem Bodenland wild und *
feindlich kommen werden, weder Blicke noch Worte zu wechseln,
bewachet gnädigst und bannet gnädigst durch Wache bei Nacht
und Wache bei Tage, indem ihr das Unten bewachet, wenn (die
Feinde) von unten kommen, und das Oben bewachet, wenn sie
von oben kommen.9)--

Wenn die Regierung Gesandtschaften ins Ausland schickte,
so veranstaltete man aus diesem Anlaß außerhalb der Stadt einen
Gottesdienst zu Ehren der Götter des Himmels und der Erde und
der phallischen Ciburino Kami, der Weggötter; die Ge-
sandten nahmen an der Messe teil und verlasen die offizielle
Liturgie (norito).10)

Die phallischen Gottheiten heißen allgemein Sähe no
Kami, die vorbeugenden Gottheiten, weil sie gegen die feind-
seligen und wilden Wesen des Ursprunglandes, des Yomi schützen,
d. h. gegen Siechtum und Tod. Daß Yomi ursprünglich nicht
eine Unterwelt, sondern das dunkle unheimliche Walddickicht
bezeichnet hat, geht daraus hervor, daß die bösen Geister dem
Walde entstammen und man die Sähe no Kami eben an den
Wegen aufstellte, die durch die Wildnis führte, um die unheim-

*) Zitiert nach Aston, W. G.: Shinto (The way of the Gods). London 1905.
S. 195.

°) Florenz, Dr. Karl: Geschichte der japanischen Literatur. Leipzig
1906. S. 44.

10) Aston, W. G.: Shinto. (The way of the gods). London 1905. S. 815.


25 —

liehen Angreifer abzuschrecken. Man nennt die Sähe no Kami
auch Y o k u s i n , Pestgötter, weil sie die Pest abhalten. Die
Identität der Pest — mit Waldfrauen wies ich in meiner Ab-
handlung über südslavische Pestsagen nach. Gegen Krankheit
und Tod hilft als Gegenstück die Zeugimg. Darinn stellt man
auch Zumpte und Vozen als Standbilder auf, wohl auch darum,
weil man durch Entblößung der Schamteile böse Geister überall
in der Welt bannt. Diese uranfängliche Vorstellung hat sich in
Japan zu einem eigenen dominierenden Kult entwickelt, während
er anderswo rudimentär verblieb.

Die von einigen Forschern versuchte Teilung zwischen
Zumpt- und Vozen-Gottheiten entbehrt einer inneren Begründung.
In älterer Zeit hatten diese Feld- und Flurgötter naturgemäß
keine Tempeln, in neuesten Zeiten flüchtete man mit ihnen vor
der Öffentlichkeit in Stifthütten. Die Festfeiern zu Ehren der
Zumptgötter fanden an den Kreuzwegen der vier Endseiten der
Hauptstadt oder an der Grenze der Residenzprovinz regelmäßig
am Schluß des sechsten und zwölften Monats und sonst im Not-
fall statt. Ebenso veranstaltete man ein Fest zu Ehren Sähe no
Kamis zwei Tage vor Eintreffen ausländischer Gesandtschaften
in der Hauptstadt, um die Bevölkerung vor der Gefahr einer
Krankheiteinschleppung, vor bösen Einflüssen oder auswärtigen
Dämonen rechtzeitig zu beschützen.

Gewöhnliches Sinnbild für die Voze ist die Pfirsich, für den
Zumpt der Stössel und der Herrenpilz. Eine eingehende Dar-
stellung der einschlägigen symbolischen Gebräuche würde ein
Buch füllen, ohne im wesentlichen die Einsicht in den Sachverhalt
zu vertiefen. Hat einmal eine religiöse Anschauung im Volks-
gemüte feste Wurzeln geschlagen, so dringt sie bald, wie Meer-
rettig im Felde, durchs ganze Gebiet des Volkstums durch.

Die Zumpte sind glänzend rot oder, was dasselbe ist, gold-
farbig angestrichen. Saruta-hiko, eine phallische Gott-
heit, ist von hellroter Farbe. Die Zugangbögen zu den Stift-
hütten sind rot angestrichen. Die bösen Geister und die Schurken
auf der Bühne haben rote Gesichter. Aston vermutet, dies
weise auf deren Lebenskraft hin, näher liegt die Vermutung, daß
die Japaner vorerst ihre eigenen Zumpte genauer besehen, bevor
sie die steinernen und die hölzernen färbten. Alle Völker be-
schreiben und bezeichnen den Zumpt als rot.

In den Stifthütten wohnt der heilige Geist oder die

Krauts: Getchlechtltben. 4


— 26 —

Schechina (hebräisch) der Gottheit, selten der Gott selber. Sie
heißen dies M i t a m a. Der Japaner weiß häufig nicht einmal,
welchem Gott eine Stifthütte angehört. Er richtet sein Gebet
einfach an ein Mitama. Als bemerkenswert führt Aston an,
daß in jüngerer Zeit das Mitama par excellence dem phallischen
Sähe no Kami zugeschrieben wird. Ehedem hieß man die
ihm zu Ehren veranstalteten Feste mitama matsuri, wo-
für man jetzt den chinesischen Ausdruck G o r і 5 у е ge-
braucht."11) : \

M u s u b і, der Gott des Wachstums wird in seinen Stift-
hütten, wie der indische S і va durch einen Zumpt dargestellt.
Es ist ein vergebliches Bemühen einiger Gelehrten, in diese
Gestalt „eine durchgeistigte Auffassung des Fruchtbarkeit-
prinzips" hineinzudeuten. Der japanische Landmann hat dafür
nicht mehr Verständnis als unser Tiroler Bauer.

Die phallischen Gottheiten Yachimata-hiko (Jaöimata) und
Jachimata-hime stellt man in menschlicher Gestalt dar.

Auch die Japaner kennen den unter allen Völkern ver-
breiteten Brauch der Zukunfterkundung auf Kreuzwegen
(T s u j i - u r a), nur steht er bei ihnen im klaren Zusammenhang
mit den Zumptgottheiten, die über die Wege wachen, während
bei den anderen Völkern die Waldgeister Bescheid und Hilfe ge-
währen sollen. Frauen und Verliebte beiderlei Geschlechtes
stellen den Zauber an, indem sie sich in dunkler Nacht auf einen
Kreuzweg begeben, in die Erde einen Stock stecken, der
K u n a d o , den zumptigen Gott der Wege darstellen soll und
aus den zufälligen Worten eines Wanderers die Antwort des
Gottes auf ihre bange Frage heraushören. Oder: Du nimmst
einen Buchsbaumholzkamm in die Hand, begibst dich damit auf
einen Kreuzweg und fährst mit den Fingern dreimal über den
Kamm hin, daß die Federn surren (d. h. soviel als : belehr mich !).
Darauf bezeug deine Verehrung Sähe no Kami und wieder-
hol dreimal die Worte: „0 du Gott der Kreuzwegwahrsagung,
gewähr mir eine wahre Antwort !" Gutes oder schlimmes Glück
hängt von den Worten der zweiten oder dritten Person ab, die
des Weges naht. Zuweilen zieht man um sich einen Kreis und
besprengt ihn mit Reis (dem Symbol der Voze), um ungünstige
Einflüsse abzuwehren.")

n) Aston, W. G.: Shinto. 1906. p. 31.

1S) Aston, W. G.: Shinto. (The way of the Gode). London 1905. S. 340 U


— 27 —

1S) Vergl. den sudslav. Brauch, Anthropophyteia. I. S. 2/, Ł und IV.
Erotik und Skatologie im Zauberspruch und Zauberbann.

Wo man die Zumptgötter zur Abwehr böser Geister nicht
zur Hand hat, hilft man sich im japanischen Volke durch Ent-
blößimg der Geschlechtteile oder des Gesäßesf oder auch man
malt die betreffenden Zeichen ans Haus oder an den zu be-
hütenden Gegenstand. In beiden Fällen ist es ein Exhibitionis-
mus, im ersteren ein vorübergehender persönlicher, im letzteren
ein dauernder sachlicher. Auch Ploss-Bartels sprechen
davon, und ich wül ihre Bemerkungen darüber hier wiederholen.

Hierbei müssen wir uns erinnern, daß das Entblößen der
Geschlechtteile bei vielen Völkern als ein unfehlbares Mittel an-
gesehen wird, um die Dämonen zu verscheuchen, wie ja ganz
ähnlich sogar Martin Luther sich des ihn in der Nacht belästigen-
den Teufels nicht anders zu erwehren vermochte, als daß er ihm
das entblößte Hinterteil zu dem Bett herausstreckte.18) Auch
der aus China berichtete Gebrauch, das Symbol der Geschlecht-
teile an dem Hause anzubringen, um die bösen Einflüsse der
Dämonen unschädlich zu machen, möge hier noch einmal ange-
führt werden. Und daß mm in dem uns vorliegenden Falle dem
einzelnen Teile die gleiche Wirkung zukommt, wie dem Ganzen,
das entspricht so recht den Anschauungen, wie wir sie bei Natur-
völkern nicht allein, sondern auch noch bei niederen und manch-
mal sogar bei den höchsten Schichten unseres eigenen Volks-
stammes finden. Es ist einer der unendlich vielen Beweise, wie
vielfache Berührungpunkte in dem menschlichen Denken der
Völker auf den verschiedensten Entwicklungstufen man bei
einiger Aufmerksamkeit nachzuweisen vermag.

Ein anderes häufig angewendetes Mittel zur Abwendung von
Ungemach ist das Ankleben von Darstellungen des männlichen
und weiblichen Prinzips — Jan und Jin — über den Haus-
toren. Diese abergläubischen Vorsichten werden namentlich
dann angewendet, wenn ein Hausbesitzer die Furcht hegt, daß
ein dem seinigen gegenüberliegendes Haus nicht Gemäßheit der
Vorschriften der Erdzauberei gebaut ist. Gray hat zahlreiche
einschlägige Beispiele erlebt; eines sei hier erwähnt. Eng, der
Eigentümer und Insasse eines stattlichen Hauses in Kanton,
schrieb die vielen Krankheitfälle, die sich in seiner Familie er-
eigneten, dem Umstände zu, daß beim Bau eines vis-à-vis befind-

4*


— 28 —

lichen Pfandleihhauses die Grundsätze der Geomantie außer acht
gelassen worden waren. Er wollte das verhaßte Gebäude an-
kaufen, um es niederreißen zu lassen; die Besitzer des Leihamtes
weigerten sich jedoch, es zu verkaufen, und Eng wußte sich nicht
anders zu helfen, als über den Türen seines Hauses Darstellungen
des Jin und des Jan anzubringen.14)

Eine für die meisten Fälle richtige Erklärimg des Exhibitio-
nismus, die unter Umständen auch für den aus religiösen Gründen
geübten gelten dürfte, gibt N ä c k e : „Ich sehe in der Ent-
blößung nur eine Abart des Sadismus. Der Ex-
hibitionist weidet sich am Schreck, Unwillen oder an der Ver-
legenheit der Zuschauerinnen, was sexuell erregend auf ihn wirkt,
zumal, wenn jene junge Mädchen sind. Die andere Erklärung da-
gegen, daß der Exhibitionist sich geschlechtlich aufrege, weil er
die libido im anderen geweckt hätte, dürfte nur in den seltensten
Fällen und nur bei depravierten Mädchen oder Frauen zu be-
obachten sein.1*)

Im Anschluß zu diesen Darlegungen führe ich zur Ergänzung
den Hauptabschnitt aus Edmund Buckleys vortrefflicher
Doktordissertation fast ungekürzt an, um einen Gelehrten zu
Worte kommen zu lassen, der wie kein Zweiter vor und nach ihm
den Zumptkult in Japan selbst erforscht hat.16)

Der Phallizismus bildet einen wesentlichen Bestandteil der
Naturanbetung und muß als solcher, wenn er normal ist, einen
Kult und ein Glaubensbekenntnis aufweisen, obgleich letzteres
teilweise oder gänzlich mit inbegriffen ist und man es nur durch
Fragen den Gläubigen entlocken kann. Den Inhalt von dessen
religiösem Bewußtsein kann man dann mit absoluter Religion ver-

") Ploss-Bartels, D. Weib in der Natur- und Völkerkunde, VEIL Aufl.
Leipzig 1905. S. 275 u. 192 f.

16) Medizinalrat Dr. P. N&cke: Einige psychologisch dunkle Fälle von
geschlechtlichen Verirrungen in der Irrenanstalt. — Jahrb. f. sex. Zwischenstufen.
Leipzig 1903. V. I. S. 204.

10) Phallicißm in Japan. A dissertation presented to the academy of arts,
littérature and science to the University of Chicago in candidacy for the Degree
of Doctor of Philosophy. Chicago 1895. Ich danke dem Verfasser fur die be-
sondere Freundlichkeit, mit der er mir das einzige in Amerika noch auffindbare
Exemplar seiner Arbeit aus der TJniversitätbibliothek von Chicago zur Verfügung stellte.


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gleichen und schließlich auf seine Führung hin erproben. Diese
Sphären religiöser Tätigkeit geben einen passenden Plan, um die
Daten tabellarisch zu ordnen, und wir wollen sie jetzt in der ge-
nannten Ordnimg betrachten. Der phallische Kult, nämlich Ver-
ehrung oder Zeremonien, erfordert eine Betrachtimg von Tem-
peln, Symbolen, Festlichkeiten und Riten.

I. Tempel. Solche Tempel umfassen (1) die voll ausge-
stattete „miya" oder Tempel mit einem residierenden Priester
oder Priestern; (2) die kleine miya mit nur gelegentlicher Ver-
ehrung; (3) die (Stifthütte) bloßen Schuppen, die ganze Reihen von
Zumpten vor dem Regen schützen und (4) eine bloße Um-
zäunung, während der Zumpt im Freien steht. Zur ersten Klasse
gehört eine miya in Kasashima, fünfzehn Meilen südlich von
Sendai, die etwa um 250 v. Chr. von Yamato Takeru No Mikoto
gegründet worden sein soll. Die dort verehrte Gottheit ist
Saruta Hiko No Mikoto, von dem später mehr. Dem
Dienste dieses berühmten Tempels waren einst 16 Priester mit
ihren Häusern ergeben. Zu derselben ersten Klasse gehört eine
miya in Makiborimura in Iwada Ken. Die örtlichen Gottheiten
sind : Izanagi, Izanami und Saruta Hiko, welche
drei zu Konsei Dai Myojin gestellt sind : „Der Wurzel des Lebens,
dem großen leuchtenden Gott." —

Zur zweiten Klasse gehört die Andachtstätte in Kandu, acht
Meilen landeinwärts von Akashi nahe von Kobe, nach der lokalen
Benennimg :Dai Seki Miya oder Rano Seki Miya =
Großer Steinaltar oder Zumpt-Steinaltar. Diese ländliche Ab-
geschiedenheit hat den dortigen riesigen Zumpt vor dem bilder-
stürmerischen Eifer der Reformer geschützt, damit er das Auge
des Archäologen erfreue. Ich hoffe, der moosbewachsenen
Säulen-Gottheit, die ich dort fand, wird noch ein Ehrenplatz in
irgend einem Museum beschieden sein, wenn die aufgehende Sonne
einer genaueren Wissenschaft und eines vornehmen Glaubens das
einfache, wackere Landvolk erleuchtet haben wird, das jetzt die
Befriedigung seiner täglichen Bedürfnisse von ihm erwartet. —
Diese miya hat ungefähr zehn Fuß im Quadrat, ist mit Bildern
aus dem Volksleben geschmückt und an der Vorder- und Rück-
seite mittels eines Holzgitters abgeschlossen, durch das der vier
Fuß hohe Zumpt zu sehen ist, der in einer länglichen Stein-
umfassung steht, sonst aber unbeschützt ist, außer von dem um-
gebenden Bambus - Dickicht. Der Boden innerhalb der Um-


— зо —

friedung ist mit Muscheln bedeckt. Einige Dutzend Schritte von
dem Altar und Zumpt steht eine Voze, in diesem Falle durch das
natürliche Zusammentreffen von drei Felsen gebildet; das ganze
ist etwa fünf Fuß hoch, und es gehört viel Phantasie dazu, sich
daraus eine Voze zu konstruieren, so daß ich nicht zweifle, daß
noch die Zeit kommen wird, wo es ein strenger Forscher ab-
leugnet, daß man sie je dafür gehalten hat. Jeder Zweifel daran,
daß diese rote Felsmasse wirklich göttlich verehrt worden, wird
dadurch zerstreut, daß kleine zahlreiche dünne Papierfahnen die
Inschrift tragen: Osame tatematsuru ehrfurchtvoll gewidmet,
die vor dem Symbol in den Boden befestigt wurden. Die örtlichen
Benennungen für dieses merkwürdige Paar sind : für den Zumpt :
О k k о San und für die Voze : Мекко San, welche Namen
die Ainos dem Hügel, auf dem die Steine jetzt stehen und einer
benachbarten an Form und Größe ähnlichen Anhöhe, auf der sich
der Zumpt früher befand, verliehen haben. Die örtliche Uber-
lieferung bewahrt die Tatsache und die „Japan Mail" vom
22. August 1891 berichtet, daß zu Oakkan und Meakkan Namen
zweier benachbarten Hügel in Yezo sind, wo noch Ainos gegen-
wärtig vorhanden sind. —

Vor der dritten Klasse, dem bloßen Schuppen, fand ich ein
gutes Muster in einem Altar des Zumptes Konsei auf dem Konsei-
Paß oberhalb des Sees Yumoto in der Nähe von Nikko. Daß
dieser Altar bis zur ersten Besitzergreifung des Landes zurück-
datiert, erscheint sicher durch die Ubertragimg seines Namens
auf den Paß, wo er stand. Man kann noch hervorheben, daß
Okko und Мекко auch die Namen der Schamteile waren und ur-
sprünglich ihre Namen den Hügeln gaben, auf denen sie einst an-
gebracht waren. Ich kam auf die Spur dieses Altars durch das
musterhafte Handbook of Japan (III. Auflage) von В. H. C h a m -
b e r 1 a i n und W. B. M a s o n, zwei der bedeutendsten Gelehrten
Japans. Ihre kurze Bemerkung lautet: „Die Uberlieferung sagt,
daß der ursprüngliche Gegenstand der Verehrung aus Gold an-
gefertigt war und später durch einen aus Stein ersetzt worden
ist. Votiv - Gegenstände, besonders hölzerne und steinerne
Embleme, bringt man oft an dem Altare dar. Sehr wenig ist vom
Ursprung des Zumpt-Kultes in Japan bekannt, obgleich er eine
Zeitlang in den ländlichen Distrikten, besonders in den nördlichen
und östlichen, nahezu allgemein gewesen zu sein scheint." Diese
kurze Angabe ist die einzige allgemeine, die bisher über den


1

— 31 —

Gegenstand erschienen ist und vor drei Jahren zweifelohne das
ganze Wissen darüber zusammenfaßte. Die Andachtstätte be-
steht aus einem Holzschuppen, der etwa vier Quadratfuß im Um-
fang hat und einem auf 3 Seiten ringsum laufenden Gesimse, auf
dem einige Dutzend Zumpte in verschiedenen Größen aus Holz
und Stein aufgestellt sind. Knapp daran steht eine große steinerne
Laterne. Auf dem Altar sieht man Namen und Adresse einer
Hotelgesellschaft, die sich besonders an Wallfahrer wendet und
auf deren Kosten vermutlich der Altar restauriert worden war. —

Eine andere Andachtstätte dieser Art ist in Yamada, außer-
halb der Nordweststrecke des berühmten Noiku-San-dem Ise Al-
tars zu Amaterasu — „dem Himmelerleuchter", dem Regenten
des Shinto Pantheons und zwischen zwei Tempeln, der eine für
Oho-yama-tsu-mi-no-kami, d. h. die Gottheit, die
große Berge besitzt, und der andere für dessen Tochter K o - n o -
hana-saku-ya-hime, d. h. „Prinzessin, die glanzvoll
blüht, wie die Blüten der Bäume, die auf dem Berge Tuji thront".
Der Altar umrahmt einen typischen Zumpt und eine Voze neben-
einander, obgleich Dutzende von Miniatur-torii (kleine hölzerne
Tempelgitter) davor aufgeschichtet sind und die antiken Zwilling-
Gottheiten vor dem flüchtigen Beobachter verbergen. Diese torii
hat man anläßlich der photographischen Aufnahme unseres Bildes
entfernt. Im benachbarten Tempel des Ko-no-hana-saku-
y a - h і m e werden die landüblichen Zumpte und Vozen von Per-
sonen, die Kinder, Gatten oder Heilung der erkrankten Ge-
schlechtorgane erflehen, dargebracht oder aufgestellt. Man er-
zählt eine exotische Geschichte von dieser Gottheit, Kojiki 113
und von ihrer Schwester Iwa-naga-hime, d. h. „dauerhaft
wie die Steine", die über den Berg Oyama herrscht und in einem
großen Steine auf der Spitze des Altars symbolisiert ist und von
den Buhldirnen aus Tokyo göttlich verehrt wird. Diesen Stein
sollte man untersuchen, um zu ersehen, ob er eine Voze oder bloß
zur Symbolisierung des Namens der Gottheit dient, wie dies eine
Legende oder Sage erzählt (Kojiki 116).

Zu dieser Klasse gehören wahrscheinlich die in dem Werke
Mikados Empire 33 erwähnten Fälle : Ich habe das Vorherrschen
dieser Altäre und Symbole besonders im östlichen und nördlichen
Japan bemerkt, indem ich mindestens ein Dutzend davon zählte
und zwar an der Landstraße bei einer Wanderung nach Nikko. Die
Unfruchtbaren beider Geschlechter beten sie an oder bringen


ihnen Ex-voto-Geschenke dar. In Sagami, Kadzusa und sogar in
Tokyo selbst konnte man sie aus Holz oder Stein gebildet bis 1874
sehen." Der hier erwähnte Weg von Tokyo nach Nikko ist etwa
100 Meilen lang, und drei Viertel davon gehörten zu einer der
wichtigsten Verkehrwege von Japan. —

Von der letzteren Art, wo die Stifthütte auf ihren ursprüng-
lichsten Entwurf — einen offenen Raum im Freien zurückgeführt
ist, kommen natürlich viele Fälle eines so primitiven Kults vor.
Ein solcher war, wie ich nach den Trümmern schließe, die jetzt
kahle Plattform von Nikko, da man alle die Zumpte in den nahen
Buddhisten-Tempel hinabräumte, wo sie jetzt liegen — zur Be-
ruhigimg der damaligen amerikanischen Prediger, die Einspruch
erhoben, weil der Ort angeblich einer der großen Sommeraufent-
halte für ausländische Familien war. —

Ich übertrage nach einem von Myase Sadao veröffentlichten
und von ihm der Koshiden (alten Geschichte) entnommenen Blatte
des berühmten japanischen Historikers und Archäologen Hivata
Atsutane folgende Fälle. Alle gehören zu der letztgenannten
Klasse oder einer noch zu erwähnenden Unterabteilung :

Zumpt im Freien in Kotakamura, in Katorigori, Provinz von
Shimosa. Desgleichen im Otamura, Inabagori, Shimosa. Des-
gleichen im Ishigimura, Mishimagori, Echigo. Desgleichen in
Shibuimura, Nishi Kasaigori, Musashi.

Zumpt mit Voze, daneben im Matsuzawamura, Katorigori,
Shimosa. „Beide trinken gern Wein und werden daher: Sake
nomi ishi, ,Weintrinkende Steine', genannt." Die Gläubigen
bringen Wein dar, den sie sehr rasch in sich aufnehmen. Vor mehr
als 250 Jahren entfernte sich die Voze nach dem nächsten Dorfe,
infolgedessen konnte keine Ehe zwischen den Bewohnern der
beiden Dörfer geschlossen werden. Vor 62 Jahren brachte man
den Stein zurück. —

Zuletzt kommt eine interessante Untergruppe, die im Freien
steht, sich aber dadurch auszeichnet, daß die Form der Ge-
schlechtteile einem Naturspiel ihre Entstehung verdankt. Ob
menschliche Kunst den Formen der Natur nachgeholfen oder der
Künstler deren Entwurf verschönert hat, kann ich nicht beurteilen,
aber sicher ist, daß manche derartige Steine nichï verfehlen
konnten, die Aufmerksamkeit des primitiven Menschen auf sich
zu ziehen und jene geschlechtliche Lebens-Philosophie anzu-


— 33

regen und zu bekräftigen, auf die der Erforscher der primitiven
Kultur in jedem Weltteile stößt.

Zuerst kommt eine ganze Insel, obgleich natürlich eine von
den sehr kleinen, die viel höher als breit ist und auf dem Scheitel
einige Dutzend Bäume trägt. Sie liegt nordöstlich von Awaji
und heißt „Onokorojima", „freiwillig vereiste Insel" oder
„Eshima", d. h. „Placenta-Insel", von welcher später mehr.

Darnach kommt ein natürlicher Zumpt von mehr als 20 Fuß
Höhe und eine Voze von verhältnismäßiger Größe, etwa zwei
Drittel Meilen entfernt von Inushima in Bizen. Zuletzt steht auf
dieser Fläche von Hiratas ein natürlicher Zumpt und eine Voze
in bequemer Nähe zur Anbahnung einer Zusammenkunft. So
mancher beschädigte den Felsen und ging mit seinem ganzen
Hause zugrunde.

Das ist bloß das Verzeichnis eines einfachen Beobachters
und Forschers, und es bedarf einer Vervollständigung, die leicht
geleistet werden kann, wenn einmal die Aufmerksamkeit auf
diesen Gegenstand als berechtigten Zweig der Naturverehrung
gelenkt ist, als auf eine selbstgewordene Äußerung des religiösen
Gedankens, wenn man nach einem Schlüssel für diesen absoluten
Herrscher der Natur sucht, den die tiefsten Denker noch für
unerforschlich erklären. —

Zuletzt kommen in dieser eigentümlichen Klasse zwei
Gruppen von je vier ungeheuer großen natürlichen Zumpten von
1500—2000 Fuß Höhe in dem Hofe des Buddhisten-Tempels
Reiganji in der Nähe von Kur oki in der Provinz Chikugo in
Betracht. —

II. Symbole. Betrachten wir zunächst phallische Symbole
und hier kann ich nicht umhin, den phallischen Teil meiner
eigenen Sammlung von Shinto-Kultus-Geräten zu beschreiben,
die jetzt im Walker-Museum der Universität von Chicago aus-
gestellt sind. —

Zumpte.

1. Natürlicher von Wasser abgenützter Zumpt aus Stein mit
einem Knötchen, das die glans penis bildet. Von dem frühern
Besitzer als der Zumpt einer Gottheit hochgeschätzt. Cm 22X10.
Aus einem der zahlreichen Bordelle von Yamada, wo sich der
berühmte Altar der Sonnen-Gottheit befindet.

Krauts: Geschlechtleben. 5


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2. Natürlicher vom Wasser abgenützter Zumpt, der Saum
der glans aus einer härtern Schicht gebildet. Cm 9,5X4,8. Aus
dem Tempel von Mizusawa.

3. In allen Beziehungen gleich No. 2 außer in der Größe,
die cm 7.1X2,3 beträgt. Aus Mizusawa.

4. Natürlicher Zumpt, der seinem Original so wenig gleicht,
daß nur seine Herkunft aus einem phallischen Tempel einen
unerfahrenen Fremden zum Glauben bringen könnte, daß er je
für einen Zumpt gehalten wurde. Von dem phallischen Altar
in Tamada.

5. Zumpt aus vulkanischen Gestein gemeißelt, gut ausge-
führt und neu. Cm 20 X 10. Vom Altare auf dem Konsei-
Passe.

6. Zumpt aus gebranntem Ton (Terracotta), vom Alter ge-
schwärzt. Realistisch cm 22X7. Aus einem Bordell in Yamada,
wo er auf dem Kami-dana (guten Gesimse) zu gelegentlicher Ver-
ehrung, wenn ein Hausgenosse ein gutes Trinkgeld erhalten, auf-
gestellt war.

7. Zumpt aus Gußeisen. Cm 9,1X3,2. Aus Mizusawa.

8. Zumpt aus Holz. Cm 17X4.

9. Ein zweiter. Cm 19X4.

10. Ein weiterer rosa gefleckt. Cm 22X6.

11. Zumpt, paarweise gebraucht als Amulet für Knaben.
Ein achteckiger Unterbau mit achteckiger Pyramide darauf,
nelkenfarbig, hochrot und grün gesprenkelt, eine Schnur durch
ein mittleres und ein vertikales Loch gezogen dient um ihn dem
Kinde um die Schulter zu hängen. Aus Mizusawa.

12. Zumpt aus Ton, vergoldet und bemalt, um die shime-
nawa oder den geheiligten Strick darzustellen. Cm 3,5X1,5.
Aus einem Tonwarenladen gegenüber dem Inari-Altar.

13. Zumpt, glans, den Kopf eines sitzenden Mannes im
Festgewande bildend. Ton mit aufgedruckten und gefärbten
Gewändern. Cm 6,5X5,5. Alt von einem Händler in Myajina.
Ein bemerkenswertes Beispiel von Personifikation.

14. Ein Priap, riesiger Zumpt, hellrot gefärbt, Ton.
Cm 4,5X3,5. Aus einem Verkaufladen in Inori.

15. Zumpt in Gestalt eines ungeheuren Pilzes, von einem
Weibe auf dem Rücken getragen, bemalter Ton. Cm 7X2,5.
Aus einer Niederlage in Inare; ein Spielzeug cf. No. 17.

16. Zumpt in Gestalt eines hölzernen Obeliskes; ein Weih-


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geschenk für leichte Entbindung. Cm 12X6. Von einem Altar
in Nikko.

17. Eine Gruppe von 5 aus Holz geschnitzten und bunt
bemalten Gegenständen wie folgt:

a) Fukusuke. Ein Mann in alt japanischer Tracht, mit der
linken Hand winkend. In Verkaufläden häufig, um dem
Geschäfte Erfolg zu sichern. Vergleichen R o b i n
Goodfellow. Cm 14X10.

b) Otafuku. Ein Weib von fettem Schönheitgenre mit der
gleichen Bewegung wie der vorige; beide sind jedem
japanischen Kinde bekannt. Cm 9X5.

c) Zumpt, rot bemalt, mit heiligem Strick umwunden.
Cm 6X4.

d) Zumpt, gelb bemalt, mit Strick. Cm 4X2,5.

e) Hoshi-no-Tama (Juwel der Allmacht). Ein zwiebei-
förmiger Gegenstand buddhistischen Ursprungs. Cm 2X2.
Aus einem Laden in Nikko, wahrscheinlich zum
Spielzeug bestimmt. Die dem Zumpt in dieser Gruppe
zugesellten Gegenstände zeigen deutlich, daß er von dem
Range einer Verehrung genießenden Gottheit zu einem
minder wirksamen Glücksymbol herabgesunken, wie das
Hufeisen, das Füllhorn, der Pantoffel, vermutlich lauter
Symbole der Voze, wie solche heute noch in England
gebräuchlich sind. Dieser Brauch war in Japan noch vor
ungefähr 20 Jahren ungemein stark verbreitet und die
Spielerei- sowie Tonwaren-IIandlungen und die Hausierer
waren reichlich damit versehen (Mikados Empire von
W. E. Griff is, 33).

Eine Feige aus Kandiszucker mit einem zur glans penis um-
gebildeten Stiele, von einem Hausierer bei der Herbstfeier eines
Shinto-Altars in Kyoto verkauft.

Vozen.

18. Natürliche vom Wasser abgenützte Voze aus einem
flachen Stück Schiefer mit unregelmäßiger Peripherie von etwa
4,5 cm im Durchmesser und einer vom Wasser ausgehöhlten
Öffnung nahe der Mitte. Aus Mizusawa.

19. Natürliche Voze aus Quarz, nahe der Mitte tief gezähnt,
aber nicht vom Wasser abgenützt. Unregelmäßig; cm 4X2,6.
Vom Yamada-Altar.

6*


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20. Seeohrmuschel (Haliotis tuberculata), japanisch
Awabi, trägt den Namen des Spenders für den Kande-Altar.
Das lebende Schaltier erinnert so sehr an die Voze, daß japanische
Frauen dessen Namen oft in diesem Sinne gebrauchen. Vom
Kande-Altar.

21. Kaurimuschel, Cypraea porcellana, japanisch Faka-ragai
„Schatzmuschel" ; von unfruchtbaren Frauen im Tempel darge-
bracht, cm 3,6X2,6. Aus einem Laden in Yamada.

22. Eine Pfirsich aus Zuckerwerk, von Hausierern bei ge-
wissen Festlichkeiten an Kunden verkauft, als Symbol der Voze,
wozu deren Einschnitt tauglich zu machen scheint. In Indien
dient die Aprikose dazu. Aus Kyoto.

Vermischtes.

23. Ineinander verschlungene Ringe aus Bambusgras, die
den Beischlaf symbolisieren, wozu man sie gebraucht, konnte
ich nicht erfahren.

24. Votivbild auf Holz von der phallischen Stifthütte in
Konde, einen Tiger darstellend, der den Monat symbolisiert, in
dem der Spender geboren wurde. Cm 32X25.

25. Votivbild aus Holz, ein Pferd darstellend, aus der
phallischen Stifthütte in Yamada. Cm 6X4.

26. Akaza-no-tsue. Stäbe vom Dornstrauch, Chenopodium
album ; aus Mizusawa. Man benützt sie zur Aufrechterhaltung der
Grenzlinien um das Haus herum. Diese Verbindung von phalli-
schen und Abgrenzung-Vorstellungen bei einem Tempel des
Saratahiko, dessen Epitheton lautet : D e s o j і n = Wege-
beginnender Gott, was sich auf seine Tätigkeit eines Führers
(Kojiki 33) beziehen mag und dieselbe dreifache Vorstellung, wie
in der Gestalt des Hermes erweckt. Ein anderer Beweis für die
Identität zwischen dem Zumpt und dem Gott der Wege erscheint
in S a t o w s Aufsatz in der Westminster Review. Sollte der in
das Feld gesteckte phallische Stab dem Acker Fruchtbarkeit ver-
leihen und gleichzeitig als Grenzmarke dienen, schließlich als
Schutz für die Wege gesetzt sein, die natürlich oft an Grenzgehege
dahinf ühren ?

27. Ginseng, Ingwerkraut, chinesisch Genseng, japanisch
Ninjin. Das beste wächst in Korea. Der Preis nach dem Grade
der Menschengestaltähnlichkeit der Wurzel, die allerdings in
manchen Fällen bemerkenswert ist. Die schönsten Exemplare


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bezahlt man mit 3 Dollars, zum medizinischen Gebrauche, da sie
als Panacée gelten. Es ist die Mandragora der Genesis 30, doch
nicht die Pflanze, die man in den vereinigten Staaten irrigerweise
so heißt.

Zaubermittel.

Von allen Kultgeräten kommen Zaubermittel aus Papier am
häufigsten in Japan vor, und in jedem Haus finden sich einige
Dutzende davon vor. Unter den verschiedenen Arten kommen
auch phallische vor.

29. Ein Zaubermittel, das leichtes Gebären verbürgt und den
Namen K o n s e і hat; cm 11X5.

30. Ein Zaubermittel mit der Inschrift : Am-san-mar-
mori= „Leichter Gebärzauber". Das Papier ist zu einem Drei-
eck gefaltet und enthält einen natürlichen gleichzeitigen, drei-
eckigen, schwarzen Stein; cm 16X8. Diese Form ist einzig unter
all den zehntausendcn Zaubermitteln in Japan und läßt sich durch
nichts erklären als durch ihre Ähnlichkeit mit den äußerlich be-
trachteten Schamteilen, die, wie wir gesehen, z. B. genau dieselbe
ist wie die Form des Stein-Talismans mit der Basis nach oben.
Von der gleichen Farbe ist die berühmte Diana von Ephesus, die
sich jetzt im Museum von Neapel befindet. Ihre vielen Brüste
und der Symbolismus ihrer Gewandimg deuten die geschlecht-
liche Vorstellung an. Aus dem Sumiyoshi-Tempel.

31. Ein Zaubermittel mit der Inschrift: „Ehrsame Gabe an
Gott." Es enthält Reis- und Seegras, dessen Absud unfruchtbare
Frauen trinken müssen ; cm 20X12. Aus dem Sumiyoshi-Tempel.

32. Ein Zaubermittel mit der Inschrift : Samen-Hilfe-Tempel
— göttliche — Eintrittkarte; cm 16X5. —

33. Ein Zaubermittel mit der Inschrift : Sho-ichii
Konsei-dai-myo-iin-tai-hatsu. „Wahrhafter erster
Rang, Lebenswurzel, große, leuchtende Gottheit; großer Zauber."
Rechts und links von dieser Inschrift stehen im Mittelpunkte die
Worte: „Gut für alle Krankheiten unterhalb des Gürtels. Dein
Leben wird lang sein. Gut für schwangere Frauen. Mutter und
Kind werden gesund sein." Innerhalb dieses Umschlags ein
Streifen Papier mit der Inschrift :, До-sai-Saruta hiko-Izanagi. —
Izanami. Chinza - Haraita - tamae - Kiyome de tamae. „Dar-
bringung, Reinigung. Saruta hiko. Izanagi. Izanami. Sitz (der
Verehrung). Gnade der Erlösung und Reinigimg." —


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Samka łiiko wird, wie ich glaube, hier erwähnt infolge eines
Mißverständnisses oder der Ausdehnimg seines ursprünglichen
Amtes als Führer der Ninigi no Mikoto, als dieser aus dem Himmel
herabstieg, Kojiki 107 — 8. Seine ständige Bezeichnung als :
michi-moto, „Wegursprung'4, ist in dem Sinne von „Lebens-
ursprung41 genommen worden, weil er, wie man sagt, der Selbst-
zeugung seinen Ursprung verdankt. Alle mir bekannt gewordenen
Angaben weisen darauf hin, daß seine richtige Stelle in einer Blitz-
sage zu suchen ist. —

Dieses Zaubermittel zeigt Wasserflecken, weil es mit vielen
ähnlichen vor etwa 10 Jahren zur Unterdrückimg des Kults in
einer Schachtel in einen nahen Sumpf versenkt wurde. Als sich
der bilderstürmerische Eifer abgekühlt hatte, fischte man die
Schachtel heraus, und der Eigentümer schenkte in höflichster
Weise diese wertvolle Reliquie eines nahezu erloschenen Kults
einem eifrigen Samler von Kultgeräten. Die höchsten Interessen
der Wissenschaft dürften den Spender vor etwaigen unange-
nehmen Folgen schützen, die ihm jene Leute seiner Umgebung
zuziehen könnten, so sich jetzt des Kultes schämen. Der sehr hohe
Rang des Konsei, der dem des Mikado selbst zunächststeht, zeigt
iie große Beachtung, die dem Kult zuteil wird. Das derzeitige
Vorhandensein eines Zumptes im Garten eines Samurai aus der
alten Krieger- und Gelehrten-Kaste, den ich gut kenne, obgleich
lange von der edlen Familie unbeobachtet gelassen, bietet einen
weiteren Beweis dafür, daß sich der Kult nicht nur auf die niederen
Klassen der Gesellschaft beschränkte.

34. Ein Zaubermittel mit der Inschrift: „Konsei, großer
leuchtender Gott. Ein guter Zauber für die leichte Geburt." Aus
dem Tempel von Mizusawa. —

Bevor ich mich von diesem Gegenstande einem anderen zu-
wende, dürfte eine Warnung vor der Verwechslung von Zumpten
mit andern Stein-Denkmälern, deren es in Japan wie anderswo
verschiedene Arten gibt, nicht überflüssig sein. Nicht jeder auf-
recht stehende Stein oder Block, der länger als dick ist, ist ein
Zumpt, obgleich etwa 90 Prozent der Zumpte in diese Definition
eingeschlossen sind, da die andern entweder wagrecht liegen oder
hängen, jedoch in jedem Falle mit einem Hodensack versehen
sind. Man muß zuerst die Geschichte und die Verwendung eines
Steines erforschen, dann nach einer etwaigen Inschrift suchen und
erkennt dann oft, daß man es mit einer Feldmarke oder einem an


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der Straße stehenden Grabsteine, der nach einer Wallfahrtstätte
führt, oder einem verwitterten Nure-butsu — einem ungeschützten
Bilde eines der vielen Buddhas, oder irgend einem Gedenksteine,
vielleicht irgend eines merkwürdigen, zugrunde gegangenen
Baumes oder einer Hinrichtungstätte zu tun hat. Von allen
diesen Arten findet man in Japan Exemplare, die den beute-
gierigen Neuling leicht irreführen können. Hingegen sind die
jetzt noch existierenden Zumpte und die Erzeugnisse der Hand-
arbeit in Japan infolge ihres Realismus ganz unverkennbar, wäh-
rend die von der Natur hervorgebrachten eine geübte Einbildung-
kraft erfordern.

Phallische Festlichkeiten.

Jeder Tempel in Japan feiert außer den großen nationalen
Festen, eines zu Ehren der Gottheit, der er ganz besonders ge-
weiht ist. Im Jahre 1892 besuchte ich zum zweitenmale die
Andachtstätte in Konde gelegentlich eines Festes, das dort am
18. des dritten Monats (alten Stils) stattfindet. Dieses Fest tritt
nur einen Tag früher ein als das vor der phallischen Stifthütte von
Morioka, und beide fallen offenkundig mit den Frühlingfesten
aller Völker zusammen. Vgl. T у 1 o r , Prim. Culture II, 297.
Dieses Fest bot keine anderen als die bei solcher Gelegenheit üb-
lichen Züge dar. Ein Shinto-Priester, der für diese Gelegenheit
von weither eingetroffen, brachte an dem Altar unter Gebet-
anrufungen die üblichen Gaben an Reis, Kuchen und Früchten dar.
Männer, Frauen und Kinder aus der Umgebung kamen und gingen
wieder, nachdem sie ihre kleinen Gaben dargebracht und ein
kurzes Gebet verrichtet und kauften Erfrischungen in einer der
für die Festzeit nebenan aufgestellten Buden. Die benachbarte
Voze erhielt gar keine Spenden, obgleich sie die Andächtigen
gleichfalls besuchten. Das Benehmen aller war tadellos und ihre
Haltung frei von jeder Verlegenheit, denn der Zweck ihrer Wan-
derung war geradheraus geschlechtliche Gesundheit und Familien-
zuwachs von der Gottheit zu erbitten, deren Attribute sie am vor-
züglichsten in den Stand versetzen, dies alles huldvoll zu ge-
währen. Nachfolgend ein Bericht über eine fragwürdigere
phallische Prozession, den D r e s s e r mitteilt pp. 197—99. „In
dem nächsten Dorfe (auf dem Wege von Tokyo nach Nikko, wo
Griffis ein Dutzend Zumpte sah), in das wir gelangten, hielt
man eine große Shinto-Festlichkeit ab. Tausende Leute lachten,


schrien und folgten einem riesigen Wagen, ähnlich dem Jagger-
nauthwagen in Indien. Auf diesem Wagen ist eine von einer
niederen Brustwehr umgebene Plattform, aus deren Mitte sich ein
dreißig bis vierzig Fuß hoher Mast erhebt, von dessen Spitze die
geschnittenen Papiere flattern, die die Shinto-Religion symboli-
sieren (gemeint ist gohei), während rings um den unteren Teil ein
Zelt aus weißem und rotem Tuch an einem Reifen hängt. Auf
der Plattform sitzen Musiker, die mit Gongen und Pfeifen eine
grausam-künstliche Musik machen, und ein maskierter Schau-
spieler, dessen Darbietungen man sonstwo nicht dulden würde,
treibt sein Spiel. Der Stock dieses Komödianten stellt unzweifel-
haft sicher einen Zumpt vor. Es scheint, daß man, seit es den
Fremden erlaubt ist, das Land zu betreten, die Bräuche vieler
ihrer charakteristischen Merkmale entkleidet und die Symbole in
ihrer Zahl beschränkt hat, während die Prozessionen selbst jetzt
nur selten vorkommen. Das ist im Jahre 1882 niedergeschrieben.
Diese Einschränkung ist auf die Reise der ersten japanischen Ge-
sandtschaft in Europa im Jahre 1872 zurückzuführen/4

„Ich habe nach einem mündlichen Bericht eines Mannes, der
lange in Japan gelebt, von einer Prozession ähnlich der oben er-
wähnten erfahren ; im Mittelpunkte der Handlung wäre ein unge-
heurer Zumpt gewesen, den ein Mann in eigentümlicher Lage
umhertrug. Von dieser prachtvollen Prozession erzählt Hum-
berts. 522—23 in Manners and Customs of the Japanese, daß
diese, die im Jahre 1863 in Tokyo staatfand, nicht eigentlich
phallisch war, obgleich sie einige Verdacht erweckende Gegen-
stände darbot, so z. B. das Modell einer Hummer, eines Büffels und
Affen, und dazu traten sieben Prostitutierte auf, die majestätisch
in Staatskleidern angezogen waren.44

Das folgende Fest kann leicht ein Überbleibsel eines voll-
ständig phallischen sein und bietet Beweise für einen geschlecht-
lichen Symbolismus dar, der jetzt außerordentlich fremdartig er-
scheint. Man hält es in dem Hofe eines Buddhisten-Tempels ab,
der vermutlich die ursprünglich roheren Riten aufnahm und
milderte. Junge Leute beiderlei Geschlechts treffen einander
in diesem Gwanzadaishi-Tempel, der auf dem halben Wege zum
Berge Hiyei mitten in einem Walde liegt, an einem Augustabende
und verbringen die ganze Nacht mit einem eigenartigen Tanze,
bei dem sie gemischte Reihen bilden und sich unter gleichzeitiger
Schwingung der Arme durch das Gedränge älterer und jüngerer


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Leute ihren Weg bahnen, wobei sie eine Dichtung singen, die,
nachdem sie Mitgefühl für einen gewissen Verbrecher namens
Gorobei bei seinem Verhöre vor einem strengen Richter ausge-
drückt, in erotischen Ergüssen eines jungen Weibes gipfelt. Den
symbolischen Teil davon lege ich folgendermaßen aus : „Aus was
für Wörtern soll ich meinen Liebebrief zusammensetzen? Aus
solchen, die sich auf Vögel, Fische oder Gemüse beziehen? Ja,
ja, da ich eine Grünzeughändlerin bin, werde ich die Namen von
Gemüsen anwenden?44 Nach mehreren vegetabilischen Metaphern
und Wortspielen, die den passenden Ausdruck ihrer Leidenschaft
bilden sollen, fährt sie fort: „Möchtet Ihr gern die erste Frucht
der langen Bohne kosten? Wenn nicht, wollt Ihr versuchen die
haarlose Pfirsich zu brechen ? O schnell ! Ich sehne mich nach
dem Beischlaf mit dir !44

Schließlich ist das ein hübsches Stückchen geschlechtlicher
Metapher, das Bände spricht für die Vertraulichkeit primitiver
Zeiten mit solchen Symbolen, aus welchen Zeiten das Manye-
fushifu, wo es vorkommt, zurückweist. Weiße Menschen scheinen
synonim mit haarlosen Pfirsichen zu sein. Allgemein stellt man
natürlich die Voze im Orient schwarz dar, den Zumpt aber, wenn
überhaupt, färbt man rot. Es ist nötig kurz zu bemerken, daß
sich das Gedicht auf eine Art von Prophezeiung bezieht, die
Tsujiura „Weg der Wahrsagung44 genannt wird, wobei die Person
einen Stock in den Weg steckte, ihm Gaben darbrachte und von
ihm eine Antwort erflehte.

„Als ich hinausging und auf dem Wege stand und das Abend-
orakel befragte, wann er wieder kommen würde? Wer ging da
über des Liebchens Berg und über des Geliebten Berg und sagte,
daß er die Awabi-Muscheln auflesen würde, die in der Waldregion
an die Küste kommen? Das Abendorakel sprach zu mir:
„Liebchen! Der, dessen Du harrst, kommt nicht, er sucht die
weißen Muscheln, die sich auf den Wellen der hohen See nähern,
die die Strandwellen anschwemmen. Er kommt nicht. Er liest
sie auf. Wenn er lange ausbleibt, werden es längstens acht Tage
sein. Er hat Dich gehört. Klage nicht, mein Liebchen.44 (Trans.
As. Soc. VII. p. 427.)

Rituale. Mir ist kein bestimmtes Ritual für den Zumpt
bekannt. Es findet sich auch keines im Verzeichnis der Yengis-
hiki, der offiziellen Sammlung der Ritualien, die im Jahre 927
n. u. Zeitrechnung verfaßt wurde. (Trans. As. Soc. Vol. 7, II.

Kriuss: Gesctalecfatleben. 6


— 42 —

pp. 103—4.) Die improvisierten Gebete, die man in diesem Falle
hersagt, sind immer eine Bitte um etwas gutes, das im Zusammen-
hange mit der Zeugung steht, so z. B. verbürgt der Zauber von
Makibori leichte Geburt, Gesundheit für Mutter und Kind,
Heilung der erkrankten Geschlechtorgane und langes Leben.
Anfragen von Verehrern locken ähnliche Vorstellungen hervor,
die in der Praxis wieder zum Vorschein kommen, indem man
während der Entbindung einen Zumpt von einer nahen Stifthütte
entlehnt und bei glücklichem Ausgange zwei neue dafür zurück-
stellt. —

Phallizismus im Kojiki. Nachdem wir einige vor-
handene Angaben geprüft, sind wir in der Lage, die Auslegung
von zwei Stellen im Kojiki, dem heiligen Shinto-Buche versuchen
zu können. Man setzte es im Jahre 712 auf, als man Ver-
gleichungen mit den bestehenden Uberlieferungen zu dem Zwecke
vornahm, um sie auf ein göttliches Zeitalter zurückzuleiten, das
etwa 1500 Jahre vorher abschloß. Keiner der mir bekannten
Shinto-Gelehrten hat sich in irgend eine in Einzelheiten ein-
gehende Auslegung der Kosmogonie eingelassen, die den Band I
von Kojiki bildet. Die allgemeine und übrigens sichere Angabe, daß
das Shinto eine Zusammensetzung von Ahnen- und Natur-Kultus
ist, hat kein Schriftsteller außer M. S a t o w behandelt, der in
'seinem Aufsatz in der „ Westminster Review14 tiefer in den Gegen-
stand einging, der aber auch alle besonderen Sagen berücksichtigt
und zudem die Abschnitte 3 und 4 erwähnt, von denen wir hier
B. H. Chamberlains Ubersetzimg wiederholen, die in der
Trans. As. Soc, Supplement zum X. Bande erschienen. —

3. Abschnitt. „Worauf alle himmlischen Gottheiten den
zwei Gottheiten befahlen. Seine Hoheit der Mann, der einladet
und Ihre Hoheit die Frau, die einladet, befahlen ihnen: zu er-
schaffen, zu befestigen und entstehen zu lassen, dieses treibende
schwimmende Land. Sie gewährten ihnen einen himmlischen,
juwelenbesetzten Speer, sie würdigten sie mit diesem Auftrag.
So stießen die zwei Gottheiten, auf der schwimmenden Himmel-
brücke stehend, den juwelenbesetzten Speer hinab und steuerten
mit ihm, wie jene geruht hatten ihnen aufzutragen. Worauf die
Salzflut, als sie sie aufgerührt hatten, zu wirbeln und zu gurgeln
begann, und als sie den Speer hinaufzogen, tropfte das Salzwasser
von dessen Ende ab und verwandelte sich zu einer InseL Das
ist die Insel Onogoro." —


— 43 —

4. Abschnitt. „Als sie vom Himmel zu dieser Insel herab-
gestiegen waren, gingen sie an die Errichtung eines erhabenen
Himmel-Pfeilers, sie gingen an die Errichtimg einer acht Faden
hohen Halle. Tum quaesivit Augustus Mas-Qui Invitât a minore
eorore Augusta Feminâ qui invitât: ,Tuum corpus quo in modo
factum est?1 Respondit dicens: ,Meum corpus crescens crevit,
sed una pars est quae non crevit continua/ Tunc dixit Augustus-
Mas-Qui-Invitat : ,Meum corpus crescens crevit, sed est una pars,
quae crevit superflua. Ergo an bonum erit ut hanc corporis mei
partem quae crevit superflua in tui corporis partem quae non
crevit continua inseram et regiones procream?1 Augusta-Femina-
Qui-Invitat respondit dicens : ,Bonum erit ! Tunc dixit Augustus
M. Q. I. : ,Quod quum ita sit ego et tu, hanc coelestem augustam
columnam circumeuntes mutuoque occurentes augustarum
(i. e. privatarum) partium augustam coitionem faciemus/ Нас
pactione facta dixit (Augustus M.-Q.-I.) : ,Tu a dexterâ circumeuns
occurre; ego a sinistra occuram/ Absoluta pactione ubi circu-
mierunt, Augusta F.-Q.-I. primum inquit : ,0 venuste et amabilis
adolescens!4 Deinde Augustus M.-Q.-I. inguit: 0 venuste ama-
bilis virgo !4 Postquam singuli orationi finem fecerunt (Augustus
Q.-M.-I.) locutus est sorori dicens: ,Non decet feminam primum
verba facere.4 Nihilominus in thalamo (opus procreationis) ince-
perunt et filium (nomine) Hirundinem (vel Hirundini similem)
peperunt/ Dieses Kind legten sie in ein Boot aus Rohr und ließen
es wegschwimmen. Darnach erschufen sie die Insel Aha. Auch
dies wird nicht unter ihren Kindern aufgezählt/4

Nun sind wir der Ansicht, daß vom Anfang bis zum Ende
dieses Bandes I eine Reihe von Naturmythen dargeboten wird,
die der Auslegung noch offen stehen und daß unter diesen die
Abschnitte 3 und 4 der Entwurf zu einer Kosmogonie sind, die
in Benennungen eines phallischen Symbols im 3. Abschnitte
und einem phallischen Brauche im 4. Abschnitt — zum Ausdruck
gelangt. —

Vorerst wird niemand die Durchsichtigkeit der Epitheta:

„Mann, der einlädt, und Frau, die einlädt44, leugnen wollen. Sie

sind gerade das ergänzende, so unerlässliche Paar für die nach

rückwärts verlegte Wiedererzeugung, die man als die Urzeugung

auffaßt. Hirata, ein japanischer Altertumforscher ersten Ranges,

hält den juwelenbesetzten Speer für einen Zumpt und die Hoden

6*


— 44 —

(Trans. As. Soc, Vol. III. Appendix, p. 59), während die Insel
Onogoro infolge ihrer eigentümlichen Form in der Volksphantasie
als ein Zumpt gilt, der viele solche in seinem Innern ringsum
zerstreut enthalten soll. Der fruchtbare Hirata läßt sich wieder
in den Inyöseki so vernehmen : „Das ist Onokorojina etc.... Es
steht allein und hat keinen Zusammenhang mit seinen Wurzeln.
Es steht mitten in den Wogen und bewegt sich niemals, auch
nicht beim heftigsten Erdbeben. Auf der Insel gibt es viele eigen-
tümliche Steine, viele von ihnen sind wie männliche oder weib-
liche Geschlechtorgane gebildet. Die Steine bringen eine tau-
ähnliche Flüssigkeit hervor und haben an der Außenseite einen
mineralischen Geschmack, während sich innerhalb Sand und
Erde befinden." Obgleich Hirata diese Angabe erst 1812 nieder-
geschrieben und die Phänomene alle natürlich sind, ist sie doch
durch die mythenbildenden Phantasien des Kojiki natürlich vor-
datiert, dessen Verfassern die Insel wohlbekannt war, und die
auf diese Weise offenbar die Grundzüge der Mythe schufen. Die
einzige Notwendigkeit für die dichterische Phantasie war das
ursprüngliche Paar, den künstlichen Zumpt und die phallische
Insel zu einem zusammenhängenden Ganzen zu gestalten — das
ist es, was im 3. Abschnitt geschieht. Was für einen Grund
Hirata für seine Ansicht über den juwelenbesetzten Speer hatte,
ist nicht festzustellen, aber die japanische Archäologie gibt
monumentale Beweise für das Vorhandensein verschiedenartiger
phallischer Stäbe und Steine aus der Steinzeit.

Diese Steine oder Steinstäbe in der Lokalsprache „Raitsui",
d. h. Donnerkeile genannt, hat neben zahlreichen anderen Über-
resten in einer bewunderungswürdigen Monographie der Besitzer
der schönsten Raitsui-Sammlung in Japan, der gewesene Gouver-
neur T. Kanda in Tokyo geschildert. In dieser Monographie
zeigen T. 7 und Figur 2 und 4; T. 8, Figur 8 und T. 9, F. 1, ein-
geschnittene Figuren, die offensichtlich die Voze ist, in voller
Übereinstimmung mit einer anderen Angabe Hiratas, daß der
juwelenbesetzte Speer an sich die Form des weiblichen
Geschlechtteiles (Inyöseki) trage.

Im 4. Abschnitte führt unsere mythische Kosmogonie zu-
erst die Vereinigimg als einen Weg zur Urzeugung an, nachdem
sie im ersten und zweiten Abschnitte Bezeichnungen für irdische
Bewegung und Pflanzenlegen gebraucht hat und im 3. Abschnitte


— 45 —

ein Gemisch von Ausdrucken für irdisches und tierisches Leben.
Unsere früheren Untersuchungen machen die Bedeutung „des
himmlischen hohen Pfeilers44 ganz klar, während außerhalb dieser
Verbindung die gebrauchten Ausdrücke unverständlich oder zu-
mindest als auf Vermutungen aufgebaut erscheinen müssen.
Offenbar war es ein Zumpt. Was die parallele Lesart im
Nikongi, einem nahezu zeitgenössischen nach chinesischer Art
rationalisierenden Bericht über die japanische Geschichïe an-
betrifft, den Mr. Chamberlain folgendermaßen übersetzt :
Sie machten die Insel Onogoro „zum Zentralpfeiler des Landes44,
was er „für rationeller44 hält als den Bericht in Kojiki, so ruht
offenbar die Wahrheit darin, daß es „rationeller44 ist, doch nur
für jene, die der oben beschriebenen phallischen Phänomene nicht
gewahr werden, oder denen sie ein verschlossenes Buch sind. Im
Gegenteil, im Lichte dieser Phänomene sind die Darstellungen im
Kojiki vollständig begründet. Textliche Wahrhaftigkeit kann nie
besser sichergestellt werden als durch die Archäologie. „Die acht
Faden hohe Halle44 war wahrscheinlich ein Beischlafhaus. B. H.
Chamberlain schreibt in seiner Einleitung zu Kojiki
XXVIII: „Es scheint auch nicht als unwahrscheinlich, daß sich
jung verheiratete Paare hiefür in eine besonders errichtete Hütte
zurückzogen, nur zu dem Zwecke, um die Ehe zu vollziehen, und
es ist sicher, daß für jeden Herrscher bei solchem Anlaß ein neuer
Palast erbaut worden.44 (Trans. As. Soc Vol. X. Supplem.)
Chamberlain gründet zweifellos seine Ansicht auf die
Einzelangaben im Kojiki von einem Thalamos als dem Orte der
ersten ehelichen Vereinigung zwischen Mann und Frau. Solcher
Erwähnungen kenne ich drei, nämlich S. 20, 66 und 75 und notiere
weiter Folgendes, das denselben Zweck anzudeuten scheint :

„Acht Wolken steigen auf. Der achtfache Zaun von Idzumo
bildet eine achtfache Umfriedung für die jungen Eheleute,
damit sie sich innerhalb deren zurückziehen. Oh! dieses acht-
fache Gehege !44 (Trans. As. Soc. Vol. X. Supplem. 64.)

Das Haus für das Gebären wird Kojiki 118 beschrieben als
8 Faden lang, und das ist die Länge des Vereinigunghauses in
unserer Lage, da acht als die vollkommene (runde) Zahl bei den
Japanern gilt, und vermutlich oft in dem Sinne von passend oder
schicklich gebraucht wird. Der Zweck eines solchen Vereinigung-
hauses wird jenen einleuchten, die mit dem ursprünglichen Amte


— 46 —

von des Bräutigams „bestem Mann" vertraut sind, als dem Be-
schützer des Ehevollzuges, wenn die Ehe auf Raub beruhte, sowie
mit den scherzhaften Stönmgen des Brautpaares, nachdem es sich
zurückgezogen. Was z. B. selbst in England bis ins sechzehnte
Jahrhundert nach Brands Antiquities vorkam. Die Folge des
IV. Abschnittes deutet vielmehr an, daß die Säule im Thalamos
stand, aber ob innerhalb oder in der Nähe, wird das Ringsumlaufen
um sie herum vor Vollzug der Ehe, am besten im Lichte jener
Aufzeichnungen verstanden werden, die sich irgendwo mit Hin-
blick auf den phallischen Kult finden, von denen, die auf Frucht-
barkeit bezügliche hier sicher das richtige trifft. In Japan sowohl
wie anderwärts unter patriarchalischer Herrschaft primitiver
Zeiten galt ein Paar für um so reicher, j^ mehr Kinder es hatte,
und um so reicher wird es wahrscheinlich auch noch werden, und
eine Anerkennung wie die Konseis müßte man auch als wirksam
zu diesem Zwecke ansehen. Wenn dem so ist, wäre nichts natür-
licher, als daß sich die mythenbildende Phantasie in so vertrau-
lichen, üblichen Ausdrücken über die fruchtbare Vereinigung aus-
spricht, der nichts Geringeres entsproß als die Inseln des gött-
lichen Japan, wie dies die weiteren Abschnitte erzählen. Die
späteren Shinto-Apologen des siebzehnten und achtzehnten Jahr-
hunderts glätten alle Schwierigkeiten, indem sie feststellen, daß
die Inseln seit ihrer Geburt ungeheuer gewachsen sind ! Ich gebe
zu, daß diese Auffassung alle speziellen und konkreten Angaben
der Sage bekräftigt, wie keine andere es vermöchte, wenn sie
Rechenschaft zu geben hätte über ein sinnloses Gemengsei von
Vorstellungen, die derart abschließen, daß man das Ganze nur
für eine unzüchtige Erzählung halten müßte, für die unzweifel-
haft allgemeine Roheit der Sitten und Bräuche im ursprünglichen
Japan wie anderswo unter den gleichen Bedingungen keinen ge-
nügenden Grund zu bieten scheint. —

Der Phallische Glaube.

Zu jedem Kult gehört ein Glaube, der darin eingeschlossen
oder ausgedrückt ist, sei es in Schriften oder in mündlicher Über-
lieferung. Der Glaube ist im phallischen Kult mit inbegriffen.
Er teilt seine Weltanschauung mit der Naturanbetung, von der er
eine Phase bildet, indem er ein höheres Wesen, einen Geist oder


— 47 —

eine Gottheit in Gegenständen verkörpert, die entweder von der
Natur gebildet oder künstlich dargestellt tierischen Zeugimg-
organen ähnlich sind. Ich schreibe mit Bedacht : „verkörpert in",
indem ich dabei besonders an die natürlichen Zumpte denke, die
viel höher geschätzt werden als die künstlich hergestellten, und
da man sie in der Natur vorfindet, kaum für etwas anderes ge-
halten werden können als für das wirkliche Organ des Gottes. Der
Mystizismus würde alle Schwierigkeiten in der Hinsicht beheben.
An solchen höheren Wesen, worunter alles mit inbegriffen ist, was
der Japaner „kami" nennt, und was zumeist mit „Gottheiten oder
Gott" übersetzt wird, wandte sich der Urmensch in seinen Nöten
und an jenes Besondere, das in der Sphäre vorherrscht, in der seine
Not liegt. Daher kommt der phallische Kult, der als natürlich,
schicklich und rechtmäßig ein System der Verehrung, gleich der
Sonnen- und Feuer-Anbetung, bildet und nur infolge roher Miß-
deutung mit Unzucht in Verbindimg gebracht werden kann, ob-
gleich das oft von solchen geschieht, die, jeder sympathischen,
historischen Phantasie bar, nur darauf ausgehen, auf eine Moral
hinzuweisen und eine Erzählung auszuschmücken. Da der ganze
Symbolismus, obgleich höchst natürlich und bezeichnend und für
die stets geheimnisvolle Lebenskraft der Natur unschicklich, für
uns gewonnen ist, die wir die Gepflogenheit haben zu sagen:
„Gott ist ein Geist", bietet keinen Beweis dafür, daß die erste
Meinung die oben erwähnte war. Cf. Mythologie der arischen
Nationen von G. W. C о x 449—60.

Ich schrieb im vorhergehenden Absatz, als ob der Gegen-
stand des phallischen Kults ein einziger Gegenstand wäre: der
Zumpt ; und wenn der Leser diese Angabe ohne Widerspruch an-
genommen hat, so hat er nur in Übereinstimmung mit der allge-
meinen Behandlung gedacht, die es irrtümlich unterläßt, die Dua-
lität des Kults deutlich zu betonen. Wir sprechen von Phallizis-
mus und die Deutschen vom Phalluskult und lassen absichtlich
den Vozenkult beiseite, obgleich dieser, wenn überhaupt, nur um
ein Geringes weniger vorherrscht als der Zumptkult. Denn ge-
rade so, wie der Ausdruck Mensch für die ganze Menschheit, d. h.
Mann und Weib, gebraucht wird, so dient „Phallizismus" für das,
was richtig „Phalloktenismus" heißen sollte, d. h. Kult des
P h a 11 o s (Zumptes) und der K t e і s (der Voze). Dieser Dua-
lismus zeigt sich in Indien in der üblichen Nebeneinanderstellung


— 48 —

von „linga*4 und „yoni" ; von „masseba44 und „ashera44 in Syrien
(ich fasse masseba als das männliche Symbol auf), in Griechen-
land des Phallos und der Kteis (Monuments des Dames Romains,
Tafel 60, Mythology of the Aryan Nations, C. W. C о x 362), in
Ägypten des Kreuzes und des Ringes zur crux-ansata ver-
einigt, in China des y a n g und у i n . . . wie man sie im korea-
nischen Wappen vereinigt sieht, auf japanisch : futatsu-to-
m о у e genannt und schließlich in Japan von у о s e k і und
і n з е к і.

Dieser Dualismus ist ebenso auffällig bei den mehr ver-
menschlichten Gegenständen der Verehrimg, die durch Zumpt und
Voze dargestellt werden. Der Hinduismus ordnet Kali dem Siva
bei, dessen Symbole insbesondere Zumpt und Voze sind. Und
Minakshi — die örtliche Gottheit in Madura, identisch mit Kali
— wird jede Nacht fortgetragen, um das Lager des Sundaresvara
zu teilen, cf. MonierWilliams Brahmanism and Hinduism
p. p. 223—25. Tatsächlich weiht in Indien, wo man sowohl Ver-
nünftiges als Unvernünftiges versucht hat, eine ganze Sekte, die
der Saktas, ihre ganze Aufmerksamkeit dieser weiblichen Seite
der Natur; in Syrien ist Astarte dem Baal beigeordnet, in
Ägypten Isis dem Osiris, in Griechenland dem Dionysos (Mytho-
logie der arischen Nationen C. W. Сох 362) und im Norden
Europas Frey a dem Freyr, und jede dieser Gottheiten empfing
oft ausschließliche Verehrung, gewöhnlich mit derselben demo-
ralisierenden Wirkung wie in Indien. Manche Gelehrte weisen
auf Mariolatry als das letzte Beispiel derselben Tendenz hin
(Mythologie der arischen Nationen C. W. C о x 365). So offenbar
nötig ist die Dualität zur Zeugung, daß dort, wo ein Gatte fehlt,
weibliche Eigenschaften dem männlichen Wesen zugesprochen
werden, wie bei Quetzalcotl, dem „Gott der Zeugung bei den
Azteken44 (American Hero Myths, В r i n t o n 127). —

Ähnlich finden wir in Japan die Paare Kami-musu b і -
o - k a m і und Takami-musubi-o-kami : „der göttliche
Zeuger44 und „die göttliche Erzeugerin44 — wie es manche über-
setzten (Parliament of Religions J. H. Barrows, 462; Vor-
träge über Shinto, Professor Matsuyama, in Kyoto. Kakemono
von Izumo o Yashiro) und wieder Izanagi und Izanami, „der
Mann, der einlädt44 und „die Frau, die einlädt44, die von einge-
borenen Christen mit Adam und Eva verglichen werden und zwar


— 49 —

zuerst ganz naiv aber doch den Nagel auf den Kopf treffend, da
beide Paare der phallischen Mythe angehören, obgleich sie sich in
der nachfolgenden Entwicklung der Sittenlehre und daher auch
dem religiösen Werte nach voneinander sehr unterscheiden. Aber
in Japan, wo wie in Indien der Phallizismus noch gegenwärtig
als lebendiger Glaube besteht, wird es möglich, diesen Dualismus
in einer Anzahl von Einzelheiten nachzuweisen, die, wie ich
glaube, auf andere Weise nicht leicht zu erklären sind. —

Ein ganz unzweideutiger Fall ist der von den verschlungenen
Ringen aus Bambusgras, die eigens dem Zweck dienen, den Ge-
schlechtakt darzustellen. Ebenso bezeichnend ist die Dar-
bringung von Awabi-Muscheln (No. 20) — der Symbole der Voze
— vor dem Zumpt und nicht der Voze zu Kande. Eine Frau ent-
lehnt umgekehrt aus dem Mizusawa-Tempel einen Zumpt und
nicht eine Voze, der ihr bei der Entbindung helfen soll. In Ya-
mada wird die Gegenseitigkeit nur insofern anerkannt, als man
Votivgegenetände beider Geschlechter darbringt.

Ob man irgend eine Unterscheidimg betreffs der Gottheit
macht, vor der man die Weihegeschenke aufstellt, ist mir nicht
bekannt geworden. Die geltende Regel, dort einen Zumpt zu
opfern, um einen Gatten oder Sohn zu erlangen und eine Voze,
um eine Frau oder Tochter zu erbitten, schließt den allem Zauber
innewohnenden Hintergedanken ein, daß Formähnlichkeit mit
einem Ding Macht über das Ding sichere. Hieher gehört auch,
daß man dem Zumpt auf dem Konsei-Paß nur Zumpte darbringt.
Vielleicht stellt sich als eine weitere Einzelheit für den zu jedem
fruchtbringenden Ausgange nötigen Dualismus der Brauch dar,
Zumpt und Voze in Matsuzawa mit Wein zu begießen, die ihn
rasch austrinken sollen, wie zufolge der Angabe Hiratas die
Zumpte und Vozen auf Onogoroshima eine tauartige Flüssigkeit
absondern. Ebenso opfert man kleine hölzerne Votivtäfeichen,
die den Umriß eines Pferdes zeigen vor dem Pfeilerpaar in
Yamada. Dieses Pferd kann kaum etwas anderes bedeuten als
nach buddhistischem Symbolismus : die befruchtende Regenwolke
(Indian Buddhism T. W. Rhys-Davids 133). Der Regen,
der aus dieser Wolke vom Himmel zur Erde fällt, ist in den
kosmischen Mythen vieler Völker das imprägnierende Medium
zwischen Himmel und Erde. Läge nicht der Fall vor, daß das

Kmtss: OttfMtrhfltfrfii 7


50 —

hosbi-no-tama „Juwel der Allmacht44, gleichfalls ein bud-
dhistisches Symbol auf der heiligen Ise-Stifthütte in dieselbe
Stadt eingeführt ist, würde ich zögern zu glauben, daß irgend
ein buddhistisches Symbol in diese Feste des Shinto eingedrungen
sei. Wie ich indessen später erfuhr, dürfte es doch shintoischen
Ursprungs sein. Das Pferd kann jedoch mit dem geheiligten
weißen Pferde, das man allgemein auf großen Shinto-Stifthütten
findet, verglichen, den Beweis liefern, daß es ein Überbleibsel
des großen Pferdeopfers des mongolischen Shamanismus ist, von
dem das Shinto abstammt. Mit dieser japanischen Vorstellung
von Befruchtung vergleiche man den Wasseraufguß mit Heidel-
beerkraut und Ringelblumen in dem indischen Kult des linga-
yoni (Brahmanism and Hinduism, M. Williams 439). Und
letztlich erscheint in der von D r a p e r beschriebenen Pro-
zession ein abwechselnd als Mann und Frau gekleideter Schau-
spieler, womit man die Vertauschimg der Gewänder in abend-
ländischen Orgien vergleiche. Weitere Angaben mögen für die
ihnen hier angewiesene Stellung einer Berichtigung bedürfen
und man darf hoffen, daß die Fähigkeit dazu noch viele Forscher
in Japan erwerben werden, bevor die ursprüngliche, formale
Biologie, der modernen sogenannten kausalen Wissenschaft den
Platz geräumt hat. Jedenfalls muß man noch einige besondere
Gründe dafür finden, warum die dem Zumpt und der Voze dar-
gebrachten Opfer doppelt oder wechselseitig sind. Eine Parallele
zu diesen Gebräuchen außerhalb des Phallizismus ist mir weder
in Japan noch außerhalb dieses Landes bekannt, denn die dort
so oft zweifach auftretenden Füchse sind sogenannte Diener des
Inari-San und man bringt sie ihm, nicht dem Fuchse
selbst dar.

Der Glaube oder der geistige Gegenwert des phallischen
Kultes beruht darin, daß die Zeugung von zwei Gottheiten über-
wacht wird, die zueinander in Beziehungen von Mann und Weib
stehen und am besten durch ihre Zeugungorgane, die man zu
Land und im Wasser findet, dargestellt werden. Man verehrt sie
also am geeignetsten durch die Darbringung ähnlicher Gegen-
stände, die vom gleichen oder dem der betreffenden zu ehrenden
Gottheit entgegengesetzten Geschlecht sind. In dem Falle des
Konsei, den man in der Gegend von Yumoto ohne jede
geschlechtliche Genossin verehrt, legt man den Nachdruck,


51

wie so häufig auch bei andern Kulten, auf das männliche
Element.

Unsere Erklärung dieser Art von Glauben ist klar und un-
umstößlich und wird gleichermaßen für alle Glaubensbekennt-
nisse gelten. Die geistige Höhe und der daraus abzuleitende
Wert der Götter wechselt einzig und allein und geradenwegs mit
der geistigen Höhe ihrer Anbeter. Zeigt mir Euren Menschen,
und ich will Euch seinen Gott weisen !1T)

17) Eine hübsche Ergänzung zu Backleye Studie lieferte Josef Schedel,
Phalluskultue in Japan, Verhandlungen der Berliner Anthropolog. Gesellschaft.
Ztschrft f. Ethnologie, XXVH. Berlin 1895. S. 629 ff.

7*



II

la

Die vaterreehtliehe Ehe.

Die Ausübung* des Beischlafs und die religiösen An-
schauungen. — Die Ehelosen. — Braut und Bräutigam.
Die Eheschließungform. — Die Ehe auf Zeit. — Die
Vielweiberschaft. — Ehebruch und Scheidung.



Das alte Sintomoralgesetz kennt nur wenige Sünden, von
denen man sich bei der zweimaligen großen Reinigung im Jahre
zu säubern hat, als da sind : Blutschande, fleischliche Vermengung
mit Tieren, Verwundung des Nebenmenschen, Zauberei und be-
stimmte Störungen des regelmäßigen landwirtschaftlichen Be-
triebes. Die Götter schauen nur darauf, daß ihnen kein wesent-
licher Abbruch geschieht, sonst dürfen die Menschen tun und
lassen, was ihnen behagt. Das Sinto, sowie jede Naturreligion
lehrt uns deutlich, daß Religion und Moral von Anfang an mit-
einander nichts gemein haben.

Die Ausübung des Beischlafs hat vollends nichts mit der
Religion zu schaffen, darum kennt das Sinto auch keine heiligen
Heirat- oder Hochzeitgebräuche. Der erste Beischlaf mit einer
Jungfrau pflegt mit einem Blutverlust der Braut zu enden und
Blut verunreinigt. Darum gab es in älteren Zeiten überall in
Japan Beischlafhütten für Brautleute. Man suchte zwar Jung-
fern zu Tänzerinnen vor Göttern aus, doch daran ist nicht viel
besonderes. Wenn bei uns hochstehende Persönlichkeiten mit
ihrem Besuche eine Kleinstadt oder ein Dorf auszeichnen, schickt
man auch ihnen die besterhaltenen Jungfrauen zur Begrüßimg
entgegen und die sind ebensowenig als die japanischen Tänze-
rinnen verpflichtet, die Keuschheit bis an ihr seliges Ende zu
bewahren.

Vor fünfzig Jahren, so erzählte mir mein Vater, kam ein
elavonischer Kaufmann zu Markt nach Pest. Nach Besorgung
seiner Einkäufe sagte er zu seinem Geschäftfreunde: „Ich bin
seit drei Wochen vom Hause weg und habe ein unbezwTinglich Be-
dürfnis nach einem Frauenzimmer. Ein Bordell zu besuchen, ist
mir zu widerwärtig. Könnten Sir mir nicht aus Freundschaft zu
einer gesunden Hausmannkost verhelfen?" — „Ohne weiteres.
Das ist hier leicht zu haben. In der Q.-straße wohnt im ersten


66 —

Stock eine junge schöne gesunde Witwe. Die gibt sich Ihnen gern
auch umsonst hin. wenn sie ihr aber fünf Gulden spendieren, so
kennt sie sich vor Freuden gar nicht aus." — Auf des Slavoniers
\nlauten öffnet ein sauberes Stubenmädchen die Tür und bittet
ihn, rechts bei der gnädigen Frau einzutreten. Arglos öffnet der
Kaufmann die Stubentür und will schnell zurück, als er in einem
fein eingerichteten Salon eine wunderschöne Dame in Trauer-
kleidern vor einem Heiligenbilde auf dem Betschemel kniend er-
blickte, die Dame winkte ihm aber zu bleiben und sich auf dem
Divan niederzulassen. In größter Verlegenheit setzte er sich und
wartete noch gut eine Viertelstunde, bis die junge Frau ihre
innige Andacht beendete. Dann setzte sie sich ihm gegenüber,
blickte ihn mit ihren seelenvollen Augen an und fragte ihn voll
freundlicher Anmut und Würde: „Was verschafft mir die Ehre
Ihres Besuches?" — „Gnädige Frau, verzeihen Sie mir die Kühn-
heit meines Eindringens. Ich bin das Opfer eines schändlichen
Bubenstreiches geworden, dessen Tragweite mir erst völlig klar
wurde, als ich Sie im inbrünstigen Gebete versunken sah." —
„Sie erschrecken mich, Herr, erzählen Sie mir doch alles genau!"
flötete sie ihn mit ihrer bestrickenden Stimme an. Und er beich-
tete ihr alles offenherzig. Da lachte sie ihm fröhlich ins Gesicht,
schwang sich ihm auf den Schoß, umhalste ihn und sagte lachend :
„Mein liebes Äffchen ! Dein Freund ist gerecht. Ich gebe Gott,
was Gott gebührt, und den Männern, was Männern gefällt !"

Das ist trotz aller Moralheuchelei auch bei uns der Stand-
punkt aller frommen und unfrommen Betschwestern und der Bet-
brüder nicht minder, die Japanerin hat aber nie einen anderen ge-
kannt. Deshalb muß man entgegen der Meinung A s t o n s die
Mitteilung eines modernen japanischen Schriftstellers, die jener
für übertrieben ansieht, für volle Wahrheit gelten lassen, wenn er
sagt: „Zu Ise öffnet heutigentags La*s beinahe angesichts der
heiligen Haine dem Pilgram die Tore." Die Annahme ihrer Ein-
ladung entwürdigt ihn weder vor seinen eigenen Augen, noch vor
denen irgend eines anderen, so daß er ungeeignet erschiene, sein
nachfolgendes frommes Vorhaben zu vollbringen. Eine einmalige
Lustrationhandtung stellt sowohl seine sittliche als physische
Reinheit wieder her." Der Japaner hat dieselbe Anschauimg wie
unser Älpler: „Oben auf der Alm, da gibt's ka Sund'!", doch be-
ginnt bei ihm die Alm schon im Tal.

Sicher ist nur, daß der Japaner als schweres moralisches Ver-


— 67 —

x) Küchler, Transact As. Soc. Japan, XTTL p. 117. (Marriage in Japan.)

Я) Ploee-Bartele: Das Weib in Natur- und Völkerkunde, 8. Aufl.
Leipzig 1906. Ł S. 46.

*) Westermarck: Geschichte der menschlichen Ehe. Aus dem Englischen
топ Leopold Katcher und Bomulus Grazer. Bevorwortet топ Alfred
Bussel Wallace. Jena 1893. S. 118.

Knust: Gtschlechtleben. 8

gehen den Geschlechtverkehr mit der leiblichen Schweeler
von derselben Mutter verabscheut, der Halbschwester (vom Vater
aus) aber nicht aus dem Wege geht. Aston glaubt, das Tabu
stamme noch aus jener Zeit, als man die Verwandtschaft haupt-
sächlich nach dem Mutterrechte bestimmte, diese Annahme ist
jedoch zweifelhaft, weil auch das Vaterrecht gegen die frühzeitige
Vermählung der Töchter ist. Bis zum Jahre 1868 war es den ver-
schiedenen Adelklassen nicht erlaubt, untereinander oder aus
dem gemeinen Volke zu heiraten.1)

*

Bei den Chinesen und den Japanern schmückt man das heran-
gereifte Mädchen mit der Haarnadel, dem Kopfputz der Frauen.
Bei den Japanern ist dieses ein Akt von besonderer Festlichkeit,
und das durch die Ausschmückung mit den Haarnadeln nun für
„erwachsen44 erklärte junge Mädchen wird dann Anverwandten
und Befreundeten vorgestellt.*)

In Japan war es früher gebräuchlich, daß die Frauen, wenn
sie heirateten, ihre Augenbrauen abrasieren ließen, da dichte und
schöne Augenbrauen als eine der schönsten Zierden des Weibes
galten. Zu gleicher Zeit wurden nach Balfour ihre Zähne schwarz
gefärbt, was nur den Erfolg haben konnte, die Gattin dem Ge-
mahl und auch anderen Männern minder begehrenswert zu
machen (Balfour, „The Cyclopaedia of India, Band III, S. 252).
Dies gemahnt uns an die weit verbreitete Sitte, die Frau ihres
Schmuckes zu berauben, sobald sie heiratet.*)

In Japan sind, wie Westermarck von einem Freund er-
fuhr, alte Jungfrauen und Junggesellen fast gänzlich unbekannt.
Diese seltsame Erscheinung erklärt sich befriedigend dadurch,
daß sich der gute Freund nicht bemüht hat, ein japanisches, sta-
tistisches Jahrbuch zu Rate zu ziehen, das ihn eines anderen be-
lehrt hätte. Selbst in der südslavischen Hausgemeinschaft, wo
jedes heiraten mußte, gab es alte Junggesellen und alte Jung-
fern, denn die Uranier und Urninden macht nicht einmal das Ge-


— 68 —

wohnheitrecht zu Zeugungmenschen, dann kommen in Japan
noch die Armen dazu, die sich den Luxus selbst des bescheidensten
Familienlebens nicht zu leisten vermögen.

Unter der erst seit 1868 beseitigten Feudalherrschaft bestand
in Satsuma ein den Geschlechtverkehr zwischen Mann und Weib
erschwerendes Gesetz, das jedem jungen Manne unter 30 Jahren
die Berührung eines Weibes bei Todesstrafe untersagte. Dieses
Gesetz war dadurch bedingt, daß die Bevölkerung von Satsuma
einen äußerst kriegerischen Stamm bildet, von dem sich dauernd
10 000 bis 20 000 Mann auf Kriegszügen befanden und in be-
ständiger Besorgnis um die Keuschheit oder Treue ihrer daheim
gebliebenen Ehefrauen durch die Zudringlichkeiten des jugend-
lichen männlichen Nachwuchses hätten schweben müssen, wenn
nicht durch Androhimg mit Todesstrafe dessen Begierde wäre in
Schranken gehalten worden. Gleichgeschlechtlicher Verkehr da-
gegen stand den jungen Leuten frei und wurde, so lange diese Ver-
hältnisse bestanden, auch fleißig ausgeübt.4)

Mit der ausgeprägten geschlechtlichen Sinnlichkeit, meint
K a r s c h, wäre wohl die alte japanische Gesetzvorschrift in
Zusammenhang zu bringen, nach der mit dem 17. Lebensjahre ge-
heiratet werden soll; da jedoch die gesteigerten Ansprüche und
Kulturbedürfnisse ein so frühes Heiraten heute nicht mehr ge-
statten, so kommen den Ärzten immer zahlreiche Fälle männ-
licher Hysterie mit häufigen unwillkürlichen Samenentleerungen
zur Beobachtung.6) Ethnologisch betrachtet hat die Gesetz-
vorschrift auch in Japan, wie sonst bei den Völkern, nur den einen
wirtschaftlichen Zweck, der zugleich auch für die Weiterführung
des Ahnenkultes vorsorgt. Mittelbar spricht dafür auch der Um-
stand, den K a r s c h im Anschluß daran hervorhebt, daß näm-
lich dem Japaner die vom Abendlande künstlich gezogene Ab-
grenzung zwischen Ehe und Prostitution völlig fremd ist. Die
Ehe wird als d a s angesehen, was sie auch in Europa in den meisten
Fällen ist, als ein gutes (ich sage wieder, in 96 von 100 Fällen als
ein fragwürdiges) Geschäft, und die Prostitution erscheint als eine

4) F. Kars ch-Haaok, Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten,
Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. S. 60 f.

*) Nach A. Wernich, zit v. Karech-Haack, Das gleichgeschlechtliche
Leben der Ostasiaten: Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. S. 68 f. —
Ebenda nach Ed. Hildebrandt.


— 59 —

in den Verhältnissen begründete Notwendigkeit, der ein mora-
lischer Makel nicht anhaftet/)

Wenn sich in einer japanischen Familie bloß Töchter be-
finden, so wird der ältesten ein Gatte verschafft, der zur Familie
seiner Gattin übertritt und zu gleicher Zeit deren Namen an-
nimmt.

„Mit Anhänglichkeit auf der einen Seite und Arglist auf der
anderen," sagt G r i f f і s , „kann ein gewissenloser Vater tun,
was er will .... Die japanische Maid, so rein wie die reinste
christliche Jungfrau, tritt morgen auf dem Befehl ihres Vaters in
das Bordell und prostituiert sich für ihr ganzes Leben. Nicht ein
Seufzer entweicht ihren Lippen, während sie derart gehorcht"
(Gr if fis „The Mikado's Empire", S. 124, 147, ббб). Ehen
werden fast unabänderlich von den Eltern oder nächsten Ver-
wandten des Paares oder mit Hilfe eines „nakodo" (Vermittlers)
vom Paare selbst abgemacht, und es gilt für letzteres als höchst
unschicklich, sie auf eigene Faust zu schließen. Bei den niederen
Klassen sind direkte Verbindungen nicht selten; sie werden jedoch
scheel angesehen und sind als „jago" (d. h. „Begegnimg auf der
Heide") bekannt — ein Ausdruck der Mißachtung, welcher die
hierüber gehegte schlechte Meinung beweist. Die Pflicht des
Mittelmannes besteht darin, der Beteiligten Charakter, Gewohn-
heiten, schlechte und gute Eigenschaften und Körpermängel
gegenseitig zur Kenntnis zu bringen und alles aufzubieten, um der
Angelegenheit einen günstigen Abschluß zu geben. Es geschieht
selten, daß die unmittelbar beteiligten Parteien direkt mit dem
Vermittler verhandeln; wenn sie Eltern oder Vormünder haben,
so tun es diese, sonst die nächsten Verwandten, Der Vermittler
muß eine Zusammenkunft des Paares zustande bringen, welche
unter dem Namen „mi ai" (wörtlich „Seh-Begegnung") bekannt
ist, und wenn nach dieser Begegnung einer der Beteiligten mit
dem anderen nicht zufrieden ist, wird die Sache nicht weiter fort-
gesetzt. „Vor Zeiten aber," sagt K ü c h 1 e r , „wurde diese vor-
eheliche Begegnung Leuten sehr hohen Ranges erlassen, so daß
diese sich folglich nicht früher sahen, als bis am Hochzeittage
die Braut den Schleier lüftete" („Trans. As. Soc. Japan" XIII,
S. 117—119).

e) Kuchler, „Marriage in Japan", Trane. As. Soc. Japan, XUt p. 116.

8*


— 60 —

Westermarck: Geschichte der menschlichen Ehe. Aue dem Englischen
топ Leopold Katscher und Bomulus Grazer. Bevorwortet топ Alfred
Bassel Wallace. Jena 1893. S. 234 ff. und 396.

*) Ph. Fr. t. Siebold, Nippon. Archiv zur Beschreibung топ Japan.
Leipzig 1897. EL S. 107.

Der vorgeschlagene Gatte schickt seiner künftigen Braut be-
stimmte vorgeschriebene Geschenke, und diese Übersendung von
Geschenken bildet einen der wichtigsten Teile der Vermählung-
zeremonie. Tatsächlich ist, sobald einmal die Geschenke über-
schickt und angenommen wurden, der Vertrag geschlossen, und
keiner der Beteiligten kann ihn mehr widerrufen. K ü c h 1 e r
bemerkt („Trans. As. Soc. Japan", XIII, S. 120), daß er nicht
imstande war, die genaue Bedeutung dieser Geschenke ausfindig
zu machen, denn die einheimischen Werke über die Ehe schweigen
über den Gegenstand, und die Japanesen selbst können keine
andere Erklärung dafür angeben, als daß die Sitte von alterher.
überliefert ist. Westermarck meint, daß das Übersenden
von Geschenken eine Folge des früheren Gebrauches der Kauf ehe
bildet.7) Das ist wohl richtig.

Das Hochzeitgewand der Braut ist weiß; es spielt auf die
jungfräulichen Tugenden an, die sie dem Gatten mitbringt und
versinnbildlicht die Betrübnis der Eltern, aus deren Hause sie
ihrem Bräutigam folgt, sagt vonSiebold, der hier der weißen
Farbe eine Bedeutung beimißt, die ihr auch in Japan nicht zu-
kommt. Das Ehebündnis schließt man im Hause des Bräutigams
und vollzieht die Trauung in Gegenwart der Eltern und einiger
Zeugen, indem man dem Brautpaar eine Schale mit Sake dar-
reicht.

So stärkt sich gleichsam das junge Ehepaar zur mühevollen
Wanderung durchs irdische Leben. Dem Jahrgotte (Tositoku)
bringt man Opfer dar, damit er ein langes Leben gewähren möge.
Man stellt am Hochzeittage das Simadai, ein Sinnbild des glück-
lichen Alters, auf und setzt zum Andenken an die Voreltern, deren
einfache Nahrung Seegras und Muscheln waren, diese Speisen vor
das Brautpaar.8)

Herr A s t o n macht mich brieflich auf einen alten japa-
nischen Brauch aufmerksam, der entgegen allen anderweitigen
Berichten als ein Zeugnis für die Bewertung der Jungfrauschaft,
zumindest in den reichsten oder bevorrechtetsten Adelkreisen


— 61 —

spricht, doch auch dahin aufgefaßt werden kann, daß man ein
Ehebündnis für geschlossen erst dann betrachtet, wenn man den
offenkundigen Beweis für den richtig vollzogenen Beischlaf vor
sich sah. „Wenn in früheren Zeiten in einer vornehmen japa-
nischen Familie eine Hochzeit stattfand, versammelten sich alle
Freunde und Verwandten, und man traf Vorbereitungen zur
Festlichkeit, doch harrten zunächst alle Gäste, bis sich der
Bräutigam mit der Braut zurückgezogen. Nach einer gewissen
Weile erschien eine alte Frau vom Hausgesinde mit einem
blutigen Hemd. Das war das Zeichen für die Gäste, sich dem
Hochzeitschmaus hinzugeben."

„Die Ehen werden auf Zeit geschlossen: von anständigen
Personen beiderlei Geschlechts auf fünf Jahre, in den niederen
Ständen auch auf kürzere Zeit. Dabei findet aber höchst
selten, nur bei wirklich offenkundigem Unglück und bei Vor-
handensein wohlgebildeter, lebender Kinder fast nie ein Aus-
einandergehen der Eheleute statt, — im Gegenteil sind die meisten
dieser Zeitehen ebenso glücklich, wie die ja auch durch ein höchst1
einfaches und dem japanischen sehr ähnliches Zeremoniell trenn-
baren jüdischen Ehen."*)

Polygami, so sagt Rein, wTar im alten Japan eine weit ver-
breitete Sitte. Iyeyasu spricht in seinen Gesetzen dem Mikado
das Recht zu, sich ein Dutzend Nebenfrauen zu nehmen; den
Daimio und Hatamoto werden darin acht Konkubinen erlaubt und
den gewöhnlichen Sumarai zwei. Aber nur in seltenen Fällen
machten sie davon Gebrauch, und dann geschah es wohl, daß die
Frau, die ihre Kinder selbst und lange säugt und verhältnismäßig
früh alt wird, dem Manne selbst eine M e k a k e oder Konkubine
zuführte.10) » \ ' • '

Von einer Polygamie der Japaner zu reden, ist wissenschaft-
lich unhaltbar; denn die Ehe in Japan war ursprünglich keine
Zwangehe oder Monopolehe, vielmehr eine Ehe auf Zeit. Der
Mann war zu ehelicher Treue nicht verpflichtet und durfte sich

0) A We mich, Geographisch-medizinische Studien nach den Erlebnissen
einer Heise um die Erde. Berlin 1878. S. 137. Zit. nach J. Bloch, Das
Sexualleben. 1907. S. 269. Bloch erinnert dabei, daß Goeth e in den Wahl-
verwandtschaften einen ähnlichen Vorschlag mache und wohl den Japanischen
Brauch gekannt haben dürfte.

10) Bein, J. J.: Japan nach Beisen und Studien im Auftrage der Königl.
preußischen Begierung dargestellt. Leipzig 1905. I2. S. 586 f.


— 62

darom seinen Vermögensverhältnissen nach soviel Frauen
nehmen, als er zu erhalten in der Lage war. Das ist aber keine
Polygamie, Vielehe, sondern eine Polygynie, eine Vielweiberei,
und es ist selbstverständlich, daß dann alle Frauen des Mannes
gleichermaßen legitim oder illegitim dem Manne gegenüber be-
rechtigt oder unberechtigt waren. Die Gesetze setzten nur der
Zahl der Frauen eines Haushaltes eine Grenze, um den Mann vor
dem wirtschaftlichen Niedergang zu behüten. Gleichartige Zu-
stände obwalteten auch anderswo in der Welt, z. B. in China, im
alten Mexiko und Peru zur Zeit der Inkas. Führte die erste Frau
selber dem Manne eine zweite Beischläferin zu, so tat sie nur klug
daran, daß sie sich ihre Gesellschafterin selber auswählte und die
Bestimmimg nicht der alleinigen, unberechenbaren Neigung des
Gatten anheimstellte.

In Japan bedingt der Geschlechtverkehr mit der Konkubine
des Vaters oder Großvaters oder mit der Gattin des Sohnes be-
ziehungweise Enkels dieselbe Strafe wie der Geschlechtverkehr
mit einer väterlichen Tante oder Schwester.11)

Auch in Japan scheint es früher wenigstens gebräuch-
lich gewesen zu sein, daß der Ehegatte sich mit dem
Schwerte an dem Schänder seiner ehelichen Ehre rächte. Später
ist dann eine Geldstrafe an die Stelle der Tötung getreten, und
noch heute besagt eine scherzhafte Redensart: „Der Preis des
Ehebrechers beträgt lYz Goldstücke.'4 Sie wird nach E h m a n n
gebraucht, um im Scherz vor intimen Beziehungen zu der Frau
eines andern zu warnen.

Der Japaner kann sich ohne besondere Gründe von seiner
Frau trennen, und er darf sich danach so oft wieder verheiraten,
als er will, nur nicht mit der leiblichen Schwester der Frau oder
einer Schwester einer vorigen Gattin.

Eine japanische Redenart lautet: Eine Frau verläßt (das
Haus des Mannes) auf siebenerlei Art. Das bezieht sich, nach
E h m a n n , auf die sieben Scheidunggründe, die nach dem
Taihoryo, einem 701 nach Christo erschienenen, nach chine-
sischem Muster verfaßten Gesetzbuche dem Manne zustanden,

u) Longford, „Summary of the Japanese Penal Codes* Trans. As. Soc.
Japan. V. S. 87.


— 63 —

Dieselben sind: Kinderlosigkeit, Ehebruch, Ungehorsam gegen
die Schwiegereltern, Schwatzhaftigkeit, Dieberei, Eifersucht und
erbliche Krankheit. Der Frau „drei und eine halbe Zeile geben,41
heißt, ihr den Scheidebrief zu geben, der unveränderlich den-
selben, aus drei und einer halben Zeile bestehenden Wortlaut
hatte.12)

Nach dem geltenden Strafgesetz wird eine verheiratete Frau,
die ein Priester entehrt, selbst im Falle erwiesener Notzucht,
strafbar. Man scheert ihr den Kopf und bringt sie darauf in ein
Kloster. Man bestraft auch eine Verlobte, die sich von einem
anderen als dem Bräutigam verführen läßt. Man verstößt sie
aus ihrem väterlichen Hause, und das Gericht verweist sie in ein
Bordell.")

Geschlechtlicher Umgang der Bonzen mit dem Weibe galt
ehemals als ein Hauptverbrechen, war sogar bei Todstrafe ver-
boten, „sodomitische Sünden" dagegen waren in den Augen der
Bonzen keine verabscheuungwürdige Unflätigkeit, wurden viel-
mehr für ein Spiel, eine Harmlosigkeit, ja beinahe für etwas löb-
liches gehalten.")

1S) Ploee-Bartels: Das Weib in der Katar- nnd Völkerkunde! 8. Auflage.
1905. I. S. 697 und 704.

18) Siebold, Ph. Fr. t., Nippon. Archiv zur Beschreibung топ Japan.
Leipzig 1897. I. S. 418.

u) F. Karsch-Haack. Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten:
Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. S. 77.



IV.

Die Stundenehe.

Charakteristik der Prostitution. — Die japanischen
Fremdenhäuserviertel in den Städten. — Das Leben der
käuflichen Frauen. — Die Prostitution in Japan ein
Überlebsei aus der Zeit des Mutterschaftrechtes. — Die
Stundenehe als Vorspiel einer längeren Zeitehe. — Die
ethnologische Parallele aus Norddalmatien.

Kraust: GeschlecbUebert.

9



w ie die Prostitution, so ist auch die sexuelle Perversion
ein tief im Menschen wurzelnder Hang zur geschlechtlichen Aus-
artung, es ist eine primitive, exquisit anthropologische Er-
scheinimg, die durch die Kultur nicht verstärkt, sondern gemildert
wird. Charles Darwin weist mit Recht darauf hin, daß
die Verabscheuung der Unzuchtigkeit und geschlecht-
licher Verirrungen eine „moderne Tugend" ist und dem zivili-
sierten Leben angehört, aber dem Wesen des primitiven Natur-
menschen ganz fremd ist. Dieser schwelgt (worauf auch Wil-
helm Roscher hinweist) in wilder Unzucht, geschlechtlicher
Perversion und Ausschweifung. Die sexuellen Verirrungen der
Kulturvölker sind meist N a c h a h m u n g e n der von primitiven
Völkern gegebenen Beispiele.441) Iwan Bloch weist im fol-
genden nur nach, daß bei den Primitiven die gleichen Reizmittel
und die Prostitution wie bei den höchststehenden Kultur-
menschengruppen vorkommen, aber daß die letzteren die Nach-
ahmer wären, dafür mangelt jeder Beleg. Es ist auch völlig un-
erfindlich, woher unsere Perversen eine Kenntnis von den
Übungen der Primitiven haben und was sie zur Nachahmung
reizen sollte, wären diese Dinge nicht in der menschlichen Natur
begründet. Auf solche Wolluststeigerungen kommen die
Menschen überall durch ihre eigene Findigkeit.

Die Prostitution, sowohl die weibliche als die männliche, tritt
überall in der Welt auf, und wo man sie unterdrückt, gedeiht sie
nur im Verborgenen weiter. Sie ist gar nicht auszurotten, weil
sie überall einem Bedürfnisse entspricht. Das höchste, was sich
erreichen läßt, ist eine Einschränkung ihrer üblen gesundheit-
lichen und wirtschaftlichen Folgen. Man bleibe dabei immer der
weisen Bemerkung K a r s c h s eingedenk, daß bei uns zwischen

*) Das Sexualleben unserer Zeit. Berlin 1907. S. 618.

9*


— 68

Ehe und Prostitution eine künstliche Abgrenzimg gezogen wird.
Die Prostitution ist sogar unter Völkergruppen auf primitiver
Kulturstufe nachweisbar, wo bei einem Uberfluß an Grund und
Boden zur Bestellung und reichen Jagdgebieten, selbst bei einem
Uberwiegen der Männer- über die Weiberzahl, jedes gesunde
Frauenzimmer Aussicht auf eine lebenlängliche Versorgung
durch einen Ehegatten und jedes Weib viele Bewerber auf
ihre Hand hat. Ein bestimmter Prozentsatz unter den Frauen
fühlt sich geschlechtlich nur in einer Polyandrie glücklich, die
wir mit dem Namen der Prostitution brandmarken. Daß so
veranlagte Frauen von vornherein schlecht sein müssen, ist bei
uns eine landläufige Meinung, die allerdings eine Stütze in der
Erfahrung findet, nach der ein ungezügeltes Geschlechtleben
selten oder nie edlere, altruistische Gefühle bei Weiblein und
Männlein auslöst, im Gegenteil die Grausamkeit fördert und die
schmutzigste Habsucht züchtet.

Behufs leichterer Befriedigung des starken Geschlechtbe-
dürfnisses hat in Japan nicht nur jede große Stadt und jeder
Handelplatz öffentliche Mädchenhäuser, sondern auch jeder See-
hafen, ja jedes kleinste Dorf. Und diese Häuser der Wollust:
Yoehiwara, Youjowa oder Kouromou, werden
nicht etwa als Plätze der Lüderlichkeit oder als unanständige
Orte betrachtet, sondern selbst von bestbeleumundeten Personen
aufgesucht. Diese Lusthäuser gehören zu den schönsten und
prächtigsten Häusern im Lande und sind nicht selten an die
Tempel der japanischen Gottheiten angebaut. Sie sind Staat-
institute. Arme Eltern können ihre Töchter dem Staate ver-
kaufen, der sie schon in den zartesten Kinder jähren übernimmt
und sich zugleich auch zu ihrer Erziehung verpflichtet. Sie lernen
lesen, schreiben, spielen auf den Saiteninstrumenten und nütz-
liche Handarbeiten, um herangewachsen je nach ihren körper-
lichen und geistigen Vorzügen in öffentlichen Häusern ver-
schiedener Kategorien untergebracht zu werden. Die schönen,
witzigen und guterzogenen Mädchen aller dieser Staatanstalten
werden meist liebevolle Frauen und gute Mütter. Die Mehrzahl
der armen Japaner wählt ihre Ehefrauen aus diesen Häusern.
Die japanische Gesellschaft nimmt keinerlei Anstoß an ihrer Ver-
gangenheit, wie das „christliche44 Europa, das ihren in ähnliche
Lage gedrängten Geschöpfen alle nur erdenklichen Hindernisse
bereitet. Das japanische Prostitutionwesen steht als ein abge-


— 69 —

grenztes moralisches Quarantänsystem unter strengster gesetz-
licher und polizeilicher Kontrolle; Regierung und Volk fahren
am besten dabei. Eine Schattenseite der japanischen Prostitution
ist lediglich die Ausbreitung und Entwicklung der Syphilis.

Das Kurtisanenviertel von Yedo, dem heutigen Tokio,
Yoshiwara, um 1600 in der Nähe des Palastes der Shogune
angelegt, 1637 durch Brand zerstört, wurde im Norden der Stadt,
wo es sich heute befindet, neu aufgebaut und mit Gräben um-
zogen. Der Zugang zu ihm führt durch ein einziges Tor. Es
wird durch sich kreuzende Straßen parzelliert. In den „grünen
Häusern" wohnen die wie Prinzessinnen erzogenen und früher
einer altertümlichen Sprache beflissenen О і r a n s. Jeder sind
zwei jüngere K a m u r o s beigegeben, die später selber zu
Oirans aufrücken. An der großen Mittelstraße liegen die Tee-
häuser. Die beherbergen die zu einem „ehrbaren44 Benehmen
verpflichteten Geishas (Sängerinnen). Ein amtlich gestempeltes
Beschwerdebuch ist dort ausgelegt und ein Yakunin (Polizei-
beamter) in großer Gala führt im Empfangsalon die Aufsicht,
da die ganze Einrichtung auf Autorisation der Regierung beruht
und dem Staatfonds zugute kommt. Die Teehäuser sind im
ganzen Land der Mittelpunkt des geselligen Verkehrs. Nichts
die Grenzen des Anstände Überschreitendes ereignet sich dort,
da dem Japaner eine „offizielle Abgemessenheit44 angeboren ist.
Da diese Teehäuser auch von dem weniger bemittelten Japaner
regelmäßig besucht zu werden pflegen, so bilden sie, in großer
Anzahl vorhanden, zugleich eine Hauptquelle für polizeiliche
Erhebungen.2)

A. H. E X n e r berichtet kurz und bündig über die Ab-
schließung von Zeitehen in Japan: „Die Geishas sind meist von
niederer Abkunft und den in diesen Kreisen herrschenden
moralischen Begriffen entsprechend jederzeit bereit, mit Zu-
stimmung ihres Herrn sich durch Vertrag auf einen Monat oder
längere Zeit an einen Einheimischen oder Fremden zu ver-
mieten.

„Nicht zu verwechseln mit den Geishas sind die zahlreichen
Vertreterinnen der japanischen Halbwelt, deren große Zahl und

3) F. Karsch-Haack. Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten
Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. 8. 69 ff., wo in Anmerkungen die
Quellen für die Angaben im einzelnen gewissenhaft vermerkt sind.


— 70 -

soziale Stellung wir mit den alten japanischen Sitten ent-
schuldigen müssen. Diese Mädchen werden, beziehungsweise
wurden — denn die Verhältnisse beginnen sich auch auf diesem
Gebiete jetzt langsam zu ändern — in jugendlichem Alter von
ihren Eltern an gewisse Häuser verkauft, beziehentlich vermietet.
Hier erhalten sie bequeme, reinliche Zimmer und werden täglich
im Samisen spiel, Singen, im Brief schreiben usw. unterrichtet ;
kurz, man sucht sie so präsentabel als möglich für die Männer-
welt zu machen. Die älteren unterrichten die jüngeren, und diese
wiederum dienen den ersteren als Dienerinnen. Ist die Zeit,
für die sie verkauft waren, abgelaufen, und haben sie sich in-
zwischen verheiratet, so werden sie bei dem gewöhnlichen Volke
als ehrbare Frauen betrachtet. Die Schuld ihres früheren Lebens-
wandels wird ihren Eltern und Verwandten zugeschrieben, die
sie zu solch einem Leben verkauft haben. Die Mädchen selbst
können ihres jugendlichen Alters wegen hierfür nicht verant-
wortlich gemacht werden, und da sie in der Regel gut, ja besser
als die gewöhnliche Klasse der japanischen Frauenwelt erzogen
sind, so hält es meistenteils nicht schwer, einen Gatten aus dem
geringeren Volke für sie zu finden. . .

„Nach dem Urteil aller, die die einschlägigen Verhältnisse
genauer kennen, erscheinen die Zugehörigen der japanischen
Halbwelt nie auf einer so niedrigen, rohen Stufe, wie so häufig
die Demimondainen unserer großen Städte. Andererseits werden
die Bewohnerinnen der Yoshiwara auch von dem besseren Teil
der Gesellschaft nicht verachtet, sondern nur bemitleidet, be-
finden sie sich doch hier nicht aus eigener Schuld und Neigung,
sondern meist auf Befehl ihrer Eltern, d. h. in Ausübung des
schuldigen, kindlichen Gehorsams und der Kindesliebe.

„Im Hinblick auf die milde Beurteilung, die man im ganzen
Lande den Yoshiwaras und ihren Bewohnerinnen zuteil werden
läßt, wird es nicht sonderlich erstaunen, daß noch heutigentags
der Weg zu dem größten Heiligtum des Landes, dem Tempel
der Sonnengöttin zu Ise, durch ein im ganzen Lande berühmtes
Yoshiwara führt.8)

8) A. H. Ex ner: Japan. Skizzen топ Land und Leuten mit besonderer
Berücksichtigung kommerzieller Verhältnisse. Leipzig 1891. S. 79 f. — Aus-
reichende Belehrungen über das YoSiwara gewahrt das allgemein zugangliche Werk
топ Ploss-Bartels: Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Leipzig 1905,


Im Jahre 1617 siedelte man zuerst auf Ansuchen der ver-
einigten Bordellwirte alle Prostituierten der Hauptstadt in einem
besonderen, für sich abgeschlossenen Stadtteil an. Ausschlag-
gebend war für die Behörde dabei der Umstand, daß die Wirte
zu Polizeikonfidenten wurden, die über die Besucher eine ziel-
bewußte Aufsicht zu führen hatten.

Aus der behördlichen Bordellordnung muß die Bestimmung
hervorgehoben werden, wonach kein Gast länger als 24 Stunden
in einem Fremdenhause verweilen durfte. Das ist schwerlich
eine Neuerung, vielmehr nur die Kodifizierung des uralten
Brauches der auf einen Tag und eine Nacht berechneten Zeit-
ehe. Das Frauenzimmer heißt man nicht wie bei uns eine Hure
oder Metze, sondern ein Zeitweib, ein „temporary wife",
wie De Becker das japanische Wort ins englische übersetzt.
Im Empfangzimmer erwartet den Gast ein dreimaliger Reisbier-
trunk, der zur Vollziehung des Heiratbrauches (S a n * s a n -
k u - d о) unerläßlich ist und der einer sonst üblichen Heirat-
zeremonie gemäß kredenzt wird. Das Mädchen erscheint mit
einer Sinzo, die das Paar unter Hersagung der gebräuchlichen
konventionellen Redensarten anata und k o n a t a vereint
und die „unheilige Ehe44, wie De Becker sagt, ist ge-
schlossen.4)

Unholy marriage sagt De Becker! Ja, warum unholy ? !
Ist denn sonstwie die japanische marriage „holy44?! Wäre die
Zeremonie eine Verhöhnung oder Blasphemie auf den anderen
Eheschließungbrauch, so verfehlte sie ihre Absicht, weil sie
nicht vor vielen Zeugen geschieht, die den Spaß würdigen
müßten, und dann ist das auch kein Spaß mehr, was sich regel-
mäßig abspielt und abspielen muß. Wenn auch die Ehe dem
Japaner keine heilige Institution ist, einen Spaß macht er sich
aus ihr doch nicht, zumindest keinen blöden Spaß.

Es ist sicher, daß in Japan in älteren und ältesten Teilen
neben oder mit dem Vaterrecht auch das Mutterrecht bestand.
Das Mutterrecht beruht darauf, daß der Kindererzeuger nur ge-

8. Auflage. I. 8. 568—9 und vollende ausführliche, zum Teil auch folkloristisch
höchst wertvolle, das in nächstfolgender Anmerkung genannte Buch De Beckers,
das auch mit vorzüglichen Bildern geschmückt ist.

*) The nightless city, or thar „ History of the Yoshiwara Yukwaka", 2. Aufl.
London 1905. S. Höf.


legentlich mit einer Frau eine Zeitehe eingeht und alle Rechte
und Pflichten der Kinder sich nur auf die bekannte Mutter, nicht
aber auf den unbekannten Vater beziehen.6) Das ist ein durch-
aus ehrsames Verhältnis. Wie der Egypter des Altertums so
bewahrt auch der Japaner seine ältesten gesellschaftlichen Ein-
richtungen mit und neben allen anderen neueren Entwicklung-
formen. In Japan ist das Vaterrechtsystem vorherrschend ge-
worden, doch hat man das Muterrechtsystem nicht ausgerottet,
sondern nur die ihm gehorchenden Frauen kaserniert und unter
den vollsten Schutz des Staates gestellt, um sie vor Verelendung
zu beschützen. Darum ist es ethnologisch unzulässig, das Yoäi-
wara unseren abendländischen Bordellstraßen gleichzusetzen
und völlig verfehlt, die bürgerlich ehrsame Geiäa mit der bei
uns entrechteten, verknechteten, aus der bürgerlichen Gesell-
schaft ausgestoßenen Insassin eines Bordells zu verwechseln.
Ebenso ist es ungehörig, die Japaner ein der Hurerei und Unzucht
verfallenes Volk zu schimpfen; denn die Schmähung fällt auf
den zurück, der sie vorbringt.

Die pomphaften Aufzüge der Freudenmädchen der Yoshi-
waras bei verschiedenen Festen, insbesondere bei Blumenfesten
beschreiben viele Forscher und am eingehendsten verweilt dabei
De Becker. Im prächtigsten Anzug und mit Schmuck über-
laden marschieren die Mädchen vor den Männern auf, um sie zur
Tag- und Nachtehe oder nur zur Stundenehe anzulocken, aus der

6) Vergl. Post, Albert, Herm.: Grundriß der ethnolog. Jurieprudens.
Leipzig 1894. I. 8. 71 ff.; 150 ff.; 211. — Studien zur Entwicklungsgeschichte
des Familienrechts. Leipzig 1890. 8. 6 ff. u. 260 ff. — Hellwald, Friodr. v.:
Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung und natürlichen Entwickelung.
Leipzig 1888. S. 208—226. Einrichtungen und Sitten im Matriarchat. S. 227
bis 240. Die Bündnisform im Matriarchat. — Unter Außerachtlassung unzähliger
Tatsachen des Völkerlebens bestreitet C. N. Starcke, Die primitive Familie in
ihrer Entstehung und Entwicklung. Leipzig 1888. S. 260 ff. das Vorkommen
des Matriarchats. — J. E. De Becker beschreibt in seinem zuvor genannten
Werke mit aller Sachlichkeit und Ausführlichkeit Glauben, Sitten, Bräuche und
sonstige Folklore der Tosiwarafrauen. Das sind durchwegs Zunft- und Handwerk-
Überlieferung, die man mit Nutzen nachlesen mag, die jedoch für unsere Betrachtung
топ untergeordneter Bedeutung sind. De Beckers wiederholte Klage, daß im
ToSiwara die Männer gründlichst auegebeutelt werden, beweist nur, daß der Mann
sowohl in der Zeit- als in der Dauerehe gewöhnlich der Gerupfte ist. Wer bei
seinem Geld bleiben will, muß die geschlechtliche Liebe aus seinem Gefuhlregister
streichen.


73

aber auch unter günstigen Umständen eine mehrjährige Dauer-
ehe werden kann. Eg ist sehr wenig wahrscheinlich, daß diese
öffentlichen Reizeauästellungen auf einer modernen Erfindung
industrieller Yoshiwarahäuserwirte beruhen, vielmehr dürften
sie, wie soviele andere Bräuche des streng konservativen
japanischen Volkes eine uralte Vergangenheit haben. Eine
ethnologisch sehr wertvolle Parallele zu den Insassinnen
der Yoshiwara bietet uns der Bericht Dr. Alexander
Mitrovics über die Zeitehen in Norddalmatien dar. Hat
ein heiratfähiges Bauernmädchen genügend Silbermünzen
(Kronen- und Guldenstücke) erworben, — wie sie ein solches
Vermögen auf kürzestem Wege und auf leichteste Art gewinnen,
ist klar — so behängen sie sich mit einem G j e n d a r , der mit
ihrem ganzen Schatz geschmückt ist und begeben sich zu Markt.
Tritt ein Bursche auf das Mädchen zu, dem sie zu Gesicht steht,
so führt er sie ab und tanzt mit ihr einen sogenannten Reigen
(Kolo). Ein eigentlicher Reigen ist es freilich nicht, weil den
Tanz nur das Paar allein aufführt. So vor den Augen der Mutter
und mitunter auch des Vaters einhertanzend, vereinbaren sie
miteinander das erforderliche. Die Hauptsache, die sie fesï-
setzen, ist die, daß der Bursche das Mädchen noch in derselben
Nacht zu sich heimführen werde. Von dieser Nacht ab werden
sie wie Mann und Weib leben und sich späterhin [vielleicht]
trauen lassen.*)

In Japan übergeben die armen Eltern ihre Tochter einem
Yoshiwarahause, in Norddalmatien führen sie sie zu Markte,
da und dort tritt das Mädchen in einem mit Leibhingabe ver-
dienten Aufputz auf. Der Zweck ist die endliche Erlangung
eines ständigen Ehegatten mit Hilfe des erworbenen Minnesoldes
vieler Vorgänger. In Norddalmatien sind die Verhältnisse nur
noch primitiver und durchsichtiger als in dem kulturell hoch
aufgeblühten Japan, doch in der Sache selbst ist weder bei uns
noch im fernsten Ostasien ein wesentlicher Unterschied festzu-
stellen. Die weltberühmten Derbyrennen in den Freudenau in
Wien, in den Longschamps zu Paris und in Oxford unterscheiden

*) Anthropophyteia. IV. 8« 88. Auf Dr. Mitro vi 6 в Erhebungen, die wie
Enthüllungen wirken, sei die Aufmerksamkeit der Soziologen mit allem Nachdruck
gelenkt.

Krtuss: Geschlechtleben* 10


74 —

sich auch nur durch den Prunk der Umgebung von den wilden
Rennveranstaltungen der Cowboys in den Pampas, Die Zeit-
eheschließungen in den Yoshiwaras sind auch nur ein ver-
zweifelter Versuch zur Lösung der Weibernot, die man bei uns
schönrednerisch eine Frauenfrage heißt. Von der Männernot
spricht man nicht so mit Entrüstung, weil die männliche Kanaille
aus dem Jammer der Weiber ein Vergnügen schöpfen darf,
während die Männer, die Männer sein wollen, — sie bilden noch
eine unansehnliche Minderheit —, im Rate der Machthaber nicht
mitzureden berufen sind.


V,

üranier und Urninden.

Japaner über das dritte Geschleeht in Japan. — Knaben-
bordelle. — Die Verbreitung der Paederastie in Japan.
Eine bisher ungedruckte Studie eines Japaners in Tokio.
— Ethnologische und psychologische Erklärung des Ura-
nismus. — Paederastie als Kulthandlung. — Verbreitung
des Uranismus unter den Kultur- und Naturvölkern
verschiedenster Zeiten und Länder. — Die Tribaden.

10*



Uranismus.

In seinem sonst verdienstvollen Buche über das YoSiwara
widmet De Becker zum Schluß auch einen kurzen Abschnitt
dem Uranisnxus. Er leitet ihn so drastisch ein, daß ich seine
Worte wiederholen will: „Yaro. Peccatum illud horribile,
inter Cristianos non nominandum. The subject is so horribly
repulsive and disasteful that the writer would have prefered to
close his eyes to the existence of this awful phase of human depra-
vity and pass it by in silence, but friends, in whose judgment he
places entire confidence, have pointed out thaï the very nature of
this work demands at least a passing allusion to one terrible form
of venery which prevailed in Japan in the later Middle Ages.441)

Aus diesen Worten spricht die lautere Hilflosigkeit einer
geschlechtlichen Erscheinung gegenüber, die alles eher als
spezifisch japanisch ist. Nach den nervenzerreißenden Schilde-
rungen der Opfer des YoSiwaras glaubt De Becker etwas
ganz besonders furchtbares, noch nie dagewesenes mit dem Nach-
weis des sehr harmlosen Uranismus in Japan zu liefern! Seine
Ansicht ist jedoch derart noch allgemein verbreitet, daß ich
mich der Aufklärung wegen gezwungen sehe, in meiner Arbeit
ihre Haltlosigkeit nachzuweisen. Obwohl ich kein Uranier bin
und mich meine folkoristischen Erhebungen auf dem Gebiete der
Anthropophyteia sogar antierotisch stimmten, unterzeichnete
auch ich vor zehn Jahren die Petition an den deutschen Reichs-
tag um Aufhebung des § 176. Gerechtigkeit fordert gebieterisch,
daß man die Uranier unbehelligt lasse und noch mehr, daß end-
lich einmal das jedermans Existenz bedrohende Rupfertum

*) The nighÜeee city or the „Hietory of the Yoshiwara Yukwaku". London
1906. S. 8671.


— 78 —

*) Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1902. IV. S. 266—271.

unschädlich gemacht werde. Seit einem Jahrzehnt bemüht sich
das wissenschaftlich humanitäre Komitee in Berlin um die Klar-
legung der Verhältnisse, und ich erfülle hier nur eine Pflicht der
Dankbarkeit für die auch mir aus den bezüglichen Publikationen
vermittelte Belehrung, indem ich gerade aus ihnen die Belege
zur Verbreitung der Aufklärung schöpfe.

Zunächst mögen hier zwei Berichte sachkundiger Japaner
folgen, die mit Brauch und Sitte ihres Heimatlandes vollkommen
vertraut sind. Unter dem Decknamen Doriphorus schreibt
ein japanischer Staatsmann, dessen Handschrift mir Herr
Dr. MagnusHirschfeld freundlichst zur Veröffentlichung
überließ.

Der japanische Kulturforscher Suyewo-Iwaya be-
richtet auf Grund eigener Ermittelungen und dreier älterer Werke
über N a n - ä o - k' die Knabenliebe wie folgt:1) „Man sagt, daß
die Päderastie in Japan schon in uralten Zeiten bekannt gewesen
sei. Andere glauben, daß sie erst seit der Zeit, wo der Buddhis-
mus von China aus eingeführt wurde (ungefähr 600 n. Chr.) auf-
kam. Wie man weiß, war es im Buddhismus streng verboten,
daß die Mönche mit den Weibern verkehrten. Später wurde es
bei einigen Sekten frei.. Deswegen hatten die Mönche
meistens schöne Jungen unter dem Namen Chigo (Jüngling)
bei sich, die sie oft leidenschaftlich liebten. Darnach kam die
Zeit (ungefähr 1200 n. Chr.), in der die Ritter immer mehr
hervortraten, und auch unter ihnen war die Päderastie sehr ver-
breitet. Es waren namentlich viele D а і m y о s (Fürsten), die
außer ihren Frauen hübsche Jünglinge als sogenannte
K о s h о bei sich hielten.

„Die damaligen Leute hatten sogar den Gedanken, daß es
tapferer und heldenhafter sei, wenn die Männer Männer liebten
und mit ihnen verkehrten, als wenn sie sich mit den Weibern ab-
geben. Diese Meinung herrschte einige Jahrhunderte lang weit
und breit. Fast jeder Ritter suchte den Jüngling, der seiner
würdig war, und begründete mit ihm eine feste Brüderschaft. Es
kam oft vor, daß der Ritter wegen des Geliebten einen Eifersucht-
skandal oder ein Duell hatte. So blieb das Verhältnis zuerst
zwischen Rittern und „Ritterchen44, so nannte man die Geliebten.
Später wurde es aber allgemein. Vor allen waren die jungen


— 79 —

Schauspieler oder die Lehrlinge der Schau-
spieler, die noch nicht auf der Bühne erschienen, als passive
Geliebte begehrt. Hie und da waren besondere Teehäuser, wo
man sich mit ihnen gemütlich und ungestört unterhalten konnte.
Sie waren gerade wie männliche G eishas und wurden K a g e m a
oder Y a r o genannt. So war es beinahe bis zur Mitte des letzten
Jahrhunderts, trotzdem es manchmal die Regierung verboten.

„Seit der letzten Revolution (im Jahre 1868) aber suchte man
diese Sitte abzuschaffen. Ja, das Gesetz hatte sogar sowohl im
öffentlichen als auch im heimlichen die Päderastie unïer dem
Namen K а і k a n z a і (d. h. Verbrechen der Päderastie) streng
verboten. Wenn solche Sache an den Tag kam, so sollte man
gleich die Strafe 90tägiger Zwangarbeit im Zuchthaus be-
kommen. Jetzt aber wieder geändert, steht kein Keikanzai
im Strafgesetze, sondern man soll nur wegen Waisetszai
(UnzüchtigkeitVerbrechen) 1 bis 12 Monate gefesselt werden.
Trotzdem hört man oft, daß diese Sitten besonders unter den
Studenten jetzt noch ebenso vorkommen wie bei den früheren
Rittern. Viele Pädagogen bekümmern sich sehr darum und
sprechen dagegen, aber fast immer vergeblich.

„Erwähnen müssen wir mm noch diejenigen Schauspieler,
die auf der Bühne immer weibliche Rollen spielen. Sie werden
von ihrer Kinderzeit an dazu angehalten und haben daher meistens
weibliche Gewohnheiten und Zärtlichkeiten. Das zeigt auch fol-
gende Anekdote. Ein berühmter, jetzt schon verstorbener Schau-
spieler, der immer weibliche Rollen spielte, war eines Tages in
einem Teehaus. Da brachte man einen Säugling herein, und als
er diesen sah, nahm er ihn gleich auf seinen Arm und versuchte,
ihm seine Brustwarze in den Mund zu halten, als ob er tatsächlich
seine Mutter wäre. So sehr war er immer an weibliches Betragen
gewöhnt. Solche Schauspieler trugen früher immer auch außer-
halb der Bühne weiblichen Anzug, aber jeïzt nicht mehr, weil es
gesetzlich verboten ist, daß der Mann weibliche oder die Frau
männliche Kleider trägt. Ich weiß nicht, ob die Schauspieler,
denen die weiblichen Rollen zugeteilt werden, alle homosexuell
sind ; ich kann nur sagen, daß diejenigen Schauspieler, die, weil
sie Neigung dazu haben, für weibliche Rollen erzogen
wurden, sich nicht nur sehr weibisch benahmen, sondern auch von
Natur ziemlich weiblich gebaut sind. Wenn man es einmal ana-


tomisch durchforschen wollte, so wurde man gewiß viel inter-
essantes finden.

„Es ist auch noch merkwürdig, daß die Päderastie in Japan
nicht in allen Provinzen in gleicher Weise bekannt ist. Es scheint,
daß sieimsudlichen Teil eine größere Ausdehnung gefunden
hat als in den nördlichen Provinzen von Japan. Es gibt
Gegenden, wo das große Publikum beinahe keine Ahnung davon
hat. Dagegen in Kyushu, besonders in S a t z u m a ist sie
seit alten Zeiten ganz besonders verbreitet. Das kommt viel-
leicht daher, daß man dort in Satzuma so sehr die Tapferkeit und
Männlichkeit schätzt, während in anderen Provinzen, wo keine
oder wenig Päderastie bekannt ist, das Ansehen der Frauen und
die Liebe zu ihnen viel größer ist. Denn man hört von ver-
ständigen Leuten sagen, daß der Mensch in den Provinzen, wo die
Liebe zu Jünglingen vielfach herrscht, mehr männlich und robust
und der in Gegenden ohne Päderastie lebt, sanfter, schlaffer,
manchmal liederlicher sei.

„Außer N a n s h o k1 nennt man die Päderastie auch K e і -
k a n (d. tu Verkehr zwischen Hahn und Huhn). Die Urninde heißt
О k a m a , was ursprünglich Weib bedeutet. Bei festen Liebe-
verhältnissen wird der aktive älterer und der passive
jüngerer Bruder genannt.41


Die Verbreitung der Paederastie in Japan.

Eine Studie von Doriphorus, Tokio.

„Wer nicht so ist wie die anderen, steht
allein allen anderen feindlich gegenüber.tt

Leonardo da Vinci.

^^/rährend man über die Verbreitung der Päderastie in China
und Korea schon mancherlei gelesen hat, ja selbst etwas weniger
flüchtige Reiseschriftsteller sich darüber ausgesprochen haben,
findet man über Japan kaum eine diesbezügliche Bemerkimg.
Sei es, daß der so ziemlich international anerkannte Liebreiz der
Japanerin bei den Reisenden und Residenten in Japan den Ge-
danken nicht hat aufkommen lassen, als ob man auch dort der
gleichgeschlechtlichen Liebe huldigen könnte, oder sei es, daß das
sich öffentlich in den Yoshiwaras abspielende Geschlechtleben
den Beobachter befangen gemacht hat, Tatsache ist, daß man
Japan nur immer als das Land der Geishas, Musmis Nesans oder
anderer Blumenfeen kennt, wo die Ehe auf Kündigimg das Ideal
eines Junggesellen bilden soll. Selbst das große Quellenwerk von
Brinkley „Japan14, das in 12 Bänden als encyclopädistisches
Sammelwerk alles erschöpft, was das öffentliche Leben, Sitten,
Kunst usw. betrifft, schweigt sich über diesen Gegenstand aus
und auch die sogenannten „alten Japankenner44, Leute mit 30 und
noch mehr Jahren Aufenthalt, haben, wenn es hoch kommt, nur
einmal etwas davon läuten hören, ohne tiefer in die Materie ein-
gedrungen zu sein. Der Grund hierfür ist leicht zu finden ; han-
delt doch der Japaner nach dem Grundsatz, den „Basilides44 in
seinem „Gnostiker44 dem alten Weisen in den Mund legt: „Er-
kennet alle, aber lasset euch selbst von niemandem erkennen,44 er
verbirgt dem Fremden gegenüber seine Gefühle und versteht es
meisterhaft, sein Tun und Treiben mit einem mysteriösen Schleier

Krauss: Getchltchtleben. 11


— 82 —

zu umweben, so daß ein Europäer selten Einblick in sein Liebe-
leben gewinnt. Dazu kommt noch, daß der Japaner ängstlich be-
müht ist, ein Gespräch über die homosexuelle Liebe in seinem
Lande zu vermeiden, ja es soll, wie mir Iwaya sagte, eine Re-
gierungverordnung geben, die dieses direkt verbietet. Auch die
männliche Prostitution fehlt fast ganz, im Gegensatz zu China
und Korea, wo sie sich in aufdringlicher Weise breit macht, es ist
dies ein Grund mehr, um bei dem flüchtigen Beobachter den
Glauben zu erwecken, als käme die gleichgeschlechtliche Liebe
in Japan überhaupt nicht vor.

Erst die Bemerkung eines deutschen Arztes, der etwa ein
Jahrzehnt hier tätig gewesen ist: „die Päderastie sei hier nicht
besonders verbreitet448) sowie eine Zusammenstellung von Suyewo
Iwaya im IV. Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen über „die
Päderastie in Japan und ihre Literatur44 verleiteten mich dazu,
auf diesem Gebiete besondere Studien zu machen. Und was ich
da gesehen habe, zerstörte nur zu schnell meine frühere Ansicht :
in Japan sei die Päderastie weniger als in anderen Ländern des
Orients verbreitet. Um es gleich vorweg zu sagen, die homo-
sexuelle Liebe ist hier fast ebenso verbreitet wie in anderen Län-
dern, wenn sie auch weniger zutage tritt, und sie sich erst dem
geschärften Blick des Beobachters offenbart.

In der Zeit vor der Revolution, also vor 1868, wurde die Lieb-
lingminne ganz öffentlich betrieben, man hielt es für tapferer
und heldenhafter, wenn der Mann, der Ritter, einen Jüngling
liebte, als wenn er mit Weibern verkehrte. Die Liebe zwischen
Ritter und Jüngling hat auch, ähnlich wie im alten Hellas, die
schönsten Blüten gegenseitiger Aufopferung in idealer Liebe ge-
zeitigt, und wenn man, wie mir Iwaya sagte, das Buch Nanshok-
Okagami durchliest, findet man eine Reihe herrlichster Beispiele
für die intensive und selbstlose Liebe eines Ritters zu seinem Ge-
liebten, die bis zur Aufopferimg des Lebens für den Geliebten
ging. Es trifft da ganz zu, was Bastian so geistreich sagt : „Und
die heranwachsenden Jünglinge, die bei Männern zu liegen lieben,
werden mit Unrecht schamlos genannt, denn sie handeln nicht so
aus Schamlosigkeit, sondern weil sie mit Mut und Kühnheit und
Mannhaftigkeit das ihnen ähnliche lieben.444)

•) B. Scheu be. Die venerischen Krankheiten in den warmen Landern.
Leipzig, Barth 1902. p. 17.

4) Bastian. Der Mensch in der Geschichte, Bd. 1П. p. 811.


— 83

Besonders war diese Liebe in den südlicheren Provinzen
Japans verbreitet, wo sie sich auch bis heute noch am meisten er-
halten hat. Zumal in der Provinz Satzuma, wie auch auf dem
übrigen Teil der Insel Kyushu. Aber gerade dort, wo die Lieb*
lingminne am verbreitesten war, gerade von dort kamen die
tapfersten Krieger her. In jedermanns Erinnerung ist noch die
bekannte Satzumarebellion im Jahre 1877, die gewiß bewiesen
hat, daß selbst sehr verbreitete Lieblingminne nicht dazu bei-
tragen kann, ein kriegerisches Geschlecht zu entnerven, sondern
eher ein glänzendes Beispiel dafür ist, daß gerade die Liebe zu
Jünglingen, die mit dem Ritter in den Kampf zogen, diesen be^
geisterten und zu den heroischesten Heldentaten fortrissen. Wer
die Geschichte des Satzuma-Aufstandes verfolgt, wird dafür die
herrlichsten Beispiele finden, und Heines Worte passen ironisch
gut dazu :

„Was schert mich Weib, was schert mich Kind,
Ich trage weit besseres Verlangen.'4

Aber nicht nur die Provinz Satzuma und die Insel Kyushu
nehmen für sich allein den Ruhm der größten Verbreitung der
Päderastie in Anspruch, auch Tossa, Nagato, Mito und Yama-
gata lassen sich daneben nennen, wenn auch dort dieselbe nicht
so öffentlich zutage tritt. Im Norden Japans, z. B. in Sendai und
im Hokkaido, ist sie ziemlich unbekannt, unter den Städten nimmt
Tokio die erste Stelle ein.

Erst als der Einfluß westlicher Kultur in Japan überwiegend
wurde und man glaubte, alle alten Sitten kurzer Hand über Bord
werfen zu müssen, änderte sich auch die Anschauimg über die
gleichgeschlechtliche Liebe. Und was früher öffentlich betrieben
wurde und als Ausfluß der Ritterlichkeit galt, wurde mm in Acht
und Bann erklärt, als etwas barbarisches und unsittliches, das
mit Heimlichkeit zu umgehen sei. Angekränkelt durch mißver-
standene Ideen abendländischer Kultur, beeinflußt durch hyper-
ästhetische Lehren prüder Missionare, fand die Anschauung über
die angebliche Verderblichkeit der Lieblingminne immer mehr
Verbreitung und ergriff fast alle Schichten der Bevölkerung. So
kamen die Japaner zu der heutigen Auffassung der homosexuellen
Liebe: die als etwas unmoralisches die Öffentlichkeit zu scheuen
habe, nicht aber etwas strafwürdiges sei, was sich auch schon

11*


— 84 —

durch die Fassung des § 352 des japanischen Strafgesetzbuches
ergibt, der nur eine Strafverfolgung Minderjähriger unter 16
Jahren kennt, gleichgültig welchen Geschlechts. Der Paragraph
lautet: „Quiconque aura excité et favorisé par entremise la dé-
bauche ou la corruption d'une ou plusieurs personnes de l'un ou
de l'autre sexe, mineurs de 16 ans, sera puni d'un emprissonne-
ment avec travail de 1 à 6 mois et d'une amende de 2 à 20 Yen."

Wenn sich auch äußerlich die Anschauung über homosexuelle
Liebe geändert hat, die alte Auffassung der Samurai lebt aber im
stillen in wohl kaum verminderter Weise weiter, und ihre Haupt-
trägerin ist nach wie vor der Soldatenstand geblieben. Ich habe
über die Verbreitung der homosexuellen Liebe in der Armee des
öfteren mit Offizieren gesprochen. Wenn auch einzelne es nicht
wahr haben mochten, so wurde mir doch von anderen bestätigt,
daß die Lieblingminne im ter den Soldaten, sowie unter den Offi-
zieren sehr verbreitet sei. Selbst dem flüchtigen Beobachter wird
auffallen, daß die japanischen Soldaten in viel herzlicherer und
freundschaftlicherer Weise miteinander verkehren, als es z. B. bei
uns der Fall ist. Der rohe Ton der Soldateska fehlt fast ganz.
Man sieht auf der Straße viele Soldaten Arm in Arm gehen oder
mit ineinander gelegten Händen, junge Soldaten mit hübschem
Gesicht erfreuen sich oft einer ganzen Schar von Bewerbern.
Wenn dies auch nur ein äußerliches Zeichen der gegenseitigen
Zuneigung ist, so illustriert es doch das, was mir von Offizieren
über die gegenseitigen Verhältnisse der Soldaten mitgeteilt
worden ist und bietet demjenigen Einblick, der dafür unter-
richtet ist, während ein anderer, der Materie fernstehender, dieses
freundschaftliche Wesen als etwas harmloses betrachtet wird.
Aus diesem etwas weibischen Verkehr, der nebenbei gesagt auch
den Schülern, Studenten und Arbeitern eigen ist, aber auch nur
hieraus kann ich mir den Ausspruch von Beilesort erklären, wenn
er in seinem von der französischen Akademie preisgekrönten
Buche sagt: Die Japaner seien ein wesentlich weibliches Volk
(ce peuple est surtout un peuple femme), er wird wohl an den
herzlichen etwas weiblichen Verkehr unter sich gedacht haben,
ohne sich des inneren Wesens desselben bewußt geworden zu
sein. Denn daß die Japaner nicht weibisch sind und selbst die
hohen Anforderungen an Leistimgkraft, an Ausdauer im Er-
tragen von Strapazen und an mutiger Energie glänzend bewiesen
haben, hat eine jede Schlacht des neuesten Krieges gezeigt.


— 86 —

Und wie der japanische Soldat im Frieden Arm in Arm mit
seinem Freunde geht, mit dem ihn intimere Bande verbinden,
so auch im Kriege. Man kann wirklich sagen, daß auch in
homosexueller Beziehimg der alte Samuraigeist auf den Schlacht-
feldern der Mandschurei eine Auferstehung gefeiert hat, wie er
schöner in der alten Zeit vor 1868 wohl kaum eine bestanden
haben wird. Mir sind von verschiedenen Offizieren Szenen erzählt
worden, wie ein Soldat aus Liebe zu einem anderen sein Leben
in die Schanze schlug, wie er sich freiwillig opferte, wo ihm ein
sicherer Tod gewiß war, und dies nicht allein als Ausfluß kriege-
rischen Geistes oder von Todesverachtung, welche Tugend ja
dem japanischen Soldaten im höchsten Maße eigen ist,8) sondern
getrieben von dem alles beherrschenden Gefühl der Liebe zu
einem anderen Soldaten. Und das Heer darf sich wirklich glück-
lich schätzen solche Soldaten zu haben, die nicht nur aus Vater-
landliebe sich opfern, die nicht nur in ihrem Soldatenberuf
fallen, sondern die auch der Liebe sich opfern, nur um ihrem
geliebten Freunde das Leben zu erhalten. Solche Liebe allein,
bis zur Todesverachtung, ist nur die Liebe fähig, deren Beweg-
gründe auf dem Gebiete der Homosexualität zu suchen sind;
reine Freundesliebe, wo Eros seine Hand nicht im Spiele hat,
kann ja ähnliches leisten, doch werden, wie die Geschichte es
lehrt, die Beispiele nur beschränkt bleiben. Es würde mich zu
weit führen, wollte ich die mir von Offizieren gegebenen Bei-
spiele anführen.

Was ich vom Heere gesagt habe, soll auch für die Marine
zutreffen, wenn ich auch über die dortige Verbreitung nur auf
weniger direkte Quellen angewiesen war, die aber das Eine in
ihrem Urteil hatten, daß sie übereinstimmend waren.

Aber nicht nur im Heere und in der Marine findet man heute
die gleichgeschlechtliche Liebe verbreitet, auch im öffentlichen
Leben spielt sie eine Rolle. In den japanischen Geschäften
findet man immer eine Schar von jungen Leuten, Lehrlingen und
Verkäufern, deren Anzahl je nach der Größe des Geschäftes
schwankt. Unter diesen sind immer einige die bevorzugten
Lieblinge der anderen. Ich hatte es mir monatelang zur Auf-
gabe gemacht, gerade unter diesen jungen Leuten in Tokio die

5) Erwin Baelz. Über den kriegerischen Geist und die Todesverachtung
der Japaner. Yokohama 1904. Verlag der Deutschen Japanpost.


— 86 —

Verbreitung der homosexuellen Liebe zu beobachten. Das Resul-
tat, das ich fand, übertraf meine Vermutungen. Tritt man einem
der Jünglinge freundlich gegenüber, faßt ihn unters Kinn und
scherzt mit ihm, so kann man sicher sein, daß der Jüngling sich
anbietet in das Haus zu kommen, oder der Geschäftmann unter
bedeusamem Lächeln erklärt, den gekauften Gegenstand durch
diesen Jungen in das Haus besorgen zu lassen. Sehr oft sagte
auch der Geschäftinhaber, der Junge sei hübsch und zu jedem
Scherz zu haben.

Unter den Schülern der verschiedenen Schulen habe ich
viele gesprochen, die mir nach einiger Bekanntschaft, unum-
wunden zugaben, daß sie geschlechtlich mit ihren Kameraden
verkehren, und daß die so viel zu beobachtenden Schülerfreund-
schaften selten eines erotischen Beigeschmackes entbehrten.
Jedoch sollen diese „Freundschaften" meist mit dem Verlassen
der Sehlde auch ihr Ende erreichen. Auch Moll tut dieser Er-
scheinung Erwähnung, er läßt sich von einem Herrn, der viele
Jahre in Japan gelebt hat und die Sitten genau kennt, erzählen,
daß die homosexuelle Liebe vielfach bei Schülern vorkomme,
die gewöhnlich in Alumnaten leben.6) Auch Molls Gewährsmann
gibt zu, daß die Erscheinung nicht so öffentlich wie in China
sei, was ich ja vorher auch schon erwähnt hatte.

Am öffentlich bekanntesten ist die Verbreitung der gleich-
geschlechtlichen Liebe unter den Studenten, der die ver-
schiedenen Tagesblätter oft längere Artikel gewidmet haben,
somit ihr Treiben rücksichtlos an die Öffentlichkeit gestellt ist.
So schreibt die „Japan Daily Mail" vom 2. September 1896:
„Among certain students of Ushigome and Yotsuya (zwei Stadt-
viertel von Tokio) practices prevail which make it less safe for
a boy than a girl to be out at night in those districts. We would
rather not have to notice this abomination, but there is no use
in shutting one's eyes to facts. The practice to which we refer
prevailed among certain warriors in feudal days at a time when
the use of prostitutes was condemned by the military authorities
and by Buddhist teachers, and is a proof that in endeavouring
to prevent what they think to be an evil, people are often in-
strumental in producing a still greater evil."

Auch andere Zeitungen besprachen die Angelegenheit, so

в) Moll. Die Conträre Sexualempfindung, p. 53.


— 87 —

brachte die „Yominisi Shimbun" vom 13. Juli 1898 und die
„Eastern World44 vom 27. Mai 1899 längere Artikel. Besonders
bemerkenswert ist daher folgende kurze Notiz der „Eastern
World44 vom 19. Februar 1898: „According to the „Yorodzu
Choho44 sodomy is so prevalent amongst the students in Tokio
that young men who have rosy cheecks cannot go out at night.44

Daß es auch nicht an Vorschlägen zur Reformierung des
japanischen Strafgesetzbuches fehlt und die Einführung eines
Paragraphen der Fassimg des § 175 D. R. St. G. B. entsprechend,
gefordert wird, zeigt folgende Auslassung der „Eastern World44
vom 20. Mai 1899 :

Prevalence of unnatural crimes Amongst TOKYO students.

The Yorodzu Choho of the 18th inst. published an article on
the above topic, which we reproduce in another columne, with
the view that the wider publicity which the bestial practices of
the future lawgivers, officials and teachers of Japan will thus
obtain, may help to compel the Governement and the Tokyo Fu
authorities to take some action in the matter.

The question, however, is: what action can the authorities
take to prevent the bearers of the intellect of the nation from
lowering them-selvos below the uncleanest beasts?

The Japanese Criminal Code has no provisions realting to
unnatural sexual intercourse between persons of the mal sex, and
between human beings and beasts, nor has it any provisions
relating to incest. The Japanese legislators who compiled the
Code, therefore, who must be presumed to be conversant with
the present social and moral status of Japan, did not consider
sexual intercourse between male persons, or between men and
beasts, and incest, as crimes. And we cannot assume that they
were ignorant of the occurence of such crimes. Under the law
of Japan therefore, the students who frequent the Imperial Uni-
versity and similar institutions, and who indulge in beastly prac-
tices, commit no offence.

Public opinion, then, if it is uniform in condemning practices
which are condemned and punished as crimes in all civilized
countries, must first find expression in the law, which is the con-
sensus of public opinion.

Another serious defect in the Japanese Criminal Code is the
absence of any equivalent to § 174 of the German Criminal Code,


— 88 —

a literal translation of which we subjoin, to show the necessity of
similar legislation in Japan.

Translation.

§ 174. With (imprisonment with labour) in a penitentiary
up to five jears are punishe :

1. Guardians, who with their wards, adopted and foster
parents who with their children, clergymen, teachers and
Autors who with their minor scholars or pupils, commit
indecent acts;

2. Officials, who with persons, against whom they carry on
an inquiry, or who are entrusted to their care, commit
indecent acts;

3. Officials physicians, or other medical persons, who are
occupied or employed in prisons, or in institutions
established for the care of the sick and the poor, or other
helpless persons, if they commit indecent acts with the
persons received in prisons or such institutions.

In the case of extemating circumstances the punishment' is
imprisonment of not under six months.

The provisions of that article are a protection whith the
state owes to its youth and to chose over whose actions it assu-
mes control, and we must say that we are at a loss to conceive
the reasons that prompted the Japanese legislators to com-
pletely ignore the matters dealt with in this paragraph.
The Yorodzu's article on the subject shows that they refuse
to be ignored, it shows that one of the most populous quarters
of Tokyo has become a hotbed of unbridled licentiousness
and bestiality, practiced by class of young men who look
upon themselves, and upon whom their country looks, as the
standard bearers of Japanese progress. Where is the foul source
of this infamous contamination ? is their anything good, pure and
honorable that it will leave, or can leave, in those whose souls it
has poisoned, can they rise again from its foul swamp and become
honorable and respected citizens, husbands of loving, trusting
wives and fathers of a future generation?

Aber all diese Vorschläge verhallten ungehört, wer kann
dies der japanischen Regierung verdenken? Die Anschauungen
über die angebliche Verwerflichkeit der Lieblingminne sind
zwar schon ziemlich allgemein geworden, sie sind aber immerhin


— 89 —

Kraus*: Geschlecfatlebea

nicht stark genug, damit den Forderungen europäischer Preß-
stimmen in Japan Folge gegeben werden kann. In einem Lande,
wo bis vor etwa 20 Jahren Knabenbordelle behördlicherseits
sanktioniert waren, wie dies auch Bastian schildert,1) kann man
nicht verlangen, daß sich die tief eingewurzelten Anschauungen
derartig schnell ändern, um das Bedürfnis eines entsprechenden
Paragraphen zu rechtfertigen. Auch würde das Volk einem
solchen Paragraphen verständnislos gegenüberstehen. Und den
alles beobachtenden Japanern ist nicht entgangen, welche große
Bewegung sich gerade in Deutschland für die Aufhebung des
§ 175 D. R. St. G. B. erhoben hat. Ich habe dies aus dem Munde
manches hohen Regierungbeamten vernommen. Und wenn
heute noch in Japan dem einflußreichen Priesterstand der Ge-
brauch der Frauen als eine „unflätige und verabscheuung-
würdige Sache" verboten, dagegen die Liebe zu Knaben als „ehr-
bar und heilig" erlaubt ist, wenn in den Tempeln, wie das jeder
Japanreisende beobachten kann, ein ziemlich ungenierter Ver-
kehr der Bonzen mit den Priesterschülern besteht, so wird dem
Volk eher dadurch ad oculos gezeigt, daß die Lieblingminne
nichts verwerfliches, sondern etwas alltägliches sei, dessen Vor-
kommen man mit Stillschweigen zu übersehen habe.

^ Bastian. Der Mensch in der Geschichte. Bd. ПІ. p 307.



»Ixnabenbordelle waren in Japan in Fülle vorhanden. Sie
standen, wie die weiblichen Freudenhäuser, die Yoshiwara, unter
polizeilicher Kontrolle. Den Lustknaben in den männlichen
Bordellen war seitens der Behörde eine bestimmte, dem
S h і m a d о der unverheirateten Frauen ähnlich geordnete
Haartracht vorgeschrieben. Die Knaben schminkten und
puderten sich, trugen lange, prächtige Gewänder, waren wohl
unterrichtet in Musik, Gesang und Tanz und, gleich ihren weib-
lichen Rivalinnen, in allen Verführungkünsten Meister. Diese
Häuser der gleichgeschlechtlichen Wollust lagen in gewissen
Straßen der Hauptstädte, zumeist in der Nähe der Theater. Wie
noch jetzt die für die Prostitution bestimmten Mädchen von
deren eigenen Eltern an den Staat oder an Wirte der Yoshiwara
verkauft werden, genau so kamen auch die Wirte der Knaben-
bordelle zu ihrem Knabenstamm. Ein Knabenbordell hielt
gemeiniglich bis zu fünf junge Leute im Alter von 10—20 Jahren,
wobei nicht ausgeschlossen war, daß ältere Jünglinge durch An-
wendung von Kunstmitteln sich ein verjüngtes Aussehen zu
geben verstanden. Nach Ablauf ihrer Blüteperioden als Lust-
knaben wurden die jungen Leute der Bordelle gewöhnlich zur
Bühne abgeschoben. . . .

Die Einrichtung dieser staatlich geduldeten Knabenbordelle
hatte einen Handel der Eltern mit ihren männlichen Sprößlingen
zur Voraussetzimg. Allein es gab neben diesem speziellen Handel
mit Knaben behufs ihrer Unterbringung in Bordellen noch einen
allgemeineren. Vielfach wird erörtert, wie die japanischen Vor-
nehmen und Reichen eine große und zahlreiche Bedienung und
Aufwartung im Hause haben, die, wenn der Herr ausgeht, ihn be-
gleiten und Mantel, Schuhe, Regenschirm, Laterne und dergleichen
tragen müsse.

Gegen Ausgang des Jahres 1840 und mit Beginn der gegen-
wärtigen Meiji-Ära sowie mit der Annahme abendländischer Ab-

12*


— 92 —

в) F. Karsch-Haack. Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten:
Chinesen, Japaner. Koreer. München 1906. S. 89 ff Zum Teil nach hand-
schriftlichen Mitteilungen J. S che del s und mündlichen Suyewo Iwayae. Man
muß die ganze gediegene Abhandlung EL'b nachlesen, um die Einzelheiten des
urnischen Verkehre genau kennen zu lernen.

°) Jahrb f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1902. IV. S. 975
10) Dr. Magnus Hirschfeld: Ursachen und Wesen des Uranismus. Jahrb.
f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1903. 8. 125 f.

geschmacktheiten sind die Knabenbordelle zuerst zum Teil ver-
boten und endlich völlig abgeschafft worden, — vielleicht für
immer, wenn sich das japanische Volk, aus dessen Naturveran-
lagung doch diese Einrichtungen erwachsen, solche Bevormun-
dimg dauernd gefallen läßt.448)

Die Geschlechter sind nicht verschieden w e r t і g, sie sind
verschieden artig.

Die ethnologische Betrachtung des Uranismus führt zu dem-
selben Ergebnis, zu dem auch Dr. M. Hirschfeld als Arzt gelangte :
„Der homosexuelle Mann und die homosexuelle Frau stehen in
naturgemäßer Verwandtschaft zu einander und gehören tatsäch-
lich zu einem III. Geschlecht, das den beiden anderen gleich-
berechtigt, wenn auch nicht gleichartig gegenübersteht.449)

Der Uranismus ist weder eine Erscheinung des Atavismus
noch eine der Degeneration oder der Monstrosität, sondern ein-
fach etwas Natürliches und allgemein Menschliches.

„Das Nichtvorhandensein der Homosexualität würde ein viel
größeres Wunder gewesen sein, wie ihre Existenz, die vielen be-
fremdlicher und naturwidriger erscheint, wie das gelegentliche
Vorkommen eines wohl entwickelten Bartes beim Weib oder
milchgebender Brüste beim Mann.44. . . „Keine Erscheinung steht
in der Natur isoliert da, jede zeigt die vielseitigsten Verbindungen
mit den übrigen Naturkörpern, überall gibt es Ubergänge; wie
zwischen dem Kinde und dem Erwachsenen der Jüngling und die
Jungfrau, so bildet zwischen Mann und Weib der Urning und die
Uranierin eine Naturnotwendigkeit.4410)

Von Römer berechnet, daß wenn von den möglichen
687 375 Variationen sexueller Zwischenstufen auch nur Vi«* wirk-
lich besteht, so wären das doch schon 687 Zwischenstufen-


— 93 —

formen.11) Es gibt ihrer gewiß noch mehr, und kein Mann kann
unbedingt von sich behaupten, sein Wesen wäre zu jeder Zeit
seines Lebens ganz und gar von jeder urnischen Anwandlung frei
gewesen.

K а r s c h zieht auf Grund einer Fülle von Tatsachen, die bei
Naturvölkern erhoben worden, die sich ihm und jedem von selber
aufnötigenden Schlüsse, die ich hier der Über- und Einsicht wegen
wiederholen will, denn alle die Folgerungen treffen mit unver-
minderter Kraft auch auf die Geschlechtverhältnisse aller Kultur-
völker, also auch der Japaner zu.

1. Weder alle als Weiber, d. h. mit weiblichen GeburE-
organen geborenen Personen, noch alle als M ä n n e r, d. h. mit
männlichen Begattimgwerkzeugen ausgestatteten Menschen
fühlen den Beruf,die Rolle zu spielen, welche durch die
Natur ihrer Geschlechtorgane ihnen auferlegt zu scheint: für die
Erhaltung und Vermehrung des Menschengeschlechtes ihr Scherf-
lein beizutragen und in Verbindung damit diejenigen Arbeiten zu
verrichten, welche die menschliche Gesellschaft den lediglich nach
ihren verschiedenen Geschlechtorganen klassifizierten beiden Ge-
schlechtern anzuweisen pflegt; eine mehr oder minder große An-
zahl Individuen neigt dahin, die Rolle des andern, ihm
äußerlich entgegengesetzten Geschlechtes, sei es in
einigen, sei es in allen Beziehungen, zu übernehmen.

2. Solche Personen haben oder hatten ohne Ausnahme alle
Naturvölker aufzuweisen, als welche bekannt sind : I. die
negerartigen Völker, II. die M a 1 a y e n , III. die In-
dianer und IV. die Arktiker oder Hyperboreer.

3. Die bei den Naturvölkern zur Beobachtimg gekommenen
urnischen Erscheinungen machen auf jeden Unbefangenen durch-
aus den Eindruck elementarster Natürlichkeit; sie
beruhen offensichtlich auf dem allen gesunden Menschen natür-
lichen Trieb zur Wollust der Liebe und zeigen sich gänzlich frei
von rohem Eigennutze, Grausamkeit und Mordgier ; roher Eigen-
nutz, Grausamkeit und Mordgier haften dagegen denen unver-
kennbar an, welche als anders veranlagte Naturen die urnischen
Arten der Befriedigung des Geschlechttriebes nicht nur nicht
dulden wollten, sondern durch schwere Bestrafung und Tod aus-
rotten zu können für möglich hielten.

n) Vorläufige Mitteilungen über die Darstellung eines Schemas der Geschlechts»
differenzierungen. — Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1004. VI. 8. 347.


— 94 —

4. Die Annahme oder die Behauptung, Tribadie und Pä-
derastie seien Laster, welche ausschließlich bei in Grund und
Boden verderbten Kulturvölkern zur Ausbildung gelangten, be-
ruht entweder auf vollkommener Unkenntnis oder gar auf ziel-
bewußter Ableugung längst bekannter Tatsachen.11)

Hirschfeld stellt die These auf: Der Geschlechttrieb isï
polygam (in seinem Typus auf sein Individuum fahndend), die
Liebe monogam.18) Das gilt nur für unseren mitteleuropäischen
Kulturkreis der bürgerlichen Gesellschaftschicht. Auf primitiven
Stufen der sozialen Entwicklung decken sich Geschlechttrieb und
Liebe so sehr, daß eine Scheidimg kaum durchführbar ist. Der
Geschlechttrieb ist gleichsam der Drahtzieher der Liebe im
Possenspielpuppentheater des Menschendaseins.

„In der Liebe gibt es keinen Zufall, in ihr ist alles Gesetz.
Was ist denn überhaupt Zufall? Zufall nennen wir, was wir
nicht verstehen. Als zufälliges Ereignis bezeichnen wir
eines, in dem sich zwei Kausalreihen kreuzen.4*14)

Einen gewissen Ausgleich zwischen älteren und neueren
Auffassungen der Homosexualität versucht Dr. Alfred
Fuchs, indem er sagt:15) „Es muß zugegeben werden, daß es
gewissermaßen eine weite Auslegung des Begriffes ist, wenn man
Menschen mit angeborenen oder erworbenen Anomalien, welche
sich sonst unter Umständen eines vollkommenen Wohlbefindens
erfreuen können, „Krank e44 nennt. Vielleicht sollte man sie
richtiger „abnorm Veranlagte44 oder ähnlich benennen,
insbesondere wenn man nur die Verkehrtheit des Geschlecht-
triebes und nicht die in der überwiegenden Mehrzahl mit dieser
verbundenen, gesundheitlichen Schädigungen im Auge behält.

„Nach unserer Uberzeugung gehören alle sexuellen Per-
versionen, sowohl die konträre Sexualempfindung, als auch die
Perversionen Heterosexueller der großen Gruppe der ange-
borenen oder erworbenen konstitutionellen Anomalien an; denn

19) Dr. F. Karsch. TTranismue oder Paederaetie und Tribadie bei den
Naturvölkern. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1901. ПІ. S. 175—179.

^ Vom Wesen der Liebe. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1906.
VIE S. 138.

u) M. Hirechfeld. Vom Wesen der Liebe. Jahrb. f. sex. Zwischen-
stufen. Leipzig 1906. YHL S. 151.

15) Therapeutische Bestrebungen auf dem Gebiete sexueller Perversionen. —
Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1902. IV. S. 179 u. 181.


— 96 —

wir können sagen, daß die Zellen des Zentralnervensystems so
beschaffener Menschen auf normale, d. h. natürliche Reize mit
perversen, d. h. nicht natürlichen Empfindimg reagieren. Daß
damit nicht etwa eine Schädigung der geistigen Gesundheit prä-
judiziell wird, braucht keiner weiteren Erörterung.44

Diese Ausführung beruht auf einer wissenschaftlich unhalt-
baren Anwendung der Schlagworte normal, anormal, natürlich
und perverse, wie sie der Laie gebraucht. Das beweist die
spätere Bemerkung von Fuchs: „Es kann inbezug auf das
Geschlechtleben doch nur ein „Normales44 geben: Normal
ist nur der Geschlechttrieb, welcher die Er-
haltung der Gattung bezweckt und sich dem-
entsprechend betätigt. Die abgeschlossene Zufrieden-
heit Konträrer ist nur ein unzureichendes Äquivalent für normale
Empfindungen und die Sehnsucht nach homosexuellem Liebes-
glück, auch wenn sie sich in dichterisch zweifellos sehr schöne
Formen kleidet, sind und bleiben zumindest bei jugendlichen
Individuen, welche nicht durch körperliche Mißbildung stig-
matisiert sind, krankhafte Selbsttäuschung.44 Als eine unbe-
wußte Selbsttäuschung erscheint mir auch Fuchs* Bemerkung,
betrachtet man sie auf Grund des Völkerlebens. Angesichts der
Gleichberechtigung der Empfindungen, die Eduard Kulke
in seiner Kritik der Philosophie des Schönen") nachgewiesen,
fallen solche Einwände in nichts zusammen.

Dr. Magnus Hirschfeld führt die Entstehung des
Uranismus auf die bisexuelle Fötalanlage zurück, auf die
Divergenz zwischen der Entwicklung der Sexualorgane und der
entsprechenden Gehirnzentren. Hirschfeld stellte als einer der
ersten mit Krafft-Ebing und Ellis diese Theorie auf,
die beide auch erst in den Jahren 1896 und 1896 mit ähnlichen
Auffassungen aufgetreten sind. Als erster unter den praktischen
Ärzten bezeichnet Hirschfeld den Uranismus als eine zwar
anormale, aber keineswegs stets krankhafte Erscheinung.")

Numa Prätorius betont mit Recht, es sei völlig un-
zutreffend, die urnische Liebe als eine rein platonische, des
Verlangens nach fleischlichem Verkehr entbehrende, kraftlose

le) Leipzig 1906.

17) Sappho und Sokrates: Wie erklärt sich die liebe der Männer und
Frauen zu Personen des eigenen Geschlechts? 2. Aufl. Leipzig 1902.


— 96 —

Leidenschaft aufzufassen. Die Akte der Uranier sind nicht bloß
von symbolischer Bedeutung, es sind Äquivalente der Befriedi-
gungart zwischen Mann und Frau.")

Im Durchschnitt hat die Liebe des Uraniers nichts von der
des Heterosexuellen voraus und erheischt wie sie sinnliche Be-
friedigung, und zwar oft recht gebieterisch. Nur bei der Minorität
der Uranier, wie bei der Minorität der Heterosexuellen findet eine
Vergeistigung der Geschlechtliebe statt.

Das Gros der Homosexuellen geht sicherlich ebenso wie das
der Heterosexuellen nicht in idealer Liebe auf und strebt nach
sinnlicher Befriedigimg, auch an Zynikern und Wollüstlingen fehlt
es nicht, aber sicherlich ist ihre Anzahl keine verhältnismäßig
größere als unter den Heterosexuellen. Jedenfalls begegnet man
bei den Uraniern verhältnismäßig nicht häufiger Niedertracht und
Gemeinheit in geschlechtlicher Beziehung als bei den Hetero-
sexuellen.10)

Das wesentliche bei der Päderastie und Tribadie ist der
durch ein Wesen desselben Geschlechtes hervorgerufene Orgas-
mus (Karsch).

Knabenschändung und Uranismus sind miteinander nicht zu
verquicken. Es mag sich auch ein Uranier des Aftermiß brauche
schuldig machen, aber, wie uns die Folklore beweist, üben vor-
wiegend Heterosexuelle sowohl bei Knaben als bei Frauen in
und außer der Ehe diesen für den Dulder oder die Dulderin in
gesundheitlicher Hinsicht abscheulichen und schädlichen Brauch.
Der berüchtigte Gymnasiastenschänder von Neusatz war sogar
zweimal verheiratet und setzte selber Kinder in die Welt, sowie
auch sein Karlowitzer Lustknabe eine Ehe einging. Beide darf
man nicht den Uraniern beizählen, sondern einer Gruppe von
Verbrechern, gegen die, weil sie sich als Vertreter des Patriotis-
mus und Nationalismus aufspielen, das Strafgesetz außer
Kraft ist.

„Nur der Normalsexuale, dem es in Vollkraft seines Triebes
freigestellt ist, welchen Akt er verüben will : Onanie, gegenseitige
Onanie, beide Formen des Pygismus, wie die Entjungferung und

18) Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1903. V. П. S. 1000.
Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. 1905. VII. II. S. 694 u. 697.


alle Sorten, das Weib zu genießen — der nicht, wie der Mono-
sexuale und der Homosexuale an ein bestimmtes Gelüste ge-
bunden ist, er vermag auch jede Art von Kinderschändung zu
verüben, ja, sogar Sodomie mit Tieren und Schändung von
Leichen, er ist bestialisch genug, denn er hat ja die unge-
bundene Kraft dazu. Und was besonders zu erwähnen ist,
nur der Normalsexuale ist manchmal brutal genug, sein
Opfer als Steigerung der Wollust, auch noch grausam zu quälen,
ja, nach Blut zu lechzen — was ja auch bei manchen Tieren
während der Begattung eintritt. Man frage nur öffentliche Dirnen,
was sie von den „Blutern44, d. h. den allerdings selten vor-
kommenden Liebhabern halten, die während des Akts im
Momente der Brunst, die Geliebte blutig beißen, sie verwunden
— ja, auch Weiber tun das bei leidenschaftlicher Umarmung.10)

„Das Variationbedürfnis hat wohl auf die Art der Be-
tätigung einen Einfluß, nicht aber auf die Neigung des Geschlecht-
triebes an und für sich. Dieser Trugschluß dürfte auf die An-
nahme zurückzuführen sein, daß der Homosexualismus dem
Masochismus, Sadismus, Fetichismus und ähnlichen Störungen
gleichzusetzen sei, mit denen er seit Krafft-Ebing so oft gemein-
sam dargestellt ist. Bei letzteren handelt es sich um etwas ganz
anderes, nämlich um krankhafte Hypertrophien normaler Triebe,
nicht etwa um sexuelle Zwischenstufen (Mischimg männlicher
und weiblicher Eigenschaften). Jeder Liebende will die Geliebte
erobern, der Sadist will sie unter seine Gewalt bringen; der
Liebende will ihr gefälliger Diener, der Masochist ihr Sklave, ihr
„Hund44 sein; der Liebende legt sich die Locken seiner Mädchens
ins Medaillon, der Fetischist bewahrt sich Weiberzöpfe in der
Schublade auf. Selbstverständlich kann ausnahmweise ein
Homosexueller ebenso wie ein Heterosexueller, Sadist, Masochist,
Fetischist sein, vielleicht alles zugleich, aber niemals kann ein
Homosexeuller ein Heterosexueller sein oder umgekehrt.4411)

Dr. A r d u i n bemerkt mit feiner Unterscheidimg : „Den
Tatsachen entspricht es, wenn wir vier Haupt arten honuo-
sexuell veranlagter Personen unterscheiden : 1. die homosexuellen
Männer, die sich als Mann fühlen und deren Liebe sich daher

*>) Dr. M. im Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1900. IL S. 96.
21) Dr. Magnus Hirschfeld: Ureachen und Wesen des Uraniemus.
Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1908. У. I. S. 85.

Knuss: Geschltcfatleben. 13


auf Männer erstreckt; 2. die homosexuellen Männer, die slcn in
der Rolle des Weibes fühlen und die deswegen nach geistig und
körperlich kraftvoll, d. h. tatsächlich ganz oder vorwiegend
männlich entwickelten Männern Verlangen tragen ; 3. die homo-
sexuellen Weiber, die sich in der Rolle des Mannes fühlen und
demgemäß zarte, völlig weibliche Naturen innerhalb des weib-
lichen Geschlechtes an sich ziehen möchten; und 4. die homo-
sexuellen Weiber, die sich auch wahrhaft als Weib fühlen und
darum zu männlich angelegten Individuen des weiblichen Ge-
schlechtes Neigung haben. Kurz gesagt: es gibt unter den
Homosexuellen virile Männer und feminine Männer,
virile Weiber und feminine Weiber."22)

„Die Homosexualität ist eine so regelmäßige, nicht bloß
bei Kultur Völkern, sondern auch bei allen Natur Völkern
verbreitete Erscheinung, daß sie als ein Stück göttlicher,
also auch zweckmäßiger Naturordnung angesehen
werden muß, wie die Geschlechtlosigkeit bei Bienen,
Ameisen usw."")

Bei einigen Völkern brachte man die Knabenliebe sogar mit
dem Gottesdienst in Verbindung, wie aus der Bezeichnung
puer eanctus (heiliger, gottgeweihter Knabe), für puer
mollis, kinaeda (Buhlknabe) hervorgeht, die römische Schrift-
steller erwähnen. Helvetius teilt mit, daß man in gewissen
Gegenden von Peru die Päderastie als eine zu Ehren der Götter
vorgenommene Handlung ausgeübt habe.

„Während sich die heterosexuelle Liebe stets frei und schön,
geachtet und geehrt entfalten konnte, hat die homosexuelle Liebe
eine Geschichte von Blut und Tränen ohnegleichen hinter sich.
Eine Liebe, die so zu Boden getreten, nicht hat zerstört, so ge-
knechtet, nicht hat ausgerottet werden können, die soviel Er-
niedrigungen, Qualen, Haß, Spott und Hohn überdauerte und
überstand, hat schon durch diese Vergangenheit den Beweis ihrer
Existenzberechtigimg erbracht, hat gezeigt, daß sie ein elemen-
tares Naturphaenomen ist, dem gebieten zu wollen ebenso absurd

^ Die Frauenfrage und die sexuellen Zwischenstufen. Jahrb. f. sex.
Zwischenstufen. Leipzig 1900. IL S. 217.

*D Prof. Dr. Gustav Jäger: Ein bisher ungedrucktes Kapitel Homo-
sexualität aus der Entdeckung der Seele. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig
1900. IL S. 122.


— 99 —

und vermessen ist, als wollten wie der Erde die Anziehung, der
Sonne das Scheinen verbieten/414)

Hirschfeld hat recht, doch ausschlaggebend sind nicht
so sehr die Verfolgungen, die den Homosexuellen fast ausschließ-
lich innerhalb des christlichen Kulturkreises bereitet wurden
und noch werden, sondern die Tatsache, daß die Homosexualität
im Spiegel des Völkergedankens als eine allgemeine im menschen-
tierischen Naturtrieb unausrottbar festwurzelnde Erscheinimg
ist, die überall und zu allen Zeiten auftritt.

„Wir müssen uns erinnern,44 sagt Dr. Hirschfeld,
„daß viele weitgereiste Gewährmänner angeben, daß sie die
Homosexualität überall gleich verbreitet gefunden haben, daß
Männer wie Schopenhauer und Höszli gerade aus der gleich-
mäßigen Verbreitung der Homosexualität zu allen Zeiten und
bei allen Völkern gefolgert haben, auch diese Liebe sei Natur.
Reiseschriftsteller und Ethnographen haben uns allerdings von
Völkern berichtet, bei denen gleichgeschlechtliche Handlungen
besonders stark verbreitet sein sollen. Soweit ich sehe, handelt
es sich aber bei diesen Mitteilungen stets um südländische, zu-
meist asiatische Völker, bei denen das sexuelle Leben überhaupt
und dementsprechend auch das homosexuelle viel auffälliger zu-
tage tritt als bei uns. Es ist vorderhand noch eine offene Frage,
ob tatsächlich dieses stärkere Hervortreten einer stärkeren Ver-
breitung der Homosexualität entspricht oder ob die homo-
sexuellen Globetrotter im Rechte sind, die mir mehrfach davon
sprachen, daß sich Berlin und London von Teheran und Peking,
New York und Rio de Janeiro wohl in den Erscheinungformen,
aber nicht in Bezug auf die Ausdehnung homosexuellen Lebens
unterscheiden.4425) H. weist noch darauf hin, daß sich die
Kategorien zwischen holländischen und deutschen Studenten
ziffernmäßig entsprechen und daß sich auch in Italien die Zahl
der Abweichenden zwischen gleichen Höhen bewege.

Die von Hirschfeld als offen hingestellte Frage ist keine
Frage mehr, denn für den Ethnologen ist es angesichts der
sonstigen Ubereinstimmung des Völkergedankens klar, daß die
Beobachtung der homosexuellen Globetrotter den tatsächlichen

24) M. Hirschjf eld. Vom Weeen der Liebe. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen.
Leipzig 1906. VIII. S. 15.

з5) Das Ergebnis der statistischen Untersuchungen über den Prozentsatz der
Homosexuellen. — Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig v1904. VI. S. 167 f.

13*


Zuständen gemäß ist. Das Gegenteil davon mußte geradezu die
größte Verwunderung und den Zweifel an der Richtigkeit der
Angaben erwecken.

Man kann wohl konstatieren, daß sich seit dem Altertum
in der Kenntnis und Beurteilung, nicht aber, daß sich in der Ver-
breitung der verschiedenen sexuellen Zwischenstufen nennens-
wertes geändert hat. Richtig ist, daß im Altertum sowohl die
körperlichen als die seelischen Hermaphroditen in viel höherem
Maße wie im Mittelalter und der Neuzeit von den Dichtern, Bild-
hauern und Malern als Gegenstand künstlerischer Darstellung be-
rücksichtigt wurden, es ist auch zutreffend, daß sich in der antiken
Kunst auffallend oft die männlichen Bildwerke durch weibliche,
die weiblichen durch männliche Körperlinien und Charakterzüge
auszeichnen, doch geht es nicht an, hieraus . . . ohne weiteres
zu folgern, daß die Geschlechtmerkmale in damaliger Zeit weniger
ausgeprägt waren, wie heutzutage.1*)

Bei den Skythen gab es nach Herodot und Hippokrates eine
Klasse von Männern, die effeminiert waren, sich als Weiber klei-
deten, sich allen möglichen weiblichen Beschäftigimgarten zu-
wandten und zweifellos der passiven Päderastie ergeben waren.

Ein ungenannter Gelehrte stellte eine schwerwiegende
Menge von Zeugnissen aus der ältesten nordisch-germanischen
Literatur zusammen, die jeden Zweifel darüber beheben, daß die
alten Skandinavier mit der Tatsache vom Vorkommen mann-
liebender Männer wohl bekannt waren. „Für den konträr-
sexuellen Verkehr besaßen sie eine ganze Nomenklatur von Be-
zeichnungen, und sowohl im Zorne als im Scherze wurden in
dieser Richtung hin allerlei Anspielungen und Beschuldigungen
ausgespielt. Dabei kann es nicht verwundern, daß dergleichen
Vorstellungen in grotesk verzerrte und unflätige Bildnisse und
Ausdrücke eingekleidet wurden. Schwelgte doch der allgemeine
ästhetische Geschmack jener Zeiten vorzüglich im kolossal Über-
triebenen und Karrikaturaiäßigen."27)

Im heutigen Griechenland finden wir ungefähr dieselbe Auf-
fassung der Knabenliebe wie im Altertum, die z. B. aus der Rede
des Aeschines gegen Timarchos hervorgeht: wenn nämlich in
einem Liebebündnis, vielleicht als Reflex, ein sexueller Akt ver-

Я*) Hirschfeld, Dr. M.: Geschlechtsübergange. Leipzig 1906. S. 16 f.
27) Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1902. IV. S. 256.


— 101 —

übt wird, so trifft diesen nicht die Verachtung. Verurteilt und
bestraft wird nur die Prostitution.28)

„In der piccola borgesia (Kleinbürgerstand) in Rom, Neapel,
Genua heiraten die meisten Männer, die oft bis in ihr 20. Lebens-
jahr untereinander (unentgeltlich) homosexuell verkehrten,
werden normale Gatten und gute Familienväter."28)

„In Venedig hatte diese Unnatur einst so sehr überhand ge-
nommen, daß der Senat die öffentlichen Mädchen, deren Zahl auf
12 000 stieg, in seinen Schutz nahm und in der St. Markuskirche
der Madonna dei Mascoli, welche die Männer wieder zur Natur
zurückführen sollte, eine Kapelle errichtet wurde.4'80)

Wie stark homosexuelle Neigungen in Italien vorkommen
oder vorkamen, was in diesem Falle bei der Unwandelbarkeit der
menschlichen Anlagen dasselbe ist, lehrt uns Andreas Ri-
ve t u s aus Poitou, der Doktor der Theologie und Professor an
der Akademie zu Lyon war, in seiner Schrift ,Der gezüchtigte
Jesuit' (Jesuita vapulans), die i. J. 1660 erschien. Er beruft sich
auf den Spanier Alvarus Pelagius und auf T r і t h e -
mius (1517): ,Die Kleriker treiben alle nur denkbaren Laster,
auch das der Päderastie (vitium contra naturam). Wehe, wehe,
innerhalb der heiligen Kirche halten viele Fromme und Kleriker
in ihren Schlupfwinkeln und Konventikeln, und in den meisten
Staaten öffentlich auch schon Laien, ganz besonders in Italien,
gewissermaßen ein öffentliches Gymnasium und eine Ringschule,
in denen sie sich in der Ausübung dieses greulichen Lasters üben,
und gerade die besten unter den Jünglingen werden in solchem
Hurenhause am höchsten eingeschätzt. Daß doch Gesetze solches
Laster einschränkten, Gottesfurcht allein bringt sie von einem so
großen Übel nicht ab! — Denn eine so große verabscheuung-
würdige Ergötzung verschafft bei jenem Laster der unreine Geist,
daß die, welche an dieser Krankheit leiden, in ihr eine weit
größere Wollust empfinden, als am Gerüche der Brunst von

**) Jahrb. f. box. Zwischenstufen. Leipzig 1902. IV. S. 946. — Paul
Brandt: Der juaföov ïpoç in der griechischen Dichtung. I. Die lyrische und
bukolische Dichtung. Ebenda. Leipzig 1906. VIII, S. 619—684. — Die
Homosexuellen nach hellenischen Quellenschriften топ Otto Knapp. Anthropo-
phyteia. III. S. 254—260. Leipzig 1906.

^ M. Hirschfeld. Vom Wesen der Liebe. Jahrb. für sex. Zwischen-
stufen. VIII. 1906. 8. 200.

*>) Welcher. Griechische Götterlehre. IL 8. 715.


— 102 —

Weibern, wie ich von solchen hörte, die ob ihres Bekenntnisses
nicht einmal erröteten. So gewaltig ist die ganze Welt, voran
Italien, in Vorstellungen von jenem Laster versunken, daß kein
Gegenmittel fruchtet; weder das der Warnungen, noch das der
Angst vor zeitlicher Bestrafung; es müßte denn Feuer und
Schwefel, wie solches im Zorne Gottes zur Besserung anderer
geschah, wiederum über jene Lasterbuben schleunigst vom
Himmel herniederfallen und sie verzehren, sowie es die ver-
kommenen Sodomiter verzehrte und vertigte/81) . . . ,Auf daß
aber dem Laster nichts an seiner Vollendung fehle, so erreichte es
seine höchste Stufe dadurch, daß in diesem gewiß heiligen Orden
die Päderastie einen öffentlichen Lobredner erhielt. Zu Venedig
erschien bei Trajan Naevus in italienischen Versen ein Buch „de
laudibus Sodomia e", in welchem der Verfasser J o -
hanne de la Casa kund tut, die Sodomie sei eine ganz be-
sondere Kunst, ein edler, sogar ein göttlicher Zeitvertreib; er
habe dies aus eigener Kenntnis an sich erfahren, und in der an-
deren Liebe gäbe es ein größeres Entzücken nicht. Dieser delà
Casa aber war Erzbischof von Benevent, Dekan der päpstlichen
Kammer und päpstlicher Legat a Latere bei der Republik Ve-
nedig.*'

In Frankreich ist man sogar derart von der größeren Ver-
breitung der Homosexualität in Deutschland — und zwar nicht
mit Unrecht, meint mit Recht Numa Praetorius") — überzeugt,
daß man sie gerade le vice allemand, das deutsche
Laster, nennt. Mit demselben Recht heißt man in Deutschland
die Syphilis die Franzosen, sage ich, dem die näheren Verhält-
nisse in romanischen und slavischen Ländern nicht imbekannt
sind.

Nach N ä c k e begegnet man in Paris auf den großen Boule-
vards und in den Champs-Elysées den gewöhnlichen Großstadt-
prostituierten, Jünglingen von 15—25 Jahren — natürlich auch
ältere — die dort zwischen 9 und 2 Uhr morgens auf und ab
spazieren. Unter ihnen gibt es auch eine Anzahl von Erpressern.
Es sind verschiedene kleine Hotels vorhanden, die die homo-

81) Zitiert nach F. Kar seh: Quellenmaterial zur Beurteilung angeblicher
und wirklicher Uranier. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1902. S. 331 f.
und 335.

V*) Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1902. IV. S. 742.


103 —

sexuellen Paare aufnehmen. Die Prostituierten der Boulevards
sind zum Teil sehr gefährlich, nicht minder wie ihre Berliner
Kollegen. !

Hirschfeld vervollständigt diese Angaben. So existierte
bis zum Spätjahr 1905 in der Rue St. Martin ein kleines Hotel,
dessen homosexueller Besitzer nicht nur homosexuellen Personen
Zimmer zu vorübergehendem Aufenthalt vermietete, sondern
auch stets fünf bis sechs junge Leute im Alter von 15—22 Jahren
im Hotel beherbergte und Homosexuellen gegen Bezahlung zur
Verfügung stellte. Außer diesem Hotel gab es im Jahre 1905
noch eine Art von Männerbordell bei einem Homosexuellen, der
in seiner Wohnung nachmittags ein halbes Dutzend junger Leute
zur Auswahl der besuchenden homosexuellen Herren bereit hielt
oder aus der immittelbaren Nachbarschaft herbeirufen ließ und
sofort ein Zimmer für einige Francs die Stunde vermietete.")

Vor einigen Jahren existierte in Amsterdam eine lediglich
von Homosexuellen aus den Volks- und Mittelkreisen, sowie von
Fremden besuchte Wirtschaft, in der jeden Abend 20—40 Homo-
sexuelle zu treffen waren.84)

Chrowotische und serbische Homosexuelle halten ihre Zu-
sammenkünfte ziemlich regelmäßig in Karlowitz, in Neusatz und
Agram ab. Die üblichen „Verbrüderungfeste zwischen den beiden
Nationen" sind nichts anderes als Uranierversammlungen, in
denen man die Neulinge feiert. Die Jünglinge, die man gewonnen
hat, heißt man vatreni mladici (feurige Jünglinge) oder nadobudna
mladeż (hoffnungerweckende Jugend). Da derartige Bündnisse
auch dortzulande verpönt sind, treten sie gewöhnlich unter poli-
tischer oder literarischer Flagge auf. Den Lustknaben überläßt
man z. B. die literarische Kritik, und es ist zum Unheil der ser-
bischen und chrowotischen Literatur ausgeschlagen, daß Lust-
knaben in ihr das große Wort führen. Die nicht seltenen
Schlägereien unter Chrowoten und Serben erweisen sich häufig
im letzten Grunde als nichts anderes, denn als Kämpfe der
Heterosexuellen gegen Homosexuelle.

^ Dr. P. Naecke: Quelques détails sur les homosexuels de Paris. Archives
d'anthropologie-criminelle, de criminologie et de psychologie normale et pathologique,
N. S. T. IV. No. 138. — M. Hirschfeld: Jahrb. f. sex. Zwischenstufen.
VIII. Leipzig 1906. 8. 796 f.

w) Numa Praetorius. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1903. V.
П. S. 966.


104 —

Im Orient besteht mir der Anschein einer größeren Ver-
breitung des Uranismus infolge des Umstandes, daß dort, nicht
wie in Mitteleuropa, der gleichgeschlechtliche Verkehr nicht als
etwas Fluchwürdiges und Ungewöhnliches gilt, homosexuelle Ge-
fühle und Handlungen offener hervortreten und weniger geheim
gehalten werden. Aus Kunst und Literatur, zumal der Folklore
der Asiaten geht klar hervor, daß man dort jede Art von Liebe
gleich bewertet und daß nicht der mindeste moralische Makel der
Liebe zum Jüngling anhaftet.

Nach einem Berichte P. Kéravals85) sind von den Ufern des
Marmarameeres an bis zum Yang-tze-Kiang die Tänze und Ge-
sänge den jungen Burschen, genannt b a t c h a , übertragen, die
ganz und gar die Rolle unserer Schönheiten aus den Variétés er-
füllen. Die Päderastie sei im direkten Verhältnis zur Größe der
Stadt und der Einsperrung der Frau organisiert. In den Städten
Mittelasiens und bei den Nomaden, wo die Frauen frei seien, gäbe
es wenig botcha. Der botcha, Tänzer, Sänger, Schauspieler, ein
halbes Weib nach dem Kostüm und den Manieren, habe in den
Khanats Mittelasiens eine offizielle Stellung, er gehe aus den Kin-
dern armer Eltern hervor. Er werde von herumziehenden
Musikern oder von reichen Leuten gekauft, die ihn seinen Beruf
lehrten, sowie die Funktion, zu der er dienen sollte. Eine eigen-
artige Massage der Hinterbacken, eine durch Instrumente hervor-
gebrachte Erweiterung des Afters werde mit ihm vorgenommen.
Schläge und Rauschzustände mittels Alkohol und Haschisch
spielten dabei eine große Rolle. Dann verkehre mit dem batcha
sexuell als erster der Dirigent der Musiker, es sei denn, daß er ihn
einem reichen Liebhaber abtrete.

Von 12 bis 16 Jahren stünde der batcha in der Glanzperiode
seiner Erfolge. Aber seine Verdienste flössen den Kupplern zu,
so lange er keinem Herrn gehöre, der ihn unterhalte. Wenn der
Bart wachse, verlöre er seinen Wert. Dann könne es geschehen,
daß er ein ehrbarer Bürger werde, eine Familie gründe, seinen
Harem und seinen batcha besitze. Es könne auch sein, daß, falls
er die Leidenschaft der passiven Päderastie behalten habe, er
Diener nehme zur Erregung seiner Begierden in praepostera, die
er mit seinen Frauen normaliter befriedige.

o*) Archives de Neurologie. XXIV. 1902. & 236 f. Zitiert nach dem
Referat von Nnma Praetorium. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1903.
V. II. S. 964 f.


105 —

Dagegen gäbe es batcha. die gegen die Natur kämpften und
die Attribute des Feminismus durch Kastration erhalten wollten.
Wenn dies geschehen, verließen sie ihr Gewerbe oder wenn sie
mit der Prostitution fortführen, würden sie doch nur wegen ihrer
künstlichen Jugend verachtet. In beiden Fällen sänken sie noch
tiefer. Manche züchteten Frauen zum coitus per anum oder zu
sonstigen Verirrungen heran, seien ihre Louis oder die Ehe-
männer der Prostituierten.

Praetorius bemerkt hierzu richtig, die batcha und die
mit ihnen geschlechtlich verkehren, wären selbstverständlich
nicht alle Homosexuelle, doch zweifellos ein Teil. Seine Meinung,
daß die Hebung der sozialen Verhältnisse der Frau den gleich-
geschlechtlichen Verkehr mehr zurückdrängen, Heterosexuelle
davon abbringen, insbesondere aber den Mißbrauch unmündiger
Knaben einschränken würde, kann man nur als einen Wunsch
auffassen. Nur strenge Gesetze, die auch unerbittlich streng
gehandhabt werden müßten, könnten eine Änderimg nach außen
hin erzwingen, der Sache nach bliebe doch wieder alles wie bis-
her. Er bestätigt dies auch selber mit dem Zusatz: „Dagegen
wird die Änderung in den sozialen Zuständen auf die Homo-
sexuellen keinen Einfluß ausüben und den gleichgeschlechtlichen
Verkehr ebensowenig beseitigen, als dies durch die Entwicklung
der Zivilisation bei uns der Fall gewesen ist.4'

Unter den Indianern gibt es Stämme, die den gleichge-
schlechtlichen Verkehr zwischen Männern geradezu anerkennen.
Eine gewisse Kategorie von Männern legt Weiberkleider an und
sucht in allem dem Weibe zu ähneln ; sie leben mit Männern zu-
sammen und geben sich ihnen geschlechtlich hin.

In Tahiti werden Liebebündnisse zwischen Männern, die so-
gar verschiedenen und feindlichen Stämmen angehören, ge-
schlossen und von beiden Stämmen derart anerkannt, daß jeder
vom Bunde das Gebiet des feindlichen Stammes ohne Gefahr
betreten darf.")

„Bei den Naturvölkern tritt der Mannling vollständig in den
Hintergrund und auf der Bildfläche erscheint ein ausgesprochenes
Weiblingtum, das sich nicht darauf beschränkt, von

e6) Dr. Nu m a Praetorius: Die strafrechtlichen Bestimmungen gegen den
gleichgeschlechtlichen Verkehr historisch und kritisch dargestellt. — Jahrb. f. sex.
Zwischenstufen. Leipzig 1899. I. 8. 148.

Krtipfc: Geschlecbtleben. 14


— 106 —

Männern aufgesucht zu werden, sondern selbst Männer aufsucht
und sich gern in die Tracht des Weibes kleidet, um, womöglich,
die Verbindung mit dem geliebten Manne durch eine Heirat ge-
setzlich zu krönen. Fast jede ihrer Sprachen hat für die Weib-
linge, Pathici oder Kinäden, der zugehörigen Völkerstämme ein
besonderes, oft überaus bezeichnendes Wort.") Earsch fuhrt
25 solcher Namen an. Hier scheine eine Besonderheit der Natur-
völker vorzuliegen, umsomehr als unsere Wörterbücher der euro-
päischen Sprachen über gleiche Bezeichnungen bei uns keine
Auskunft geben. Der Schein trügt jedoch, wie eine Durchsicht
der „Anthropophyteia im Sprachgebrauch der Völker'4 lehrt.
Wir Kulturmenschen sind eogar viel reicher in unserem Volks-
sprachschatze als die Kulturarmen.

Unter den Uled, den arabischen Artisten, meistens Berbern,
ersetzen, da Frauen und Mädchen (bei den Truppen) ja gänzlich
fehlen, die jüngeren Mitglieder deren Stelle, was bei der in
Marokko im allgemeinen sehr verbreiteten Männerliebe auch
nicht zu verwundern ist. Die Uled nennen einen Mann, der den
sexuellen Verkehr mit Knaben, dem mit dem weiblichen Ge-
schlecht vorzieht a d e r r â b. Die Araber in Marokko nennen
ein solches Individuum lûnat oder auch einfach Kâhab-
ed-drâni, d. h. Jugendfreund. Der Jüngling, der, sei es für
Geld, sei es aus Zuneigung, mit einem Manne geschlechtlich ver-
kehrt, wird s ä m e 1 oder auch a 11 а і, d. h. Geber (d. h. einer,
der sich hingibt) genannt, ein bärtiger Jüngling oder Mann aber,
der die passive Rolle übernimmt, Kassa s.88)

Auf Madagaskar bilden die Lustknaben förmlich eine Innung
zu gegenseitigem Schutz und zu Angriffen. Die männlichen
passiven Uranier bieten alles auf, um die Täuschung über ihr
äußerlich angeborenes Geschlecht vollkommen durchzuführen.

„In Emyrnien heißen diese Personen Sarimbary (sar
Bildnis, vary Frau), bei den Sakalaven S e c a t r a. Die Secatra
begnügen sich nicht mit äußeren Ähnlichkeiten mit dem Weib,
sondern gehen viel weiter in dem intimen Verkehr. Die Secatra
sind normal gebildete Männer, aber seit ihrer Jugend hat man

37) Dr. P. Karsch: TTranismus oder Paederastie und Tribadie bei den
Naturvölkern. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1901. III. S. 81.

88) M. Quedenfeldt: Die Oorporationen des Uled Seidi Hammedu-Muesa
und der Orma im südlichen Marokko. Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1899.
XXI. 8. 573 ff.


— 107 —

8°) Annales d'hygiène et de médecine coloniales. Paris 1899. Zitiert nach
Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. 1900. S. 885 ff.

sie wahrscheinlich wegen ihres zarteren oder schwächlicheren
Aussehens wie Mädchen behandelt und nach und nach betrachtet
man sie wie wirkliche Frauen, indem sie auch das Kleid, den
Charakter und die Gewohnheiten der Frau annehmen.

Die Autosuggestion, die sie erlitten haben, hat sie ihr wahres
Geschlecht vergessen lassen und sind unfähig geworden, eine
Erektion oder eine Begierde bei einer Frau zu verspüren. Sie
verwenden große Sorgfalt auf Toilette und Kleidung, sind mit
Weiberstoff und Röcken bekleidet und tragen lange Haare mit
Zöpfen, die kugelförmig enden. Ihre Ohren sind durchlöchert und
erhalten Ringelchen mit Silberstücken. Auf dem linken Nasen-
flügel haben sie ein Geldstückchen, an den Armen und Füßen
tragen sie Halsbänder. Um die Ähnlichkeit mit dem Weib noch
weiter zu treiben, belegen und bedecken sie die Brust mit Lappen,
die den Busen und die Brüste nachbilden sollen. Sie entfernen
sorgfältig alle Haare am Körper (mit Ausnahme des Kopfhaares)
haben den wiegenden Gang der Frau und eignen sich schließlich
deren Stimme an.

Wenn ein Mann ihnen gefällt, geben sie ihm Geld, damit
er mit ihnen schlafe; sie lassen ihn in ein mit Fett gefülltes
Ochsenhorn, das sie sich zwischen die Beine legen, koitieren;
manchmal lassen sie sich pädizieren.

Sie verrichten keinerlei mühsame Arbeit, beschäftigen sich
mit der Haushaltung und der Küche, flechten Strohmatten, hüten
niemals das Vieh und gehen nicht in den Krieg. Ihre Geschlecht-
lage wundert niemand, man findet sie ganz natürlich und niemand
wagt eine Bemerkimg, denn der Secatra könnte sich rächen, in-
dem er auf die seinen Fall besprechen würden, ein Los und eine
Krankheit würfe."")

Eine ausgezeichnet befriedigende psychologische Erklärung
für die Neigung mancher Männer sich in Frauengewand zu hüllen
und die Rolle des Weibes zu spielen, gibt Hirschfeld mit
seiner Bemerkung :

„Die weibliche Kleidung bedingt nicht eine Umgestaltung
des inneren Menschen, sondern der innere Mensch verschafft sich
die Kleidung, die ihm zusagt. Die Ursache des Charakters liegt
also nicht in der Tracht, sondern die Ursache der Tracht im

14*


— 108 —

Charakter des Menschen. Ebenso ist es mit dem Beruf des
Urnings. Er wird nicht feminin, weil er Frauenrollen spielt, son-
dern weil er feminin ist, bevorzugt er Frauenrollen.40)

Das Seitenstück dazu stellt das Mannweib dar, das häufig,
doch durchaus nicht immer auch zugleich eine Urninde ist. Daß
die Mehrheit der Frauenrechtlerinnen Mannweiber sind, ist eine
durch nichts erwiesene Schmeichelei. Weiber, die sich daheim
nicht genug austoben können, unverschämte Männerjägerinnen,
Profitsucherinnen und die große Sippe der Adabei, alle die
drängen sich frech vermessen an die wenigen ehrlichen Vor-
kämpferinnen für das Eecht der Frauen heran. Nur vom ehren-
werten Mannweib gilt, was Ruling von ihr sagt :

„Das Mannweib ist, wie im Durchschnitt der normale Mann,
objektiver, energischer und zielbewußter als das weibliche Weib,
ihre Gedanken und Empfindungen sind die des Mannes; sie
ahmt dem Mann nicht nach, sie ist veranlagt
wie er,dies ist der entscheidende,springende
Punkt, den die Hasser und die Verleumder des sogenannten
„Mannweibes4' immer außer acht lassen, weil sie sich nicht die
Mühe geben, der homosexuellen Erscheinung einmal gründlich
nachzuforschen.4

Uber gleichgeschlechtliche Liebe unter Japanerinnen weiß
selbst ein K a r s c h , der eine sehr große Literatur durchforschte,
nur eine einzige Angabe beizubringen. Das beweist keineswegs,
daß es in Japan keine Urninden gäbe, sondern bloß, daß sie für
die bücherschreibenden Schriftsteller viel zu wenig Anziehimg
ausübten und daß die Urninden selber, auch wenn sie als
emanzipierte Mannweiber zur Feder greifen, ebenso wie ihre
Neigungschwestern im Abendlande über ihr geheimstes Fühlen
der Öffentlichkeit Mitteilungen zu machen sehr selten geneigt und
bereit sind.

Eine Straßenecke im Yoshiwara zu Yedo (Tokio) hat ihre
besondere Chronik. Hier wohnte ein überaus schönes junges
Mädchen, dem die Männer stark, aber erfolglos den Hof machten,

4°) Dr. Magnus Hirschfeld: Ursachen und Wesen des Uranismus. Jahrb.
f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1903. V. I. S. 123.

ll) Anna Ruling: Welches Interesse hat die Frauenbewegung an der
Lösung des homosexuellen Probleme? — Jahrb. t. sex. Zwischenstufen. Leipzig
1905. Vn. I. S. 133 f.


109 —

während es für poetische Turniere und für galante Fahrten mit
Freudenmädchen in den mit Lampions behängten Blumenbooten
schwärmte. Diese „japanische Sappho44 mit dem Spitznamen
„Frau Pfauu sah von ihrer Veranda aus das Yoshiwara zu ihren
Füßen sich ausbreiten. Man trieb den Scherz so weit, zu sagen,
das zierliche Geschöpf sei eigentlich nur der Kopf des Pfauen,
die beleuchteten Häuser der „Stadt ohne Nacht44 aber mił) ihren
schönen Kurtisanen die Federn seines Schweifes.4*)

F. Earsch-Haaok. Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten:
Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. 8. 118. — VergL auch Dr. K.
Florenz: Gesch. der Japan. Lit. Leipzig 1906. S. 197—229. Die Frauen in
der Literatur. Es ist zweifellos, daß die besten unter diesen Meisterinnen der
Feder Urninden waren.



VL

Mechanische Mittel zur
Befriedigung des Gesehleehttriebes.

Künstliehe Zumpte als Marktware. — Die autoerotisehen
Behelfe im Gebrauch von Frauen. — Die Mannigfaltig-
keit der Gegenstände zur Selbstbefriedigung bei den
Frauen verschiedenster Völkerschaften alter und neuer

Zeit. — Ein zweifelhaftes Bild.



Angesichts der in Japan herrschenden Freiheit im Geschlecht-
verkehr und der endlosen leichten Möglichkeiten, den Geschlecht-
trieb auf jede natürliche Weise zu befriedigen, sollte man es von
vornherein gar nicht glauben, daß trotzdem die Menschen auch
noch zu mechanischen Reizmitteln greifen. Die Tatsachen be-
lehren uns eines anderen. Allem Anschein nach bevorzugt man
die künstlichen Mittel, weil man sie jederzeit nach Belieben ge-
brauchen kann und weil sie dem Benutzer eine gewisse persön-
liche Unabhängigkeit und Sicherheit gewähren. Künstlich er-
zeugter mechanischer Mittel bedienen sich vor allem die Frauen,
allein oder zu Paaren. Die Sache ist so wenig geheim und gilt
so wenig als anstößig, daß sich die Industrie öffentlich in ihren
Dienst stellt.

S c h e d e 1 sagt : „Phallus wird im Japanischen mit E n g і
bezeichnet (in übertragener Bedeutung: omen, Glück, Zeichen)
und führt dazu aus Hepburns japanisch-englischem Wörter-
buch (IV. Aufl. S. 84) die Erklärung an : „Modell eines aus Papier
oder Ton verfertigten männlichen Gliedes, das man ehemals zu
Neujahr in den Straßen verkaufte und das man in Freudenhäusern
als Gegenstand der Verehrung aufbewahrt.44 — Ferner: „Noch
lange nach der Restauration wurden auf den Märkten, gelegent-
lich der Matsuris, aus Papier gefertigte, nicht selten mit Zucker-
waren gefüllte Phalli unter dem Rufe: Engino-ii-no (Glück-
gebendes) feilgeboten, deren Länge oft bis 1 shiaku (1 Fuß) betrug.
(Diese Verkäufer trugen meist eine Maske von ,Okame4 ange-
bunden.) Das Volk nannte sie E n g і oder Matsutake. (Dies
der japanische Name eines eßbaren Pilzes, Agaricus sp.) . . .
An dem Feste des Gottes Ebisu in Nishinomiya in Setzu
(10. Januar) wurden früher Kanzashi (Schmuck-Haarnadeln) ver-
kauft, die einen kleinen aus Ton geformten und vergoldeten
Phallus trugen, der beim Bewegen des Kopfes durch eine federnde

Kraust: Geschlechtieben. 15


— 114 —

*) Jos. S oh edel. PhaUuskultus in Japan. Zeitschrift für Ethnologie.
Berlin 1895. 8. 680 f.

Я) Zitiert nach Ploss-Bartels: Das Weib in der Natur- und Völker-
kunde. 8. Auflage. Leipzig 1905. L Bd. S. 564. — Man vergleiche dazu die
ausführlichen Darlegungen Havelock Ellis: Geschlechtstrieb und Schamgefühl.
Autorisierte Übersetzung mit Unterstützung von Dr. med. M. Kötscher besorgt
von J. E. Kötscher. Dritte erweiterte und gänzlich umgearbeitete Auflage.
Würzburg 1907. 8. 233 f. Die Frauen, die diese Kugeln benutzen, wiegen sich
mit Vorliebe in Hängematten und Schaukelstühlen, denn die sanften Schwingungen
der Kugeln rufen langsam und allmählig den höchsten Grad sexueller Erregung hervor.

Spirale emporgeschnellt wurde. Es bedeutete Glück, im Gedränge
einem Mädchen eine solche Nadel zu stehlen, Unglück aber für
das Mädchen, sie zu verlieren.441)

Zumpte aus Papiermache von Armdicke und etwa 60 cm
Länge sah ich mehrere. Sie dienten in Japan wohl als Behälter
für Süßigkeiten, vielleicht auch zu Weihegaben. Davon sind die
eigentlichen aus Metall oder aus Siegelwachs oder aus Horn er-
zeugten Zumpte in gewöhnlicher Größe eines steifen Zumptes
zu unterscheiden, die zur Einführung in die Scheide dienten.
Auch bei diesen Erzeugnissen bewährt sich die gewissenhafte
Kleinkunst der Japaner, wie man schon aus unseren Bildern er-
sehen mag. Außerdem sind in Japan, wie J o e s t berichtet,
kleine Kugeln gebräuchlich, Rin-no-tama genannt, die zum
Zwecke geschlechtlicher Reizung von Weibern in die Vagina ge-
steckt und durch einen Papiertampon an ihrer Stelle festgehalten
werden.

Gewöhnliche Mädchen, auch wenn sie in der ars amandi
ziemlich erfahren waren, kannten die Kugeln nur dem Namen
und dem Ansehen nach; benutzt wurden sie von „vornehmen44
(wenn der Ausdruck gestattet ist) Geishas (Tänzerinnen, Sänger-
innen) und den, dem Europäer meist unnahbaren Venus-
priesterinnen usw. Die Kugeln sind hohl und in ihnen befinden
sich zwei Böden aus je 4 kleinen Metallzungen gebildet, zwischen
denen eine ganz kleine, massive Metallkugel frei beweglich liegt.
Die leiseste Bewegung bringt diese ins Rollen und verursacht
durch Vermittelung der Metallzungen eine leichte Vibration,
„einen nicht unangenehmen Kitzel, einen leichten Schlag, wie
etwa den eines ganz schwachen Induktionapparates44. Auch die
Chinesinnen sollen von solchen Reizkugeln oder „Klingelkugeln441)
Gebrauch machen.


— 116 —

„h avelock E11 і s hat das gesamte autoerotische
Instrumentarium zusammengestellt, und da ergibt sich, daß die
wilden Völker ebenso raffiniert sind in der Fabrikation ona-
nistischer Reizapparate, wie die höchstentwickelte Unzucht-
industrie der Kulturvölker. Am häufigsten werden tägliche
Gebrauchgegenstände zur autoerotischen Befriedigung benutzt,
wie in Hawai die Banane, in unseren Breiten die Gurken, Steck-
rüben, Möhren, Runkelrüben. Ferner fand man in der Scheide
und Blase von Weibern: Bleistifte, Siegellackstangen, leere
Zwirnrollen, Schnürnadeln, Stricknadeln, Häkelnadeln, Nadel-
büchsen, Kompasse, Glasstöpsel, Kerzen, Flaschen-Korke, Trink-
gläser, Gabeln, Zahnstocher, Zahnbürsten, Pomadenbüchsen, Mai-
käfer, Hühnereier und besonders häufig Haarnadeln (auch
Zündsteine, Zeitungrollen und gewöhnlich Würste). Im Jahre
1862 war die Onanie mit Haarnadeln in Deutschland so verbreitet,
daß ein Chirurg ein besonderes Instrument zur Entfernung von
Haarnadeln aus der weiblichen Blase erfand! Auch heute noch
ist diese Haarnadelnmasturbation ungemein häufig. Raffiniert
sind künstliche Nachahmungen des männlichen Gliedes, soge-
nannte Godemichée (Gaude mihi, Dildoes, Consolateurs,
bijoux indiscrets usw.), die schon auf altbabylonischen Skulpturen,
in Ägypten und in Griechenland, nach den Mimiamben des H e -
r о n d a s (3. Jh. v. Chr.) vorkommen und seit uralter Zeit in Ost-
asien gebraucht werden, wo schon die Spanier sie auf den Philip-
pinen antrafen. Besonders bekannt geworden sind die künstlichen
Wachsphalli der balinesischen Frauen. In Europa wetterte schon
im 12. Jahrh. der Bischof Burchard von Worms gegen die
künstlichen Mannesglieder; besonders in der italienischen
Renaissance wurde ihr Gebrauch allgemeiner, die Technik der
Herstellung immer raffinierter. Darin erreichte das Frankreich
des XVIII. Jahrhunderts den Gipfel. Kein geringerer als M i r a -
beau, der berühmte französische Politiker, hat in seinem ero-
tischen Roman ,Le rideau levé ou l'éducation de Laure4 einen
solchen künstlichen Phallus geschildert.448)

*) Dr, Iwan Bloch: Das Sexualleben in unserer Zeit. Berlin 1907. S.
455 nach Ellis. — Auf 8. 456 gibt Bloch in voller Verdeutschung die be-
berüchtigte Stelle. Die Übung ist auch heutigentags die gleiche, nur sind die
Werkzeuge aus Kautschuk verfertigt und minder gefährlich für das Weib als die
aus hartem Stoff hergestellten. — Eine Firma in Köln a. Rh. versandte im
Juni 1007 ihren Katalog A „Erotischer Bücher", unter No. 708 (S. 3)

15*


— 116

Über die Tribadie bei den Naturvölkern stellte K a r s c h eine
große Anzahl von Nachweisen zusammen.4) Er führt unter an-
deren auch eine Stelle aus Baumanns Bericht über konträre
Sexual-Erscheinungen bei der Negerbevölkerung Zanzibars an,
der freilich zwischen den Urninden und den heterosexuellen
Weibern, die in Ermangelung von Männern Selbstbefriedigimg
treiben, nicht genau unterscheidet. „Geschlechtliche Befriedigimg
suchen sie bei anderen Weibern, teils konträr angelegten, teils
normalen Weibern, die sich aus Zwang oder Gewinnsucht dazu
hergeben. Die ausgeführten Akte sind : einander lecken (kulam-
bana), die Geschlechtteile aneinander reiben (kusagana) und sich

steht zu lesen: „Erlebnisse eines Wollustspendersu (Godmichée). Drei
reiche Amerikanerinnen unterhalten sich über die Freuden der Liebe und nachdem
sie die erste Furcht und das Hindernis der Jungfernschaft mit Hilfe eines
Godmichée beseitigt haben, überlassen sie sich den tollsten Orgien und genießen
in vollen Zügen auf die verschiedensten Arten die Freuden der Liebe. Die Furcht
und die Neugierde, die geilen, wollüstigen Szenen, die sich hier abspielen, sind in
meisterhafter Weiße wiedergegeben. Mk. 6. — No. 783 (S. 14): Godmichée
aus sehr elastischem Gummi (Nachbildungen der männlichen und weiblichen
Geschlechtsteile) vorzügliche Pariser Fabrikate, mit Gummigürteln versehen für
Damen Mk. 50. — Für Herren, sehr kompliziert gearbeitet, zum Aufblasen,
eng und weit zu stellen Mk. 80. — Bei Bestellung genügt Angabe der No. mit
Beifügung des Preises." — In Wien bekommt man bei einigen Bandagenhändlern
aus Hunde- oder Battenhäuten fein sorgfältig ausgearbeitete Godmichée zu
20 Kronen das Stück. Abnehmerinnen sind durchwegs Mädchen und Frauen
aus den besten Gesellschaftkreisen. Der Handel mit dieser Ware ist freilich
untersagt, und nur vollkommen vertrauenswürdige Leute erhalten davon nähere
Kenntnis. — Wir bringen im Anhange zwei Tafeln mit Abbildungen japanischer
Godmichée. Auf der einen mit den Beizküglein sind zwei Zümptlein kreuzweis
übereinander gelegt, auf der anderen ist ein einsamer zur Selbstbefriedigung und
ein Doppelzumpt mit Schnüren für zwei einander befriedigende Urninden zu sehen.
Die Bilder der beiden Tafeln sind in der Vorlage auf einem einzigen Blatte ver-
einigt, das in der einen Variante der Schiffbruchserie, von der unsere Vorlage
bloß zehn Blätter zählt, ais dreizehntes Blatt figuriert. Nach der Angabe des
Besitzers soll diese Serie auf den Maler Kon do Śukegoro Kiyoharu (oder
Koriushu?) zurückgehen, der die Bilder um das Jahr 1720 gemalt hat. Wenn
ich den Witz des Künstlers richtig verstehe, so wollte er mit dem Schlußbilde
nur andeuten, daß sich die Bewohnerinnen der Fraueninsel nach der Flucht der
Schiffbrüchigen zu trösten wissen. Sollte aber diese Serie als Brautgeschenk Ver-
wendung finden, so mußte naturgemäß das letzte Bild wegfallen. — Über gegen-
ständliche Mittel zur Befriedigung des Geschlechttriebes vergl. Krause: Anthropo-
phyteia. Ul. S. 425—427, wo auch Stellen aus den Canones poenitentiales des
VIII.—ХП. Jahrh. zitiert und zum Schluß auf Tafel XI ein Bohr abgebildet ist,
mit dem sich in einem oberösterreichischen Frauenkloster die Nonnen befriedigten.


— 117 —

den Ebenholz-Penis beibringen (kujitia mbo y a mpingo) ; die letzt-
genante Art des Genusses ist insofern bemerkenswert, als dazu
ein besonderes Gerät erfordert wird ; es ist dies ein Stab aus Eben-
holz in der Form eines männlichen Gliedes von ansehnlicher
Größe. Er wird von schwarzen und indischen Handwerkern zu
dem bezeichneten Zwecke hergestellt und insgeheim verkauft ; er
soll bisweilen aus Elfenbein gefertigt werden. Es kommen zwei
Formen des Stabes vor : die eine, einfache Form hat am stumpfen
Ende eine ringförmige Kerbe, um die eine Schnur geschlungen
wird, die das eine der Weiber sich um den Leib bindet, um an dem
anderen den männlichen Akt nachzuahmen ; dieser Stab ist meist
durchbohrt, und es wird dann zur Nachahmung der Ejakulation
warmes Wasser eingefüllt ; bei der anderen Form, einem Doppel-
penis, ist der Stab an beiden Enden eicheiförmig zugeschnitzt, so
daß er von den beiden beteiligten Weibern zugleich in die Scheide
eingeführt werden kann, zu welchem Behufe sie eine sitzende
Stellung einnehmen. Auch dieser Stab ist durchbohrt. Vor dem
Gebrauche werden die Ebenholzstäbe eingeölt. Die beschriebenen
Geräte werden außer von konträrsexuellen auch von normalen
Weibern in den Harems der Araber angewendet, in denen die
Frauen bei strenger Abschließimg genügende geschlechtliche Be-
friedigimg nicht finden und gelten als eine arabische Erfindung/4
Ein Wiener Sammler erotischer Bücher und Gegenstände
zeigte mir das Bild einer Japanerin, die mit verzücktem Angesicht
und nach oben verdrehten Augen, die Hände krampfhaft über die
Brust geschlagen nackt dasitzt, während ihr zwischen den Beinen
ein Knabe auf dem Boden kauert und ihre Scham beleckt. Ohne
dem Eigentümer dieser Merkwürdigkeit die Freude an seinem Be-
sitz trüben zu wollen, mußte ich ihm doch sagen, daß die Zeich-
nung höchstwahrscheinlich von der Hand eines europäischen
Malers herrühre, der sich in Nachahmung japanischer Kunst ver-
sucht hat. Ob ihm ein japanisches Original vorgelegen, vermag
ich nicht zu entscheiden. Das Papier mit Wasserdruck ist wohl
auch europäisches Fabrikat.

4) Dr. F. Kare oh: Uranismus oder Paederattie and Tribadie bei den
Naturvölkern. Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1901. ПІ. S. 86.



vn.

Die dureh Sitte und Braueh bedingten
erotischen Bilderwerke der Japaner.

Lehrbücher der Liebebetätigimg. — Frühlingbilder
und Schnitzwerke. — Keine unzüchtigen Darstellungen
im Sinne der Ostasiaten. — Erotik und Karikatur.

Die Malkunst der Japaner. — Uranfänge der Kunst in
Japan und im alten Ägypten. - Die Kunst fürs Volk.

m



1

Die verschiedenen Berichte von Reisenden über die außer-
ordentliche geschlechtliche Ausschweifung bei diesem oder jenem
Volke der Oekumene und die daran gewöhnlich angeschlossenen
moralischen oder pathetischen Betrachtungen, die darin gipfeln,
daß wir im allgemeinen und der Reisende im besonderen denn
doch zu den besseren oder besten Menschen zählen, sind wertlos,
weil unwissenschaftlich. Keinem Volke gebührt vor dem anderen
in geschlechtlichen Dingen ein wesentlicher Vorzug, er kommt
nur einzelnen Personen zu, die sich vor Ausschreitungen hüten,
weil sie deren nachteiligen Folgen an sich zu erleben besorgen
oder weil sie ihrer Anlage nach geschlechtlich wenig reizbar sind.
Da und dort spielen sich die Vorgänge mehr in der Öffentlichkeit
ab, anderswo im Geheimen, doch sie spielen sich immer ab. Im
Jahre 1906 stand zu Innsbruck eine Frau wegen Ermordimg ihres
Ehegatten, eines höheren pensionierten Justizbeamten, vor Ge-
richt. Der Leumund des Toten war ausnehmend günstig. Auf
den Vorhalt des Gerichtpräsidenten erwiderte die Frau: „Sie
hätten ihn aber nachts mit mir in der Schlafstube sehen sollen.
Da war er ganz anders !" Da nahm er Übungen vor, die der Frau
einen tötlichen Haß gegen ihn einflößten, so daß sie in ihrer Ver-
zweiflung beschloß, sich seiner zu entledigen. Die Richter haben
diesen Zustand der gepeinigten Frau nicht berücksichtigt und sie
verurteilt, weil sie sich noch anderen Männern geschlechtlich hin-
gegeben. In unserem Kulturkreis gehen gar viele Männer nur
darum Monopolehen ein, weil sie ihnen die einzige Möglichkeit
darbieten, gefahr- und straflos alle Vergnügungen sexueller Gym-
nastik mit Muße durchzukosten, mag das Weib dabei auch hin-
werden. Hat der Mann Stellung und Vermögen, so erkauft oder
erheiratet er sich ohne weiteres ein neues Opfer für seine Gelüste.
Das Leben so mancher ehrsamen Ehefrau ist darum unfreier und
jammervoller als das einer von der Preisgebung ihres Leibes an

Krauss: Geschlechfleben. 16


— 122 —

viele Männer zehrenden Buhldirne. Die kann doch auf der Stelle
ihrem Geschmacke widerwärtige und ihre Gesundheit gefähr-
dende Zumutungen zurückweisen.

Als eine Frucht der Erkenntnis, daß es einem Monopolweibe
zu wissen geziemt, was sie in der Ehe füglich zu leisten und was
zu unterlassen habe, entstanden die bildlichen und schriftlichen
Anweisungen oder Lehrbücher der Liebe bei Indern, Persern,
Chinesen und Japanern. Im Sinne der Urheber sind bei jenen
Völkern derartige Bücher Lehrbücher, wie bei uns die Handbücher
für den guten Ton, die sich wieder bei uns der größten Verbreitung
erfreuen.

Während unsere Anstandbücher von einschläfernder Lang-
weiligkeit sind und von einer anmaßenden Lehrhaftigkeit über-
quellen, sind die chinesischen und japanischen Lehrbücher für den
Geschlechtverkehr voll geistreichen Witzes und Humors, die
Bilder dazu aber in der Regel vorzüglich ausgeführte Kari-
katuren. Die hervorragendsten Künstler verschmähten es
nicht, ihre Begabung in den Dienst der sinnlichen Liebe zu stellen,
die nach ihrer Auffassung das Menschendasein beschönt und be-
krönt.

„Unter den arischen Völkern haben sich vor allem die Inder
einen begründeten Ruf als raffinierte Praktiker einer in ein
System gebrachten Psychopathia sexualis erworben. Außer
48 Figuren Veneris (Stellungen beim Beischlaf) üben sie alle mög-
lichen perversen sexuellen Praktiken und haben in verschiedenen
Lehrbüchern eine planmäßige Anleitung zu geschlechtlicher
Unzucht. Hier fehlt offensichtlich jede Spur von krankhaften
Zuständen, von Entartung und Psychopathie. Es handelt sich um
Volkssitten und Gebräuche."1)

„Das ganze ist ein Mysterium, ein Mysterium aus alter Zeit,
heilig durch das Alter und gehüllt in alles, was rein und heilig ist.
Und sie verlangen nicht, den Schleier zu heben und in die Ge-
heimnisse einzudringen oder deren Gründe zu erforschen, welche
ihre Vorfahren jahrhundertelang unberührt gelassen haben.

Râjendralàle Mitra ist der gewiß zutreffenden Meinung, daß

*) Dr. Iwan Bloch. Das Sexualleben unserer Zeit. S. 616. — Eine
Bibliographie der Lehrbücher über Liebe: Bloch: Beiträge zur Aetiologie der
Psychopathia sexualis. I. S. 29—30. — Das trefflichste Handbuch über die
indische Liebekunst ist das Kamasutram, das Bichard Schmidt verdeutschte.
ІП. Aufl. Berlin 1907.


123 —

es auch den ersten Bildnern dieser für unsere verfeinerten Be-
griffe obszönen Skulpturen vollkommen fern gelegen habe, etwas
Unanständiges darstellen zu wollen. Es war nur ihre Absicht,
einen religiösen Gedanken in entsprechend realer Weise zur Ver-
körperung zu bringen. Und der Gedanke hängt ohne allen Zweifel
mit der Verehrung der G ottheiten der Zeugung, mit dem Phallus-
dienste zusammen, der in früheren Jahrhunderten wohl fast über
das gesamte Asien die allgemeinste Verbreitimg hatte.4'2)

„Ebensowenig können uns die mannigfachen Darstellungen
auf diesem Gebiet als Beweise für die Gebräuchlichkeit der einen
oder der anderen Stellung dienen, wie sie die japanische und chi-
nesische Kunst uns darbietet. Bei den japanischen Darstellungen,
welche teils in Bilderbogen, teils in Büchern sich finden, kann es
wohl keinem Zweifel unterliegen, daß sie überhaupt nur aus ero-
tischen Rücksichten zum Zwecke des Sinnenkitzels gefertigt
worden sind. Etwas anders verhält es sich vielleicht mit den
chinesischen Figuren. Hier kommt namentlich die bereits weiter
oben erwähnte Gruppe von Kunstwerken in Betracht, welche
unter dem Namen tsch'un un-tsche „Frühlingstäfelchen44 oder pi-
hi „geheime Spiele44 bekannt sind. Sie gleichen in der Form un-
gefähr unseren Tuschkästen und haben auf dem Schiebedeckel
in farbigem Elfenbein eine Gruppe von zwei oder mehreren
menschlichen Figuren verschiedenen Geschlechts, welche meist
in harmloser Unterhaltung oder auf der Promenade sich befinden.
Zieht man den Deckel auf, so findet man im Inneren des Käst-
chens ebenfalls eine farbige Reliefdarstellung in Elfenbein, welche
ein gänzlich oder nahezu vollständig entkleidetes Paar in ver-
schiedenen Stellungen der Begattung zeigt. Das Vorherrschen
einer bestimmten Stellung läßt sich dabei nicht erkennen, nur ist
es auffallend, wie häufig die Frau die Beine ad maximum in den
Knieen und in der Hüfte gebeugt hält.

Eugen Pander teilte mir mit, daß diese Frühlings-
täfelchen noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts als Ge-
schenk für Bräute benutzt worden wären. Prof. Dr. Grube gab
mir darüber folgendes an: „Nach mündlicher, in China ziemlich
allgemein verbreiteter Überlieferung dienten sie während der
Ming-Dynastie (1368—1644) als Wahrzeichen gegen Feuergefahr.
Panders Mitteilung, daß dergleichen Bilder früher Bräuten vor

3) Ploes-Bartele: Das Weib in der Natur- und Völkerkunde, 8. Auflage.
Leipzig 1905. I. S. 560.

16*


— 124 —

8) Ploee-Bartele: Ebenda. Ł 8. 662.
4) Anthropophyteia. IV. Leipzig 1907.

der Hochzeit geschenkt wurden, beruht, wie mir mein chinesischer
Freund, Herr Knei-lin, mitteilt, entschieden auf einem Irrtum.
Hingegen soll es vorkommen, daß sie jungen Männern geschenkt
werden, die in den Ehestand treten wollen und nicht wissen, „wie
man es macht"/)

Uber japanische Frühlingbilder handelt Berthold
L a u f e r in einem zwar kurzen, doch sehr gediegenen Aufsatze*),
worin er seine auf ethnologischen Forschungreisen angestellten
Beobachtungen mitteilt. „Diese Bilder heißen euphemistisch
,Frühlingbilder4 (ch * un hua chinesisch, in japanischer Aus-
sprache s h u n g w a) ; die Bezeichnung »Frühling4 wird vielfach
ganz passend für die Regungen des Geschlechttriebes gebraucht.
,Frühlingmedikamente4 sind Aphrodisiaca. In Japan ist ferner der
Ausdruck warai-ye, d. i. Bilder vom Lachen, gebräuchlich,
sodann makura-ye, d. i. Kissenbilder ; Bücher mit solchen
Abbildungen heißen makura-zoshi. Aus China sind mir
auch gefaltete Album mit Malereien bekannt, die ganze Zyklen
von Coituszenen darstellen oder die Geschichte eines Liebes-
paares in der wechselnden Entwicklung der Ereignisse; manche
darunter sind von technischer Vollendung der Ausführung und
bei der bekannten Begabung der Ostasiaten für die Auffassimg
und Darstellung der körperlichen Bewegung meisterlich natur-
wahr ... In Japan haben die Frühlingbilder eine noch viel
tiefere Bedeutung als in China gehabt; denn sie sind jetzt von der
nach europäisch - amerikanischem Muster prüden Regierung
strengstens verboten und unterdrückt worden, wie auch der
Phalluskultus. Besonders die Illustration von Romanen mit ge-
schlechtlichen Szenen war in Japan bis zur Zeit der Restauration
in vollem Schwung; jedenfalls wird sie auch jetzt noch im ver-
borgenen betrieben. Solche Bücher sollen als eine Art von In-
struktionheften zur Ausstattung in die Ehe tretender Mädchen ge-
hört haben. Sicher dienten sie Alt und Jung zur Unterhaltung
und Belustigung. Charakteristisch für die japanischen Früh-
lingbilder ist die phantasiereiche Mannigfaltigkeit der Positionen,
und zwei auf den entsprechenden chinesischen Bildern nie vor-
kommenden Züge, die Anwesenheit von Zuschauern im Hinter-
grund, die durch Lucken und Schiebetürspalten neugierig herein-


125 —

gucken, und sehr häufig neben dem menschlichen Begattungakt
eine Parallele aus dem Tierleben, besonders rammelnde Katzen.
Auch die Darstellung von Klassenpaarungen in einem Räume ist
nichts ungewöhnliches."

„Ein Beispiel der letzteren Gattung ist auf unserer Tafel nach
einem japanischen Originalholzschnitt reproduziert. Die Situation
läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und spricht für sich
selbst. Aber dies, und darin liegt der besondere Wert dieses Bunt-
drucks, ist das einzige Frühlingsbild, das ich gefunden, dem an-
scheinend eine mythologische Bedeutimg zu Grunde liegt. Diese
geht aus dem großen Ungetüm mit dem Fischkopf hervor, das die
lustige Gesellschaft plötzlich überrascht und in wirrer Hast ausein-
andersprengt. Das Bild hat leider keinerlei Beischriften, die das
Sujet erklären würden, und ich muß von vornherein bemerken,
daß mir der eigentliche Sinn der Darstellung unklar ist. Ich habe
sie bisher verschiedenen gebildeten Japanern vorgelegt, die gleich-
falls nicht imstande waren, eine befriedigende Erklärung darüber
zu geben. Vielleicht wird diese Veröffentlichung dazu beitragen,
diese Frage zu klären. Die drei das Monster begleitenden Männer
sind Handwerker, der eine, der drohend seine Säge zum Angriff
auf die Festteilnehmer schwingt, ist ein Zimmermann ; sein Nach-
bar scheint einen Bohrer oder anderes Instrument zu halten. Man
könnte so vermuten, daß die Idee, die der Darstellung zu Grunde
liegt, ein Kampf der ehrbaren Zünftigkeit gegen die Aus-
schweifung sei ; ich kann mich aber in dieser Deutung auch irren.
Vielleicht handelt es sich um die Illustration einer uns unbe-
kannten Lokalsage, deren es in Japan so viele gibt. Unzweifel-
haft ist jedenfalls, daß das Bild eine tiefere mit dem Wesen der
Phallusverehrung in Verbindung zu bringende Symbolik besitzt.
Darauf deuten zunächst die drei großen weißen Kalebassen, die
auf dem violetten Rock des Ungetüms angebracht sind. Die Kalle-
basse ist in Ostasien ein Symbol des Phallus. Ferner schwingt
das Frauenzimmer unten rechts einen großen Penis in der Rechten,
den sie anscheinend dem mit dem Kopf nach vorn auf dem Boden
liegenden, um seinen Verlust klagenden Manne ausgerissen hat.
Hier handelt es sich vermutlich um die magische Verwendung des
Phallus, über die jüngst W. G. A s t o n in seinem trefflichen Buche
,Shintoł (London 1905), p. 196, gehandelt hat.u

Das gemeine Volk kann sich derartige, jedenfalls nichï allzu-
billige Bilder nicht anschaffen, doch man weiß sich zu helfen.


— 126 —

Anläßlich der vielen Blumenfeste halten Volkskünstler Chrysan-
themumblätter mit Guachemalerei feil, die für jedermann leicht
zu erwerben sind. Zwei Blätter aus einer Sammlung von zwanzig
zeigen unsere Tafeln. Die Blätter sind mit einer perlmutterartigen
Glasur überzogen und vollständig durchsichtig. Allem Anschein
nach halten sich die Maler an altübernommene chinesische Vor-
bilder, denn die Stellungen und die Typen weisen darauf hin.

Es ist ein seltsamer Zufall, daß sich in der reichen mir zugäng-
lichen Literatur keinerlei Bemerkung über japanische Schnitz-
arbeiten dieser Art gefunden, obwohl man sie in Japan sehr häufig
sehen muß, denn sie dienen als Hochzeitgeschenke der Gäste an
die glückliche Braut. Ein Wiener Sammler besitzt allein sechzig
solcher Schnitzwerke, die man durchweg als künstlerische
Leistungen ansprechen muß. Manche von ihnen dürften Jahr-
hunderte alt sein. Es sind durchwegs kleine, elfenbeinerne Büchs-
lein und Schächtelchen. Den Deckel bilden Blumen, doch meist
Gestalten, manche recht groteske darunter, doch hebt man den
Deckel ab, so sieht man in der Schachtel ein sich begattendes
Paar, oder blos einen Zumpt oder eine Voze oder Zumpt und
Voze in einander. Das sind durchwegs obszöne, weil na€urgetreue
Darstellungen, sogenannte Vielliebchen. Sie dienen
meistens als Liebe- und Eheamulete, die Verliebte, Verlobte und
Vermählte von Freunden zum Geschenk bekommen, um deren
Vermehrungsinn aufrecht zu erhalten. Es sollen vorwiegend Ent-
würfe des japanischen Bildhauers U t a m a r e sein. Wir geben
sechs solcher Vielliebchen im Bilde wieder. Die Preise solcher
Kunstwerke schwanken je nach der Ausf ührung zwischen б—200
Kronen.

Unsere Anschauungen über Bilder dieser Art weichen von
jenen der Asiaten ab. Es ist notwendig, darüber die wesentlich
mit einander übereinstimmenden und einander ergänzenden An-
sichten berufenster Erforscher der Erotik zu vernehmen.

Wir verstehen unter obszönen Bildern diejenigen, die nur in
der Absicht, sexuell erregend zu wirken, verfertigt sind, nichï aber
diejenigen, die tiefen Sinn verraten, obwohl laszive Geister aus
diesen Darstellungen sinnliche Erregimg schöpfen können.*)

6) Vergl. Dr. L 8. A, M, t. Börner. Über die androgyn. Idee des Lebens.
Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. 1903. V. ПІ. 8. 819.


— 127 —

Ein unzüchtiges Produkt liegt nur vor, wenn die Erregung
der Sinnlichkeit, der Geilheit bezweckt wird und diese Absicht
sich in entsprechenden Darstellungen dokumentiert. Die Art und
Weise, wie ein geschlechtliches Problem behandelt wird, nicht die
Wahl des Problems als Darstellungstoffes an und für sich, ent-
scheidet, ob eine unzüchtige Schrift vorhanden ist oder nicht.*)

Es ist durchaus verfehlt zu glauben, daß allgemein der nackte
Körper oder ein entblößter Körperteil erotisch erregender, im
Sinne gewisser Sittlichkeitverfechter gesprochen „unsittlicher44
wirkt, als ein bekleideter. Auf sehr viele Männer und Frauen übt
es im Gegenteil einen abkühlenden Einfluß aus, wenn sich ihr
Partner entkleidet. Ein Arzt sagte mir einmal : ,Eine Frau, die
sich die Strümpfe auszieht, hat für mich jeden Reiz verloren.4
Sehr viele Menschen erregt sexuell am stärksten der verhüllte,
teils unverhüllte Körper ; der Anblick der Geschlechtorgane stößt
viele direkt ab.

„Von den Eiferern gegen das Nackte in der Kunst werden
diese wichtigen biologischen Tatsachen meist gänzlich übersehen.
Da die verhältnismäßig stärkste sexuelle Anziehung immer noch
ein schönes Gesicht ausübt, so müßten die Sittlichkeitfanatiker,
— wären sie naturwissenschaftlich geschult und konsequent —
mit demselben Recht, wie sie gegen die Nachbildung des nackten
Körpers eifern, für die Verhüllung des Gesichts, der Augen, der
Haare, der Hände eintreten.447)

Bei den Moslimen und bei vielen nichtsemitischen Völkern
müssen Frauen tatsächlich ihren Kopf verhüllen, und auch bei
uns bedecken schamhafte Frauen bei gegebenen Gelegenheiten
mit beiden Händen ihr Gesicht, nicht etwa andere Körperteile.

Es wird dem Japaner niemals einfallen, ein Weib, gleichviel
ob es entkleidet ist oder nicht, durch zudringliche Blicke zu be-
lästigen; bei seinen erotischen Darstellungen, die nebenbei den
Zweck haben, die Neuvermählten in die Geheimnisse des ehe-
lichen Lebens einzuweihen, sucht er nicht nach dem gemeinen,
grobsinnlichen, sondern mit Vorliebe nach dem komischen Ele-
mente.

„Ein Japaner sagte mir (zu S t r a t z) eines Tages strahlend :

*) Numa Praetorius: Jahrb. f. sex. Zwischenstufen. Leipzig 1903. V. III.
S. 980.

^ Dr. M. Hirschfeld. Vom Wesen der liebe. Jahrh, f. sex. Zwischen-
stufen. Leipzig 1906. VDX S. 144.


— 128 —

,Ich habe heute dreitausend erotischer Bilder gesehen.4 Nicht
das Erotische, sondern die Masse, dreitausend an einem Vor-
mittag, erregte seine — und meine Heiterkeit.448)

Bei alledem hat man sich noch zu erinnern, daß der erwach-
sene Japaner selbst unbekleidet sehr selten ganz nackt dasteht,
er ist nämlich tätowiert und, wie bekannt, ersetzt die Tätowierung
sehr wirksam den Mangel einer Bekleidung. „Es sind oft wahre
Kunstwerke, die der Künstler in die Haut einsticht, und wirklich
ausgezeichneter ,Kunsttätowierer4 gibt es genug, die sich dazu
hergeben, den Pinsel mit der Nadel zu vertauschen, und unter
diesen nimmt YoshisukiHoritoyo, ein Schüler T о у o s,
des großen Meisters japanischer Kunst, wohl den ersten Rang
ein.440)

Es ist eine auf falschen Voraussetzungen beruhende An-
nahme, daß gereiftes künstlerisches Können mit der Erotik und
ihrer Darstellung unvereinbar sei. Ein Blick in Eduard
Fuchs' Werk über das erotische Element in der Karikatur be-
lehrt jeden eines anderen, was auch Dr. IwanBloch betont.10)
Dem Künstler ist jeder Stoff recht, der ihn zum Schaffen anregt,
gleichwie der Forscher die Grenzen nicht anerkennt, die eine kon-
ventionelle Moral um die Erscheinungen zeitweilig zieht. Als
Folklorist muß ich erwähnen, daß ich die allerschlüpfrigsten
Volksüberlieferungen von Männern und Frauen vernommen, deren
Lebenswandel und sittliche Anschauung im wohltuendsten Gegen-
satz zum ekligen Inhalt der Erzählungen steht. Als eine Merk-
würdigkeit erschien es mir, daß mir ein höchst sittsames, wohl-
erzogenes, ungemein fleißiges 24 jähriges Fräulein aus gutem
Bürgerhause volle neunzig erotischer und skatologischer Ge-

8) St ratz, Dr. O. H. : Die Körperformen in Kunst und Leben der
Japaner. Stuttgart 1902. S. 71.

°) Hugo Ernst Luedecke. Erotische Tätowierungen, Anthropophyteia.
IV. Leipzig 1907. S. 77.

10) „Das Geschlechtliche fordert geradezu den Witz heraus. Das hat auch
Schopenhauer ausgesprochen und aus dem ihnen zu Grunde liegenden tiefen Ernst
erklärt (Welt als Wille und Vorstellung. L 330). Daher sind, worauf Eduard
Fuchs (Das erotische Element in der Karikatur, Berlin 1904, S. 10) mit Recht
hinweist, die Mehrzahl aller erotischen Schöpfungen karikaturistisch. Der glänzendste
Vertreter dieser humoristischen Auffassung des Sexuellen ist der geniale englische
Künstler Thomas Rowlands on, der heute sowohl in England als auch in
Deutschland längst hinter Schloß und Biegel wäre." (Dr. Iwan Blooh. Das
Sexualleben. Berlin 1907. S. 790.)


— 129 —

n) Das Kamasutram. Die indische Liebeskunpt. Von Dr. Richard
Schmidt. IIL Aufl. Berlin 1907. 8. 476 f.

Knots: Geschlechtfebcti. 17

schichten und mehr als hundert Volkslieder dieser Art mitteilen
konnte. Alle diese Uberlieferungen erfuhr sie von Frauen aus
bester Gesellschaft, die sowohl im privaten Leben als in der Öffent-
lichkeit sittlich unanfechtbar sind. Auch die anständigsten Frauen
lieben den Humor, der aus der unerschöpflichen Quelle der Lach-
lust, aus der Erotik fließt. Dasselbe, was für slavische, deutsche
und romanische Frauen gilt, gilt auch für japanische, nur mit dem
Unterschiede, daß die Ostasiatinnen in erotischen Dingen eine
noch größere Freiheit genießen und sich geringeren äußerlichen
Zwang aufzulegen brauchen.

Auf den unsere Ausführungen begleitenden Bildern erscheinen
die Männer mit riesigen Zumpten, die in keinem natürlichen Ver-
hältnis zur Körpergröße sind. Ein japanischer Mediziner, der
vor einigen Jahren in Wien studierte, verfaßte eine deutsche Ab-
handlung über die großen Zumpte seiner Landsleute. Mir ist
sie leider nicht zugänglich worden. Wenn es richtig ist, was mir
einer, der sie gelesen hat, mitteilte, daß sich der Arzt bemüht
habe nachzuweisen, Großzumptigkeit wäre eine Rasseneigentüm-
lichkeit seines Volkes, so muß man ihm darin widersprechen. Eine
solche Eigentümlichkeit wäre auch anderen aufgefallen. Die
großen Zumpte auf den Bildern beweisen nichts zu Gunsten des
Arztes, denn durchgehende sind bei allen Völkern in malerischen
und bildhauerischen erotischen Darstellungen die Männer mit
gewaltigen Ruten versehen. Dieser grotesk-komische Zug ist
international. Andererseits muß man sich aber noch erinnern,
daß es bei sehr vielen Völkern Brauch ist, durch künstliche Mittel
den Zumpt zu vergrößern, um den Liebeguß zu erhöhen. Man
vergesse nicht, daß die japanischen Maler ursprünglich nach
chinesischen und indischen Vorbildern gearbeitet und diese im
wesentlichen treu übernommen haben, bei den Indern aber z. B.
die Zumptvergrößerung zu den gewöhnlichen Künsten gehört,
wie man dies deutlich aus dem Kamasutram ersieht.11) Man darf
ruhig annehmen, daß mit den erotischen Vorlagebildern auch die
volkstümlichen Übungen der Inder zugleich nach Japan einge-
führt worden, falls sie nicht schon von jeher dort zu finden waren.

Gegen die Übertreibungen mit großen Zumpten auf den
Bildern und gegen die Abhandlung des japanischen Medizin*


— 130 —

studierenden über die japanische Großzümptigkeit zeugen deut-
lich die in vielen europäischen Sammlungen vorhandenen Zumpt-
aufsätze, von denen wir mehrere im Bilde bringen. Wären die
Zumpte nicht zu klein geraten, um bei den Weibern den höchsten
Wollusttaumel auszulösen, so brauchte es keiner derartigen
Futerale und Reizringe. Aber selbst die sind von bescheidener
Größe. Der Karikaturist hat das Recht, das klägliche Zümptlein
zu einem erschreckenden Riesenwerkzeug von Armdicke auszu-
malen.

Aston, ein Gelehrter, der vierzig Jahre lang ausschließ-
lich das Japanertum erforschte, urteilt, daß die japanische Kunst
wenig monumentale Skulpturen und Malereien von Bedeutung
hervorgebracht. Bei den Japanern wäre alles möglichst im-
persönlich und alles verschwommen. Man muß sagen, daß bei
den Japanern eine vollendete Technik des Handwerkers die
Kunstentwicklung gehemmt hat. Das perspektivische Schauen
ist bei den japanischen Künstlern eine ziemlich junge Errungen-
schaft, offenkundig unter Einfluß abendländischer Vorbilder.
Der japanische Künstler schaut anderes als der europäische;
denn er hockt am Boden und betrachtet die Dinge von unten
nach oben. Daher kommt wohl auf ihren Bildern das Mißver-
hältnis in der Ausführung der unteren Teile gegenüber den oberen.
Unbewußt schafft er Zerrbilder für denjenigen, der da gewohnt
ist, aufrecht stehend oder umhergehend die Gegenstände von
allen Seiten ins Auge zu fassen. Er unterscheidet auch viel zu
wenig zwischen wichtigen, hauptsächlichen Merkmalen und den
nebensächlichen, denn er hat auch für das geringste die gleiche
Sorgfalt, wie für das bedeutsamste, so daß häufig das Beiwerk
das Kunstwerk erdrückt. Er trägt die Farben derart auf, daß
für die Illusion des Beschauers nicht viel zu tun übrig bleibt. Er
übersättigt auf den ersten Blick und weil er zu viel gibt, gibt er
zu wenig. Alles ist bei ihm darauf gerichtet, seine Armut an
Einbildungkraft zu verdecken und immer bewegt er sich im
engen Kreise unwandelbarer Vorstellungen. So zeigt sich der
japanische Künstler groß in Kunstgriffen, nicht in der Kunst.
In den einen, nicht in der anderen übertrifft er seine chinesischen
und indischen Vorbilder. Die Kunst, die er nachahmt, stand
bereits auf der Höhe, als er sich ihrer mit geschäftlicher Routine


— 131 —

bemächtigte. Die zwei oder drei Künstler, die trotz alledem über
die Schablone hinauswuchsen, sind Ausnahmen, die den Gesamt-
eindruck nicht abschwächen.

Trefflich gibt M. vonKaisenberg den Eindruck wieder,
den japanische Malerei auf das Kunstempfinden eines gebildeten
Europäers macht. Im großen Arakusatempel befinden sich Bilder
fast von den ersten Anfängen der Malerei bis auf die jüngste Zeit.
„Den wunderbarsten Eindruck machten mir die Farbenholz-
schnitte aus der ältesten Zeit, sie erinnerten mich beinahe an die
Zeichnungen des kleinen Moritz in den Fliegenden Blättern. Bis
zu dem achtzehnten Jahrhundert ist von Perspektive,
plastischer oder räumlicher Illusion, Rundung, genug
von alledem, was wir von einem Bilde verlangen, gar keine Rede.
Zuerst verstand ich den Sinn dieser bizarren Zeichnungen gar
nicht, bis mir ein alter Cerberus eine Art von Erklärung darüber
gab. Man findet in diesen Zeichnungen, wie gesagt, nichts von
Illusion, kein juste milieu, keinen Hintergrund, keine subtile Aus-
führung der Wolken und alles dessen, was wir an unseren alten
Meistern zu sehen gewolmt sind. Sie haben alle etwas Primi-
tives, Kindliches an sich. Auch von Form oder
Schlagschatten, davon müssen diese alten Zeichner
überhaupt gar keine Auffassimg gehabt haben. Die Art der
Japaner, die Natur flächenhaft darzustellen, gehört mit zu den
uralten Elementen des indischen Buddhismus, die nicht ohne Ein-
fluß auf ihre Entwicklung blieben. Ihre Holzschnitte zeigen oft
in mehreren, was den Inhalt anbetrifft, zusammenhängen-
den Bildern mit abgekürzten, gewissermaßen schematischen
Verhältnissen die Ausführung eines Gedankens. Meist
sind das Szenen aus dem täglichen Leben, besonders dem Frauen-
leben . . . das alles aber eigentlich nur skizziert, in bisweilen gut
gezeichneten, oft aber auch bizarren Umrissen entworfen. Es
sind dies gewissermaßen malerische Schriftzeichen, eine Kalli-
graphie der Malkunst, beinahe so, wie sie uns damals die extra-
vagantesten unserer modernen Freilichtmaler zeigten.")

Von der Kunst im alten Ägypten sagt Wiedemann,
einer der vorzüglichsten Ägyptologen unserer Zeit: „Auf der
einen Seite eine bewunderungwürdige Beherrschung des Materials

Kaisenberg, Moritz v. (Moritz топ Berg): Yom Gesandtschafte-
attaché. Briefe über Japan und seine erste Oeselisehaft. Hannover 1899. S. 106 f.

17*


— 132 —

bis zu den schwerst zu bearbeitenden Steinen, wie Granit und
Diorit. Hieraus gefertigt zahlreiche vortreffliche, besonders in
älterer Zeit auf guter Naturbeobachtung beruhende Werke, in
denen freilich allmählich die steife zeremonielle Haltung die Herr-
schaft zu gewinnen weiß, die dem Orientalen als der Ausdruck
höchster Würde gilt. Auf der anderen Seite ein häufig fast
karikaturenhaftes Ungeschick in der Darstellung, vor allem in
den Fällen, in denen man den Versuch gemacht hat, Handlungen
und lebhafte Bewegungen vorzuführen. . . . Der Ägypter wollte
vor allem klar sein und durch das Bild die Schrift ergänzen und
ersetzen. Seine Reliefs dürfen nicht als zusammenhängende
Kunstwerke beurteilt werden, sondern als möglichst genaue
Schilderungen von Einzelheiten oder als die Vorführung be-
stimmter Ereignisse. Bei diesem Bestreben hat der Ägypter er-
freuliche und lehrreiche Ergebnisse zu erzielen vermocht. Sein
Können versagt erst, wenn er, wie in den Schlachtenbildern, sich
über die Einzelepisode zum Gesamtbilde erheben will. Aber das
ist bis in späte Jahrhunderte hinein vielen Völkern und Künstlern
nicht anders ergangen. In ihrem Ganzen bringt eine Betrachtung
der ägyptischen Kunstvorgänge wertvolles Material für die Be-
urteilung der Entwicklung der Zeichenkunst überhaupt bei. Sie
zeigt, wie ein Volk von hoher Kultur die ursprünglichsten Ver-
suche zeichnerischer Nachbildung der Natur in ein folgerichtiges
System zu bringen wußte und die ausübenden Künstler zwang,
während Jahrtausenden innerhalb dieses festen Rahmens zu ver-
bleiben. Sie konnten die Technik ihrer Arbeitart vervoll-
kommnen, über die primitiv kindliche Darstellungweise ihrer
längst dahingegangenen Vorfahren durften віє nur ganz ausnahm-
weise hinauezugelangen suchen. In der Kunst wie in der Religion
hat Ägypten klar erkennbare Uberreste menschlicher Denktätig-
keit erhalten, die weit über den Beginn seiner geschichtlichen
Überlieferung, über das Ende des vierten Jahrtausends v. Chr.
hinaus verweisen.")

Die Kunstentwicklung der Plastik, des Zeichnens und der
Malerei in Japan bietet dazu die vollkommen verwandte ethno-
logische Parallele dar. Es verlohnt sich darum W. v. Seid-
1 i t z' ausgezeichnet gediegene Geschichte des japanischen
Farbenholzschnitts (Dresden 1897) daraufhin durchzustudieren.

л m* f

18) Wiedemann, Prof. Dr. A.: Die Zeichenkunst im alten Ägypten. Die
Umschau. Frankfurt a. M. 1906. S. 785 und 809.


— 133 —

Abendländische Zeichen- und Malkunst im Bund mit der Photo-
graphie rauben der alt japanischen Kunsttechnik die Existenz-
möglichkeit. Sie ist gewesen und fristet nur noch für die Volk-
menge als billige Marktware ein Zwitterdasein.

Eine sehr günstige Meinung über die Bilderkunst der Japaner
äußert Karsch:

„Der künstlerische Genius des japanischen Volkes vermochte
sich im Kunstgewerbe und in der schönen Literatur auch im
Rahmen der Päderastie in hervorragender Weise zu betätigen.
Das Ästhetische steht diesem Volke höher als das Ethische —
das Ethische im Sinne des historischen Christentums — und seine
Kunst beginnt bereits mit dem Handwerk. Die Kunst, statt wie
im Abendlande ein privilegiertes Bildungmittel der Wohlhabenden
zu sein, ist in Japan Gemeingut. Die Japaner sind ein Volk von
Künstlern.

„Mit dem 17. Jahrhundert oder mit der Tokugawa-Periode
begann die Blütezeit der japanischen Holzschneidekunst, die sich
nach zwei selbständigen Richtungen hin, in der Kunst des Umriß-
malens und im Farbenholzschnitt, zu gleicher Höhe entwickelte.
Besonders der Farbenholzschnitt, Urushiye, eigentlich Lack-
malerei, wurde in so hohem Grade zur herrschenden Kunstübung,
daß er ein volles Jahrhundert hindurch, und zwar die letzte Hälfte
des 18. und die erste des 19. Jahrhunderts, das Gemälde, Kake-
mono, völlig verdrängte. ... Kitagawa Utamaro
schuf unter anderem ein erotisches Bilderbuch „von blendendem
Witz und grandiosem Können44, das Uta Makura, eigentlich
„vielberühmte Orte44.

„In den wenigen sehr kunstvollen schwarzen Umrißskizzen
(die Karsch gesehen) herrscht durchwegs, auch bei weit-
gehendster Ausgelassenheit der dargestellten Situationen, ein
würdiger Ernst und eine vollendete künstlerische Naivetät, die
jede Absicht der Sinnlichkeiterregung ausschließt. In ihnen
steckt nichts von Pose, gleichviel ob nur eine Person dargestellt
wird, ob mehrere Personen die erotischen Handlungen vollziehen
oder andeuten. Die auffällige Ruhe der Gesichtzüge wirkt mit
Rücksicht auf die Situation besonders komisch. In den gleich-
geschlechtliche Akte darstellenden Bildern zeigt sich der passive
männliche Partner durchwegs stark feminin, mädchenhaft zart
und weich von Körperbau, dabei weibähnlich frisiert und ge-
kleidet mit in der Regel wenig entwickelten Geschlechtteilen,


— 134 —

während die des aktiven Partners meist karikaturenhaft ver-
größert sind. Bisweilen erscheint auch der sonst männlich dar-
gestellte aktive Partner etwas feminin. Die nackten Leiber der
schwarzen Bilder sind schwungvoll, mit wenigen Linien oder
Strichen in vollendetster Plastik hingezaubert. Auf den immer
vollkommen harmonisch ausgeglichenen Farbendruckbildern
pflegt außer auf den Hintergrund besonders auf die Gewandung
der Akteure größte Sorgfalt verwendet zu sein, so daß durch die
Gewänder der doch deutlich genug dargestellte Vorgang ver-
schleiert oder gänzlich verhüllt wird. Auch fehlt nicht die An-
deutung einer Art von Keiderfetischismus."14)

Ganz modern muten uns dagegen die erotischen Dar-
stellungen der zwei sogenannten klassischen Völker des Alter-
tums an.

Die zügellose und unnatürliche Lüsternheit der entarteten
Römer fand, wie F і e d 1 e r in einer Aufwallung von Entrüstung
bemerkt,") an erotischen Reliefs besonderes Wohlgefallen und
die Lampenbildner verfehlen nicht, zu frivolen Bildwerken die
kleine runde Fläche oben auf der Lampe, wo das Loch zum Ein-
gießen des Öls ist, auf geschickte Weise zu benutzen. Uber diese
aphrodisischen Stellungen und Weisen, welche der Grieche
Schemata, der Römer Figurae modi Veneris
nannte, schrieben zwei griechische Frauen, Philaenis von
Samos und Elephantis, besondere Anweisungen. Der
Elephanüs unzüchtiges Büchlein hatte der Kaiser Tiberius in
seinen mit erotischen Gemälden und Bilderwerken geschmückten
Schlafzimmern aufgestellt. Ein gewisser P a x a m o s schrieb
ein Dodekatechnon oder über zwölf obszöne Schemata, die eine
griechische Hetaere Kyrene darstellte und daher die Dodeka-
mechanoe, die Zwölfkundige hieß. Außer anderen Schriftstellern
dieser Gattung, die man Kinaedologen nannte, war vorzüglich
Sotades aus Maronea in Kreta berühmt, nach dem man der-
gleichen Dichtungen sotadische benannte.

Die erotischen Bilderrollen, so man da in Japan den Braut-
leuten als Hochzeitgeschenk weiht, sind gut deutsch gesagt, ge-
malte Strohkranzreden ; mit anderen Worten, diese Art von ero-
tischen Überraschungen ist auch dem deutschen Volke dem Kern

M) F. Karech-Haack: Das gleichgeschlechtliche Leben der Ostasiaten:
Chinesen, Japaner, Koreer. München 1906. S. 103 ff.

15) Dr. Frans Fiedler. Antike erotische Bildwerke. Xanten 1839. 8. SO.


— 186 —

der Sache nach wohl bekannt. Im Großen und Ganzen scheinen
Strohkranzreden in Deutschland außer Brauch gekommen zu
sein, in Österreich dagegen sind sie selbst in guten bürgerlichen
Kreisen noch üblich, nur daß statt der älteren ungebundenen
Reden, die dem Sprecher einen Raum für eigene witzige Einfälle
und persönlich zugespitzte Bemerkungen frei ließen, der minder-
wertige Vers mit elender Reimerei Oberhand gewann. „Paßte,
Leutl, auf, hiazt kummts G'dicht!4 ruft man in vorgerückter
Nachtstunde beim Hochzeitschmaus, wann es an der Zeit ist, daß
das glückliche Brautpaar .endlich allein !' sagen soll. Da erhebt
sich einer von den angeschwipsten älteren Herren mit dem Glas
in der Hand und ,deklablamiert 's G'dicht'. Hier eines als Beispiel :

Ermahnung an die Brautleut!

Sobald euch beiden die Wangen glühn,
Müßt ihr in ein dunkles Zimmer fliehn.
Die Ritze vor dem Akt zu beschauen ist nichts,
Im Akte selbst bedürft ihr nicht des Lichts.

Du mußt aufs Bett dich hin am Rücken strecken,
Den Kopf etwas gesenkt und tiefer halten,
Die Beine weit auseinander spalten
Und untern Hintern dir ein Polster stecken ;

Damit die Gegend um die Scham recht hoch
Heraussteckt und frei daliegt das Loch ;
Dann steigt der Mann auch nackt dazwischen,
Damit die Glieder sich da vermischen.

Ergreif mm schnell den Schwanz mit deiner Hand,
Gib ihn in deiner Voze Mimdesrand :
Dann bohrt der Mann sich mit Gewalt hinein,
Dabei wirst du, furcht* ich, ein bischen schrei'n.

Allein, man glaubt, man höre alle Engel singen,
Wenn so die Schwänze tief am Herzen dringen ;
Drum stoße ihm entgegen mit der Voz
Und lieg nicht da als wie ein toter Klotz !

Einer meiner Bekannten in Wien besitzt mehrere derartiger
Brautermahnungen, bei denen die Strophen unter entsprechenden


— 136 —

Bildchen stehen. Da hätten wir das gleichwertige malerische
Gegenstück zu den ostasiatischen Bilderreihen, nur kann ich nicht
sagen, daß man auch bei uns den lieblichen Bräuten mit solchen
Erzeugnissen deutschen Fleißes Hochzeitgeschenke macht. Bei
der kolossalen Verbreitung derartiger Bildwerke ist es nicht ver-
wunderlich, wenn eine holde jungfräuliche Maid verschämt an
einen erfahrenen Mann die Bitte richtet, er möchte ihr doch welche
Bilder ,eh schon wissen* vorzeigen und sie zu ihm bei Vorweisimg
einer Serie schnippisch sagt : ,Dös kennen mer scho !' Man darf
vermuten, daß auch der japanischen Jungfer Braut die Geschenke
selten noch nie geschaute Situationen lehren. Nicht urnisch ver-
anlagte Evatöchter verstehen es überall in der Welt, sich früh-
zeitig und rechtzeitig für die Liebespiele der Ehe gehörig vorzu-
bereiten.

Ein Literaturkundiger und ein Maler vereinigten sich zur
Fertigstellung der Reisebilderserie, die wir bringen. In der Ein-
leitung verspricht der Dichter vierundfünfzig Beischlafstellungen
zu liefern, es sind ihrer jedoch nur vierzehn. Statt nun die
Stellungen der Hochzeitreisenden und die Landschaften mit
eigenen Worten zu besingen, reißt er einzelne Teile aus den be-
kanntesten Werken heimischer Dichter heraus und reiht sie so
aneinander, daß sie zu erotischen Schilderungen werden. So hat
auch der Rhetor D. Magnus Ausonius angeregt vom
Kaiser Valentinian I. aus lauter vergilischen Versen und Vers-
teilen seinen unter allen der klassischen Philologie beflissenen
Jünglingen ungemein beliebten Cento nuptialis verfaßt, dessen
consummatio matrimonii an sinnlicher Derbheit dem japanischen
Flickwerke nicht nachsteht.

Ausonius war gewiß nicht der ersïe Literaturfrevler,
der sich so schändlich an einem großen Dichter verging und er
blieb auch nicht der letzte. Ich besitze ein handschriftliches
dramatisches Werkchen, das aus lauter bekannten Stellen unserer
Klassiker zu einem obszönen Stückwerk zusammengeflickt
worden. Zu erotischen Gedichten dieser Art mußte vornehmlich
Schiller herhalten, dessen hochtönender Redeschwall zu der-
artigen Herabwürdigungen die kleinen Geister mit dem großen
Gedächtnis leicht verführte.

Eine Verdeutschung des japanischen Flickgedichtes verfehlte
hier seinen Zweck, weil unsere Leser mit den geplünderten
japanischen Dichtern nicht vertraut sind und ihnen daher der


— 137 —

Humor der falsch gesetzten Zitate entgehen mußte. Zum Ersatz,
um die Manier des Expilators darzutun, soll hier eines von den
vielen Stück- und Flickgedichten aus Schiller sehen Versen
dastehen. Es ist eine der japanischen gleichwertige literarisch-
ethnographische Parallele:

Sie war nicht in dem Tal geboren —
Ihm gab der Lieder süßen Mund Apoll —
Errötend folgt er ihren Spuren —
Und in Poseidons Fichtenhain
Trat er mit frommem Schauder ein. —
Da tönte es von seinen Lippen :
Ist nur der Sarazen es wert? —
Wollust war auch dem Wurm gegeben —
Hier vollend ich's, die Gelegenheit ist günstig! —

Und an die Rippen geht des Mannes Herz —
Er tritt heran mit ungewissen Schritten —
„Will die freche Hand das Heiligtum berühren?41
Da ergreifts ihm die Seele mit Himmelgewalt —
Da zuckt es heiß und schwül durch seine Glieder —
„Ich will sie schauen, — schauen !u

Er rufte und hat den Schleier aufgedeckt —
Bis die Liebliche sich zeigte, —
Die den Menschen zu Menschen gesellt. —
Und den Gürtel wirft er und den Mantel weg —
Und schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif. —

FesE schaut er mit entzückten Sinnen —
Dann bückts sich hinunter mit liebendem Blick. —
Hell wiehert der Hippogryph und bäumt sich in

prächtiger Parade —
Das Stäbchen taucht er ein —
Mit dem rötlich strahlenden Gipfel —
Sie senkt ihn in die zarte Ritze —
Sieh! da finden sie sich! —
Es führt sie Amor zusammen —
In das bescheidene Gefäß
Schließt1 sie Göttliches ein. —

Knuts: Gesdüecbtleben. 18


138 —

Und die Räume wachsen
Und es dehnt sich das Haus —
Und sie rauschen herauf und sie rauschen nieder —
Und er rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß —
Nachbohrend bis ans Heft den Stahl. —

Jetzt im freudigen Bewegen
Werden alle Kräfte kund —
Sie bewegt sich, schwebt —
Ein wollüstig Ungeheuer! —
Es wächst des Mannes wilde Kraft. —

Wohl, nun kann der Guß beginnen —
Wachsend ohne Widerstand —
Springt unermüdlich ein lebendiger Quell —
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren —
„Das war Teils Geschoß !" —
Und der wilde Strom
Er wird zum Meere —
Des freut sich das entmenschte Paar! —
Doch endlich da legt sich die wilde Gewalt. —

Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe —
Leergebrannt ist die Stätte ! —

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
Den Dank, Dame, begehr* ich nicht! —

Erst reinigt er das Heiligtum —
Und verläßt sie zur selbigen Stunde!

Das ist eines von den erträglichsten Flickgedichten, doch
gibt es ihrer, die an Gemeinheit unfaßbares darstellen.

Die Vogelbilderreihe beruht auf japanischen Wortspielen.
Jeder von den verschiedenen Vögeln wird in eine Beziehung zu
der dargestellten Begattungstellung gesetzt. Derselbe ursprüng-
liche Gedanke, daß es die Menschen wie die Vögel machen, schuf
frühzeitig in unserer Sprache das Zeitwort vögeln. W a 11 h e r
von der Vogelweide gebraucht es noch als feine, dichte-
rische Umschreibimg für die Beischlafausübung. Worte wie
Menschen verfolgt das Verhängnis der Zeit und zerrt sie zuweilen
in die Gosse hinab. Das ist auch das Schicksal der guten alten


deutschen Worte vögeln, Zumpt und Voze, die mm in der schön-
geistigen Literatur und in salonfähiger Gesellschaft den fremden
Eindringlingen coire (koitieren !), penis und vulva weichen
mußten. In den Anthropophyteia und hier auch bringe ich
unser verfehmtes Sprachgut wieder zur Geltung und namhafte
Gelehrte befolgen das Beispiel.

Unsere neuzeitliche mitteleuropäische erotische geschriebene
und gezeichnete oder gemalte Literatur durfte wohl die der
Asiaten, sowohl an Umfang als an wissenschaftlicher Gründlich-
keit weitaus überragen. Man vergleiche dazu die Nachweise
Karl R e і s k e 1 s im IL B. der Anthropophyteia. Wenn die
Japaner ihre Kunst aufgaben, um sich an der europäischen zu er-
götzen, so erweisen sie sich auch in der Erotik als lerneifrige
Schüler europäischer Lehrmeister.

18*



Sehlusswort.

Vorn vor der Karlskirche in Wien ragen rechter Hand, linker
Hand zwei riesige Hohlsäulen himmelan. Vom Sockel bis zur
Spitze winden sich schneckenartig um jede Säule Reliefs mit Dar-
stellungen aus dem Leben des Heiligen und das Ende krönt eine
gewaltige Laterne. Große Baukunstkenner erklärten in ihren
Kunstgeschichten diese und sonst vor Kirchen angebrachte gleich-
artige Säulen als einen höchst überflüssigen und geschmacklosen
Schmuck.

So oft ich die Säulen und die Kirche erblicke, überkommt
mich ein Gefühl scheuer Ehrfurcht ; denn der Anblick ruft mir in
Erinnerung, daß, wie Lukianos in seiner Schrift von der
syrischen Göttin bezeugt, noch vor zwei Jahrtausenden vor
syrischen Tempeln riesige Zumpte aufgestellt gewesen, daß dieser
Kult verständnisvolles Begreifen und kunstsinnige Nachahmung
im alten Rom gefunden und daß unsere modernen Architekten
und frommen Kirchenfürsten den altheidnischen Baustil ins
christlich erhabene zu übersetzen wußten. Wie vor japanischen
Stifthütten, so halten auch vor der christlichen Karlskirche in
Wien Zumpte heilige Wacht, doch, in Japan kennt man ihre Be-
deutimg, bei uns ergründet sie erst der Ethnolog.

Japan ist das Land urgeschichtlicher Überlebsel der Völker-
gedanken. Bei uns ist der Baumkult und Zumptkult nahezu bis
zur Unkenntlichkeit verblaßt, die Japaner haben beide Kulte zu
Stützen ihrer Religion entwickelt. Bei uns ist, wie Albert
Hermann Post sagt, alles verfallen, was vom Volksgeiste
klar und fest organisiert war. Statt dessen sehen wir in ein
gärendes Chaos kämpfender sozialer Strömungen, die nur sehr


142 —

nebelhaft oft den Weg erkennen lassen, den die Völkergeister
einschlagen werden. In Japan dagegen hat sich in der Einrich-
tung des Yoäiwara sogar die Urform des mutterrechtlichen Ge-
schlechtverkehrs mit seiner Stundenehe bis auf unsere Tage be-
hauptet. Die Japaner sind keine Ubermenschen und keine Unter-
menschen, sie sind Menschen wie wir, nur keine Umstürzler, keine
Zerstörer, wie wir. Was ihre Vorfahren für sie erworben, das be-
wahren sie treu und fest als ihren Besitz und ihren Reichtum.
Darin beruht ihre Stärke, darin die Schwäche ihres Volkstums,
ihrer Kultur und Zukunft.


Anhang.

Zu Seite 60. Buckley meint, man bringe die Opfer nicht
den in den Stifthütten oft zweifach vertretenen Füchsen, die so-
genannte Diener des Inari-san sind, vielmehr diesem selbst
dar. Das ist eine Auslegung, die wohl den Ansichten modern
gebildeter Priester entsprechen mag, doch nicht dem Volk-
glauben, in dem der Fuchs als eine Geisterverleiblichung eine
hervorragende Stellung einnimmt. Dies erhärten auch die Be-
merkungen Adolph Skrzynek Ts, der als Missionar Jahr-
zehnte lang in Japan weilte und mir insbesondere über den
japanischen Fuchskult wertvolle Aufschlüsse gewährte. Ich
wiederhole seinen kurzen Bericht schon mit Rücksicht darauf,
daß er auch in einigen anderen Dingen unsere Mitteilungen
ergänzt.

„Die verbreitetete Religion in Japan ist der Sin-to-Glaube,
auch Kamikultus genannt. Das Wort Sin-to ist chinesischen Ur-
sprungs und bedeutet „der Weg des Geistes44. Gegenstände dieser
Verehrung sind die Himmelkörper, die Elemente und alle Natur-
kräfte als Ausflüsse der Manifestation der Gottheit, die höchste
und heiligste Verehrung genießt hiebei die Sonne, auch die
Seelen Verstorbener, die sich um das Vaterland verdient gemacht
haben, finden in dem Rahmen dieser Religion einen Raum als
Gottheiten. Aus diesem einfachen Sin-to-Glauben entwickelte
sich im Laufe der Zeit durch die mannigfache Berührung mit
den Chinesen eine neue Theo-Kosmogonie, die nichts anderes als
eine Nachbildung chinesischer Schöpfungmythen ist. Die Götter
— Kami — werden in himmlische und menschliche eingeteilt,
und im Laufe der Jahre stieg die Anzahl der Kamis solcher-
gestalt auf 3132.


— 144 —

*) Vgl. Am Urquell VI (1896), S. 13 f. und Klaproths Mitteilungen, die
sich mit diesen decken, bei Dr. L. Hopf, Tierorakel und Orakeltiere, Stuttgart
1888, S. 62.

„Die Tempel der Sin-to, genannt Mi-ia, sind einfache, mit
Stroh gedeckte Hütten ohne jeglichen Schmuck, weder im Innern
noch von außen. Das Hauptgeräte in ihnen ist ein heller Metall-
spiegel und ein Bündel weißer Papierstreifen als Symbole der
höchstmöglichen Reinheit der Seele, des Leibes und des Leben-
wandels, den das Sin-to seinen Anhängern vorschreibt.

„Neben dem Sin-to-Glauben ist noch der Buddhismus und
Sin-to — der Ri-io-bu-äin-to, ein zweifacher Sin-to — stark ver-
treten, der seine Anhänger namentlich in den unteren Klassen
zählt. In den Tempeln dieses Mischglaubens befindet sich neben
dem Metall Spiegel ein geheiligter Schrein, der Käfig eines leben-
digen Fuchses. Der Fuchs wird von den Anhängern des Ri-io-
bu-Sin-to als ein gottgeweihtes Tier betrachtet. Er ist vom Inari,
das ist vom Kami der Reisfelder, der in einigen Gegenden unter
den 3132 Kamis einen hervorragenden Rang einnimmt, zum
Range eines vornehmen Tieres erhoben, und ganz Japan, soweit
es sich zum Ri-io-bu-śin-to bekennt, huldigt dem Fuchse. Groß-
grundbesitzer, die reiche Reisplantagen haben, besitzen eigene
Fuchstempel neben ihren Häusern und halten Priester, die die
Aufgabe haben, dort zu beten. Den ganzen Tag über sieht man
in solchen Tempeln, die klein und unansehnlich sind, einen
Priester andächtig Gebete verrichten, und die beste Nahrung wird
dem heiligen Tiere dargeboten. Wenn es verendet, herrscht
Familientrauer im Hause, ja, eine Art von Landtrauer, und mit
besonderem Pompe wird es bestattet. Sofort nach der Be-
stattung erfolgt die Einsetzung eines neuen Fuchses, unter nicht
geringerem Pompe, und gefällt es Inari auch diesen vor der Zeit,
die ihm nach dem allgemeinen Laufe der Dinge beschieden ist,
einzuberufen, dann steigert sich die Trauer zur Verzweiflung und
eine Massenwallfahrt wird unternommen, um die Götter zu ver-
söhnen."1)

Geister wandeln in Fuchsgestalt umher, nehmen, wie in
unseren Sagen der Teufel oder in südslavischen die Vila vom
Menschen Besitz und treiben in ihm und durch ihn allerlei bösen
Unfug. Prof. Erwin von Balz, der berühmte Japaner-
forscher, schrieb über diese Art von „Besessenheit und verwandte


— 146 —

Zustände" eine Reihe von Aufsätzen,2) aus denen ich hier das für
uns wichtigste heraushebe:

„Dort ist die Besessenheit noch heute weit über China, Japan,
Korea verbreitet. Es kommen nur vereinzelte Fälle vor. Die
Ansteckungkraft ist gering und auch das erotische und hysterische
Element tritt ganz zurück. Der Übeltäter ist hier nicht der Teufel,
denn der ist dort unbekannt, und — das muß immer wieder be-
tont werden — ein Mensch kann nur von dem Dämon besessen
werden, dessen Existenz er kennt und an dessen Macht und
Neigung, in einen Menschen zu fahren, er glaubt. In Ostasien
sind es vielmehr verschiedene Tiere, die angeschuldigt werden:
der Tiger, die Katze, der Hund, vor allem aber der Fuchs,
japanisch Kits une. Dieser ist nämlich nicht bloß ein Tier,
sondern auch eine Art Gottheit unter dem Namen I n a r i. Ur-
sprünglich war Inari eine Göttin ^manchmal wird sie auch als
Mann dargestellt) des Glückes und der Fruchtbarkeit und der
Fuchs war ihr nur als Symbol beigegeben. Allmählich aber
wurde die Verehrung auf den Fuchs selbst übertragen, der in
Stein gehauen vor den unzähligen, meist diminutiven Inari-
tempelchen steht.

Der Fuchs hat die Kraft, alle Gestalten anzunehmen, und
zahlreich sind die Geschichten, in welchen er als schönes junges
Mädchen die Männer verführt. Das erinnert an die Lamien des
griechischen Volkglaubens, häßliche Mischgeschöpfe von Weib
und Vogel, die, in schöne Weiber verwandelt, Jünglinge und
Männer verlockten, um ihnen das Blut auszusaugen.

Die meisten Füchse aber lieben es, anstatt sich selber zu
Menschen zu machen, in dem Körper anderer Menschen ihren
Wohnsitz aufzuschlagen, und das sind die Fälle, die uns hier
beschäftigen. In Japan sind das besonders die Füchse aus der
nördlichen Provinz Oschin und auch in China stammen sie meist
aus dem Norden. Sie fahren mit Vorliebe in einfältiges Land-
volk, namentlich in Frauen und Mädchen, oder in Kranke, weil
diese ihrem Eindringen weniger Widerstand entgegensetzen.
Männer erkranken viel seltener, doch werden auch sie nicht ganz
verschont.

Manche Füchse kommen nur für einen oder ein paar Tage,
treiben allerlei Schabernack, erschrecken ihre Wirtin und ihre

2) Wiener medizinische Wochenschrift, 11. Mai 1907, S. 982 ff.
Kraust: Geschlechtleben. 19


— 146 —

Umgebung durch tolle Beden und durch ihr Gebaren und ver-
schwinden wieder. Andere richten sich häuslich ein und bleiben
jahrelang, von Zeit zu Zeit sich bemerklich machend, allen
priesterlichen und anderen Beschwörungen und Austreibungen
trotzend. Wenn die Besessene stirbt, oder wenn auf irgend eine
Weise dem Fuchs der Aufenthalt verleidet wird, so geht er und
sucht sich ein anderes Opfer. Das ist die gefährliche Zeit für die
Nachbarschaft und jede Frau schwebt in Angst, der Fuchs könne
sie aussuchen.

Auch stehen beim niederen Volke in einigen Teilen Japans
gewisse Familien im Rufe, erbliche Fuchsinhaber — Kitsune
motshi — zu sein mit der Macht, diese Fuchse in andere
hineinzuhexen. Diese „Leibfüchse" im eigentlichen Sinne des
Wortes oder Familienfüchse sind eine Herde kleiner, wieselgroßer
Tierchen, die ihre Herrschaft oft in großer Zahl überallhin be-
gleiten und sie gegen allen Schaden von Seiten anderer Leute
beschützen. Wenn jemand ihren Herren etwas zuleide tut, so
fährt ein Fuchs in ihn und der Besessene wird sein Vergehen
selber bekennen. Die Furcht vor diesen Familien ist groß und
sie müssen unter sich heiraten, da niemand seinen Sohn oder
seine Tochter einem Fuchsbesitzer geben wird. Sie werden
gemieden wie die Pest. In Zentral- und in Teilen von Südwest-
Japan tritt an Stelle des Fuchses der Hund und auf der Insel Shi-
koku der T a n u k i (Canis procynoides).

Ich selber habe mehrmals Gelegenheit gehabt, Fuchsbesessene
zu sehen, und einmal hatte ich eine Patientin vier Wochen lang
im Universitäthospital in Tokio.

Es war eine 47jährige, kräftige, traurig aussehende Frau aus
einer wohlhabenden Bauernfamilie, körperlich gesund, erblich
kaum belastet, nicht sehr klug. Acht Jahre zuvor war sie mit
einigen Freundinnen zusammen, als die Rede darauf kam, daß aus
einer Frau im Dorfe ein Fuchs ausgetrieben worden sei, der mm
einen Unterschlupf suche. Man müsse sich da recht in acht neh-
men. Das ging unserer Bäuerin arg im Kopf herum, und noch am
selben Abend, als unerwartet jemand die Tür öffnete, fühlte sie
einen Stich links in der Brust. Das war der Fuchs. Von der
Stund an war sie besessen. Anfänglich begnügte sich der unheim-
liche Gast, sich von Zeit zu Zeit in ihror Brust zu bewegen und
nach dem Kopf aufsteigend durch ihren Mund ihre eigenen Ge-
danken zu kritisieren und zu verspotten. Allmählich wurde er


147 —

frecher, mischte sich in alle Gespräche, brauchte unpassende oder
gemeine Worte, beschimpfte die Anwesenden und machte der
armen Frau das Leben zur Hölle. Sie wendete sich an viele
Dämonenaustreiber, wie die sogenannten H o i n , das heißt wan-
dernde Bettelmönche aus den Bergen, genau den griechischen
Orpheotelesten entsprechend, die ja auch im Lande umherzogen
und die Heilimg von Besessenheit als Spezialität betrieben. Ver-
geblich. Auch Priester anderer Sekten und Wallfahrten zu
allerlei Tempeln konnten ihr nicht helfen. * Sie hatte schon fast
ihre ganze Habe für solche Heilversuche verschwendet.

Während sie uns mit Tränen in den Augen ihre Leiden-
geschichte erzählte, meldete sich der Fuchs. Zuerst zeigten sich
leichte, dann stärkere Zuckungen links um den Mund und im
linken Arm. Sie schlug sich mit der geballten Faust wiederholt
heftig auf die linke Brust, die von früheren solchen Anlässen hier
ganz geschwollen und blutrünstig war und sagte zu mir: „Ach
Herr, jetzt regt er sich hier wieder, hier in meiner Brust." Da kam
plötzlich aus ihrem Munde eine fremde scharfe Stimme in
schnarrendem Ton : „Ja, freilich bin ich da und glaubst du, dumme
Gans, etwa, daß du mich hindern kannst?" Darauf die Frau zu
uns : „Ach Gott, ihr Herren, verzeiht, ich kann gewiß nichts da-
für." Dann sich immer wieder auf die Brust schlagend und mit
dem linken Gesicht zuckend zum Fuchs : „Sei still, Bestie, schämst
du dich denn gar nicht vor diesen Herren ?" Der Fuchs : „Hehehe,
ich mich schämen? Warum? So gescheit wie diese Doktoren bin
ich auch. Wenn ich mich schämte, so wäre es darüber, daß ich
mir ein so albernes Weib zum Wohnsitz ausgesucht habe." Die
Frau droht ihm, beschwört ihn, ruhig zu sein. Er unterbricht sie
und nach kurzer Zeit ist er im Alleinbesitze des Denkens und der
Sprache. Mit einer unfaßlichen Schlagfertigkeit antwortet er auf
alle Fragen, hat sofort für alles eine Erklärung bereit. Die Frau
ist jetzt passiv wie ein Automat, versteht offenbar nicht mehr
deutlich, was man ihr sagt ; an ihrer Stelle erwidert immer hämisch
der Fuchs. Die Sensibilität auf der linken Seite scheint geringer
als rechts. Es ist das aber wegen der Zuckungen schwer mit
Sicherheit festzustellen. Eine Lähmung besteht jedenfalls nicht.
Auf der Höhe des Anfalles werden die Zuckungen geringer, der
linke Arm ist bald schlaff, bald straff. Die Reflexintensität wech-
selt. Beim Kneifen links im Gesicht geringe Reaktion, beim
Kneifen rechts schmerzhaftes Zucken. Nach zehn Minuten spricht

19*


— 148 —

der Fuchs undeutlicher, die Frau ist imstande, allmählich ein paar
Worte dazwischen zu werfen und dem Fuchs Vorwürfe zu machen ;
nach einiger Zeit ist sie wieder ganz normal. Sie kennt die Vor-
gänge im ersten Teile des Anfalles genau, während sie über die
Zeit der Alleinherrschaft des Fuchses keine genaue Auskunft
geben kann. Doch ist ihr der wesentliche Inhalt von dessen Reden
bekannt. Sie bittet weinend um Entschuldigung und Vergebung
wegen des abscheulichen Benehmens des Fuchses. Sie tue, was
sie könne, um ihn zu unterdrücken ; das können wir ihr bezeugen.
Solcher Anfälle kommen sechs, zehn und mehr im Tage. Im
Schlafe fehlen sie oder sie erwacht, wenn einer droht.

Ich ließ die Kranke in ein Zimmer mit einer Glaswand
bringen, wo ich sie jederzeit beobachten konnte, ohne daß sie es
ahnte. Der Verlauf war immer derselbe, nur bald heftiger, bald
milder, bald länger, bald kürzer. Auch wenn sie allein war, wurde
der Anfall durch die Zuckungen, die Schläge auf die linke Brust
und den erregten Dialog zwischen Wirtin und Gast eingeleitet.
Jede psychische Erregung, zum Beispiel der Besuch des Arztes,
Vorstellung in der Klinik, erleichterte den Ausbruch.

Merkwürdig war, wie gesagt, in Anbetracht der geringen In-
telligenz, der Erziehung und des sonstigen Wesens der Frau die
Redegewandtheit, der Witz und die der Patientin für gewöhnlich
ganz fernliegende Satire in der Sprache des Fuchses. (Mit fremden
Zungen zu reden versuchte er nie.) Einmal, als ich mit Studenten
zu ihr ins Zimmer kam und dem Fuchs mit allerlei Fragen zu-
setzte, sprach dieser plötzlich in seiner spöttischen Weise: „Na,
ich will Ihnen etwas sagen, Herr Professor, Sie könnten auch et-
was Gescheiteres tun, als mich mit Ihren Fragen aufs Eis führen
zu wollen. Wissen Sie denn nicht, daß ich eigentlich ein lustiges
junges Mädel bin, wenn ich auch in dieser alten Schachtel stecke?
Machen Sie mir doch lieber ordentlich die Kur, die jungen Herren
da (auf die Studenten deutend) scheinen nichts von mir zu wollen,
da bin ich auch mit Ihnen zufrieden. Aber ich habe die Sache für
heute satt, adieu !" Und weg war er, während das Zimmer noch
von dem lauten Gelächter aller Zuhörer widerhallte.

Einmal narkotisierte ich die Patientin und, wie zu erwarten,
genügten schon die ersten leichten Züge Chloroform, einen Anfall
hervorzurufen. Der Streit zwischen den beiden Ich dauerte bis
zum Eintritte der Bewußtlosigkeit. Aber in der letzten Minute
hatte der Fuchs allein das Wort. Und als die Patientin zu sich


— 149 —

kam, war er erst, der zuerst sprach und sich beklagte, daß man
ihn so schlecht behandle. Wiederholte Narkose wurde von der
Kranken abgelehnt.

Meine Versuche, durch verbale und sonstige Suggestion und
Hypnose, elektrische Manöver u. dgl. Heilung zu bringen, miß-
langen. Die Kranke war ohne Erfolg durch die Hände von so
vielen Berufsuggerenten, das heißt Priestern und Beschwörern
aller Art, gegangen, daß ich nichts auf diesem Wege tun konnte.
Ihr Leiden hatte die Form eines regelrechten periodischen Wahnes
angenommen, mit dem sie sich allmählich abzufinden suchte.
Zwischen den Anfällen war sie ganz vernünftig, wenn auch scheu.
Ihr Gedächtnis hatte nicht wesentlich gelitten, von Degeneration
war nichts nachweisbar. Ihre späteren Schicksale sind mir im-
bekannt."

Auch im europäischen Völkerglauben, zumal unter den Be-
wohnern der Balkanländer, wo der Fuchs ein häufiger, wenn auch
ungebetener Gast der Hühnersteigen ist, hält man den Fuchs als
ein besonderes Tier, das bald gutes, öfters noch böses ansagt. Daß
bei uns der Fuchs nicht zu so hohen Geisterehren, wie in Japan
gelangte, liegt daran, daß ihm die Katze den Rang ablief. Im
alten Ägypten nahm, wie bekannt, die Katze eine Ausnahme-
stellung als hochgeschätztes Geistertier ein, und sie genießt auch
noch gegenwärtig im Nil lande allen möglichen Vorzug. An-
knüpfend an eine deutsche Sage, die K. E d. H a a s e mitgeteilt,
erwähnt A. Wiedemann eine ähnliche aus dem modernen
Ägypten, die als eine ethnologische Parallele zum japanischen
Volkglauben, wie er uns in unserer Fuchsbilderreihe entgegen-
tritt, hier eine Wiedergabe verdient :8)

„Sie lautet nach Lane, Account of the manners of the modern
Egyptians cap. 20 (5. Aufl. I. p. 284): „Ein gelehrter arabischer
Schech zu Kairo hatte eine schwarze Lieblingskatze, welche stets
am Fuße seines Musquitonetzes schlief. Eines Nachts um Mitter-
nacht hörte er ein Klopf en an der Tür seines Hauses ; da ging seine
Katze hin, öffnete den Hängeladen seines Fensters und rief: „Wer
ist da !" Eine Stimme antwortete : „Ich bin es, der Geist (Ginni),
so und so (dabei nannte er einen fremdartigen Namen), öffne die
Tür." Die Katze des Schech entgegnete : „Über der Tür ist der

*) Am Urquell Ш (1892), S. 317.


— 160 —

4) d. h. Gottes. Nach einer weit verbreiteten muhammedaniechen Ansicht
sind Dinge, über welche man die Formel „im Namen Gottes, des Barmherzigen,
des Erbarmersи ausgesprochen hat, gegen Geister gesichert.

6) Am Urquell IV (1893), S. 81 f.

ВБЩІ

Name4) gesprochen worden." „Dann wirf mir," sagte die andere,
„zwei Brode herab." „Über dem Brotkorb," antwortete die Katze
am Fenster, „ist der Name gesprochen." „Gut," sagte der Fremde,
„so gib mir wenigstens einen Trunk Wasser." Aber er erhielt die
Antwort, daß der Wasserkrug auf gleiche Weise gesichert sei, und
frug nun, was er tun solle, da er sähe, daß er vermutlich vor
Hunger und Durst sterben wurde. Die Katze des Schechs riet ihm
an die Tür des nächsten Hauses zu gehen; sie selbst ging auch
dahin, öffnete die Tür und kam bald darauf zurück. Am nächsten
Morgen wich der Schech von seiner bisher stets inne gehaltenen
Gewohnheit ab, der Katze nur ein kleines Stückchen von seinem
Frühstück zu geben. Er gab ihr die Hälfte und sagte dann : „Oh
du, meine Katze, du weißt, daß ich ein armer Mann bin, bring mir
also etwas Gold." Nach diesen Worten verschwand die Katze so-
fort, und er sah sie niemals wieder."8)

Wie in der deutschen Fassimg, so hat auch hier der Geist die
Gestalt einer schwarzen Hauskatze und weilt als solcher bei den
Menschen, bis er seine wahre Natur erkannt sieht, bezw. erkannt
zu sehen fürchtet. Dann verschwindet er ohne weiteres. Nach
modern ägyptischem Volkglauben nehmen auch sonst die Geister
gern die Gestalt von Katzen an (vergl. Klunziger, Bilder aus
Ober-Ägypten, S. 143), eine Anschauung, welche in dem altägyp-
tischen Glauben wurzelt, daß die Katze eine der beliebtesten Ver-
körperungsformen der Gottheit bilde und daher sogar göttliche
Verehrung verdiene (vergl. dazu mein Buch „Herodots zweites
Buch, S. 283 ff.). Die freilich unbewußte Erinnerung an diese hohe
Stellung des Tieres läßt den Ägypter noch heute eine ganz be-
sondere Hochachtung davor empfinden und hindert ihn, die Katze
ebenso zu mißhandeln, wie er es anderen Tieren, besonders dem
Hunde gegenüber, gewohnt ist. Die göttliche Verehrung selbst
aber und ihre Dauer wird auf die bei den verschiedensten Völkern
auftretende Vorstellung von einer den Katzen inne wohnenden
dämonischen Kraft zurückzuführen sein."


Namen- und Saehenverzeiehnis.

Abendorakel 41
Abgrenzungvorstellungen 36
Abraeiren der Augenbrauen 57
Absud aus Reis und Seegras 37
Abwaschungen 10
Acker 36

achtfacher Zaun 45
acht Faden lange Halle 43
acht Konkubinen 61
acht Wolken 45

achtsehnte des dritten Monats 39
Adam und Eva 48
Aüelklassen 57
Aderrab 106
Ägypter 22

ägyptische Malkunst 132
ägyptieohe Religion 19
Älterer Bruder 80
Aeshines 100
Affe 40

Aftererweiterung 104
Aftermißbrauch 96
Aha-Insel 43
Ahnenkult 42, 58
Ainos 30
Akaza-no-tsue 36
Altäre 31

alte Jungfrauen und Junggesellen 57
Ameisen 98

amerikanische Prediger 32
Am-san-marmori 37
Amsterdamer Mannerbordelle 103

Amulet (Zumpt) 34

Anata 71

Androgynismus 19

Anrufung der Zumptgötter 14

anthropologische Betrachtungweise 16

Aprikose 36

Araber 116

Arduin, Dr* 97

Arktiker 93

arme Japaner 68

Ashera 48

Assyrier 20

Astarte 48

Aston 3, 12, 16, 18, 19, 20, 21, 22,

24, 25, 26, 56, 57, 60, 125, 131
attai 106
Attis 19

Aufzuge der Freudem&dchen 72
Augenbrauen 57
Auslandreisen 24
ausländische Gesandtschaften 25
Ausonius, D. M. 136
autoerotisches Instrumentarium 115
Autosuggestion 107
Awabimuschel 41, 49
Azteken 48

Baal 48

Baco von Verulam 4
Badesitten 9 ff.

Baels, Erwin, Prof. 11, 85, 144 ff.
Balfour 57


— 152 —

Bambusgrasringe 36, 49
Barrows, J. H. 48
BasiUdes 81

Bastian, Adolf, 16, 82, 89
batcha 104ff.
Baum 17, 39

Begattung auf Feld und Flur 23
Begegnung auf der Heide 59
Beischlaf 41

Beischlaf und Religion 55
Beischläferin 62
Beischlafhaus (B.-hutte) 45, 55
Beischlaf Stellungen 122
Beischlaf Vollziehung 61
Beschwerdebuch 69
Betschwestern 56
Baumann, Oskar 116
Bienen 98
Bilderbogen 123
Bildhauerkunst 22
Bilderstürmer 38
Blitzsage 38

Bloch, Dr. Iwan 4, 5, 15, 16, 61,

67, 115, 122, 128
Blumenboote 109
Blumenfeen 81
Blumenfeste 21, 72
Blut verunreinigt 55
Bluter 97
Blutiges Hemd 61
Blutschande 55, 62
böse Geister 25, b. Götter 25
Bohne 41

Bordelle 33, 34, 59 — B. als Straf-
haus 63

Bordellordnung 71, B.-Wirte 71
Boulevard-Prostituierte 103
Brand 46
Brandt, Paul 101
Braut 59

Brautermahnungen 135 f.
Brautgeschenke 60, B.-Gewand 60
Brinkley 81
Brinton, D. G. 48
Brückenschutzwehren 22
Brüderschaften 78

Brüste 37

Buddhastatuen 39

Buddhismus 6, 20, 78

Buddhistentempel 32, 33, 40

Buchsbaumholzkamm 26

Buckley,Dr.Edmund 4,12, 28ff. 51,134

Büffel 40

Buhldirnen 31

Bulgaren 20

Burchard von Worms 115

Casa, Johanne de la 102
Chamberlain, В. H. ЗО, 42, 45
Chenopodium album 36
Chigo 78

Chinesen 22, Chinesen und Japaner 6
Ciaassen, Dr. Walter 7
Christentum 20
christlicher Kulturkreis 99
Chrysanthemumblätter 126
Chrowoten 8, 20
chrowotische Akademiker 19
chrowotischer Bauer 23
chrowotische Homosexuelle 103
coitus per anum 105
Сох, G. W. 47, 48
crux ansata 48
Gypraea porcellana 36

V

Ciburino Kami 24

Daemonenaustreiben 147
Daimios 61, 78
Dai Seki Miya 29
Darwin, Charles 67
De Becker, J. E. 71, 77
Deeojin 36
deutsches Laster 102
Diana von Ephesus 37
Dieberei 63
Dogmen der Kirche З
Donnerkeile 44
Doriphorus 78, 81
Dornstrauchstäbe 36
Draper 50

dreimaliger Reisbiertrunk 71

drei und eine halbe Zeile geben 63


153 —

Dreizahl 26
Dresser 39
dritte Monat 39
drittes Geschlecht 92 ff.
Dualität des Kultes 47

Ebisu 113

effeminierte Männer 100
Ehe auf Kündigung 81
Ehebrecherstrafe 62
Ehebruch 63
eheliche Treue 61
Ehe und Prostitution 58
Ehetrennung 61
Ehevermittler 59
Ehevertrag 60
Ehmann, Dr. 62
Eifersucht 63

Einheiraten der Eidame 59

Eku goi no kami 19

Elementargedanken 16

Ellis, Havelock 10, 96, 114, 115

Embleme 30

Engi 113

Engländer 10

Entbindung 35, 42, 49

Entblößung 10, 25, 27

Entehrung durch einen Priester 63

Entjungferung 55, 96

Entlehnung eines Zumptes 42

Entstehung der Menschen 21

erbliche Krankheit 63

Erdzauberei 27

Erfolg in Geschäften 35

erotisch 4, erotische Lieder 40

erster Beischlaf 55

Eshima 33

Ethnographen 99

Ethnologie 12

Europa 8

Exhibitionismus 10, 25, 27, 28
Einer, A. Si 69
Ex voto Gaben 32

Familienzuwachs 39
Feige aus Kandiszucker 35
Krause: Geschlechtleben,

Feldmarke 38

Feldraine 22

Feld- und Flurgötter 25

Felsenbeschädigung 33

feminine Männer und Frauen 98

Festgottesdienst 24

Festlichkeiten, phallische 39

Fetißchist 97

fettes Weib 35

Feudalherrschaft 58

Feuer 17

Feueranbetung 47

Feuergott 18

figurae modi Veneris 134

Finsternis, Land der 21

Firmicus 20

Fischkopf eines Dämons 125

Flickgedichte 136 ff.

Florenz, Prof. Dr. 12, 16, 24, 109

Formähnlichkeit 49

Frankreich 102

Franzosen-Syphilis 102

Frauenfrage 74

Frauen Krieghäuptlinge 19

Frauen Mikados 19

Frauenrollen 108

Freudenmädchen 9

Freya 48

Fruchtbarkeit 36

Frûhlingfeste 39

Frühlingtäfeichen und -Bilder 123 ff.
Fuchs 50, -Kult 144 ff.
Fuchs, Dr. Alfred 94 f.
Fuchs, Eduard 128
Füllhorn 35

fünf Jahre dauert die Zeitehe 61
fünfzehnte des Monate 23
Fukueuke 35
futatsu-tomoye 48

Qebären, leichtes 37
Gebärhaus 45
Gebete 39
Geburt, leichte 42
Geburtmonat, symbolisiert 36
Geburtorte 24

20


— 154 —

Geburtzauber 38
Geist der Erde 19
Geist, heiliger 25
Geister- und Götterfurcht 9
Geishas 69, 114
Geldstrafen 62
gemeinsame Bäder 11
Geomantie 28
Gesäß 27

Gesandtschaften 24, ausländische 25
geschlechtliche Gesundheit 39
Geschlecht der Götter 18
geschlechtlicher Umgang d. Bonzen 63
Geschlechtmerkmale 100
geschlechtliche Yerirrungen 67
Geschlechtverkehr mit Schwester und
Halbschwester 57

Geschlechttrieb 15 f., personifiziert 23
Gesteine 17

Gesundheit für Mutter und Kind 42
Gewächse 21
Ginseng 36

gleichgeschlechtlicher Verkehr 58

Glück 114

Glücksymbol 35

Gjendar 73

Gödern ich es 115 f.

Goethe 61

Götter, 8,000,000 17
Götter, böse 21
Götterpaar der Metallberge 18
göttliches Zeitalter 42
göttlicher Zeuger 48
Goodfellow, Bobin 35
gohei 40

goldfarbige Zumpte 25

Gorobei 41

goriöye 26

Grabstein 39

Grausamkeit 68, 93

Grazer, Romulus 57

Grenze der Residenzprovinz 25

Grenzlinien 36

Grenzmarke 36

Griechen 19

Griechenland 100

Griffis, W. E. 35, 39, 59
große Mutter 19
Grube, Prof. Dr. 123
grüne Häuser 69
gußeisener Zumpt 34
Gwanzadaiohi-Tempel 40

Haare 20

Haarnadel 57, 113 f.
Haartracht der Lustknaben 91
Haase, K. E. 149
Hahn und Huhn 80
Halbschwester (vom Vater aus) 57
Haliotis tuberculata 36
Hani jama hime no kami 18
Hatamoto 61
Hausierer 35
Haustore 27

Heidelbeerkrautaufguß 50
heilige Hochzeitgebräuche 55
Heilung kranker Geschlechtteile 42
Heine 11, 83
Heiratalter 58
Heiratbrauch 71
Hellas 82
Hellenen 22

Hellwald, Friedrich von 72
Helvetius 98
Hemd, blutiges 60
Hepburn 113
Herbetfeier 35
Hermaphroditen 18, 100
Hermes 36
Herodot 100
Herondas 115
Herrenpilz 25
Hexenprozeese 3
Hildebrandt, Ed. 58
Himmelpfeiler 43, 45
Hindu 7, Hinduismus 48
Hinrichtungstätte 39
Hippokratee 100
Hirata 16, 32, 43, 44
Hirsch, Dr. Rabb. 4
Hirschfeld, Dr. M 3, 78, 92, 94, 95,
97, 99, 100, 101, 103,107,108,127


— 165 —

Hirth, Dr, Georg 5 Juno 20
Hochzeitgeschenke 134 ff. Juwel der Allmacht 35, 50
Hochzeitgewand 60 Juwelspeer, himmlischer 16
Hochzeittag 60  
Hoden 43, Hodensack 38 fCahab-ed-drani 106
Höllenstrafen 21 Kaikan 80
hölzerne Zumpte 23 Kaikanzai 79
Hopf, Dr. L. 144 Kaisenberg, M. von 131
Hoshi-no-Tama 35, 50 kali 48
Höszli 99 kami 143
Holzzumpt 34 kami-musu-bio-kami 48
Hubner, von 8 kamuros 69
Hufeisen 35 Kanda, T. 44
Humbert 40 Kanzashi 113
Hummer 40 Karlkirche 141 f.
Hund 146 Karikataren 122
Hyperboreer 93 Karsch-Haack, F. 7, 8, 12, 58, 63, 67,
  69, 92, 93, 94, 96, 106, 108, 109,
Idzumo 45 116, 133, 134.
illegitime Frau 62 Kaesas 106
Inari-ean 50 Kastration 105
Indianer 93, 105 Katscher, Loop. 57
Ingwerkraut 36 Katze, geisterhafte 149
Inquisition 3 Kaufehe 60
inseki 48 Kaurimuechelvoze 36
Inselerschaffung 43 Kéraval, P. 104
Inyoseki 44 Kinaeden 98, 106
Ise 56, Ise, Stifthatten 50 Kindererziehung 9
Isu-wo-goi-no-kami 19 Kinderlosigkeit 62
Italien 101 Kindersegen 46
Iwa-naga-hime 31 Kissenbilder 124
lyeyosu 61 Klaproth 144
Izanagi und Izanami 16, 48 Kleider fetiechismns 134
  Elleid ung, weibliche 107
Jäger, Dr. G. 98 Kleriker 101
Jaggernauthwager 40 Klingelkugeln 114
Jago 59 Kloster 63
Jahrgott 60 Klunzinger 150
Jehovas Symbol 17 Knabenbordelle 91 ff.
Joest, Prof. 114 Knabenliebe 78 ff»
Juden 17 Knabenschändung 96
jadische Ehen 61 Knapp, Dr. O. 101
jüngerer Bruder 80 Kötecher, M. und J. E. 10
Junggesellen 57 Kojiki 19, 22, 42, K. und Nihongi 22.
Jungfern 55 Kolotanz 73
Jungfrauschaftbeweis 61 Konata 71

20*


— 166 —

Ko-no-hana-saku-ya-hime 31
Konsei 30, 37, 38, Konsei-Bang 38
Konservativismus 22
Kopfputz der Frauen 57
Kopfwaschen 10
Korea 6

Koreanisches Wappen 48

Korruption 10

Kosho 78

Kosmogonie 42

Kburomou 68

Krafft-Ebing 95, 97

Krankheiten unterhalb d. Gürtels 37

Krankheitgeister 21

Krause 23, 115

Kreuzzeichen 48

Kreuzwege 22, 25, 26

Krieghäuptlinge, Frauen 19

Kteis 47

Kuchler 57, 59, 60
Kulke, Eduard 95
Kultgeräte 37
Kultur, chinesische 8
Kulturmenschen 106
Kulturvölker 94
Kunado 26
Kuppler 104
Kureten 20.

Lackmalerei 133
Landvolk 24
Lane 149
Laster 94

Lauf er, Dr. Berthold 124
Leben, langes 42
Lebenursprung 38
Lebenwurzel 37
lecken, die Scham 117
legitime Frau 62
Lehrlinge der Schauspieler 79
Leichenschändung 97
leichter Gebärzauber 37
Liebelehrbucher 122 ff.
Liebezauber 24, 26
linga 48, linga-yoni-Kult 50
Liturgie, offizielle 24

Longford 62
Luedecke, Hugo E 128
Luftverehrung 20
lunat 106
Lukianos 141
Lusthäuser 68
Lustration 56
Luther, Martin 3

Madagaskar 106
Madonna dei mascoli 101
Mädchenhäuser 68
Männerbordelle 103
männliche Hysterie 58
männliche Prostitution 67
Malayen 93
Mandragora 37
mannweibliche Götter 20
Manyefushifu 41
Marine 85
Mariolatry 48
Martin, Alfred, 12
Maeochist 97
Mason, W. В. ЗО
Maseeba 48
Matriarchat 72
Matsuri 113
Matsutake 113
Matsuyama, Prof. 48
me 18
Mekake 61
Mekko San 30
Mexiko 62

Mikado 38, 61, M/s Frauen 19
Milford 11
Minakshi 48
Mirabeau 115
Mischvolk 7

Mitama 26, M. Matsuri 26
Mithras-Mitra 19
Mitrovio, Dr. Alexander 73
miya 29, 59
Mönche 78
Moll, Dr. 86
Monopolehe 61, 121
Moralgesetz 55


157 —

Mordgier 93
Muschel 41, 60
Musik 40
Musiker 104
Musmis neeans 81
Musubi 26

Mutterrecht 19, 67, 71 f.
Myaae Sadao 32
Mythenerzeuger 19

Nacktheit 10, 12, 127
nadobudna mladez 103
Näcke, Dr. P. 28, 102
Naevus, Trajan 102
nakodo 59

Namengebung durch die Mutter 19
Namen der Schamteile 30
Namenwechsel des Mannes beim Ein-
heiraten 59
Nan-so-K' 78, 80
Naturforscher 15
Naturkult 42
Naturmensch 67
Naturmythen 43
Naturspiele 32
Naturvölker 93, 105
Nebenfrauen 61
negerartige Völker 93
Negerinnen 116
Nihongi 19
Ninigi no Mikoto 38
Ninjin 36
Nomaden 104

norddalmatische Zeitehen 73
Norito 24
Notfall 25
Notzucht 63
Nure-butsu 39

Obelisk-Zumpt 34
Obezoen 4

öffentliche Meinung 9
örtliche Gottheiten 18
Oho-yama-tsu-mi-no-kami 31
Oiran 69
Okko San 30

Onanie 96, 113
Onogoro 42, 44
Onokorojima 33
Opfer 39, 50, 60
Orgasmus 96
Orient 104
Otafuku 35

Päderastie 78, 81 ff.

Pander, Eugen 123

Pantoffel 35

Papierfahnen 30, 40

Papiermaché-Zumpte 114

Papierstreifen 23

passive Päderastie 100

Pathici 106

Pelagius Alvarus 101

persische Religion 19

Personifikationen abstrakter Eigen-
schaften 18

Personifizierung des Geschlecht-
triebes 23

Personifikationen wollüstiger Lebens-
kraft 22

Personifikation des Zumptes 34

Peru 61, 98

Perversionen 67

Pestgötter 25

Phallische Festlichkeiten 39
Phallischer Glaube 46 f.
Phallische Insel 44
Phalloktenismus 47
Phalliziemus im Kojiki 42
Phalluedienst in Asien 123
Pfeiler, himmlischer 22, 45
Pferd 36, Pferd auf Votiytäfelchen 49
Pfirsich, Sinnbild der Voze 25, 36, 40
piccola borgesia 101
Pilz-Zumpt 34
Placenta-Insel 33

Ploss-Bartels 11, 17, 27, 28. 57, 63,

70, 114, 123, 124
Polzeiaufsicht 69
Polyandrie 68
Polygamie 61
Polygynie 62


158 —

Pornographen 4

Post, Alb. Herm. 72, 141

Praetorium Numa 95, 102, 103, 104,

105, 127
Priap 34

Priester in Frauenkleidern 19
primitiver Kult 20
Prinzip der Schöpfung 17
Prophezeihung 41
Prostitution und Ehe 58
Prostitution 67 ff.
Prozessionen 40
Ptha 19
puer eanctus 98
Pygismue 96

Quarantänsystem 68
Quarzvoze 35
Quedenfeldt, M. 106
Quetzalcotl 48

Raitsui 44

Rajendralale Mitra 122
Bano Seki miya 29
Baubehe 46
Reformer 29
Regensturmgott 21
Regenwolke 49
Reigentanz 73
Rein, J. J. 10, 61
Reinigung, große 55
Reis, Symbol der Yoze 26
Reisabsud 37
Reiflbiertrunk 71
Reiseschrifteteller 99
Reiskel, Karl 139
Reizkugeln 114
Reizmittel 67
religiöse Vorstellungen 15
Religion und Beischlaf 55
Religion und Moral 55
Rhys, Davide, T. W. 49
Ringe ans Bambuegras 36, 49
Ringelblumenaufguß 50
Ringzeichen 48

rings um einen Pfeiler laufen 46

Rin-no-tama 114

Ritter 78

Bitterlichkeit 83

Rituale 41 f.

Rivetue, Andreas 101

Römer, Dr. L. S. А. M. von, 17, 18,

22, 92, 126
rosa gefleckter Zumpt 34
Roscher, Wilhelm 67
rote Farbe des Zumptes 22, 25
rote Farbe 41
Rowlandeon, Thomas 128
Ruling, Anna 108
Rupfertum 77
Rußland 11, 12

Sadist 97
Sämel 106
Sahe-no-kami 24
Sakalaven 106
Sake nomi ishi 32
Saketrank 60
Saktas 48

Salzwasser verwandelt sich zu einer

Insel 42
Samenhilfetempel 37
Samenentleerung, unwillkûhrliche 58
Samurai 38, 61
Samuraigeist 85
San-san-ku-do 71
Saiimbary 106
Saruta hiko 25, 29, 38
Satow, M. 36, 42
Satzumarebellion 83
Schamanismus, mongolischer 50
Schamhaftigkeit 10
Schamlosigkeit 82
Schamteile, Entblößung der 25
Schauspieler 40, 79
Schechina 26

Schedel, Josef 12, 51, 113, 114
Scheidebrief 63
Scheidunggründe 62
Schemata 134
Scheube, B. 82
Schiefervoze 35


— 169 —

Schiller, Friedrich 136 f.
Sime-naha 23, 34
Śintai 24

Śintofeetlichkeit 39 f.
Śinzo 71
Siva 17, 48

Schmidt, Bich. 122, 129
Schöpfangzeichen 17
Schognne 68
Schopenhauer 99
Schriftstellerinnen 109
Schûlerfreundschaften 86
Schuppen als Tempel 30
Schurken 25

Schutzgötter der Gehurtorte 24
Schwägerin 62
Schwalbe 43
Schwarz 41
schwarze Zähne 57
Schwatzhaftigkeit 63
Schwester, Geschlechtverkehr mit der
leiblichen 57

Seebegegnung 59
Seebäder 10
Seegras 60
Seegrasabsud 37
Seelenkult 21

Seele, Unsterblichkeit der 21

Seeohrmuschelvoze 36

Secotra 106

sechste des Monats 25

Seibetzeugung 38

Selenka, Emil und Leonore 8, 11

Seidlitz ¥. v. 132

Serben 20

serbische Homosexuelle 103
Siebenzahl 62

Siebold, Ph. Freiherr v, 6, 9, 18,
60, 63

Siechtum 24
Simadai 60
Sittlichkeit 3
Sodomie 55, 97, 102
Soldatenstand 84
Sonnengottheit 33, 77
Skandinavier 100

Skrzyncki, Adolf 143
Skythen 100

Speer, juwelenbesetzter 42
Spielzeug-Zumpt 34
Stadt ohne Nacht 109
Stammbaum in weiblicher Linie 19
Standbilder von Yozen und Zumpten 25
Starcke, 0. N. 72
stehlen, eine Haarnadel 114
Steinaltar 29
Steindenkmäler 38
Steinphalli 22
Steinzeitûberreste 44
Stern, Bernhard 11
Stiftbütten 25, 29
Stock in den Weg stellen 41
Störung des landwirtschaftlichen Be-
triebes 55
Störungen des Brautpaares 46
Stössel, Sinnbild des Zumptes 25
Strafe für Ehebrecherin 63
Strafen für Blutschande 62
Strafgesetz, deutsches 89
Strafgesetzbuch, japanisches 84
Stratz, Dr. O. H. 128
Strick, geheiligter 34, 35
Stundenehe 72
Studenten 79, 99
Südslavin 23
Suinin 19
Sundaresvara 48

Symbol des glücklichen Alters 60
Symbole, phallische 33
Symbolismus 40
Syewo-Jwaya 78
Syphilis 69

Tabu 57

Tag- und Nachtehe 72
Tahiti 105
Taihoryo 62

Takami-musubi-o-kami 48
Talismane 37
Tante, väterliche 62
Tänze 40 f.
Tänzerinnen 55


— 160 —

Teehäuser 69
Tempeln 25, 29
Terracotta-Zumpt 34
Thiele, Abgeordneter 4
Tiger 36
Timarchoe 100
Tod 21, 24
Todstrafe 58
Torii 31
Toyo 128
To-ynki 23
Tositoka 60

Tracht, weibliche der Sintopriester 19

Trauung 60

Triangel 17

Trithemius 101

Tsuji-ura 26, 41

Tugend, moderne 67

Twaya, 82, siehe Suyewo

Tylor 39

Ujigami 24

Uled 106

Umzäunung 29

Unfruchtbare 31, 37

Ungehorsam gegen d. Schwiegereltern 63

Unglück 114

unheilige Ehe 71

Unsittlichkeit der Japaner 12

Unsterblichkeit der Seele 21

Unterwelt 24

Unzucht 47, 67. Unzucht in assy-
rischen Tempeln 20
Unzuchtigkeitverbrechen 79
Uranier 57
Uraniemus 12, 77 ff
Urninde-Okoma 80
Urninden 57
Urmensch 47

Ursprung d. Weiblichkeit u. Mannheit 17
Urzeugung 44

Urzeugungsage, arisch-indische 17
Utamare 126

Variationsbedürfnis 97
vatreni mladiói 103

Vaterrecht 72
vaterrechtliche Familie 19
Venedig 101
Venus 20

Verbot der Berührung eines Weibes 58
verführte Braut 83
Verhüllung des Kopfes 127
verkaufte Töchter 68
Vermählungzeremonie 60
Verwandtschaft 57
Verwundung des Nebenmenschen 55
vice, le, allemand 102
Vinci, Leonardo da, 81
Vielliebchen 126
Vielstraßenherr 24
Vielweiberei 62

vier Endeeiten der Hauptstadt 25
Vierundzwanzigstundenehe 71
virile Männer und Frauen 98
Viechnu 17

Vitium contra naturam 101
Vogelweide, Walther v. d. 138
Völkergedanken 99
Vorelternehrung 60
Vormünder 59
Votivgaben 49
Votivgegenstände 30
Voze, personifiziert 23
Vozen, aus Schiefer, Quarz, Seeohr-
muscheln usw. 35 ff.
Vozenkult 22, 47

Wachstumgott 26

Wagen 40

Waisetzai 79

Walddickicht 24

Waldfrauen 25

Waldgeister 24

Wallace, Alfred Bussel 57

Wallfahrer 31

Wanderer 26

Wasser 17

Waesergöttin 18

weibliche Linie 19

weibliche Bollen 79

weibliche Tracht der Sintopriester 19


— 161 —

Weiblingtum 105
Wege beginnender Gott 36
Wegschutzgötter 24
Weg der Wahrsagung 41
Wegursprung 38

Weihegeechenke 49, für Entbindung 35
Wein zur Begießung von Zumpt und

Voze 49
wein trinkende Steine 32
weiße Farbe 60
weiße Menschen 41
weiße Muschel 41
weißes Pferd 50
Welcker 101
Weltei 19
Wernich, A. 58, 61
Westermarck 57, 60
westlicher Einfluß 83
Wetter 17

Wiedemann, Dr. A. 131, 149
Wiederverheiratung 62
wilde Ehe der Götter 19
Williame Monier 48, 50
Wind 17
Wissenschaft 3

wissenechaftL-humanit. Komitee 78
Wo 18

Wo-baschira 22
Wollustlaster 9
Wolluststeigerungen 67
Wortspiele 41
Wurzel des Lebens 26

Yachimata hiko-hime 29
Yakuwin 69

Yang und Yen 17, 18, 27, 28, 48

Yaro 77

Yengishiki 41

Yokuschin 25

Yomi 21, 24

Yoni 48

Yoseki 48

Yoshieuki Horitoyo 128
Yoshiwara 68 ff.
Jonjowa 68

Zähne, schwarz färben 57
Zanzibar 116
Zauberei 55
Zaubermittel 37
Zeitehe 61, 71
Zeitweib 71

Zeugen der Trauung 60
Zeugungbett 43

Zeugung hilft gegen Krankheit und

Tod 25
Zufall in der Liebe 94
Zugangbogen der Stifthütten 25
Zukunfterkundung 26
Zumpt als Amulet 34
Zumptkult 22
Zumpt, personifiziert 23
Zwei Konkubinen 61
Zweimalige große Reinigung 55
Zwangehe 61
Zwillinggottheiten 31
Zwischenstufen, sexuelle 92 f.
Zwölf Konkubinen 61
Zwölfte des Monats 25



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Tafel II a)

Phallusschrein in der Nähe der Regierungswerfte

von Yokosuka.

Nach einer Aufnahme von Josef Schedel.

Tafel II b)

Weiblicher Geschlechtteil; Naturspiel aus Stein, vor einer Stifthütte

Nach einer Aufnahme von Josef Schedel.



Tafel III

Zu Seite 141. Ansicht der Karlkirche in Wien. — Originalaufnahme des K. K. Hofphotographen

Charles Skolik in Wien.



Tafel IV

Seite 33 ff. Naturgebilde, die man als weibliche und männliche Geschlechtteile
ansieht und auf Altären in Stifthütten aufgestellt hatte.

Tafel IX

Zu Seite 114 f. Zumpte aus einer Zelluloidartigen Masse zur
Selbstbefriedigung. Ein Drittel der natürlichen Größe.



Tafel V a)

Seite 49 f. Acht bronzene Zumpte aus Tokio als Votivgaben auf Altären in Stifthütten.

Tafel V b)

Zu Seite 49. Hölzerne Zumpte als Votivgaben auf Altären in Stifthütten.



Zu Seite 69. Eine Oiran, Stundenehefrau, in Tokio, in vollem Staat auf Männerfang
ausgehend. — Nach dem Bilde eines japanischen Malers aus dem Jahre 1903.



Tafel VII

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Zu Seite 113 f. Zumpt aus Papiermache. Marktware. Innen hohl.

Ein Sechstel der natürlichen Größe.



Tafel VIII

Zu Seite 113 f. Zumpt aus Papiermache. Marktware. Innen hohl. Ein

Viertel der natürlichen Größe.



Tafel X

Zu Seite 114. Ein massiver Zumpt aus rotem Siegel wachs, für Frauen zur
Selbstbefriedigung. Um ein Drittel im Bild verkleinert.



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Tafel XIV

Zu Seite 115 f. Aus Horn angefertigte Zumpte zur Selbstbefriedigung der Frauen.

In natürlicher Größe.

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Tafel XVII

Zu Seite 126. Ein Frühlingbild auf einem Chrysanthemumblatte; für das Volk.



Tafel XVIII

Zu Seite 126. Ein Frühlingbild anf einem Chrysanthemumblatte; für das Volk.





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Tafel XXI

Zu Seite 126. Vielliebchen: Ein Holztäschchen mit inkrustierter, feinster Arbeit.

Vorder- und Hinteransicht bei aufgezogenem Deckel.

Zu Seite 126. Vielliebchen für eine Witwe. Die Frau hält eine Schachtel vor sich, aus der
ein Zumpt hervorspringt, wenn man den Deckel wegzieht. Anspielung auf den alten
Brauch, wonach Witwen das Glied ihres verewigten Gatten einbalsamiert aufbewahren.



Tafel XXII

Die Hochzeitreise 1. Titelblatt.
Ein Buch mit 13 Bildern auf 26 Seiten.


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Tafel XXXVI

Die Vögel 1.

Ein Buch von vierundzwanzig^Blättern.

Tafel XXXVII

Die Vögel 2



Tafel XXXVIII

Die Vögel з.

Tafel XXXIX

Die Vögel 4.



Tafel XL

Die Vögel 5.

Tafel XLI

Die Vögel 6.



Tafel XLII

Die Vögel 7.

Tafel XLIII

Die Vögel 8.



Tafel XLIV

Die Vögel 9.

Tafel XLV

Die Vögel 10.



Tafel XLVI

Die Vögel 11.

Tafel XLVII

Die Vögel 12.



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Tafel XLIX

Freude des Mannes, daß er von seiner Frau losgekommen







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Tafel LIII

Eine Prfifang



Tafel LIV




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Tafel LXX



Tafel LXXII

Eine Gespenstergeschichte.

Tafel LXXIII

Eine Gespenstergeschichte.



Tafel LXXIV

Tafel LXXV

Eine Gespenstergeschichte.



Tafel LXXVI

Eine Gespenstergeschichte.

Tafel LXXVII

Eine Gespenstergeschichte.



Tafel LXXVIII

Eine Gespenstergeschichte.

Tafel LXXIX

Eine Gespenstergeschichte



Tafel LXXX

Eine Gespenstergeschichte.


 

 

 

 


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