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ßisforisdie Quellenschriften ss

zum Studium der flnfhropophyfeia.

Unter Mitwirkung

von

Ethnologeii9 Folkloristen and Naturforschern

herausgegeben

von

D& FRIEDRICH S. KRAUSS.

Band IV.

H Deutsche Schwankerzflhler §3
des XV. bis XVII. Sahrhunderfs.

Adrian Wurmfeld uon Orsoy,

flugUSf COnger und Verschiedene

herausgegeben топ

KARL AM RAIN.

Leipzig

Deutsche Verlaflsaktfengesellschaft

1907.


Privatdruck.

Nur für Gelehrte bestimmt.


Inhaltsverzeichnis.

Seite

Der verkehrte, doch wiederbekehrte Soldat Adrian Wurmfeld

von Orsoy................ 1

August Tanger

1. Angeführt .................. 47

2....................... 48

3. Ein Lebenswecker................ 48

4. Wann beten wir wieder.............. 48

5. Einfaltpinsel.................. 49

6. Der Verliebte . ................ 49

7. Vergriffen................... 60

8. Umsonst................... 50

9....................... 61

10....................... 61

11....................... 51

Der Graf mit dem Schwanz............ 53

1655. Aas dem Waldenser Krieg .......... 53

» , ■ ■ І І І Щ

1. Die kranke Kortisana .............. 56

2. So ist vielen geholfen.............. 56

3. Zwei Eier and mehr............... 57

4. Sie müssen Haare lassen............. 58

5. Von des Pfaffen Ziege.............. 58

в. Er kommt noch................ 59

7. Elefantenlaase................. 60

8. Elefanteneier.................. 60

9. Auf den Esel gesetzt............... 61

10. Propter reverentiam............... 64

11. Freundin steh auf................ 66

12. Vergiß mein nicht................ 66

13. Vom Goldschmied and seines M&gd.......... 67

14. Ein schön kartzweflig Geschichte ........... 69

15. Aagen im Hintern................ 69


(Й IV Же

Seite

16. Erkennungszeichen................ 70

17. Nicht weiter.................. 70

18. Für Hämorrhoiden................ 71

19. Von Notzwang nnd Ehebücher und Blutschande..... 71

20. Gewitzigt................... 72

21. Ein hübscher Spruch............... 73

22. Köstliche Frage................. 73

23. Er weiß Bescheid................ 73

24. Der Schuh drückt................ 73

25. Der zerschlagene Topf.............. 73

26. Dio schamhaften Weiber.............. 74

27. Drei Mönche.................. 74

28. Auf oder in der Milch.............. 74

29. Die bestrafte Witfrau............... 75

30. Kein weiblich Glied auf dem Helm.......... 75

*


Der verkehrte, doch wiederbekehrte

Soldat

Adrian Wurmfeld

von Orsoy,

dessen gantzer Lebens-Lauff in allerhand lustig und
listigen Begebenheiten, bestehend vom Anfang des
Französischen Krieges biß auff das jüngst-gehaltene
Treffen mit den Kayserlich, und Alliierten, kürtzlich
entworffen. und defi Frantzöslschen Feld-Marschalls

Tourenne Castrum Doloris

und gehaltener Lelch-Prozefi fürgestellt wird.

Alles

Aufis treulichste auß dem Holländischen in unsere
Hoch-Deutsche Mutter-Sprach übersetzet, und der
neubegierigen Welt zur Zeit-Verkurtzung mitgeteilet

durch

Crispinum Bonifacium

von Düsseldorp.
Gedruckt im Jahre 1675.

Karl A m rain. Deutsche Schwankerzahler. IV.

1



Vorbemerkung.

Mit den nachfolgenden Blättern wird in zeitgemäßer Form
der weiteren Öffentlichkeit eine überaus seltsame und, fügen
wir hinzu, äußerst seltene kleine Schrift ans dem Jahre 1676
unterbreitet.

Dieses den Kulturhistoriker in erster Linie besonders inter-
essierende Werkchen bietet Abenteuer eines Studenten aus
Orsoy, der in Utrecht studierte, dann aber von den Franzosen
zum Kriegsdienst gepreßt wurde.

In anschaulichster Weise werden uns Bilder aus dem Sitten-
leben jener Zeit vorgeführt. Fesselnde Szenen zeigt das Heer-
wesen unter Turenne.

Phantastische Visionen sonderlicher Art beschließen diese
merkwürdigen Aufzeichnungen. Der Teufelsglaube feiert in
diesem Traumbild einen großen Triumph, denn wir werden mit
einer ganzen Reihe von Fürsten, Herzogen und Grafen, die
im Bei che Lucifers dienen, bekannt.

Friedensfreunde dürften an der scharfen Schilderung der
Kriegsgreuel ihre aufrichtige Freude haben.

Aus vielen Stellen ergibt sich, daß der dem französischen
König — dem Hahnenkönig — wie der ganzen französischen
Nation wenig wohlgesinnte Verfasser ein holländischer Katho-
lik, wahrscheinlich sogar ein Priester war.

Die phantasievolle Traumerscheinung knüpft unmittelbar
an den Tod des französischen Feldherrn Turenne an. Turenne
fiel am 27. Juli 1675 bei SasbacK, einem etwa zwischen
Straßburg und Baden-Baden gelegenen Orte im Großherzogtum
Baden.

1*


Geneigter Leser!

Laß dir gegenwartige Schlifft nicht ärgerlich noch leicht-
fertig vorkommen, dann sie von dem allerliederlichsten Volck
der Franzosen, so jemahls die Sonne beschienen, redet, und kan
bald ohne Aergerniß nichts von ihren Thaten geredet noch
beschrieben werden. Ich habe den verführten Adrian nicht
anders vorstellen können, als er in ihrer Kriegs-Schule abge-
richtet worden. Unterdessen versehe ich mich dessen von dir,
daß den Beinen alles reine sey, und bleibe dir in anderwerte
zu dienen verhafft. C. B.


Adrian Wurmfeld von ehrlichen und wohlhabenden Eltern
zu Orsoy geboren, hielt sich studierenshalber zu Utrecht auf
als durch Gottes unbegreifliches Verhängnis diese berühmte
Stadt geblendet zum unwiederbringlichen Schaden den Prinzen
von Oranien mit seiner Soldatesca nicht einnehmen, noch wegen
Niederreißung ein und des anderen Gebäudes in der Vorstadt
sich befestigen lassen wollte. Viel lieber bat Utrecht ihren
und aller vereinigten Provinzen geschworenen und abgesagten
Todfeind durch Abgeordnete zu sich und unterwarf sich dem-
selben.

Was für Unordnung, Tyrannei, Mord, Raub, Brand, un-
erschöpfliche Geldauspressung, Tribulierung, unerhörte grau-
same Marter der Leute und schändliche Nieder'legung der herr-
lichsten Gebäude in der ganzen Provinz von den Franzosen er-
folgte, wird, solange die Welt steht, nicht in Vergessenheit
geraten.

In solch bejammernswertem Zustand wußte unser Adrian
nicht allein wie ferner zu studieren, zumal kein elender Tier
auf der Welt ist als ein armer Student, sondern war gar ge-
zwungen, weil von Hause keine Geldmittel abgesandt werden
konnten, bei einem Kapitän von den Schweizern Kriegsdienste
zu nehmen. Hier blieb er, bis ihn wegen seiner annehmlichen
Gestalt, Höflichkeit und Treue ein Rittmeister der Luxem-
burgischen Truppen von dem Schweizer-Hauptmann erbat. Als
vertraute Kriegskameraden kam der Hauptmann dem Wunsche
seines Freundes nach. Jetzt begann eine ganz andere Zeit für
Adrian, denn der Schweizer war fromm und aufrichtig, fiel
den Quartierleuten auch mit tribulieren und anderen Gewalt-
taten nicht beschwerlich. Der Franzose hingegen war streng,
hitzig, fluchte und sprach, wenn er nicht soff oder Schandlieder
sang, so abscheuliche Gotteslästerungen aus, besonders wenn


баї 6 JKd

ihm beim Spiel das Glück nicht wollte, daß man sich wundern
mußte, wie ihm durch Gottes rechtmäßige Bache nicht die
Zunge gelähmt, schwarz geworden und aus dem französischen
Bachen herausgefault ist.

Die Bedienten hatten es gut bei ihm, falls sie brav fluchten,
sauften, hurten, logen, betrogen, den Leuten alle ersinnlichen
Spotte und Schandtaten antaten. Wer dabei die größten
Schelmenstücke ausführte, stand gut angeschrieben und bekam
eine Belohnung.

Nach dem bekannten Spruch: „Bei den Frommen ist man
fromm, bei den Verkehrten verkehrt" kam auch unser wohl-
erzogener sittsamer Adrian bei solchem lasterbesudelten Völk-
chen vom Wege der Tugend ab. Anfangs bedurfte es zwar
scharfer Worte, Prügel u. dergl. um den jungen Menschen ge-
fügig zu machen, allmählich kamen alle französischen Sünden
und Laster in sein weiches Gemüt und bald gab er in Buben-
stücken keinen geborenen Franzosen etwas nach.

Es verstand sich auf verschiedene Instrumente, wodurch er
sich bei seinem Herrn und dessen Saufbrüdern als auch bei den
Frauenzimmern höchst beliebt machte. Er sang und tanzte
vorzüglich, darum veranstaltete er auf Begehren seines Herrn
verschiedentlich nackte Balletts und Lustspiele zwischen Manns-
und Weibspersonen. Einmal hatte er nach vollendetem Bankett
eine Vorstellung folgender Art zu veranstalten.

Diana kam mit sechs Nymphen in sarmatischer Kleidung
mit Bogen und Köchern hervorgetanzt. Während des Tanzes
nahmen die Nymphen das Jägergerät von Diana, hängten es an
die um einen Wasserteich stehenden Bäume, entkleideten die
Göttin und sich selber völlig nackt und sprangen nach aller-
hand Stellungen, Umarmungen, Beigenschlingen und Abwechse-
lungen in das Wasser, um zu baden. Dabei sang man :

Wir haben uns sattsam mit Jagen ergetzt,

Viel Wildbret mit Hunden ins Netze gehetzt,

Ihr Fhyale, Hyale kommet herbei

Und machet ein liebliches Jägergeschrei!

Hoy ! lasset das klare Hif t hallen und schallen

Und lassets durch Wälder und Felder hin fallen.

Seyd lustig und windet im löblichen Tanz,

Von Zweigen der Eichen den siegenden Kranz.

Denn lasset uns baden mit Schwanen und Nymphen,

Die hier sich befinden in schilfigen Sümpfen.


Й 7 Ж9

Gleich darauf kam Action in Jägertracht mit sechs großen
englischen Hunden hereingetanzt. Als er sich im Tanze der
Diana im Bade mit verliebter Miene nahte, erhob sich großes
Klatschen und Platschen der im Wasser tanzenden Nymphen,
die sich gleichsam in zierlicher Unordnung versteckten und ihre
Göttin deckten. Darüber bekam Actäon plötzlich einen Hirsch-
kopf, nun zerrissen ihm die Hunde das Kleid und den Hirsch-
kopf, so daß er splitternackt da stand und hernach begannen
sich die Hunde gegenseitig die Haut vom Leibe und die Larven
vom Kopfe zu reißen, so daß sich die englischen Doggen in
nackte Cavaliers verwandelten. In vollem Tanz und mit einem
Sprung eilten sie zu Diana und den Nymphen in das Wasser
und genossen beim Schall der Musik untereinnader vermischt
das höchstangenehme Bad und andere fleischliche Üppigkeit
nach genüge. Vergeblich wird man solche eigentümliche und
zierlichen Metamorphosen bei dem berühmten Veränderungs-
Schreiber Ovid suchen. Das dabei abgesungene Lied lautete:

Zuvor bin ich gewest ein edel freier Jäger,
Durch Vorwitz bin ich nun ein armer Hörnerträger.
Ich dacht, es schade nicht, wann man was nackichts seh,
Und nun ich das getan, ich so beschimpfet steh.
Wo flieh ich Armer hin, daß ich nicht werd zerrissen
Von meiner Hundeschar? Ich werde sein geflissen,

Mich zu verstecken hin zu dir in deine Höhl
Diana, denn dort fließt mit deiner Sanftmut-Öl!

Einstmals lag die alleranmutigste Venus auf einem mit
Gold und Purpur durchwirkten Zeltbette ganz entblößt. Zu
Füßen lag ihr kleiner Sohn in gleicher Entzückung. Um die
anscheinend schlafende Göttin waren teils auf der Erde liegende,
teils Kränze windende, teils zu einem Spinet und Lautenspiel
höchst anmutig singende nackte Nymphen gruppiert. Der Ge-
sang lautete:

I.

Die Venus liegt mit ihrem kleinen Sohn
Sanft eingeschläft von unserm süßen Ton.

Sie läßt die Marmor Ballen

Bald auf, bald nieder fallen,

Und haucht aus ihrer Brust

Den Ambra süßer Lust.


6їЧ 8 Jfcs)

П.

Man siehet ja als wie durch Zindel

Ganz lieb entzückt die rot korallne Furch,

Die zu der Wollust führet,

Der Männer Herzen rühret

Und machet, daß sie sein

Erstarret wie ein Stein.

Ш.

Die Schwanen Haut glänzt wie der Alabast
Wohl dem, der auf ihn hat die süße Bast.

Er muß vor Lieb zerfließen

Und sich in sie verschließen,

Bis daß er Geisterlos

Fällt aus dem Liebes-Schoß.

IV.

Der tapfre Mars — —---

Grad als sie das vierte Gesetz anfangen wollten, kam eine
Schar von Satyren unter die Nymphen gesprungen. Einer
nahm hier eine beim Kopf, der andere beim Bein, der dritte
in der Mitte, der vierte sprang gar zu der erwachten und
schreienden Venus auf das Bett und fühlte an ihr herum usf.,
daß aus dem lieblichen Musikklang bald ein seltsam kitzlig
Gekiecher und Gelächter entstand. Den Cupido erhaschte einer
beim Krauskopf und setzte ihn zwischen seine Hörner. Singend
tanzte er dann mit ihm durch die Stube um den Tisch herum,
auf welchem Wein, Bier und herrliches Konfekt genugsam
stand, auch soff er auf seine Brüder, welche in vollem Leibes
Kampf begriffen waren. Diesen und ähnliche Händel trieben
sie bis zum lichten Morgen.

Das war ein herrliches Soldatenleben für Monsieur Adrian.
Die Gewohnheit schlich so sanft bei ihm ein, daß es ihm ganz
leicht fiel, alle Tage was neues für seinen Herrn und dessen
Gäste zu erfinden. Sie aufzuzeichnen wäre ärgerlich und ist
auch nicht unsere Absicht, wir melden nur, daß solches herr-
liche lustige obgleich sündige und die Seele verderbende Leben
solange dauerte als man in Utrecht zu Quartier lag.

Nach unumgänglich nötiger Evaluation dieses Ortes kam
man nach Charleroy. Hier befiel den Rittmeister wegen seines
unordentlichen Lebens eine abscheuliche, stinkende und giftige


И 9 JK?)

Krankheit so, daß ihm Mund, Nase, anderer Sachen zu ge-
schweigen, abgefault sind und er lebendig den Würmern eine
Speise wurde.

Als Nachfolger des Bittmeisters wurde nun nicht dessen
Leutnant genommen. Laut Aussage des Generals hatte der
Leutnant nämlich keine rechtschaffene Soldatentugenden an
sich, weil er Abscheu vor dem grausamen Leben empfand und
sich deswegen Öftere beklagt hatte. Ein junger Frauenzimmer-
knecht, der brav huren, fressen, saufen und Leute plagen konnte,
wurde ihm vorgezogen und so mußte ein alter, tapferer kriegs-
erfahrener Edelmann nachstehen.

In Charleroy ging es aus einem ganz anderen Fasse als in
Utrecht. Wie glücklich wäre man gewesen, hätte man jetzt
Wein, Bier, Brot, Fleisch und andere Viktualien gehabt, die
man vordem öfters auf die Erde hatte laufen lassen, die man
mit Füßen getreten, den Hunden vorgeworfen oder sonst un-
gebührlich verwendet hatte!

Hier gab's oft für Menschen und Vieh nichts zu beißen,
der größte Reichtum bestand im Mangel aller Sachen.

Die Convoy samt dem Proviant wurde etlichemal von den
Spaniern weggenommen und so sah es sehr maulhenkolisch aus..
Als junger Mensch stellte Adrian keine langen Betrachtungen
an, so sehr war er in dem üppigen gewissenlosen Kriegswesen
ersoffen. Anstatt an Gott zu denken, den wunderbarlichen
Wechsel seines Lebens zu beherzigen, in sich zu gehen, wie
weit er in das Verderben geraten, schlug er alles in den Wind
und verbannte mit Gewalt, nicht ohne verbitterte Widerwärtig-
keit, alle wehmütigen Gedanken aus dem Sinn. Er nahm seine
blecherne Tobakbüchse zur Hand, füllte sich ein schwarzver-
rauchtes Tabakpfeifchen ein und sang, als er die Wache hatte:

I.

Hab ich schon jetzund nichts, dann dieses dürre Kraut
Ist doch kein Traurigkeit in meiner frischen Haut.
Ich wach* auf meiner Post und will erwarten,
Wie es das Glück wird mit mir noch karten.

П.

Vielleicht kömmt es noch heut und trifft mir blindlings ein,
Daß ich bey Jungfern sitz, hab Bier und kühlen Wein.
Darauf schmauch ich jetzund eins und hoff aufs beste,
Das ander von der Lust bleibt mir im Reste.


GH 10 JK3>

ш.

Gibte irgend gar Alarm und bricht der Feind herein,
So will ich seiner hier beherzt gewärtig sein.
Ich geh' ihm ins Gesicht, biet ihm die Spitzen
Und sollt ich bleiben gleich im Grase sitzen.

IV.

Ich sterbe nur einmal und dieses gar gewiß,
Und was ist wohl der Tod? Ein saurer Apfelbiß
Der grimmet nur das Maul und poppert hinten,
Ein Tapfrer förcht sich nicht für solchen Flinten.

V.

Wer so beherzt wie ich, den schrecket niemand nicht,
Er tritt für jedermann freimütig ins Gesicht.
Es gehe gut und bös, so will ich's nehmen
Und mich in Freud und Leid für nichts nicht schämen.

Kaum hatte er dies ausgesungen und seine Pfeife ange-
steckt, da kam ein Korporal mit vier Heitern, forderte ihn auf,
die Wache zu verlassen, sofort in das Quartier sich zu begeben
und sein Pferd nach besten Kräften zu füttern. Nach Mitter-
nacht wolle das ganze luxemburgische Regiment aufbrechen.
Es gehe gegen den Rheinstrom und man werde sich mit Turenne
vereinigen. Wegen Mangel an Four age könne man in Charleroy
nicht länger liegen bleiben, auch sei Turenne nicht „bastand"
genug, um der heran nahenden Reichsmacht gehörigen Wider-
stand zu leisten.

Niemand war froher als Monsieur Wurmfeld. Er wußte
wohl, daß es auf dem Marsch besser sei als im jetzigen Quartier,
auch daß es im Reich bessere Provision für seinen Kragen gäbe,
wenn gleich das Reich von den Völkern auch schon ziemlich mit-
genommen worden sei. — Bäsch verfügte sich Adrian in das
Quartier, welches er im nahen Dorf inne hatte. Hier warf er
dem Bauer ein Stück von seinem Schilf und Strohdach ein,
schüttelte und säuberte das Schlimmste davon und legte den
guten Beet seinem dürrknochigen Boß vor, damit es sich die
Zähne schärfen konnte. Das grobe Schilf und Stroh diente als
Streu. Nun forderte der Magen aber nach all dieser Arbeit
auch sein Recht. Der arme Quartiergeber war ein mittelloser
Bauer, der den zwanzig Soldaten in seinem Hause nichts zum
beißen vorsetzen konnte. Das mußte der Ärmste entgelten, in-


11

dem die Soldaten Fenster, Türen, Ofen, Tisch und Bänke in
Stücke kreuz und klein zusammenschlugen und dazu dem
Bauer das Leder mit Prügel weidlich gerbten. Obwohl das Vieh
bereits geschlachtet und aufgezehrt war, sollte schließlich der
Mann noch Wildbret, Vögel, Fische, Krebse herbeischaffen!

Adrian sah ein, daß der Bauer selbst beim besten Willen
nichts hätte einkaufen und eicher heimbringen können, weil
die Armee dicht gedrängt beieinander lag und Hunger litt.
Behend besann sich Adrian auf einen Schelmenstreich, um im
Quartier seine Henkersmahlzeit ordentlich halten zu können.
Er eilte nach dem Kirchhof, woselbst der Pfaffe im Dorf seine
Residenz hatte.

~Wie er nun an das Tor kam, stand eine Schildwache da-
vor, auch fand er eine Salve guarde angeschlagen.

Natürlich wehrte die Schildwache unserem Adrian den Zu-
tritt, da er nichts am Orte zu suchen habe. Auf inständige
Bitten rief man indessen den Korporal, welcher mit vier Reitern
ale Salvaguardi dort lag, heraus. Wie der Korporal kam, bat
ihn Wurmfeld, man möge gestatten, daß er mit dem Pastor,
der mit ihm verwandt sei, etliche Worte austauschen dürfe.

Das ward bewilligt und der Korporal führte ihn selbst
zu dem Priester, bei welchem eben auch der Regimentsgeist-
liche war.

Monsieur Adrian langte in seinen lateinischen Schulsack
und leerte ihn wie folgt aus : Maxime Reverende, spectatissime,
clarissime, nec non omnium doctissime Domine Pastor, Maecenas
et Fautor literatorum aeterno honoris cultu prosequende." Diese
Anrede kitzelte den Pfaffen in der linken Fußsohle, so daß er
andächtig zuhörte und sich bei jedem Worte verneigte, als ob
er am Altare stehe.

Wurmfeld erzählte dann dem Geistlichen, er sei mit Ge-
walt von den Franzosen zum Soldatendienst gepreßt worden,
als er im Begriffe gewesen sei, nach Köln auf die Universität
zu reisen. Er stamme aus spanischem Gebiet, nämlich Flan-
dern; sein begonnenes Studium müsse er aussetzen und zum
größten Herzeleid seiner Eltern, die gar nicht wüßten, wo er
sei, werde er sein Leben in solch traurigen Verhältnissen be-
schließen müssen falls ihm nicht durch wunderbare Mittel ge-
holfen werde. Er bitte, weil lange Zeit der Monatssold aus-
geblieben sei, um ein Viaticum.

Als die Pfaffen ihn so fertig lateinisch reden Hörten und
seine wohlgeartete Höflichkeit und Person betrachteten, ge-


12 J£e>

wannen sie Mitleid, hießen ihn sitzen und tranken ihm zu.
— Weil man in des Pfaffen Studierstube saß, suchte Adrian
die Bibliothek ab und fand dabei ein schönes Besteck, das sil-
berne Löffel enthielt. Darauf deckte er seine Handschuhe, als
sie nachher miteinander in dem am Hause gelegenen Garten
spazierten, ergriff er die Handschuhe mit dem Besteck, hob es
auf und steckte es zu sich.

Im Garten wandelte man umher und besprach die Waffen-
siege des Königs von Frankreich über die Ketzer. Adrian er-
spähte dabei einen hübschen Fischhalter, und nahm sich außer-
dem die Lage des Gartens und des ganzen Hauses ad notam.

Nach erfolgtem Spaziergang behielt der Pfaffe Adrian bei
Tisch und erwies ihm als einem Gelehrten mehr Ehre als den
übrigen bei ihm liegenden Soldaten. Lustig soff er mit ihm bis
zum Anbruch der Nacht, dann drängte Adrian nach Hause zu
kommen mit der Entschuldigung, es sei Zeit sich zur Buhe zu
begeben, da er nach Mitternacht mit den Vortruppen zu mar-
schieren habe.

Der Pfaffe hatte Adrian wegen seiner Klage, dann auch
wegen seiner Trinkfestigkeit liebgewonnen, er führte ihn noch-
mals in die Studierstube, langte ein schwarzes Kästchen von
Ebenholz hinter dem Bücherschrank hervor und verehrte ihm
daraus einen Dukaten.

Adrian bedankte sich mit herzlichen Worten für diese
Liebenswürdigkeit und schied von dannen.

Kaum war er nach Hause gekommen, so erzählte er seinen
vertrautesten Kameraden, wie es ihm gegangen war und was
er vorhabe. „Liebe Brüder," meinte er, „die Pfaffen hier zu
Land haben einen guten Vorrat an Lebensmitteln und barem
Geld, denn sie verfügen über reiche Pfründe, flüchten auch nicht
alles so genau in die Städte, als wie die Bauern diese Schelme.
Die Pfaffen sitzen hier in der Königehand keineswegs so un-
sicher, denn sie sind von allen Einquartierungen befreit. —
Wollt ihr eines auf Galgen und Bad mitwagen, so können wir
uns nicht allein für den Marsch verproviantieren, sondern auch
den Beutel spicken! Die Salvaguardi liegt in dem Vorhaus
des Pfaffenhofes. Die wird wegen des bevorstehenden Marsches
und des gestrigen Valetsaufens so wohl im Wein und Bier be-
graben liegen als der Pfaff mit seiner Köchin. Nehmet nur
von dem Bauern hier eine Leiter mit, daß wir hinten über die
Mauer in den Garten und von da aus in das Hinterhaus, wo


й 13 жеі

der Pfaffe seine Studierstube und Gelegenheit hat, steigen
können/'

Dieser Plan fand allgemein solchen Anklang, daß man in
dunkler Nacht sich heimlich zu dem Garten verfügte. Dort
stellte man die Leiter an die Mauer, Adrian kletterte aufwärts
um als Wegweiser zu dienen. Von der Mauerhöhe ging's ab-
wärts, und er kam an den angeschlagenen Latten, woran die
Weinstöcke aufgebunden waren, glücklich hinab. Seine Kame-
raden folgten behende und zogen die Leiter nach sich herüber.

Sobald man in den Garten kam, eilten sie zu dem Fisch-
halter und ließen ihn ablaufen; unterdessen machten sich die
Verwegenen an das Fenster der Studierstube.

Adrian, der am Tage vorher das Fenster aufgemacht und
in bewußter Absicht hatte offen stehen lassen, erstieg dasselbe
mit ziemlicher Gefahr, denn die Leiter war um ein merklich
Stück zu kurz, so daß ihn der Popanz bald herunter ge-
schmissen hätte.

In der Studierstube zog er mit kurzen Griffen alles, was
ihm nützlich zu sein schien, an sich, darunter zwei schöne
Bosenkränze oder Paternoster mit kostbaren Steinen silberver-
goldeten Küglein und Kruzifixen, ferner das schwarze Kästchen
mit dem Geld und etliche silberne Löffel. Erst darnach öffnete
er die Stube fein sacht, schlich die Treppe hinunter, ohne in-
dessen den Schlüsselbund, welcher auf dem Tische lag, zu ver-
gessen.

Jetzt ließ er seine Kameraden durch die Gartentür zu sich
in das Haus. Einer zog Feuerzeug hervor, schlug Feuer und
zündete Licht an, mit dem sie nach dem Keller schlichen. Da
wurde weidlich einander zugetrunken, ein Faß mit Pökelfleisch
aufgeschlagen und die besten Stücke herausgenommen. Schinken
und Knackwürste mußten in großer Zahl daran glauben, um auf
dem Marsch als Proviant zu dienen.

Die Zeit drängte und darum eilten sie gar sehr, doch ehe
sie noch aus dem Keller gingen, schrieb Adrian an ein großes
Weinfaß.

Es ist doch wohl ein edel Ding um eines Pfaffen Kunst,
Dann alles was er frißt und sauft, das hat er ganz umsunst.

Drum laß er siehe doch nicht verdrießen,

Wann wir's ein bischen mitgenießen.

Als sie nun aufgesackt und eingepackt hatten, gingen sie
wieder aus dem Keller, ließen aber Tür und Tor offen stehen


Й 14 й

und machten, um kein Geräusch zu erwecken, nichts hinter sich
zu. Sobald sie wieder in den Garten kamen, liefen sie nach
dem Fischhalter, der inzwischen so ausgelaufen war, daß sie die
Fische mit den Händen langen konnten. Die größten und besten
lasen sie aus, langten auch eine Reuse voll Krebsen, die sie
ausleerten. Als Ersatz zogen die Einbrecher die Hosen ab und
setzten etwas anderes in die Reuse. Fein zierlich schlichen
sie alsdann mit ihrer Beute aus dem Garten, liefen nach Hause
und ließen sich Fische und Krebse zurichten.

So hielten sie ein gutes Valetschmäuschen und soffen eins
auf des Pfaffen gute Gesundheit, bis man um die bestimmte
Stunde zu Pferde blies.

Flugs machten sich die Tollen auf, fanden sich bei ihren
Standarten ein und hielten sich marschbereit.

Adrian, der von dem gewaltigen Trünke ziemlich erhitzt
war, stimmte das Marschlied an:

1.

#

Frisch auf I Frisch auf, Soldaten Blut!
Frisch auf! Erhebe deinen Mut!

Jetzt geht es in das freie Feld.
Daselbst vor deinem Feind zu stehn
und mannhaft auf ihn loszugehen,

Als wie ein tapfrer Kriegesheld!
Das Kriegesspiel klinget und bringet uns Lust,
Es wallet vom Knallen das Herz in der Brust.

Es flieget die siegende Fahn in der Luft,

Es springen die Pferd auf der Erden, das puftl
Tra, ra, ra, ra, ra!

2.

Es blinkt der Degen in der Faust,
Vor welchem unsern Feinden graust.

Es blenden sie schon die Carbiner.
In einem Huy ist es geschehen,
Wann wir nur Feuer lassen geh'n,

Daß sie verstieben wie die Hühner.
Drum fasset Courage und lasset nicht nach,
Bis daß er mit Schanden, mit Schaden, mit Schmach

Muß ziehen und fliehen und räumen das Feld,

Und lassen dahinden Sack, Pack, Geld und Zelt.
Tra, ra, ra, ra, ra!


Й 15 й

3.

Setz an! Setz an! du mein Kompan,
Beherzt auf diesem Tummelplan!

Ee wird und kann so lang nicht währen
So werden wir in diesem Krieg
Erhalten reiche Beut und Sieg,

Vergnügungevoll und voller Ehren.
Dann kaufen wir Güter der Bitter uns ein,
Und mästen die besten Kuh, Ochsen und Schwein.

Auf unser verliebte Verlobte darnach',

So endet und wendet sich all' unser Plag.
Tra, ra, ra, ra, ra!

4.

Dann legt sich Mars in Venus Schoß
Und geht auf sie liebscherzend los.

Doch läßt er sich von ihr bestreiten.
Ach! Das ist erst ein Wunder-Krieg,
Wer unten liegt, erhält den Sieg.

Ja, hier muß man zu fuße reiten.
Da ficht man, da sticht man, doch ohne Gefahr,
Und wird auch nicht eher der Beute gewahr.

Bis Zynthia neunmal hat Hörner gekriegt,

Dann find sie sich Häufig bei dem, der gesiegt.
Tra, ra, ra, ra, ra!

Darauf hörte man die Trompeten und Heerespauken munter
zum Aufbruch erschallen, und die Truppen zogen in guter
Ordnung aus ihren Quartieren. Unterwegs plagte man die
Bauern, sonst kam aber nichts vor. Die anrückende Hollän-
dische und kaiserliche Armee brachte dem Zuge manche Ver-
legenheit, so daß man wider Willen oft Quartier machen mußte.
In einem Orte lag man so zwei Monate still.

Adrian bekam sein Quartier bei einem Schneider, welcher
dem Stadtsyndikus gegenüber wohnte. Adonis konnte Venus
nicht herzannehmlicher betrachten als Adrian, welcher jetzt
alltäglich des Syndikus Tochter, die schönste und preiswür-
digste Tochter der Stadt sehen durfte. Adrian, dessen Herz
flugs in Brand geraten war, suchte bei der Kürze der Zeit
möglichst nach einer Gelegenheit, um mit der Maid zu sprechen.
Das bedurfte großer Vorsicht, denn der Aide de camp lag beim
Syndikus in Quartier und da war zu besorgen, daß dieser ge-


16 Ki)

fährliche Bruder vorzeitig ihm das Gras abmähte. — Unser
Adrian hatte aber Glück I Eines Tages traf es sich, daß der
Aide de camp von einem guten Freunde zu Gast gebeten wurde.
Adrian war kühn und ging unter dem Vorwand guter Nach-
barschaft hinüber. — Das Mädchen war jung, galant, glatt
um den Schnabel und in ihrem Jungfemkreuz anscheinend
etwas ungeduldig. In gleicher "Weise war Adrian jung, ansehn-
lich, frisch, keck, hübsch von Haar und Gesicht, wohl mon-
diert, höflich und beredt, darum war er nicht nur gern gesehen,
sondern wurde besser als er je gedacht, empfangen.

Dem lieben Mädchen schwatzte er soviel vor, tröstete es
so herzlich, daß die Jungfer bekannte, noch von keinem Men-
schen in ihrem ganzen Leben so herzbewegend getröstet worden
zu sein. Sie wünschte seine stete Begleiterin sein zu dürfen,
um in seiner Abwesenheit nicht gar in Verzweiflung zu fallen.

Die Mutter, welche wohl wußte, wie ihr vor diesem zu
mute gewesen, war gar nicht abgeneigt und hätte ohne große
Bitte Adrian dieses Kleinod auf den Weg verehrt, ehe es ein-
mal von einer liederlichen Person in den Dreck getreten wurde.

Der Vater war aber durchaus dagegen und er hätte dieser
Sache halber, Mutter und Tochter bald zum Haus hinaus
geprügelt.

Adrian hingegen war, nachdem der erste Streich so wohl
gelungen schien, darauf bedacht, den Baum vollends zu fällen.
So machte sich unser, in der Musik wohlbewanderte Schelm,
auf zum Kantor und den Stadtmusikanten und bat dieselben
zu sich.

Auf den Abend hin veranstaltete er vor seiner Haustür, da-
mit es nicht gar zu sehr auffiel, eine süß klingende Nachtmusik.
Dabei sang er zur Ehre der anmutig schwarzbraunen Schönen
folgendes Liedchen:

1.

Schwarzes Mädchen, meine Freude,

Gibst du deinen Willen drein,
Daß wir morgen alle beide

Wollen ohne Sorgen sein?
Ei so laß mich deine Wangen
In der schwarzen Zier umfangen.

2.

Zwar du trauest meinem Herzen
Keine rechte Freundschaft zu,
Und es heißt: Ich will nur scherzen,


«ai 17 *e>

Wenn ich noch so freundlich tu.
Drum so hah ich mein Gewissen
Nur mit Hoffnung speisen müssen.

3.

Nun mein Schatz chen, werde munter

Und erfreue meinen Mut.
Bist so gleich, so schwarz mitunder,

Schwarze Kirschen schmecken gut,
Und nach ihren schönen Zweigen,
Pflegt man ziemlich hoch zu steigen.

4.

Mir Beliehen die Eosinen,
Welche klein und schwärzlich sind.

Heidelbeeren, wenn sie grünen,

Sucht und pflückt man nicht geschwind.

Aber wenn sie sich verfärben,

Holt man sie zu ganzen Körben.

5.

Schwarze Kleider ziehn die Leute

Nur den ersten Feyrtag an.
Und ein Mann ist auf der Freite

Mehrenteiis schwarz angetan.
Ja wer will ein Bateherr heißen,
Muß sich nur auf schwarz befleißen.

6.

Schwarze Farbe wird uns nütze,
*Wann im Leid und Freud man ist.

Drum ist das der beste Schütze,
"Welcher in das Schwarze schießt.

Und ich weiß nicht, was ich wollte,

Wann iche dir auch treffen sollte.

Den andern Tag darauf kam sie unter dem Vorwand, etwas
bei dem Schneider machen zu lassen, herüber und bedankte sien
bei Monsieur Adrian wegen der Musik.

Ihr Freude vermochte die schwarzbraune Maid kaum in
Worte zu kleiden.

So saßen beide nun ziemlich vertraulich' beieinander und
wollten post visum, risum, post tactum auch das venit ad actum

Karl Amrain. Deutsche Schwankerzahler. IV. 2


Й 18 ^

spielen. Leider dauerte es zu lange, bis man allein in der
Kammer sein konnte, und da die Frau Syndikus inzwischen
ungeduldig über das lange Ausbleiben ihrer Tochter geworden
war, kam sie selber zum Gevatter Schneider und störte so das in
Aussicht genommene Schäferstündchen.

Adrian wußte nun sehr wohl, daß, wer die Tochter genießen
will, mit der Mutter gut stehen muß. Er begegnete also der
Frau Syndikus mit aller ersinnlichen Höflichkeit, traktierte
sie mit einem Frühstück und schwatzte ihr soviel vor, daß er
durchsetzte, daß das Töchterlein freien Zutritt zu ihm erhielt,
zumal der Vater wegen Verpflegung der Kriegsvölker zu dem
General hatte reisen müssen.

Als sich nun die Mutter wieder nach Hause begeben hatte,
nahm Adrian sein liebes Mädchen vergnügungsvoll in die
Arme und drückte sie an seine Brust. Nun bat die braun-
schwarze Schöne mit allerhand liebergötzlichen Worten und
anmutigen Scherzen, er möchte ihr doch ein Liedlein singen,
da er das so vorzüglich verstehe. Diesen Bitten konnte nicht
widerstanden werden, nur wußte man nicht, woher die Materie
nehmen, sintemalen die Schöne so vollkommen und artlich sei,
daß man im Zweifel sei, was man am ersten loben solle.

Adrian besann sich auf ihre Redensart, wenn sie sprach:
„Er würfelt doch gar zu wohl mit seinen Augen"; auch fiel
ihm der Schrecken ein, den er bei der Ankunft ihrer Mutter
empfand. So verfertigte er darüber ein Lied und sang zur
Laute :

1.

Gesteh es nur mein Kind und lächle nicht zu viel.
Gewiß, du wiesest mir das erste Liebesspiel,
Denn als dein süßer Mund ein Wort vom Würfeln sprach,
Da dacht ich allererst den Sachen tiefer nach.

2.

„Er würfelt gar zu wohl mit seiner Augen Paar",
Ich hört' und wußte nicht, was das geredet war.
Indem so blickest du mich gar so freundlich an,
Da dacht ich allererst, wie einer würfeln kann.

3.

Ist dies die Würfelart, wo mag das Brettspiel sein?
Indem so führtest du mich bei der Hand hinein.
Es lag mit Flor bedeckt, ich macht es sanfte blos
Und setzte mich damit auf deine linke Schoß.


Й 19

4.

Ach! das geliebte Brett, das mir gezeiget ward,

"War doppelt rund und zart wie Marmor weiß und hart.

Die Augen gaben mir den rechten Würfel Lauf,

Der Mund den besten Stein, den setzt' ich küssend drauf.

5.

Wie wohl war mir darbei, voraus mein Liebchen dir!
Denn du, du suchtest selbst die besten Spiel herfür.
Dick, dack und contra Puff verkehren aus und ein,
Die sollten ші8ге kurz- und lange Weile sein!

Ь\

Indem so rufest du: „Ach still! Ich höre was!
Die Frau, Frau Mutter kommt! Sie sieht! Sie merket das."
Ach! Wie entsetzt ich mich! Ach! Wie erschrakest du!
Da deckten wir in Eil das Brettspiel wieder zu.

7.

So war das Spiel verstört. Trag aber keinen Groll,
Zeug mir die Würfel nur, im Fall ich spielen soll.
Ihr Mädchen lernet dies, die ihr mich spielen seht,
Ich hab den besten Stein in meiner Liebsten Brett.

Ob sie nun nach beendetem Liede das Spiel von vorne
wohl wieder angefangen haben werden, sei jedem anheim ge-
stellt. Gewiß ist, daß die das Spiel solang getrieben haben,
als er daselbst im Quartier lag.

Der schleunige Aufbruch der Völker schnitt diese süße
Vertraulichkeit, die den höchsten Grad der Vollkommenheit er-
reicht hatte, zu beiderseitigem herz-schm erzlich en Leidwesen
plötzlich ab.

Adrian war in seinem Leben noch nicht von einem ähn-
lichen Wehmutsstich getroffen worden. Als er aber nach acht-
tägigem Marsch zur Armee Türennes gestoßen war, und zu
Lützelstein1) in Quartier kam, tröstete er sich mit diesen
Gedanken :

l) Lützelstein im Elsaß an der Straße Hagenau Saargemünd. Die
kleine Festung, welche 1870 erst aufgelassen wurde, hat im ganzen
Mittelalter viele Stürme erlebt; ihr Ursprung geht auf den Sohn Karls
des Großen zurück.

2*


Й 20

І.

Soldaten Manier

Erfordert nicht hier,
Daß man alleine nur eine soll lieben,
Und sich darüber zu Tode betrüben.

Dann es gibt noch mehr der Leute,

Die uns geben Liebesbeute.

JL

Hier findet man auch

Den löblichen Brauch,
Daß man mit vielen abkühlet den Schmerzen
Der uns versehret und quälet im Herzen.

Es muß stehn die Alte hinten,

Wenn wir eine neue finden.

In Lützeletein passierte nicht viel, weil man bald wieder
fort mußte. Vor dem Marsch aber trat Adrian schnell noch
unter das Hühnerhaue und zündete einen Bund Schwefelfaden
an. Der Bauch zog aufwärts, betäubte die Hühner, welche in
aller Stille stimmlos herabpurzelten. Diese las er mit seinen
Kameraden fein sauber auf und brachte die Hühner nebst einem
Schwein, welches er gleichfalls mit Schwefeldampf erstickte, zu
dem Marketender und verkaufte ihm die Beute.

Der Marsch ging nun in das Elsaß, woselbst mit erbärm-
lichen Sengen, Brennen, Plündern, Verwüsten, Martern und
Schänden der Beute ebenso toll verfahren wurde wie in Holland.

Einen solchen französischen Christenhenker gab Adrian
Wurmfeld ebensogut ab als die allergottlosesten Atheisten, die
Franzosen selbst, bis endlich das bisher so mildgütige Glück
seine hilfbietenden Arme der französischen Armee entzog.

Die Gottes- und Menschenverachtung, die allzugrausame
Barbarei und Unmenschlichkeit eines so nichtswürdigen Erden-
Schaumes sollte nun allmählig gestraft werden.

Darum schickte Gott, ein scharfer Bächer alles Bösen, einen
alten kriegserfahrenen Helden, der die verteufelten Bösewichte
und Henkersbuben so geschickt in die Enge trieb und ihnen
solange merklichen Abbruch durch seine Klugheit zu tun wußte,
daß sie endlich aus Verzweiflung wie eine gehetzte Katze um
sich bissen und sich endlich in ein öffentlich Gefecht mit den
Deutschen einlassen mußten.

Das scheuten sie schon lange und wollten sich nicht auf


Й 21 ^

rechte heidenmäßige Art ins freie Feld vor die tapferen Sol-
daten deutscher Nation wagen. Ihre ganze Kriegstugend, Er-
fahrenheit, sieghafte Tapferkeit bestand von Anfang an nur in
falschen, schmeichlerischen, heuchlerischen Beredungen, Erz-
lügen und Betrügereien, Verräterei und tausend anderen Schand-
und Lastertaten. Aber nun hieß es: Vogel friß oder stirb 1

Hier wollten dem alten Fuchs alle die französischen Witze
in den Rhein fallen. Man hat hier keine erschrockenen und
verräterischerweise verkauften Käsekrämer oder deutsche Cou-
jans und Bärenhäuter, wie man in Paris auf den Brücken und
Marktplätzen solche besungen oder auf den Theatern in Possen-
spielen solche mit Prügeln statt mit Degen umgürtet gezeigt
hatte. Vielmehr stieß man auf Kerls, welche die französischen
abgekourtieierten Löffelknechte und Frauenzimmer Diener auf
eine altdeutsche Art komplementieren lehrten. Hier war Pulver
und Rauch der beste Puder, den man denselben in die Haare
streuete, obwohl sie sich nach Möglichkeit davor hüteten und
eich als des Feuers ungewohnt, lieber vor den tapferen kaiser-
lichen und nachgehende Brandenburgischen Soldaten in den
feuchtsumpfigen und stinkenden Morast, wie die wilden
Schweine vergruben.

Einstmals wagte sich Adrian abends hinaus, um wegen der
großen Hungerenot mit etlichen Franzosen nach einem Stück
Brot zu euchen. Man eilte auf eine anderthalb Meile von dem
Quartier gelegene Mühle zu, in welcher die Franzosen selber
mahlten.

Als man in die Nähe der Mühle kam, vernahm man eine
starke Schildwache. So teilte man sich denn in zwei Abteilun-
gen; eine sollte von hinten durch das Wasser setzen und in
die Mühle fallen, die andere sowie sie das vernehme der Schild-
wache zusetzen und dieselbe in Disordre bringen.

T3o gut der Anschlag erschien, so schlimm ging er aus. Die-
jenigen, welche durch das Wasser sollten, kannten die Furt
nicht und als sie in den reißenden tiefen Fluß ritten, riß sie
der Strom mit samt den Pferden um. Es entstand groß Geschrei,
auch wurde von den Ertrinkenden ein Losungeschuß abgefeuert.
Adrian und die Kameraden hörten den Knall und meinten nicht
anders, ale die Mühle sei schon erobert. Mit Ungestüm fiel
man die Schildwache an, die indessen resolut Stand hielt und
wegen des Lärmes wie der Schusse rasch entsetzt wurde.

So kam es, daß die meisten von diesen Partiegängern nieder-
gemacht, Adrian aber nebst drei Gefährten gefangen wurde.


4

G* 22

Nachdem man die Ertrunkenen aus iłem Wasser gefischt
und ihre Namen, sowie jene der Erschossenen aufgezeichnet
hatte, ward Adrian nebst seinen Kameraden in das Stockhaus
geliefert. Nach verschiedenen scharfen Verhören und nach ab-
gehaltenem Kriegsgericht hielt es sehr schwer, bis die Sache auf
inständiges Bitten vieler vornehmen Offizier endlich soweit
war, daß alle vier Missetäter um ihr Leben spielen sollten.

Das Glück war Adrian nicht günstig, denn da er als der
letzte würfelte, warf er nur ein Auge mehr als sein Vormann
und so sollte er gehenkt werden. Der Schrecken und die schimpf-
liche Todesangst hazardierten ihn derart, daß er in ein tötlich
Fieber fiel und lange Zeit krank lag, auch den ganzen Winter
zu tun hatte, bis er sich wieder erholte.

Sobald die Truppen die Winterquartiere verließen und nach
Straßburg der Reichsarmee entgegenmarschierten, begab sich
auch Adrian wieder ins Feld und bald wäre ihm sein erster
Ausflug übel gediehen.

Denn als er sich einmal zu Fuß in ein Gehölz schlich,
um Wildbret zu suchen, kam er an einen großen Teich, auf
welchem sich sehr viel Wildenten tummelten. Weil er nun
keine Schrotbüchse bei sich hatte, und mit seinem Carabiner
nicht viel ausgerichtet würde haben, brauchte er eine List.
Er nahm einen Knaus Bindfaden, befestigte an einem Ende ein
Stückchen Speck und ließ das auf dem Wasser schwimmen, sich
selber versteckte er in dem Schilf und lauerte bis die Enten den
Speck sahen. Mit großem Geschrei schwammen sie darauf los.
Die erste verschluckte, in Besorgnis die anderen Tiere möchten
ihr es wegrauben, das Speckstück gierig und würgte wegen des
Bindfadens so stark, daß der glatte Speck ihr durch den Hintern
fuhr. Flugs schnappte eine andere Ente jetzt den Speck, und
es erging ihr wie der ersten, ebenfalls ereignete sich derselbe
Vorgang für eine dritte Ente. Auf einen Zug hatte also Adrian
drei Enten an einem Bindfaden, die er herauszog, um ihnen die
Hälse umzudrehen.

Mit dieser Beute wollte er in das Städtchen zurück, darinnen
er im Quartier lag. Bald am Ende des Holzes begegneten ihm
aber drei Schnapphähne, welche schußfertig in einem niederen
dichten Gebüsch standen und ihn bedrohten. Adrian suchte
sich mit einem Sprung in einen Hohlweg zu retirieren, aber der
Sprung mißlang; er überschlug sich mehreremals und verletzte
sich beim auffallen den linken Schenkel ziemlich arg. Im Falle
hatte ein Schnapphahn Feuer gegeben, doch ohne zu treffen. Die


їй 23

Kerle eilten ihm nach und suchten, ihm den Weg abzuschneiden.
Dieser Plan mißlang, da eine französische Abteilung, welche
am Gehölz fouragieren wollte, auftauchte, nach dem Schützen,
der gefeuert hatte, suchte und die ausreißenden Schnapphähne
stellte.

Adrian mußte seine Federbeute mit den Vornehmsten teilen,
konnte aber dann ungehindert und sicher heimwärts ins Quartier
ziehen.

Nach französischer Kriegsmanier half dann Adrian wieder
tüchtig, um bald hier, bald dort das schöne Elsaß in eine
Wüste zu verwandeln, bis Gott der Allmächtige dem übergroßen
Hochmut nicht länger zusehen konnte und alles glückliche pro
cedere von ihnen nahm.

Der sonst so schlaue und höchsterfahrene Kriegsfuchs
Turenne vermochte sich denn also in seiner Verblendung weder
mit Bat noch Tat aus der Kaiserl. und Alliierten tapferen und
von Gott sieghaften Händen los zu winden. Als er das mit
Gewalt und in vollem Grimme versuchte, wurde er von einer
Stückkugel getroffen und mußte zur großen Konfusion der
ganzen französischen Armee und zur großen Bestürzung ihres
Königs sein Leben einbüßen.

Das Treffen war überaus scharf und hitzig auf beiden
Seiten und dauerte etliche Tage hintereinander, da nicht viel
Quartier gegeben wurde.

Nachdem die Franzosen nicht mehr zu stehen getrauten
und sich in der Nacht retirierten, suchte Adrian Wurmfeld,
weil ihm sein Pferd durch einen Kanonenschuß in dem Holz
dienstunfähig gemacht worden war, sich aus dem Staub zu
machen. Er versteckte sich in der Sakristei einer abgebrannten
Kirche, legte einen Haufen abgefallener Mauersteine vor die
Türe und erwartete den Tag. Als er am andern Tage das kon-
tinuierliche Schießen von neuem hörte, blieb er in seinem Loch
still sitzen.

Mit Einbruch der Nacht wurde ihm die Zeit indessen ent-
setzlich lang, um frische Luft zu schöpfen, brach er aus seinem
Steinhaufen hervor und wollte in die Kirche spazieren. Da
kam ihn aber wegen des Gestankes der toten Körper von Men-
schen und Vieh ein solches Grausen an, daß er auf den halb-
verfallenen Kirchturm kletterte und mit den Eulen Nacht-
wache hielt.

Seltsame Grillen und verwirrte Gedanken setzte es da ab,
wie man wohl das bischen Leben salvieren könne. Er fürchtete


G* 24

sich nur vor den Schnapphahnen und Kroaten. Es schien nun,
obwohl Adrian etliche Jahre nicht in die Kirche gekommen war,
nicht geraten ohne Klang und Gesang, ohne Essen und Trinken
länger in der öden Kirche zu sitzen. Doch entschloß er sich
wie einem Kriegshelden gebührt, ein Gedächtnis in die Kirche
zu stiften, mochte er nun lebend oder nicht bleiben.

So zog er seine Stiefel und Sporen aus und hängte sie auf,
dann langte er aus dem Felleisen seine Schuhe, um sich der-
selben zu bedienen, weil er nicht mehr zu reiten brauchte.

Oberdem entstand ein großes und recht abscheuliches Ge-
heul der Hunde, die sich aus den öden Dörfern, eingeäscherten
Städten und Flecken zusammen gerottet hatten und nach der
Walstatt gekommen waren, um ihren Hunger an den erschlage-
nen Soldaten zu stillen.

Das war für Adrian schrecklich, noch schrecklicher aber
wurde es, als der Himmel voll lauter Feuer flammte als ob eine
große Feuerebrunst entstanden sei. Neugierig stieg Adrian
höher auf den Turm zu einem Fensterloch, um nachzusehen,
was das wohl für ein Feuer sei, sintemalen kein Geschrei und
auch kein Schießen mehr zu hören war.

Kaum hatte er aber die Nase durch das Loch gesteckt, da
sah und hörte er Sachen, worüber ihn Zittern und Angst ankam,
er wußte nicht, ob er träume oder ob sich wahrhafte Vorgänge
abspielten.

Das ganze Feld stand voll feuriger Schwadronen in der
Form eines halben Mondes. Die machten ein solches Geräusche,
als ob die Luft in vollem Sud und Brausen stünde, gleich als
ob viel tausend Bienenschwärme schwärmten.

Unter anderen kamen drei Kompagnien abgefleischter
Totenkörper auf fahlen dürren Pferden aus dem Holz geritten.
Sie hatten alle weiße Papierkrausen um den Hals, um den Leib
hing an einem schwarzen Flor ein Köcher mit Pfeilen, in der
rechten Hand hielten sie einen Flitzbogen.

Voran ritten zwei Trompeter, die bliesen erbärmlich auf
einer Totenbein-Röhre, und anstatt einer Heerpauke schlug
einer mit zwei Totenknochen auf einen Sargdeckel.

Die Standarten waren schwarz mit roten Kreuzen und der
sie führte, hatte anstatt eines Degens eine große lange Sense
in der Hand. Alle waren auf ihren kahlen Schädeln mit Kränzen
von Schabab bekrönt. Darauf kam zu Pferde ein Marschall
in Trauergewandung und langem schwarzen Stab, ihm folgte
ein Trauerwagen mit sechs schwarzbekleideten Pferden, neben


баї 25 Jfcd

welchen zwölf Schweizer mit zu Boden gekehrten Hellebarden
einherschritten.

Nach diesen kamen etliche tausend Mann zu Pferd und
zu Fuß. Sie hatten zum Teil keinen Kopf, keine Arme, Hände
oder Füße, und scharmützelten während des Marsches unter-
einander, so daß der eine hierhin, der andere dorthin fiel, gleich
darnach aber standen die Gefallenen wieder auf, wie die Gaukel-
männer, und dann begann von neuem das Scharmützel.

Weiter kam eine lange verschrumpelte Frau an der, wo
Frauen sonst am fettesten sind, kein Lot Fleisch zu finden war,
sondern deren Knochen nur mit einer gelben Haut überspannt
schienen. Tief lagen ihr die Augen im Kopfe, ihre Zähne
zeigte sie wie ein bissiger Hund, da sie dieselben mit den ver-
schrumpelten Lippen nicht bedecken konnte.

Dieser hungrigen Frau folgten viel tausend groß und
kleine Manns- und Weibspersonen, die alle schrecklich dürr und
hungrig aussahen.

Einige hatten Gras, Heu, Mist oder sonst einen Batten-
schwanz aus dem Maule hängen, andere schlugen sich um eine
Katze oder um ein totes Aas. Ein Teil hatte Pferdefüße und
klopfte die Hufeisen davon, ein anderer Teil fiel sich mit den
Zähnen an, man biß sich wie Hunde, daß das Blut herunterlief
und riß sich gegenseitig Fleischfetzen aus dem Leibe.

Hierüber wurde dem Adrian der Mund auch wässerig und
er bekam ordentlich Appetit zu essen, weil es in seinem Magen
auch so wüst und rauchig aussah als in einem eingefallenen
Brauhaus.

Die Lust verging ihm aber rasch als er einen neuen Auf-
zug sah.

Es kam ein langer, dürrbeiniger Kerl, dem das ganze Ge-
sicht voller Würmer saß. Schlangen schauten ihm aus den
Augenhöhlen, und aus dem Munde wie den Nasenlöchern ent-
wich ein schwarzer stinkender Dampf. Er hatte einen weißen
Sterbkittel an, Füße und Hände waren ihm bereits von grün-
lich weißem Schimmel angelaufen. In den Händen trug die
grausige Erscheinung eine große schwarz und weiße Fahne.
Ihr folgten eine unglaubliche Menge mit Sterbekitteln, darunter
viele, die mit Pflastern belegt gewesen waren. Da dachte
Adrian, das sind gewiß Leute, die entweder an der Pest, an
hitzig ansteckenden Seuchen oder an den Franzosen oder am
Kriegsechrecken gestorben sind, denn nicht einer hatte die
Augen offen und alle sahen aus wie Schatten.


баї 26 im

Hierauf kam ein geharnischter trotziger Mann mit einem
großen Knebelbart, dieser Mensch steckte bis an die Zähne
im Eisen. Er trug in der einen Hand ein gezücktes bluttriefen-
des Schwert, in der anderen eine brennende Fackel, außerdem
Peitsche und Bute.

Er hatte ein konfuses Heer hinter sich. Da ging es seitens
allerhand Henkersbuben, Soldaten, Gesindel an ein Morden und
Niedermetzeln von armen wehrlosen Männern, Weiber, Kinder,
Jünglinge und Jungfrauen. Weder Geistliche noch Weltliche,
Edle und nicht Edle, Bürger und Bauern erfuhren Schonung.
Etliche liefen mit Feuerbränden wie die Teufel in der Hölle
umher. Alle Martern und Gewalttaten, die von Anfang der
Welt an begangen worden waren, konnte man da sehen, so wurde
gehenkt, geköpft, gepeitscht, geprügelt; man schoß, hieb, er-
stach, beraubte, plünderte, notzüchtigte, daß es erbärmlich und
schrecklich zugleich anzusehen war.

All diese Schreckeneerscheinungen marschierten in oben-
erwähnter Ordnung der Leiche nach und schlössen um ein auf-
gerichtetes Castrum Doloris auf welches der vom Trauerwagen
genommene Sarg gesetzt wurde, einen Kreis.

Das Castrum doloris auf welchem der mit einer schwarz-
sammeten und mit goldenen Lilien und Lorbeerkränzen be-
stickten Leichendecke versehene Sarg ruhte, war ins Gevierte
gebaut und mit schwarzem Tuch überzogen. An jedem Eck war
eine hohe Pyramis von Totenköpfen aufgerichtet und in den
Augen und Nasenlöchern der Schädel brannten helle Lampen.

Oben auf jeder Säule saß ein Hahn mit ausgebreiteten
Flügeln. Auf der letzten des Castrum doloris oder Trauermals
zwischen den vier Pyramiden sah man zierliche Haufen von
allerlei Kriegsgerät wie Harnisch, Büchsen, Musketen, Pistolen,
Büchsen, Feuermörsel, Kugeln, Morgensterne, Degen, Schlacht-
schwerter, Säbel, Spieße, dem Feind abgerungene Fahnen und
Standarten, Schilde, Helme, Trommeln, Pfeifen, Heerpauken,
Trompeten.

Auf der Leichendecke nach dem Kopfende zu war ein schön
gesticktes Wappen, zu Füßen standen in Goldbuchstaben gestickt
die Worte: Henricus de la tour von Auvergne, Vicomte de
Turenne et Castillon, Baron d'Oliergnes und Ciarens, König-
licher Bat, Marschall von Frankreich und der königlichen fran-
zösischen Armee General usw.

Oben auf dem Sarg war der Helm, Handschuh, Degen und
Regimentsstab neben den Sporen.


Й 27 ^

Als Adrian an dem Wappen und Namen des Tuches er-
blickte, daß es des Generals Turenne Leiche sei, gingen ihm
die Augen über und er schrie: „Ach Eitelkeit! Eitelkeit! Der
vor kurzer Zeit ein hochgefürchteter, geehrter und gebietender
Feldmarschall gewesen ist, liegt nun tot mit viel tausend
tapferen Soldaten!"

Während Adrian Wurmfeld noch klagte, hörte er von den
anwesenden Erscheinungen dieses Jammerlied singen.

I.

O Zeter, Angst und Weh! Wer löscht den Kriegesbrand,
Der heftig tobt und frißt Vieh, Menschen, Stadt und Land?
Es schreiet unser Blut, das Wasser gleich vergossen
Um Bach], o Bach! O Bach! fortwährend unverdrossen.

П.

О Zeter, Angst und Weh! Wie hat der Feind verheert
Den Wein- und Ackerbau, daß wir ganz aufgezehrt
Vom Hunger fielen hin, als wie das Laub von Bäumen,
О Bach ! O Bach ! O Bach ! Wie kann der Krieg wegräumen !

Ш.

О Zeter, Angst und Weh! Was hat der Krieg gestift?
Er hat durch Stank und Wust und Krankheit uns vergift,
So daß in kurzer Zeit viel tausend sind gestorben,
Die von erhitzter Glut verschmachtet und verdorben.

IV.

О Zeter, Angst und Weh! Was tolle Henkersbrut
Hegt doch der Krieg? Mit was vor Baserei und Wut
Sind schrecklich hingen cht viel tausend arme Leute!
O Bach! O Bach! O Bach! Eräugne dich noch heute!

Darauf erhoben die Umherstehenden ein solch erschreck-
liches Geheule, Seufzen und Bachegeschrei, daß die Luft er-
schüttert war.

Plötzlich verstummte das Schreien; ein großes Ungeheuer,
gestaltet wie ein Basilisk mit einem Hahnenkopf, glühenden
Kamm, großen f euer flammenden Augen und mit einem gelb-
lich blauen schuppigen Drachenschwanz kam durch die Luft
geflogen.

Nachdem sich dieses Ungeheuer auf einen hocherhabenen


Й 28 ^

Hügel niedergelassen, öffnete es seinen Bachen, der einem
glühenden Backofen glich. Feuerströme entwichen mit Donner-
gekrach dem Maule, so daß der Kirchturm, auf welchem Adrian
zitternd und zagend stand in seinen Grundmauern erhebte und
wie ein Blitz das Trauermal oder Castrum doloris mit allen
erwähnten Gespenstern in die Luft flog und entschwand.

Nichte blieb auf dem Felde übrig als der Drache mit
seinen feurigen Schwadronen. Demütig verfügten sich die
Offiziere zu ihm. Er redete sie an:

„Nach Standesgebühr allerseits geehrte und liebe wertes te
Freunde. Sowohl die große Freude wegen des nunmehr in
lichter Lohe brennenden Kriegsfeuers als auch die Schuldigkeit
unseres getreuen alliierten hohen Minister und Kriegsgeneral
die letzte Ehre zu erweisen hat mich veranlaßt, euch mit
eueren untergebenen Geistern hierher zu bescheiden. Ich sage
euch Dank für euer willig Erscheinen und verspreche euch
getreulich Vergeltung. Im übrigen ist nach dem jüngst an
mich geschickten Briefe aus der Höllenpforte unser großmäch-
tigster Lucifer nicht ganz zufrieden, er beschuldigt uns träger
Saumseligkeit, wir seien nicht eifrig und geschäftig genug,
sein Reich zu vermehren.

Euch sind allgemeine Geschäfte, die ich als abgeordneter
Resident auf der Welt an den Höfen großer Herrn und Poten-
taten zu verrichten habe, mehr als wohl bekannt. Ihr ver-
mögt sattsam Zeugnis zu geben, daß ich weder Tag noch
Nacht abgelassen habe alles zu unseres Reiches Nutzen und
Förderung zu tun. Dem großmächtigen Lucifer habe ich durch
eigenen Kurier euere Treue und Dienstbeflissenheit gerühmt,
sowie was in dem letzten Treffen passierte. Ich erwarte dem-
nach stündlich dessen Ankunft und jene des Commissarii Pay-
man, der wegen euerer Verrichtung Freundschaft einholen wird.

Nun wisset ihr aber, daß er ein sehr stolzer Geist und
Lucifers liebster Höfling ist. Derowegen werdet ihr ihm. nach
Genügen zu begegnen wissen."

Als dies kaum gesprochen war, kam der Postillon Oze, ein
fliegender geschwinder Geist. Schon von ferne hörte man ihn
das Posthorn blasen. Tief demütig ließ er sich vor dem Resi-
denten Belial nieder und sprach:

„Ich habe, was mir befohlen, getreulich verrichtet und die
mir anvertrauten Briefe dem großmächtigen Lucifer ganz
untertänig und ungesäumt übergeben. Lucifer hat nach Ver-
lesung derselben nicht allein unermeßliche Freude darüber


Є* 29 Jfci)

empfunden, daß es nun einmal recht los geht, sondern er hat
ab Commisearium den stolzen Hauptmann Payman mit 200
Legionen Geistern hierher geschickt, um euere Armee zu ver-
stärken. Er will dabei vernehmen, was die Übrigen Fürsten
und Offiziere seines Heeres merkliches ausgerichtet haben, da-
mit er sich darnach richten und ausführen kann, was zur
ferneren Erweiterung seines Reiches dienlich sei."

Kurz nach diesen Worten hörte man Trompeten und Heer-
pauken durch den Wald erschallen und bald erschien auf einem
Dromedar der stolze Geist Payman mit güldener Krone ge-
schmückt; ihm folgten die Legionen. Sobald seine Völker sich
an die anderen angeschlossen hatten, ritt er auf Belial zu, der
ihn nebst den übrigen Teufeln freudig und ehrerbietig empfing.

Nach dem Willkomm zog Payman einen großen schwarzen
Brief mit glühendem Siegel und funkelnden Buchstaben hervor
und überreichte im Namen Luci fers dieses Schreiben Belial.

Der Inhalt wurde in öffentlicher Versammlung vorgelesen
und lautete: Unsern freundlichen Gruß besonders lieber Fürst
und Bruder. So bekümmert wir erstlich waren, als wir ver-
meinten die Sache wurde ins Stocken geraten oder gar Friede
werden, weil so wenig Seelen gegen voriges Jahr nach Aus-
sage des höllischen Schiffers Charon in unser Reich übergeführt
worden; so erfreut und herzlich belustigt sind wir durch dein
letzteres worden, als wir den guten Progreß euerer Anschläge
nicht allein, sondern auch die Vermehrung unseres Reichs durch
die letzt geschehene Niederlage vernommen. Wir haben etliche
Gefangene für uns bringen und examinieren lassen, welche,
weil sie uns so wohl mit ihrer Relation vergnüget, wir etwas
gelinde zu peinigen befohlen. Commissarius Payman wird das
übrige schon mündlich verrichten, was ferner zu tun sein wird.
Er soll alle Verrichtungen der Geister neben dir untersuchen,
und durch einen Postillon uns Kundschaft davon erteilen auch
bis auf andere Zeit bei dir bleiben. Lebe wohl und suche unser
bestes. Lucifer.

Hierauf ließ sich Payman zur linken Hand neben Belial
nieder und fing an zu reden: „Mächtiger Belial und ihr andere
nach Standeswürden geehrte Mitkumpane und treue Vasallen
unseres höllischen Reiches, ihr werdet aus dem verlesenen Brief
vernommen haben, warum ich hierher gesendet wurde. Damit
nun ein jeder gebührliche Relation tun und seine Notdurft
reden möge, so wisset, ehe ihr redet, daß von unterschiedlichen
vornehmen Höfen unserer Alliierten Klagen eingekommen sind,


Й 30 ^

daß nach den verfaßten Allianzpunkten von euch nicht ver-
fahren werde.

Die angefangenen Actiones gingen nicht mehr so flott von
statten und man könne nicht mehr wie ehedem alles nach seinem
Willen disponieren.

Leute, die man von Bosheit, Untreu, Falschheit, Tyrannei,
Gewalttätigkeit, Meineid, Verräterei, Ehr- und Geldgeiz gar
gewiß berückt hielt, seien meist wieder umgekehrt und hätten
sich andere besonnen.

Darüber hat sich der streitbare Hahnenkönig durch eine
eigene Staffetta an unserer Pforte beschweren lassen.

Weil aber unseres großen Lucifers Beich und Herrschaft
durch bemeldeten König und seiner Leute Vorschub jederzeit
um ein Merkliches vermehrt und erweitert wurde — sintemalen
aus seinem Beich uns allein etliche Millionen Seelen wegen
reiner Atheisterei zugekommen sind, ohne gemeldet, was etliche
Jahr her in großer Menge durch seinen unrechtmäßigen, barba-
rischen Kriegszug uns zugeschanzt worden ist — so konnte
Lucifer diesen unserem Beich gewogenen Potentaten nicht vor
den Kopf stoßen. Er läßt euch nun durch' meine Person
emstlich zur Pflicht ermahnen, die Sache mit euerem unter-
gebenen Heere heftiger anzugreien und sieht sich zu der Drohung
veranlaßt, die Nachlässigen ihrer Ehrenämter zu entsetzen
und zu schwerer Pein zu verdammen. Wer treu, fleißig ist,
wird erhöht und in seiner Gewalt mächtiger werden.

Im übrigen könnt ihr der Ordnung nach und in Kürze vor
mir und dem Residenten Belial Bericht geben von eueren Ob-
liegenheiten, damit wir unseren großmächtigsten Lucifer aufs
beste befriedigen können."

Hierauf trat Barb a tos mit einem Eulenkopf und langem
Fuchsschwanz, ein Fürst über 30 Legionen hervor und sprach:

Mächtige und gebietende Herren!

Mein Amt war mit meinen untergebenen Geistern die Ge-
müter der Freunde und Feinde zu verkehren. Ob ich das treulich
ausgerichtet, dafür mag die gegenwärtige Zeit reden! Die
besten Freunde und Bundesgenossen, zumal etliche, die in der
Tripleallianz so fest verwirrt und zusammengekoppelt waren,
sind sich die ärgsten Feinde und öffentliche Kriegskombat-
tanten geworden.

Hingegen habe ich jene, welche sich Erbfeinde waren und
viele Jahre mit Feuer und Schwert sich verfolgten, auf eine
Zeitlang zu Freunden gemacht. Das wird indessen nicht länger


б* 31 JKd

dauern als es das Interesse eben erheischt. Ich habe den statt-
lichen Krieg begonnen, der sich fast auf die ganze Welt ver-
teilt hat, auch höre ich nicht auf nach Umständen Uneinigkeit
und Freundschaft zu stiften ; Uneinigkeit unter guten Freunden
und Bundesgenossen, Freundschaft zwischen denen, die sich
dadurch ruinieren und mit ihrem Bündnis höchst schaden.

Demnach hoffe ich nicht, daß unser großmächtiger Lucifer
mich der Nachlässigkeit zeihen kann, vielmehr denke ich, wird
er Ursache haben mir zu danken."

Damit schwieg er, verneigte eich still und trat weg. Jetzt
kam Eligor, der Zank und Streit stiftende Kriegsmann; an-
getan war Eligor mit einem schwarzen geflammten Harnisch,
in der Hand hielt er ein brennendes Schwert. Dieser Fürst
herrschte über 60 Legionen. Mit ihm trat Andras, der Stifter
alles Haders, vor, ein schwarzköpfiger Engel und Herr über
30 Legionen.

Eligor nahm das Wort: „Mächtige Herrn! Ich und mein
Kamerad treten mit freudigem Gesicht vor euch, um Rechnung
abzulegen über unser Amt. Uns ist alles so wohl gelungen,
daß wir nicht allein an vornehmen großen Häusern und Städten
der Welt unser Unkraut ausgestreut, sondern auch in allen
Ständen und Privathäusern die Obrigkeit wider Gott, die Unter-
tanen gegen die Obrigkeit, die Eltern wider die Kinder, diese
gegen die Eltern, Brüder wider Schwestern, Nachbarn, Freunde,
Blutsverwandte aufgehetzt wurden und. in erbitterter Feind-
schaft leben. Aus dieser Quelle stammen vielfach Mord, Tot-
schlag, langwierige Prozesse, Verarmung, Gottes gräuliche
Lästerung und endliche Verzweiflung. Ha! Wieviel unge-
horsame Kinder, die ihren Eltern alles gebrannte Herzeleid
angetan, haben wir in gegenwärtigen Krieg und also recht in
unseren Sack eingejagt, daraus sie uns schwerlich wieder ent-
rinnen werden.

Bei den bösen Juristen und Advokaten sind wir gute
Diener und sie dagegen unsere stets währende Blasebälge, die
hier und dort das Uneinigkeitsfeuer wacker aufblasen helfen
bis die zanksüchtigen Narren kein Geld mehr im Beutel haben.
Hernach stiften sie gute Freundschaft und gütlichen Vergleich
unter ihnen, wodurch mancher aus Armut und Dürftigkeit ge-
nötigt wird, etwas anderes zu tun, was ihn um Leib und Seele
bringt. Das ist natürlich ein großer Vorteil für uns. Großer
Erzählungen bedarf es übrigens nicht, ich berufe mich nur


Й 32 j%

auf die täglichen Beispiele und bitte die gebietenden Herrn, sie
wollen uns mit steter Gunst und Gewohnheit zugetan bleiben."

Diesem folgte Pmfluß in Gestalt eines Kavaliere, ein
zänkischer Mordgeist über 26 Legionen und sprach: „Ich bin
ein strenger Beputationsverwalter und höchst angesehen in der
ganzen Welt bei allen rechtschaffenen Kavalieren, im Kriege,
bei Hof und auf Universitäten, die ihre Ehre zu maintenieren
wissen. Ich messe ihre Ehre mit dem Degen, wobei manchem
die Elle durch den Leib fährt, daß er über den Haufen und
mir in die Klauen fällt und doch muß es heißen, besser
ehrlich und tapfer in die Hölle gefahren als wie ein und in
den Himmel kommen. Ich halte mich auch fleißig zu Caneimo-
larn, meinen getreuen Mitbruder, einen Geist das Mords, der
Finsternis und Unsichtbarkeit, der mit 36 Legionen anjetzo
sich in den Wäldern und auf den Straßen aufhält, wo beide
Armeen aneinander sind. Darum kann er hier nicht erscheinen,
sondern hat mir aufgetragen sein Wort zu reden. Wir halten
es mit den Schnapphahnen, Merodebrüdern und Bauern, haben
auch jetzt einen braven Anschlag unter Händen. Gelingt er,
so kommt mancher in die Hölle. Daraus erhellt sich unser
Treufleiß von selber ; es ist unnötig, Rühmens davon zu machen,
wo die Sache für sich spricht."

Hierauf kam Cerberus, der dreiechnauzige Höllendrache,
ein Verderber der Bischöfe und Prälaten, ein Herr über 19 Le-
gionen. Mit ihm kam der Geist Caap, ein Zankstifter in
Religionssachen und Landschaften.

Cerberus begann mit schrecklichem Gebell: „Mächtig ge-
bietende Herren! „Was ich und mein getreuer Bruder Caap
getan, beweiset der Anfang des Krieges. Haben wir nicht
die meisten Bischöfe und Prälaten sowohl in Deutschland als
Italien zu getreuen Mithelfern dee Hahnenkönigs gemacht?
Ist nicht das Bistum Cöln durch mein Anschicken verderbt,
das Münsterische verheert, das Triererische aufgezehrt und
verschleift? Prinz Wilhelm, mein getreuer Kumpan ist ge-
fangen, sein Bruder aus Deutschland vertrieben. Gottes Altar
wurde zur Pferdekrippe gemacht, Hostien hat man statt Futter
den Rossen vorgeschüttet, die Kelche sind mit Unflat gefüllt
worden! Nonnen wurden splitternackt ausgezogen, geschändet
und genötigt am Schubkarren zu schaffen, die übel traktierten
Mönche sind verjagt worden. Meine getreuen Diener haben
das Kruzifix mit Füßen getreten, einem Esel an die Stirn ge-
bunden und das Tier dann fortgetrieben. Die Mutter Gottes


(9^1 33 jftd

haben sie ale Soldaten auf die Schildwache gestellt, sie mit
Bandolier, Degen und Muskete behangen und mit viel Laster-
worten verunehrt. — Unterdessen hat mein lieber Kumpan in
Hoch- und Niederdeutsohland tüchtig gearbeitet und seine Mühe-
waltung in Ungarn und Schlesien merklich sehen lassen. Hat
er nicht durch die Reformation in Religionssachen Jammere
genug daselbst angestiftet? Die Geistlichen, welche ihrer
Religion zugetan waren, wurden verjagt, jämmerlich gemartert
und abscheulich gemordet. Das ist noch ail nicht beendet, viel-
mehr wollen wir uns bald wieder an den gehörigen Ort und
Punkt verfügen, um unsere Verrichtung emsig fortzusetzen.

Wir hoffen von unserem großen Lucifer treue Belohnung
zu erhalten."

Darnach kam Falefar mit einem abscheulichen Löwen-
gesicht, ein Fürst der Verzweiflung, welcher über 10 Legionen
gebietet. Der schüttelte sich, daß die Feuerfunken stoben und
sprach: „Daß ich recht eifrig bisher in meinen Diensten ge-
wesen bin, wird mir heute oder morgen Charon der höllische
Schiffemann nachweisen, doch will ich auch die Hilfe des
Hahnenkönigs dankbar anerkennen. Er hat nicht allein durch
seine Kriegsleute Länder und Städte verderbt, sondern viel
tausend Menschen in erbärmliches Elend gesetzt; in seinem
Königreich hat er durch Imposten, Auflagen, Geldpressuren die
Untertane so ausgemergelt, daß ich eine große Zahl leicht zur
Verzweiflung bringen konnte, wie sich denn auch viele aus
Mangel und Armut erstochen und ertränkt haben oder erhängt
haben.

In der Nähe von Paris habe ich einen Vater gegen die
eigenen Kinder gehetzt, so daß er dieselben aus Furcht, sie
nicht ernähren zu können, ermordet hat.

Wie manchem habe ich Feigheit und Zaghaftigkeit ein-
gejagt, so daß er glaubte, diese und jene Festung nicht länger
halten zu können, hatte er sie übergeben in voller Verzweiflung
dann tanzte ihm der Kopf vom Halse. Ich hoffe, es werde
demnach keine Klage auf mich zu bringen sein, auch weil
ich mich eifriger als je erweisen werde."

Nach diesem kamen Acaman, ein wolf smäuliger und drachen-
echwänziger Teufel über 40 Legionen, Marchocia, wie ein Wolf
gestaltet mit Greifen, Flügeln und Schlangenschwanz, ein Herr
über 30 Legionen, Sidoneus, der höllische Drachenreiter, ein
großer dreiköpfiger König mit einem Ochsen, Menschen- und
Bärenkopf, Gänsefüßen, ein Geist über 72 Legionen.

Karl Amraln. Deutsche Schwankeraihler. IV. 3


Й 34

Alle drei spuckten große Feueretröme von sich, und dann
begann Sidoneuß.

„Die Welt redet von unseren Taten, die wir seit der Ab-
fertigung aus der Hölle begangen haben. Wieviel Städte,
Dörfer, Flecken, Kirchen, Klöster, Paläste haben wir zu Aschen-
haufen gemacht 1 Hat man wohl schon soviel in Feuer und
Brand aufgehen eehen ais in diesem Kriege, sah man schon
soviel in die Lüfte springen als jetzt, wo wir dem munteren
-Hahnen so tapfer an die Hand gingen ? Hat man das Geschütz
jemals so greulich donnern hören als in den jetzigen Feld-
belagerungen? Wann wurden die Leute mit so großen Feuer-
bomben, Granaten und anderen Feuerwerken so geängstigt als
zu Groningen, Mastrich, Grave und an anderen Orten?

Wir werden natürlich nicht aufhören mit allerlei neuen
Feuererfindungen beiden Kriegsteilen an die Hand zu gehen.
Unsere größte Ergötzung besteht ja am Mordbrennen an Feuer-
schaden und Jammer 1 Wir hoffen demnach, daß unsere Dienste
dem höllischen Beiche zu erbaulichem Nutzen gereichen werden,
und daß wir beim großen Lucifer bestermaßen rekommandiert
werden."

Jetzt kam Bune, ein dreiköpfiger Drache über Reichtum,
der 30 Legionen kommandierte, dieser redete die Deputierten
an : „Meine gebietenden Herrn ! Bei mir steckt der Knoten ! Ich,
ich bin der rechte Kerl, der so manchem, welcher den leidigen
Reichtum wollte, den Hals brach. Ich habe Krieg, Aufruhr,
Verräterei, Mord und Brand angestiftet.

Meinet ihr nicht, daß den Hahnenkönig sein großer Reich-
tum blendete und übermütig gemacht hat, so daß er gedachte
die ganze Welt zu gewinnen und noch größere Schätze zu
sammeln? Ich nehme ihm diese Meinung noch nicht und reize
ihn wackér dazu. — Wieviel große Potentaten habe ich durch
das schnöde Gold verblendet, so daß sie als Mietlinge ihr Volk
und Land für die Wohltat anderer dahinschlagen 1 Was hat
England, Schweden, Köln und Münster um französisches Geld
nicht getan? Wie es ihnen zum Teil bekommen und noch be-
kommen wird, das geht mich nichts an. Je größer ihr Schade,
umso gewaltiger meine Freude. Witte, Grot, Mombas, Serini,
Franche Nan i, Nadasti, Tettenbach, Auersberg und der ehr-
liche Lobkowitz haben auch in Erfahrung gebracht, wie das
französische Geld zu nutzen sei.

Weil aber auch ohne das nur zu gut bekannt ist, was durch
die Kraft meines Goldes ausgerichtet wurde und ich mich ge-


^ 35 Ks)

traue noch mehr damit zu tun, so schweige ich still und be-
fehle mich in meiner Herrn hohe Gunstgewogenheit, versichernd,
daß ich des Lucifer und ihr getreuester Diener verbleiben
werde."

Darauf kam Zepar, ein Herzog in langen zerfetzten Lands-
knechtehosen, ein Mitbeweger und Anstifter der Liebe und Un-
zucht der Hurerei und des Ehebruchs. Der war Herr über
26 Legionen Teufel. Mit ihm erschien Sytri, ein Leopard mit
pfauenschwänzigen Flügeln, der sich in sehr schöne Gestalt der
Menschen verwandeln und die Weiber zur Geilheit bringen
kann. Außerdem kam Forreum in Gestalt eines Meerwundere,
ein Geist der schönen Rede, der Musik, vergänglicher und un-
nützer Freude wie der Wollust. Er herrscht über 29 Legionen.
Zepar nahm das Wort: „Niemand kann leugnen, daß durch
uns dem höllischen Reich großer Nutzen und starke Ver-
mehrung wird. Wir haben es dahin gebracht, daß Hurerei,
Ehebruch, Unzucht, Fresserei, Völlerei, üppige Kleiderpracht
keine Sünde und Schande mehr sind, sondern ab löblich und
rühmenswerte Taten gelten.

Keiner gilt ja heutigentags mehr als rechtschaffener Ka-
valier, wofern er nicht zuvor etlichen guten Männern Hörner
aufgesetzt, drei oder viermal die Franzosen gehabt hat und der
nicht brav fressen, saufen, sowie bald alle Tage einen anderen
Lumpen umhängen kann 1 Wir schleichen uns zu allen Bankette,
Luftepielen, Komödien, da es dort viel Gelegenheiten zu Liebe-
leien gibt. Wir haben es ihnen in den Kopf gesetzt, daß solches
raison d'Etat und de guerre sei.

Holland ist eine Schaubühne all solcher Schand- und un-
züchtigen Taten und mehr als Viehischer Notzüchtigung ge-
wesen. Soweit und hoch haben wir es seit Weltanfang allerdings
noch nicht gebracht als wie die Franzosen; darin sind sie uns
Teufeln weit überlegen. Wir bitten unsere Relation für ge-
nehm zu halten und uns als getreue Diener Lucifers ansehen
zu wollen."

Hier lief es Adrian Wurmfeld eiskalt über die Haut, da
er von Holland reden hörte. Nach all diesen gehörten Reden
wachte sein Gewissen auf und begann zu nagen. — Indem
kam Salmac mit einem Löwenkopf wie ein Landsknecht auf
einem fahlen Pferde reitend. Er kommandierte 50 Legionen
und seine Rede lautete:

3*


Й 36 Kd

S. T.

Meinen Beitrag zu dem gegenwärtigen Weltzustand habe
ich. nach Möglichkeit geliefert. Ich habe mich geschäftig er-
wiesen, um die Luft zu vergiften; ich und meine Untergebene
sorgten für hitzige Fieber, Eiterbeulen, Geschwüre und garstige
Krankheiten. Die Wunden der Verletzten steckte ich zur
Mehrung der Schmerzen mit Fäulnis an, Würmer machte ich
darein, daß sie unheilbar wurden und verderben mußten. Ich
werde mich des von den vielen erschlagenen Menschenkörpern
und gefallenen Viehes herkommenden Gestankes vortrefflich
bedienen, um die Sterblichkeit des Menschengeschlechtes, das
ja selber durch seinen unordentlichen Lebenswandel hilft, zu
mehren."

Nach diesen Worten kamen Sepor, ein Waeserherzog, der
die Schiffe versenkt. Dieser herrscht über 29 Legionen, wäh-
rend der ebenfalls erscheinende Pürel, ein Herzog des großen,
ungestümen Wasserbrausens 48 Legionen führt.

Ihnen hatte sich beigesellt Vive, ein reitender Löwe mit
einem Schlangenschwanz, der in seinen Händen statt Peitschen
zwei schrecklich zischende Schlangen hielt. Vive beherrscht
30 Legionen und ist ein Graf über die Wasserflüsse. — All
diese rühmten ihre Taten, welche sie in den Seekriegen verübt
hatten, wie z. B. Überschwemmungen, Wasserstauungen, See-
räuberei. Auf Grund ihrer Darlegungen wollten auch sie nicht
hintenan stehen.

Endlich begann Belial.

„Ihr allerseits liebe getreue Freunde und Brüder.

Ich zweifle nicht, daß Lucifer großes Vergnügen und
Wohlgefallen haben wird, wenn ich und Commissarius Payman
berichten, wie treulich und nach besten Kräften ihr in seinem
und des Reiches Dienstes tätig wäret. Gewiß wird er euch
seinerzeit mit höheren Ehrenämtern und Gewalt begaben.

Verharret demnach in euerer Treue, lasset euch die Er-
weiterung des Reiches angelegen sein ; verfüge sich jeder dahin,
wo er dem höllischen Stuhle am besten dienen und nutzen wird.
Seid nochmals freundlich für euer willig Erscheinen bedankt.
Ich werde nichts unberichtet lassen, was etwa euerem Lobe
fürträglich sein könnte. Seid unterdessen mir wie auch ich
euch beständig gewogen."

Hierauf entstand ein solches Freudengeheul und düsteres
Feldgeschrei mit derartigem erschrecklichen Flammenschütteln


(£4 37 jftd

und Feuerspucken, daß das ganze Erdreich erbebte. Bis zum
Himmel stoben die Funken und in diesem Funkenregen ver-
schwand das ganze Höllenheer. Adrian vor Angst und Schrecken
halb erstarrt und gestorben begann gegen Tagesanbruch
der Sache recht nachzusinnen und fand, daß auch er die ganze
Kriegszeit über dem Teufel und seinem Höllengeschwarme treu-
lich gedienet habe.

Jetzt ging er in sich und beherzigte das binde, welches
schlimm ablaufen konnte, zumal die Belohnung die ewig
dauernde Höllenstrafe sein sollte.

Hit bittern Zähren bereute er seinen Jammerzustand und
verlangte nach dem Tode, wofern er nur vorher seine Sünden
beichten und sich mit Gott versöhnen konnte.

Li diesen Gedanken und herzinnigen Seufzern ging er bei
hereinbrechender Morgenröte aus dem in Asche glimmenden
Dorf dem Wald zu, wohin ihn die Straße führte. Seufzend
sprach er:

Wie die frühe Morgensonne
Laß auch deine Gnadenwonne
Höchster Gott auf mich jetzt blicken,
Löse mich von Teufels Stricken.

Im Weitergehen überkam ihn eine rechte Reue über alle
seine Missetaten, und um sein Herz zu erleichtern sang er:

1.

Wann der helle Tag verglichen

Und auf dunkelschwarzer Bahn
Kommt die finstre Nacht geschlichen,

So fang ich zu heulen an;
Bricht der Morgen durch die Nacht
In der schönsten Bosenpracht,

Dann so heb ich an zu klagen

Meine Sünd und derer Plagen.

2.

Das Leid nenn ich meinen Vater,

Meine Schwester Traurigkeit.
Ich weiß keinen Hort noch Bater,

Der in so bedrängter Zeit
Auf mein ängstiges Geschrei
Mir mit Hilfe spränge bei;

Hier auf dieser Jammer Erden

Kann ich nicht mehr fröhlich werden.


38 Jfcd

3.

Ach! Mein Gott seh ich die Decke

Deines blauen Himmels an,
Ich mich also fort verstecke,

"Wie dort Adam hat getan.
Weil ich weiß, daß deine Huld
Ist verscherzt durch meine Schuld.

Darum schlag ich schamhaft nieder

Meine nassen Augenlider!

4.

Ach! Mein Hals girrt wie die Taube,
Die als Witwe traurig sitzt:

Wann durch schnellen Habichteraube
Ihres Gatten Blut verspritzt!

Ich weiß nicht, was ich gedacht,

Daß ich soviel Sünd verbracht,
Die nun mein Gewissen drücken
Und mich ganz zur Erden bücken.

5.

Wo will ich dem Zorn entfliehen,
Den mir das Gesetze droht:

Wollt ich gleich ans Weltend ziehen,
Folget mir doch meine Not:

Bettet ich mich in die Holl,

So bleibt doch mein Schlafgesell
Mein Gewiesen das mich naget
Und ganz unaufhörlich plaget!

6.

Meine Kraft hat mich verlassen,
Mein Herz lebet und verzagt.

Mich auch meine Freunde hassen,
Weil ich werde so geplagt;

Ach! Mein Nächster stehet fern,

Weil mich drückt mein Unglückestern.
Wer sich sonst mit mir erfreuet,
Jetzt mich flehet und mich scheuet.

7.

Aber Herr, laß von dem Grimme
Deines Zorne, ich bitte dich


6^1 39 K§>

Mit herzflehendüoher Stimme 1
Liebster Gott! Ach! Höre mich!

Hör, erhöre, mich gewähr

Meiner Bitt und zu mir kehr
Deine gnadenvollen Ohren,
Daß ich werde nicht verloren!

8.

Und wenn Gott, du mein Erretter

Ich ja nicht bestehen kann
Vor dir als ein Übertreter

Des Gesetzes, so nimm an
Deines Sohnes Angst und Not,
Marter, Leiden, bittern Tod,

Welches er für mich gelitten

Und dadurch mir Gnad erstritten.

9.

Sei barmherzig, gütig, gnädig,

Herr, wie du versprochen hast.
Mach mich meiner Sünden ledig,

Ach! Entlaste mich der Last,
Die mir meine Seele drückt:
So will ich ganz wohlgeschickt

Dich besingen, loben, preisen

Und dir ewig Dank erweisen!

Wie nun Adrian also mit helltönender Stimme sang, be-
gegnete ihm ein alter Mann, der auf der Achsel ein Feuerrohr
trug. Zu diesem hatten sich viel Beisende gesellt, da er mit
etlichen 20 Karren Getreide bei der Armee gewesen war.

„Landsknecht, woher? Wo hinaus?" rief der Mann Adrian
Wurmfeld an. Als er nun Deutsch antwortete, er sei Willens
nach Frankreich und von da aus in sein Vaterland zu reisen,
da hatte der Alte, welchem Adrian außerdem erzählte, wie
er zu Utrecht von den Franzosen zum Soldatendienst genötigt
worden sei, Mitleid.

„Guter Freund/1 meinte der Alte. „Ihr werdet mit dem
Soldatenkleid schwerlich durch das Land kommen, denn die
Erbitterung der Landsleute auf die Soldaten ist gar zu groß!
Hier hab ich auf dem Karren noch einen alten Fuhrmannsrock
liegen, den könnt ihr anziehen. Ziehet euer Koller aus und


(£4 40 Jfcd

werft's auf den Karren bis wir nach Frankfurt kommen. Da-
selbst könnt ihr schon Gelegenheit finden, weiter zu kommen."

Dieser Bat war gut und Adrian hatte an dem alten Korn-
handler bis nach Frankfurt einen getreuen Reisegefährten.

Von Frankfurt verfügte er sich nach Köln, dann nach
Amsterdam und schließlich heimwärts.

Da traf er zwar nicht mehr seinen Vater am Leben,
wohl aber die Mutter, frisch und gesund. Die unverhoffte
Ankunft des Sohnes erfreute die Mutter natürlich auf das
höchste und Adrian nahm sich von nun an ale gebesserter Mensch
des ganzen Hauswesens an.

Ende.


Ale Anhang fügen wir den Anekdoten und Schnurren
eines Bebel-Prey-Lindener — des Zimmerischen Chronisten —
noch etliche Schwanke bei, für welche sich nur zum aller-
geringsten Teil Quellen ausfindig machen ließen.

Vielleicht gelingt es durch die Veröffentlichung des im
Laufe mancher Jahre gesammelten Materialee entsprechende
literarhistorische Angaben zu gewinnen.

Es sind keineswegs allein deutsche Schwanke, welche wir
in diesem kurzen Anhang der Öffentlichkeit unterbreiten. Fran-
zösische, vielleicht auch italienische Vorlagen mögen es ge-
wesen sein, denen diese Kleinigkeiten entnommen und in Witz-
und Unterhaltungsbüchlein billigster und darum volkstüm-
lichster Art niedergelegt wurden.

Manche Schnurre obskurster Herkunft mag hunderte von
Jahren alt sein, wahrend andere erst in der ausgelassenen Zeit
der großen französischen В evolution aufkamen. Doch wir ver-
lieren uns in unfruchtbaren Vermutungen.

Wir lassen die Findlinge in der kunterbunten Reihe folgen,
in welcher sie ausgehoben worden sind. Aufrichtig sei
bekannt, daß all die Kleinigkeiten in einer Zeit zusammen-
gestellt wurden, da dem Verfasser das Studium der Volkskunde
ferner lag.

Keckheit dieser Stücke, welche sich in einzelnen Samm-
lungen vorfanden, war der eigentliche Anlaß der Zusammen-
stellung von der im Laufe der Jahre auch manches Blatt
wieder untergegangen ist. — Vielerlei Bedenken hielten uns
ab, den vorhandenen Stoff, der ja stellenweise sicherlich recht
unerquicklich ist, wieder bekannt zu geben, und wenn ledig-
lich der subjektive Maßetab entscheiden würde, wenn anzu-

*


Й 42

nehmen wäre, daß diese Schnurren der Volkskunde unförder-
lich wären, so möchte eine Unterdrückung der kleinen Samm-
lung wohl die zweckmäßigste Maßregel gewesen sein.

Nachdem aber in der Anthropophyteia ein führendes wissen-
schaftliches Organ erstanden ist, welches die Erhebungen auf
dem Gebiete der Entwicklungsgeschichte geschlechtlicher Moral
zusammenfaßt und nur für Gelehrte zugänglich macht, glaubten
wir diese Proben derber Sinnlichkeit bekannt geben zu müssen,
selbst auf die Gefahr hin, von einzelnen Forschern getadelt
zu werden. Berufenere Fachgrößen mögen die Quellenmäßig-
keit ergründen; wir nehmen im literaturhistorischen Interesse
dann den Tadel schon gerne hin.

Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit eine Notiz, welche in
der bei Christoph Biegel 1736 zu Nürnberg erschienenen „Aus-
führlichen und grundrichtigen Beschreibung der Herzogtümer
Lothringen und Savoyen enthalten ist. Dieselbe besagt:

„Uster ist ein Städtlein und schloß samt 4 Flecken, deren
Innewohner / Vätter der kurtzweiligen Beden und Possen ge-
nennet werden / und deren possierliche Händel / Schwanke und
Taten die andere Burgunder / die Zeit zu vertreiben / unter-
weilen zu erzehlen pflegen."

Sollte dies nicht etwa ein willkommener Anlaß sein, nach
den hier erwähnten Possen und Schwänken Nachforschungen
zu halten? Es steht außer Zweifel, daß die „kurtzweiligen
Beden" bereite im Anfang des 18. Jahrhundert — aller "Wahr-
scheinlichkeit nach aber schon weit früher — über die Grenzen
Burgunds bekannt gewesen sind.

'Für die eigentliche Geschichte, besonders aber die Kultur-
geschichte, dürfte die Suche nach diesen Schwänken und Taten
wertvolle Ergebnisse zutage fördern.

Wir können in dieser Beziehung eigentlich gar nicht genug
von diesen Einzelheiten zusammentragen, denn manches Ge-
schehnis wird erst durch solche an und für sich gänzlich irre-
levant erscheinenden Kleinigkeiten erklärlich und bedeutsam.

Ob einzelne der im Nachstehenden gebrachten Geschichtlein
etwa aus Uster sind, müssen wir dahingestellt bleiben lassen,
solange keine klaren Beweise erbracht sind.

Wichtig genug erschien es, kurz der Schwanke von
A. Tünger, welche vielfach im südlichen Schwaben spielen, zu
gedenken. Diese Schnurren nehmen nämlich eine Zwischenstel-
lung zwischen den von anderen Autoren übernommen und den
selbsterlebten Geschichtchen ein. Die Sammlung ist dem Ge-


<sai 43 im

schmack der Zeit entsprechend lateinisch geschrieben, aber im
Hinblick auf den hohen Herrn, dem das Buch gewidmet war,
auch gleichzeitig verdeutscht worden.

Augustin Tünger, geboren zu Endingen um 1456. In Erfurt
studierte er und heiratete mit 23 Jahren 1478 gegen die Wünsche
seiner Angehörigen. — 1486 schrieb Tünger seine Schwank-
sammlung, die meist Schauplätze am Bodensee hat. Tünger
schrieb dieses sein Erstlingwerk lateinisch wie es die Zeitsitte
wünschenswert machte. Da aber Graf Eberhard von Württem-
berg und Montpelgard, dem die Sammlung gewidmet war, der
lateinischen Sprache nicht mächtig war, wurde eine deutsche
Übersetzung angefügt. Die Sammlung führt den Titel



August Tünger

Procuratoris curiae Constantiensis
ad Eberhardum Ducem

Facetiae
Latinae et Germanicae1)

I486

i) Bs sind 54 kleinere Schwanke, welche „dise ersten
Fruchten der Vernunfft" ausmachen und durch ihre Volks-
tümlichkeit auffallen. Wir bringen nach der Ausgabe von
Adelbert von Keller (1874) die für unsere Zwecke wichtigeren
Nummern, aus denen wir neuerdings Beweise für die Art der
Unterhaltung in jener Zeit gewinnen.



1. Angeführt.

Ein Priester wollte von Schuttern (im badischen Ländel)
gen Straßburg gehen. Unterwege gesellte sich zu ihm eine
lockere, aber hübsche und formschöne Frau. Auf der Straße
wurden beide einig, daß die Frau dem Priester in der Stadt
Herberg gebe. Als sie in die Stadt gelangt waren und zu
Nacht gegessen hatten, kam die Zeit zum Schlafen. Wie die
Frau sich in der Stube ihrer Kleiderhüllen entledigt, ermahnte
sie den Priester, er solle sich wegen der Kälte draußen in der
warmen Stube ausziehen. Nackt begleitete er die nach der
Lagerstätte gehende Frau bis man zu der hinteren Türe ge-
langt war. Da sagte die Frau, wenn er seine Notdurft ver-
richten müsse, solle er dahin gehen. Sofort ging er hinaus,
und flugs schloß das Weib hinter ihm die Türe ab. Anfäng-
lich meinte der Priester das sei ein Scherz, denn lange konnte
man der Kälte wegen dies nicht ertragen. Die Sonne stand
gerade im Zeichen des Steinbockes, also wann es am kältesten
ist. Der Priester ging darum zur Türe und klopfte. Das
Weib schwieg, als ob es nichts gehört habe. Auf das fort-
währende Pochen des Geistlichen aber fragte die Lockere zornig
hinterm Laden her, wer denn also bei Nacht klopfe; sie werde
für Bestrafung sorgen, wenn sie den Täter kennen lerne. Der
Geistliche gab sich zu erkennen und sagte, er habe doch mit
ihr zu Nacht gegessen. Ferner fügte er hinzu, jetzt müsse
der Scherz ein Ende haben, denn er friere gewaltig. Daraufhin
begann die Dirne zu schimpfen und zu lärmen, so daß die Nach-
barn herbeieilten und den nackten Mann mit Steinen weg-
scheuchten. So war der Geistliche genötigt in eines armen
Gärtner Häuslein zu übernachten. Am anderen Morgen in der
Frühe lehnte sich der Gewandlose etliche Kleider und zog ohne
die Geschäfte, wegen deren er gekommen war, verrichtet zu
haben, wieder heim, doch ohne Geld und Kleider.


Й 48 й

Es ist einem weichlichen Manne aber schwer, Verschmitz-
heit und Heizung von losen Dirnen nicht zu beachten, welche
fast die allervortref fliehe ten Manner betrogen haben, wie weit
und breit erzählt wird. Darum ziemt sich für jeden Mann,
Wollust und fleischliche Begierlichkeit mit Keuschheit und
Mäßigkeit zu zähmen und zu meistern, daß er nicht in so
räuberische Klauen gerate. Von den ehrenwerten, ehrbaren
Frauen will ich hier nichts sagen. Warum? Ihnen gebührt
allzeit Lob und Ehre und diese Zier zeigt sich stete an ihnen.

2.

Eine ähnliche Geschichte, nur sind es da zwei Priester in
Straßburg, die sich schon auf das Schäferstündchen freuen. Wie
man sich zu Tisch setzen und schlemmen wollte, kamen zwei
Zuhälter, die von den Dirnen in Kenntnis gesetzt worden waren.
Die Pfaffen flohen zum Fenster hinaus und die Zuhälter
ließen es sich wohl schmecken.

8. Ein Lebensweeker.

Ein Bauer aus Hessen kam in die Stadt Erfurt. Der Weg
führte ihn an einer Apotheke vorbei, aus welcher solche Ge-
rüche ausströmten, daß der Bauer ganz ohnmächtig zu Boden
sank. Von allen Seiten liefen Leute herbei, um rasch Hilfe
zu bringen. Mancherlei Mittel wurden aus der nahen Apotheke
geholt, zur Belebung des Ohnmächtigen, indessen umsonst, die
Apothekermittel betäubten den Bauer stets mehr! Endlich lief
ein Mann herzu, der erwischte Kuhmist und hielt den Fladen
dem Bauer vor die Nase. Da schlug der Ohnmächtige die Auge
wieder auf und kam zu sich.

4. Wann beten wir wieder.

In der Stadt Endingen nahm ein hochbejahrter Mann eine
sechzehnjährige Maid von schwellenden Formen zum Eheweib.
Der fromme Mann gedachte sein Weibchen gut zu ziehen und
so sagte er in der ersten Liebesnacht, es zieme sich, bevor man
der Liebe pflegen wolle, das Pater noster zu beten. Die Ge-
wohnheit hielt eine Zeit an, aber schließlich wurde der alte
Mann der Liebesspiele überdrüssig und müde, so daß auch das
Pater noster nicht mehr gebetet wurde. Anfange wunderte sich
die junge Ehefrau, da ihr Mann doch so hitzig gewesen war,
als ob er gar nicht genug bekommen könne. Allgemach dachte


їй 49

indessen das Weibchen, der Mann habe wohl die Sachen nur
vergessen, so daß man ihn daran ermahnen müsse. Finge fing
das Frauchen auch an den Gatten zu küssen und zu halsen
und fragte dabei verschämt, „wann beten wir denn wieder?"

5. EinfaltplnseL

In der Stadt Butzbach, vier Meilen von Frankfurt, lebte
eine schöne Jungfrau, für die ein Jüngling so in Flammen ge-
riet, daß er ihr bei Tag und Nacht in den Weg lief. End-
lich war die Maid überwunden und sie gab dem Jüngling Zeit
und Ort an, da sie sich ergeben wolle. Als die beiden Men-
schenkinder sich endlich einander in den Armen lagen und die
Maid, dem Jüngling erlaubte, nach seinen Wünschen und Be-
gierden mit ihr zu verfahren, begann der Bursche mit einem
Male zu seufzen an. Er tat gar nicht freudig, wie man es
sonst bei solchen Gelegenheit ist. Als die Maid darob beküm-
mert war und eich nach der Ursache der Traurigkeit erkun-
digte, sagte der Jüngling, er getraue sich nicht seinen Begierden
entsprechend mit der Dirne umzugehen, denn sie könnte viel-
leicht schwanger werden und ein Kind bekommen. Das auf-
zuziehen, würde große Kosten für ihn verursachen! Schließ-
lich bat der Bursch fortgehen zu dürfen. Die Jungfrau wurde
darob sehr ungehalten, denn sie wollte dem Einfaltspinsel ihre
Schönheit und Ehre gewähren, jener aber achtete ein kleines
zeitliches Gut höher ab ihre Liebe. Sie nahm sich vor Bache
zu üben. Da es Nacht und finster war, nahm sie den Jüngling
bei der Hand und tat so, ab ob sie ihn wieder zur Türe führen
wolle. Ab sie aber an die Stiege kamen, warf die zornige
Dirne den Buhler hinunter. Da lag er lange ohnmächtig und
ab er wiederum zu sich kam, mochte er wohl ermessen, daß
Buhlerei und Kargheit übel zusammenpassen.

6. Der Verliebte.

In der Stadt Chur war ein Jüngling, der liebte eine schöne
Jungfrau. Ab die Maid von den inständigen Bitten ihres Lieb-
haber überwunden war, kamen sie verabredetermaßen in einem
Keller zusammen, darinnen sich viel Äpfel vorfanden. Die
Jungfrau hoffte die herzlichsten Beweise glühender Liebe zu
erhalten, doch — da fing der Liebhaber an Äpfel zu essen
und kümmerte sich gar nicht mehr um die Maid. Darob er-
zürnte die aus all ihren Himmeln gerissene Jungfrau und be-
begann den verfressenen Liebhaber zu mißhandeln, sowie ihm

Karl Amrain. Deutsche Schwankerz&hler. IV. 4


vorzuwerfen, daß lediglich dieser Apfelesserei wegen eine solche
Zusammenkunft gänzlich unnötig gewesen wäre. Danach eilte
die Maid zornig weg, schloß die Türe hinter sich ab, so daß
der Liebhaber einen ganzen Tag im Keller sitzen mußte.

7. Vergriffen.

Ein Student zu Paris hatte heimlich in seiner Schlaf-
kammer eine schöne Frau bei sich. Als er einmal vor Tages-
anbruch zur hohen Schule ging, stand die Huldin auf und
durchsuchte nach Gewohnheit jener Weiber die Kammer, um
gefallende Sachen wegzuschaffen. In der Dunkelheit erwischte
sie ein Krüglein mit Tinte. Sie glaubte der Inhalt sei Bosen-
wasser und so salbte sie sich allenthalben mit Tinte. Wie der
Student nach dem Unterricht heimkehrte und seine Geliebte
völlig geschwärzt s ah, schwanden ihm beinahe die Sinne, denn
er glaubte, aus Gottes Verhängnis habe ein böser Geist das
Weib so mißhandelt. Die Schöne gewahrte den Schrecken
ihres Galan und ohne die Ursache zu kennen, erschrak sie
ebenfalls. Endlich fand die Schöne wiederum Worte und fragte,
warum der Student eich denn nicht wie sonst zu ihr lege ? „Ich
bin über das schwarze, ungestaltete Angesicht gewaltig er-
schrocken," erklärte das verliebte Studentlein, „denn dein schönes
liebliches Antlitz ist in der Zeit, da ich in der Schule war,
schrecklich entstellt worden." Da die Frau sich nun selber be-
trachtete, gewahrte sie, daß sie sich statt mit Bosenwasser mit
Tinte gesalbt hatte. Nachdem der Student die Ursachen er-
fahren hatte, wurde er wieder fröhlich und legte sich neuer-
lich zu ihr.

Nicht alle Feuchtigkeit dient zur Erhöhung der Schönheit.
(Den Schluß mit seiner hausbackenen Moral lassen wir als zu
unserem Gegenstand nicht gehörend fort.)

8. Umsonst.

In Bayern lebte ein Mann, dessen Sohn mehr vom Weine
überwunden wurde, als daß dieser den Wein bezwungen hätte.
Der betrübte Vater sann bei Tag und Nacht, wie er dem Sohne
diese Leidenschaft abgewöhnen könne. Eines Tages fand der
Vater auf der Straße einen betrunkenen Mann liegen, der Speise
und Trank unverdaut von sich gab und alle Eigenschaften
trunkener Leute aufwies. »Das wäre wohl ein abschreckendes
Beispiel für meinen Sohn," dachte der Vater und lief eiligst,


<sï* 51 Jfce)

um das widerwärtige Schauspiel seineu Stammhalter vor Augen
zu halten. Wie der Sohn aber den Betrunkenen sah, sprang er
freudig hoch und sagte hastig: „0 welch einen guten Tropfen
hat dieser da getrunken! Mein Vater kennst du den Wein-
schenk nicht, der dieses Weinchen verkauft? Weise ihn mir,
damit auch ich zu dem gehen kann."

9.

In Straßburg zechten vor geraumer Zeit etliche Gesellen
hie tief in die Nacht hinein, so daß es schon dem Morgen zu-
ging. Zwei dieser Zechgesellen gingen schwerbeladen heim-
wärts. Sie mußten ihren Weg am Münster vorbei nehmen. Wie
sie nun an die vordere Türe gekommen waren, sahen sie den
vom Mond beschienenen Platz, der von den Häuserschatten um-
säumt war, für ein großes Wasser an. Lange standen die beiden
Zechgenossen und wußten nicht, was machen; endlich glaubten
sie doch den Versuch durch das Wasser zu waten, machen zu
können. So zogen sich die Zwei aus und wateten mit hoch auf-
gehobenen Füßen durch das Gewässer, bis sie in den Schatten
der dem Münster gegenüberliegenden Häuser gekommen waren.
Nun machten sich die Zechgenossen heim und erzählten große
Dinge von ihrer Waterei.

10.

Ein großer Doktor beider Rechte hatte elf Pfründe. Wäh-
rend der Gelehrte einmal seine Einkünfte zählte, kam sein
Bruder hinzu und der rechnete immer eine zwölfte Pfründe
hinzu. Eifrig rechnete der Doktor nach, konnte aber über
die Zahl elf gar nicht hinauskommen. Endlich fragte er seinen
Bruder, welches denn die zwölfte Pfründe sei? — „O Bruder,
die zwölfte ist dir die sicherste und wartet deiner in der Hölle,
wenn du die anderen verlassest. Du steckst in soviel herrlichen
Pfründen, während viele andere Priester in Armut leben." So
gab der Bruder nach allgemeiner Ansicht zu erkennen, daß es
unbillig sei, daß ein Priester zwei, geschweige denn zwölf
Pfründe habe.

11.

In einer deutschen Stadt hatte ein Goldschmied auswärts
ein Schwein gekauft und dasselbe in einem Sack heimgebracht.

4*


"Wie das Schwein in der Stadt aber frei umherlaufen durfte,
eilte es wieder heim zu dem Bauer. Der benachrichtigte Bauer
entschuldigte sich beim Goldschmied und wollte das Geld oder
das Schwein zurückgeben. „Solch ein witzig Tier will ich
nicht mehr," sagte der Goldschmied, „denn das Schwein über-
trifft ja alle Zunftmeister in der Stadt. Verbindet einem Zunft-
meister die Augen und bringt ihn mal an einen fremden Ort,
er wird sicherlich nicht wie diese Sau den Heimweg finden.


Der Graf mit dem Sehwani.

Humbert zog nach Italien, um Kaiser Heinrich III. in
Verona zu begrüßen. Er hatte ein groß Geschleif von Edel-
leuten bei sich. Der Kaiser ließ ihm sagen, er solle allein in die
Stadt kommen. Graf Humbert antwortete, ohne seinen Schwanz
werde er nicht die Stadt betreten. Kaiser Heinrich lachte
darüber sehr und hieß ihn mit seinem Schwanz hineinziehen.
Seit jener Zeit nannte man Humbert, der 1076 mit dem Titel
eines Markgrafen Italiens geehrt wurde, nur noch den Graf
mit dem Schwanz.1)

Ein Spruch sagt: Junge Bettschwee ter alte Betschwester.

1656. Aus dem Waldenser Krieg.

Welche Greuel diese reformierten Christen unter Herzog
Emanuel zu bestehen hatten, ist schwer zu beschreiben. Unter
General Marquis Pianesse wurden Kirchen verbrannt. In dem
Dorfe Tilladed trieben die Soldaten mit 150 Weibern und Kin-
dern ihren Spott, schlugen ihnen hernach die Köpfe ab und spielten
damit à la boule. Kinder wurden gebraten, deren Gehirn gefressen,
aber bald hatten die Soldaten genug, weil sie Bauchgrimmen be-
kamen. Weibern und Jungfrauen schnitt man die Bäuche auf
und streute Salz und Pulver hinein, andere wurden nackt aus-
gezogen und bekamen den Kopf zwischen die Beine gebunden,
hernach rollte man sie von Felsen, Häusern usw. hinab. Jung-
frauen öffnete man die Brüste, hieb ihnen die Scham aus oder
stopfte ihnen, nachdem man sie geschändet, Steine in die Ge-
schlechtswege und trieb die Mädchen umher bis sie starben.
Andere Mädchen bekamen die Scheide voll Pulver gestopft, das
man anzündete und welches die Opfer zerriß.1)

*} Ausführliche Grandrichtige Beschreibung der Herzogtümer
Lothringen und Saroyen etc. Nürnberg bei Christoph Riegel 1736:


Й 54

Jonas ist ein Schloß, nicht weit von Ait in Savoy en. Der
Besitzer und Herr dieses Schlosses wurde 1602 von den
Genfern aufgehängt, als er in der Nacht mit anderen die
Werke der Stadt ersteigen wollte. Seine Witwe begehrte den
Kopf zu sehen und zu küssen, weil er aber am Galgen steckte,
konnte man den Wunsch nicht erfüllen. Da ließ sich die
schwanger gehende Schloßherrin verhungern.1)

In der Nähe von Bareman, einem Marktflecken Savoyens
steht eine Kapelle. Diese enthält verschiedene Ölgemälde,
darunter ein Bild, welches eine auf der Vorderseite ganz splitter-
nackte Jungfrau darstellt. Mit den Händen hält sie ein mensch-
lich Haupt und Knochen. Der halbe Teil des Angesichtes ist
noch fleischig, der andere stellt die Knochen dar. Göttinnen
und Laster mit ihren Schmerzen werden dabei gesehen. Die
Inschrift lautet: О Lecteur regarde moy!1)

Orgelet liegt in Burgund, von diesem Gewerbeorte ging
das Sprichwort: Man findet dort Felder ohne Gras, Flüsse
ohne Fische, Berge ohne Holz und eine solch gute Luft, be-
sonders auf dem öffentlichen Platz, daß wenn jemand von
einer guten Mahlzeit aufstehe und dahin gehe, ihm die Kunst
zu essen, in einer halben Stunde wiederkomme.1)

Bei Dole in Burgund ließen sich am 26. Januar 1676 um
9 Uhr früh soviel Vögel in der Luft sehen, daß alles finster
wurde. Nachdem sie bei zwei Stunden untereinander herum-
geflogen, als ob Zank oder Streit zwischen ihnen entstanden
wäre, haben sie endlich sich in zwei Parteien geteilt und also
gleichsam herausgefordert, wonach es vollende angegangen ist.
Mit furchtbarem Geschrei und Ziechen, das überall gehört
wurde, stürmten die Vogelscharen aufeinander. Dieser Kampf
dauerte etliche Stunden und viel tausend Vögel fielen zur Erde
tot, zerrissen, blutig, halberstickt. Die Oberlebenden flogen
endlich müd und abgemattet wiederum fort. Leute, die nach-
her die Wahlstatt besuchten, sahen die hundert Vogelarten.

*) Ausführliche Grandrichtige Beschreibung der^p Herzogtümer
Lothringen und Savoyen etc. Nürnberg bei Christoph Riegel 1736.


62* 55 Jfce)

Der größte Teil war schwarz und wog vier bis fünf alte
Pfund, sie hatten sehr scharfe und krummen Klauen und ge-
bogene Schnäbel wie Papageien. Etliche waren aschengrau
und besaßen schwere Klauen, Beiherschnäbel und -Füße, auch
Flügel mit zwei schuhlangen Federn. Andere waren größer
wie Tauben mit gelb und schwarzen Federn, sie hatten Füße
wie Gänse und einen Schnabel wie kleine Zähne. Eine andere
Art ähnelte in Größe und Klauen den Sperbern. Der Schnabel
war grau und meergrün gemischt, das Gefieder war gelb.
Ferner befanden sich Vögel darunter mit großen langen Schnä-
beln, die am Ende wie Hörnlein gebogen waren. Das Gefieder
ähnelte dem Kienruß, die Läufe glichen Geierklauen. Schließ-
lich fanden sich Arten wie Fledermäuse und Nachteulen, dann
aber auch nie gesehene Arten. Wo das Treffen dieser Vogel-
schlacht am schärfsten war, hat man Haufen gefunden von
Leichen, die sich mehr als 500 Schritte erstreckten, ohne was
vereinzelt dalag.1) Cfr. Poggio IV. Bd. Born. Meistererzähler
Nr. 240.

Barbara Volk, die 60 Jahr alte Witwe des Schusters Volk
aus Gunstett, als Hexe verdächtigt, gibt in Hagenau in Elsaß
der Gerichtebehörde im Protokoll vom 18. Juni 1627 an,
sie habe 14 Jahre lang dem Teufel als Lichtstock gedient in
der Weise, daß sie mit einem Licht im Hintern auf dem Kopf
stand. (Cfr. dazu Kiele: Hexenwahn und Hexenprozesse in der
ehemaligen Reichsstadt Landvogtei Hagenau, Hagenau 1893.)

*) Ausführliche Grundrichtige Beschreibung der Herzogtümer
Lothringen und Saroyen etc. Nürnberg bei Christoph Riegel 1736.


1. Die kranke Kurtisana.

Eine Kurtieana war bei den zu Euren Kaiser Maximilians
in Augsburg gegebenen Festlichkeiten sehr ins Gedr&ng ge-
kommen. Sie fühlte nun ein Bedürfnis, das sie nirgends
konnte befriedigen. Endlich drückt sie sich durch die Menge
zur nächsten Apotheke und klagte dem Apotheker, wie krank
sie sei. Der hielt ihr eine Kachel hin, worein sie all ihreNot
und Krankheit legte und versprach nach einiger Zeit, falls
der Apotheker der Krankheit Ureach gefunden hätte, wieder
zu kommen und die Arznei zu holen. Der Apotheker machte
sich sofort daran die Substantiam zu untersuchen. Er fand auch
etwas, was daraus zu ersehen, daß er ein Latwerg kochte und
die Konfektion zurecht machte. Unsere von Leibenöten befreite
Kurtisana lachte aber über den Apotheker und ließ ihn warten.

2. So ist vielen geholfen.

Eine hübsche aber lose Dirne war, ich weiß nit warum,
etlicher Städte verwiesen und kam nach Venedig. Weil sie aber
nicht ein noch aus wußte, fragte sie listigerweise nach dem
jüngsten Doktor in der Stadt. Die Leute, meinend sie suche
dessen Adresse, verwiesen sie an den jüngsten Medico. Wie
sie nun zu dem kommt, klagt die Dirn ihr sei übelmächtig
weh, ich weiß nicht an welchem Sekreten Ort, auch sei ihr
am Busen manchmal gar eng. Der in seiner Fakultät wohl be-
wanderte Arzt war höchlichst erfreut, ein solch hübsch Dirn-
lein bei sich zu sehen, weil ihm die Praxis nit wohl geraten
wollte, zu gedenken, daß viele alte Chirurgi ihm das Brot
kurz machten. Unser Medikus ließ das Dirnlein nackend sich
abziehen, und als er es so vollbusig und nicht haarig, ich weiß
nicht wo, fand, da fing ihm an der Wurm unruhig zu werden.


Й 57

Item der Medikus begriff die Dirn und sah auch nach dem
Übelmächtig wehen Ort, könnt aber nichts finden. Listig meint
die Hübsche: Herre Doktor, euer Hand ist mir wie lind Salb.
Da merkt der jung Doktor, wo es hinauswollte und lachte über
die List der Dirne. Trotzdem behielt er sie bei sich und ecce!
Von diesem Tag an ging sein mestier, wie die Franzosen sagen,
vorzüglich. Alle alten liebeshungrigen Männer kamen zu dem
jungen Doktor und wollten gesund werden pro ancilla. So ward
die Dirn versorgt, der Doktor ein reicher Mann und die Un-
gesunden gesund.

8. Zwei Eier und mehr.

Ein Saffianlederarbeiter, dessen Eheweib gestorben war,
hausierte mit seinem 19 jährigen Töchterlein so Eva genannt
war und mit einem Gesellen. Letzterer war ein loser Schalk,
der nach dem jungen-Jungfer fleisch gierig war. Der Saffian-
lederarbeiter konnte den Gesellen gut leiden, weil er zuzeiten
tüchtig zu arbeiten wußte. Eines Abende kam der Schalk mit
zwei Eiern heim und bat den Meister die gleich essen zu dürfen.
„Geh zur Eva, sie soll dir die Eier machen," meinte der Haus-
wirt. Der Schalk tat wie ihn der Meister hieß, ging zur
Kücho hinauf und schrie dann angesichts der Dirn hinunter:
„Meister, nit wahr, Eva soll meine zwei Eier nehmen?" —
„Ja," tönte es aus der Werkstatt und weiter. „Eva soll sich
nit besinnen! Unbedingt! Sofort!" Der lose Gesell hatte aber
inzwischen die Eier weggelegt, seinen Latz aufgemacht und
die Hoden ausgehenkt. Die gab er der Jungfer Eva in die
Hand, gleichwohl die sich anfangs ein wenig sträubte. Nicht
lang dauerte es und Jungfer Eva lag auf dem Küchentisch
und der Gesell oben ihr. Beide schwitzten, denn es war ein
heißer Sommerabend. Unser Gesell war aber ein vorsichtiger
Schalk, der das Mägdlein nit schwanger machen wollte. Ob-
wohl Eva noch mehr der Eier haben wollte, versagte ihr das
der Gesell und beendete die Liegenschaft. Beide gingen fort.
Nicht lang nachher kommt der Vater, leuchtet mit einem Licht
in dem Küchlein umher. Wie der den Küchentisch ersieht,
wird er ganz unwillig und spricht: „So ist das junge Volk!
Zuerst will es Eier und hinterdrein läßt es das best auf dem
Tisch verkommen." Damit schleckt er das vermeintlich
Eiweiß auf. Item es ist ihm so wohl bekommen wie einst
Dr. Peter Villenbach aus Straßburg.


Й 58 KS

4. Sie müssen Haare lassen.

Eine reiche und schöne käufliche Dame in Florenz bekam
Besuch von einer Freundin: „Sage mir," sprach diese, „was
bedeuten denn hier in deinem Schlafzimmer all diese blauen,
rosa, grünen, gelben Seidenfädenringlein mit jedesmal drei
Härlein darinnen." Inquit illa: „Mein gut Freundin, das
seind die teetimonia amoris. Wer in meinen Liebesgarten will,
der muß sich erst messen lassen, ob er nit zu breit sei für den
Weg." Da lacht die besuchend Freundin dicens: „Zu breit
kann er nit seinl Doch was bedeuten die Haar?" Ait illa:
„Das seind die Andenken an meine Freunde! Jeder muß drei
Härlein lassen, die bind ich in das Ringlein und sind die Farben
blau jene von Grafen, rosa von Junkern, grün von Pfaffen,
gelb von höchsten Pfaffen." Die Freundin patschte freudig in
die Hände und sagte „das will ich fürderhin auch tun, dann
es ist eine Empfehlung extra ordinem.' *

5. Von des Pfaffen Ziege.

Ein Landpfarrer wurde in die Stadt versetzt und nahm, seine
Gais mit. Nun war die Haushälterin alt und schwach, so daß
sie den Pfaffen bat, er möge sie draußen lassen. Das verwilligt
ihr der Pfaff, gab ihr ein Gnadengeschenk und versprach all-
monatlich für des Leibes Notdurft ihr zu sorgen. In der Stadt
fand sich eine junge Dim, die zu dem Pfaffen kam um Dienste
zu nehmen. Es war von Gesicht nit gerad ein schönes Mägde-
lein, tat aber den Pfaffen auch nit viel, da er besonders auf
ein verschafft Dirn sah. Wie die nun die Gais erblickt, könnt
sie selbige nit melken und ob der Pfaff ihre auch zeigen tat,
sie begriffe nit. Da hub der Pfaff an: „Vere, vere vos urbani
stulti estis. Nit anders kann ich dir's zeigen, du ziehest dich
denn blößig ab." Die gut Dirn sträubt sich nit lang, dieweil ihr
Herr ein geistlich Gewand anhat. Nun hieß der Pfaff die
nackte Dirn auf den Tisch knien, item so, daß sie sich auf
Knien und Händen gleich einem vierbeinigen Tier hielt. Als-
dann nahm der Pfaff, welcher mit großem Erstaunen des Mägd-
lein Leibesschönheit sah, die Äpflein der Dirn in die Hand,
streichelte und zog selbige. „Vide! So machst du der Gais
und sie wird dich nit mehr treten." Quibus verbis dictis
tätschelte er der Dirn die posteriora und beaugenscheinigte
den Montem Venerem. Fürwahr der guten Dirn wurde Heiß
und warm, daß sie Gnad gefunden vor ihrem geistlichen Herrn.


Й 59

Schnell zog aie sich an und wollt die neue Kunst Üben. Siehe
da, die Gais ließ es eich nit gefallen. „Vere, vexe," meinte der
Pf äff, „filia mea non bene capis." Mit diesen Worten führte
er sie wieder in die Stuben. „Jetzt sollst du's an mir lernen,
du dummes Ganslein." Auf dieses zog er eich vor dem er-
staunten Mägdlein ab und stieg auf den Tisch, wo er sich
gleich wie vorher das Dirnlein niederließ. „Videl" sprach der
Pf äff, „ich bin der Gaisbock! Buer greif mir zwischen die
Beine und melke michl" Item das Mägdlein tat's. Schüch-
tern ergriff es den Penitenzer des Pfaffen. „So jetzto
speutz in deine Hände und streiche nach abwärts." Item, die
Dirn tat's und begann zu melken. Ecce! Der Kloben ward
lebendig und begann sich zu recken und strecken. Der guten
Dirn wurd bang, meint, der Kloben würde in den Leib und
Nabel ihres Herrn dringen und wollt aufhören. „Melke filia
mea," schrie der Pfaff mit niederer Stimme. Die Dirn tat's
und siehe da, plötzlich begann die Milch herauszufließen.
„Domine," jammerte da die Dirn, „ich hab den Melkeimer ver-
gessen" und sprang damit, ehe der Pfaff etwas sagen kunnt, auf.
Als die Dirn mit dem Eimer kam, sprach der Pfaff: „Beete
fecisti amica mea! Es bedarf des Kübels nit! Du kannst
melken."

(Diese Schnurre ist auch heute noch in der vorderen Pfalz
in ähnlicher Fassung lebendig. Ob auch anderwärts?)

6. Er kommt noch.

In Arlot, ist ein altes und nahrhafftes Städtlein an der
Seule zwischen Blecterans und Castell Chauen, lebte einst ein
unschuldiger Bursche von 16 Jahren, eines Bäckers Sohn. Der
stand früh einst mit der Magd am Backofen. Da verlangte die
Magd zu wässern eodem tempore auch der dörperhaft Bursch.
Beide hatten große Eile und beide gingen in das Sprochhus.
Wie nun die Magd die Böcke hebt, sieht der Bursch, wohl
mag's zum ersten gewesen sein, daß die Magd kein penicill hat,
vielmehr ein Biß im Leib, daraus das Wasser kristallklar
herfürschlug. Die Magd hergegen sah nit ungern den peni-
tenzer des Burschen, griff darnach, so daß er unruhig ward.
,J)u hast noch keinen Dolch," meinte der Bursche, aber furcht
dich nit, er kommt noch." Die Magd lacht dessen. Da tönt
des Meisters Stimme und beide verließen ungesehen das
Sprochhus.


Й 60 ж$

7. Elefantenlaase.

In Arlot, liegt in der Grafschaft Burgund, lebte ein
Schneider, der wegen seiner Spaße ziemlich bekannt war. Bei
dem diente einmal eine junge aber törichte Dirn. Des Schnei-
ders Frau ging gelegentlich über Land zu einer Hochzeit,
während der Schneider viel zu tun hatte. Trotzdem konnte er
sich's nicht versagen, der dummen Dirn einen Possen zu spielen.
„Geh in die Apotheke und hole Elefantenläuse." Die Dirne
tat's und brachte sie heim. „Was hast du gemacht," schrie
er die Erschrockene an, „die leben ja nicht mehr." Die Dirne
heulte und weinte. „Ah," meinte nach einer Weile der Schnei-
der, „vielleicht sind die Läuse nur ohnmächtig. Steck sie dir
unten in den Leib und wärme sie im Bett." Der lose Geselle
brachte es so fertig, daß die Dirn sich an dem heißen Tag ine
Bett legte und vor lauter Angst wegen der ohnmächtigen Läuse
schwitzte. Alle Augenblicke kam der Schneider zu der Dirn,
begriff sie recht wacker am Schenkel und höher, um nach den
Läusen zu sehen. „Sie sind wirklich tot," klagte er mit ver-
stellter Stimm, als er die Läuse abends aus dem heimlichen
Orte selber herauszog.

8. Elefanteneier.

Derselbig Schneider trieb in Abwesenheit seiner Frau ein
andermal mit der dummen Dirn seine Possen. Von einem Ver-
wandten, der Mönch war, hatte unser Schneiderlein eine Kokos-
nuß bekommen. Die zeigte er der darüber baß verwunderten
Dirn mit dem Bemerken es sei ein Elefantenei. Selbiges wolle
er durch die Dirn ausbrüten lassen. Die Dirn sträubte sich
nicht, legte sich ins Bett und bekam die Nuß zwischen die
Brust. Da tastete der Schneider überoft nach den schneeigen
Hügeln der Dirn, vermeinend es sei die Nuß. „Es wird nix,"
meinte der Schneider am Abend, „du mußt das Ei zwischen
die Bein nehmen." Die Dim tat's und zu öfteren Malen kam in
der Nacht der Herr und griff der Magd an die Schenkel.
„Helasl Ich glaub das Elefantenfell zu spüren," rief das
Schneiderlein freudig. „O, oh," schrie da die Dim, „ihr reißt
meine Haar am Bauch." So ginge des öfteren in dieser Nacht.
Am anderen Morgen kam der Schneider wieder sagend: „Das
Ei muß warm bleiben." Daraufhin kroch er zu der Magd in
das Bett, nahm die Nuß zwischen seine Beine. „Jetzt steh
auf und mach das Tagewerk. Koch eine Suppe." Die Magd


Й 61 ^

tat's. Als sie mit der Suppe fertig war, rief der Schneider:
„Bring mir das Essen, denn mich hungert." Flugs brachte
die flinke Magd das Essen. Wie nun der Meister fertig war,
stöhnt er mit verstellter Stimme. „Was ist euch, Meister,"
hub die Dirn teilnahmvoll an. „Der Elefant macht mir Be-
schwerden," entgegenet listig das Schneiderlein und bat: „Sieh
doch zu wie er gedeiht." Nicht argwöhnisch greift die Dirn
unter die Decken ihres Bettes und meinte freudig : „Herr, Herr,
ich spür ihn schon!" — „Was spürst du," fragte verschmitzt
das Schneiderlein. „Herr, den Bussel des Elefant hab ich in
der Hand, er ist schon ganz lebhaft." Über diesen Beden hört
der Spaßmacher auf der Straße seine Frau reden. In einem
Hui ist er aus dem Bett der Dirn aufgewischt, so daß die
Dirn hinfiel und die Bein hoch in die Lüfte streckte. Schnell
nahm der Schneider die Nuß und eilte mit dem Buf „ich
kann keinen Elefanten brauchen," hinab in die Werkstatt.
Die gute Frau merkte nichts, sintemalen der Schneider der
Dira strengstens anbefahl nichts zu sagen.

9. Auf den Esel gesetzt

Ein Graf zu Nanzig in Lothringen buhlte mit der Frau
seines Freund. Die Frau, eine schöne Blondine, war prächtiglich
gebaut, hatte fein gedrechselte weiße Schenkel, große Äpflein
mit zierlichen Spitzen, einen schönen gerundeten Nabel,
fleischige Arme, fleischige Posterior a und ein gedrungenes rotes
Pförtlein zu des Leibes Paradies. Das Feld der Liebeslust war
nur leicht mit goldenem Flaum bewachsen. Kein Wunder, daß
dieses Weib jedem Mann gefallen mochte. Der Graf, ihr Ehe-
gemahl, hatte sich nun in der Jugend an Küchenmägden ab-
geritten und war ziemlich kalt, indessen die Frau einen Vulkan
in sich trug. So hatte der Freund gut Arbeit.

Lange ging's, daß die beiden sich mit Guggelfur unter-
hielten, aber einstmals bekam der Graf Wind von dem Treiben
seiner Gattin. Wütend kehrte er von der Jagd heim; siehe,
das Schlafzimmer seines Weibes war verschlossen. Er wollte
die Türe eintreten, aber da kam ihm der Einfall, vielleicht die
beiden Sünder auf frischer Tat zu ertappen. Bäsch saß er aufs
Pferd und ritt mit seinem Diener nach dem Schlosse seines
Freundes. Ungehindert bekam er Zutritt bis zum Schlafzimmer,
an welchem er ungestüm anpochte. „Helas! Wer klopft denn
da," sprach der Graf, welcher nackt auf der ebenso nackten


62 jfcd

Gemahlin seines Freundes lag und sich aus den ihn umschlingen-
den Frauenschenkeln befreite. „Verzeihe Freund! Ich bin's."
Als die Frau ihres Mannes Stimme erkannte, verkroch sie sich
in die seidenen Decken. „Freund," sprach der Liebhaber, „du
kommst zu ungelegener Zeit, aber da dich etwas wichtiges
herfuhrt, muß ich dir aufmachen." Dabei zog er ein seiden
Hemd an und öffnete die Tür.

Voller Argwohn trat der Graf in das hell erleuchtete Ge-
mach, da der Galan seine schöne Bettgenossin bei Licht und
Glanz genießen wollte.

„Also was wünschest du," fragte der Liebhaber. ,Дсп
suche meine Frau und wollte dich bitten mir behilflich zu sein,"
sprach vorsichtig der Ehemann.

„Der Tausend, deine Gemahlin suchst du? hoffentlich wird
ihr nichts böses zugestoßen sein! Ich wollte dir gerne helfen,
aber ich habe eine hübsche Demoiselle bei mir." Damit deutete
er auf das Bett.

„Freund," sagte da mit erstickender Stimme der Ehemann,
„und wenn es vielleicht mein ehelich Weib wäre?"

,Jhr beleidigt mich, Herr Graf," erklärte anscheinend ver-
letzt der Liebhaber. „Verzeiht," meinte der Ehemann, „wenn
ich euere Demoiselle anders als mit blonden Haaren unter Arm
und am Bauch finde, will ich euch aufs Wort glauben."

„Ha, ha, Ihr verlangt viel," lachte der Galan, „aber Euer
Wunsch soll Euch werden. Was wünschet Ihr zuerst zu
sehen ?"

„Ganz nach Euerem Belieben." — Da bat der Galan den
Grafen das Gesicht ein wenig abzuwenden, weil die Demoiselle
sich im Bett zurechtlegen müsse. Bäsch nahm der Galan vom
Kamin die Schminkdose, damit er seine Augenbrauen schwarz
zu färben gewohnt war und fuhr unter der Decke hin und her.
Nach wenigen Sekunden faßte er alsdann die seidenen Decken
und sprach : „Herr Graf, mein Freund, schauet zu und betrachtet
die Demoiselle erst von hinten." Der Graf wendete sich um
und sah die Füße, Schenkel und fleischigen Arschbacken
zwischen welchen sich ein schwarzer Strich hindurch nach
vorne zog.

„Nein, das ist meine Gemahlin nicht," versetzte der Graf,
laut ujud leiser sprach er zu dem die Decken haltenden Lieb-
haber. „Das ist ein ganz ordinäres Weib, das zeigen schon
die roten Arschbacken. Eine Gräfin hat aristokratische Arsch-
backen, zart weiße, keine solchen derben." — Darauf bat der


63 JKe)

Liebhaber den Ehemann, eich wieder ein bischen abwenden zu
wollen. Der Graf tat's und wie er alsdann auf Geheiß wieder-
um hinschaute, sah er ein bis auf den in Decken eingehüllten
Kopf nacktes Weib. Schwarz sah es an der Liebeshöhle aus,
schwarz waren die Punkte der Brüste, schwarz war das Ge-
biet unter den Achseln. „Deckt wieder zu," bat der Graf in
völliger Buhe, „ich hab genug gesehen! Es ware eine Ver-
sündigung an der Schönheit meines Weibes, wollte ich auch nur
eine Ähnlichkeit mit diesem langen Körper herausfinden. Dir,
Herr Freund, seid nicht verheiratet, Euch verzeiht man die
Variatio. Verzeihet, daß ich so unüberlegt bei Euch einge-
drungen bin." Der Galan wehrte dem ab und bat den völlig
in Sicherheit gebrachten Grafen bei ihm ein wenig zu verweilen.
Um seine vermeintliche Dummheit wieder gut zu machen, ver-
willigte ihm das der Ehemann. Der Galan brachte den Grafen
in sein Eßzimmer, klingelte nach feinen Weinen und bat nur
um Entschuldigung für wenige Augenblicke zur Verabschie-
dung der Demoiselle.

Flugs sprang der Galan zu der gefärbten Gräfin, zog die
Seidenstrümpfe, in die er geschlüpft war und ebenso das Seiden-
hemd aus und raste seinen Liebesrausch, der so jählings unter-
brochen war, mit erneuter Lust in dem blühenden Fleisch der
Gräfin aus. In kurzer Zeit hatte er die Brüste weiß geküßt,
in gleicher Weise auch die übrigen finsteren Gegenden. Dann
war er der vor ausgekosteter Lust ermatteten Gräfin beim An-
kleiden behilflich und sorgte, daß sie ungesehen heim kam.
„Parbleu, Freund, Ihr seid ja ganz schwarz um den Mund,"
meinte der im Eßzimmer wartende Graf. In der Eile hatte der
Galan das vergessen. Über und überrot sprach er, „da habe
ich in der Eile statt meines Puders vom Diener diese schwarze
Heilsalbe erhalten." Beide zechten gemütlich, und als der
Graf heimwärts aufbrach, war er nicht mehr nüchtern. Ver-
gebens suchte man den Diener, welcher längst nach Hause ge-
eilt war. Der Ehemann bat den Galan ihn heim geleiten zu
wollen. Der Galan verwilligte das, nahm einen Diener mit,
und so führten beide den betrunkenen Ehemann heim. Dort
führte der Galan den Ehemann in dessen Schlafgemach. Kaum
war der Graf in seinem Schlafgemach, da riß er die Decken
vom Bett seiner Frau und sagte dem Galan : „Schaut her, mein
Freund, das ist Aristokraten-Fleisch." Mit erkünsteltem Auf-
schrei warf sich die Gräfin im Bett herum, so daß man die
Bückseite sah: „Sehet Ihr, Herr Graf, so sieht der aristokra-


Й 64 ^

tische Arsch meiner Frau aus! Weiß und zart." — „Weiß
und zart," bestätigte der Galan, welcher erleichtert aufatmete,
als er an Stelle des schwarzen wieder das goldene Vließ an
dem schönen Körper seiner Freundin sah. Mit einem leisen
Schmunzeln verließ er das Haus seines auf den Esel gesetzten
Freundes.

Vergleiche dazu die Schilderung in den Cent nouvelles
nouvelles, woselbst es heißt:

La première nouvelle traicte d'ung qui trouva façon de
jouir de la femme de son voisin, le quel il avoit envoyé dehors
pour plus aisément en jouir; et lui retourné de son voyaige,
le trouva qui se baignoit avec sa femme. Et non saichant que
ce fust elle la voulut véoir; et permis luy fut de seulement en
véoir le derrière: et alors jugea que ce lui sembla sa femme,
mais croire ne Fosa. Et sur ce, se partit et vint trouver sa
femme à son hostel qu'on avait boutée hors par une poterne de
derrière; et lui compta l'imagination qu'il avoit eue sur elle
dont il se repentoit.

Vergleiche dazu auch die Zimmerische Chronik Bd. П,
S. 500. Erste Auflage : Erzählung von dem Herrn von Lenzen-
berg, der mit dem Weibe seines Freundes und nahen Nach-
barn Herrn von Falkenstein buhlt. Herr v. Falkenstein über-
raschte bei seinem Freunde einmal sein Weib, doch von Lenzen-
berg zeigte dem Eingetretenen nur die Hand der Falken-
steinerin bis an den Ellbogen und das weiße Bein bis an das Knie.

Vergleiche ferner die Geschichte von Ludwig, Herzog von
Orleans bei Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Kri-
tische Ausgabe von Willy Alezander Kastner, Seite 43, 2. Aufl.

Von befreundeter Seite werde ich auf eine ganz moderne
Fassung dieses alten Schwankes aufmerksam gemacht. In der
Collection des petits romans passioneis, welche zu 20 centimes
in Paris erscheinen, behandelt Roland Brévannes das gleiche
Thema in dem „Peau de Satin" überschriebenen Bändchen. •
Die Vorlage des Autor war unstreitig unsere Schnurre.

10. Propter reverentiam.

Ein jung schön Bauerndirn ritt einst gen Gray, ist eine
aus den vornehmsten Städten in der Grafschaft Burgund an
der Saone gar lustig gelegen.

Unterwegs begegnet ihr vor einem Wald ein dicker Pfaff.
Den hieß sie propter reverentiam et securitatis causa hinter


Й 65 ^

eich aufs Maultier sitzen. Dessen freute sich der Pfaffe. Nicht
lange dauert es, da spürt der Pfaff — zu rechnen, es sei
auch einer der Bäuchpfaff statt Beichtpfäff gewesen — die
Lindigkeit des wohlgestalteten Mägdlein. In primis die poste-
riora atque der volle Busen hatte es ihm angetan. Plötzlich
greift er der Dim durch die Arme nach den Brüsten. Die
Maid verwundert sich dessen, sagt aber nix, propter reverentiam.
„Ich muß mich festhalten, sonst fall ich," meint der Pfaff.
Nit lang dauerte, da wurd dem Pfaff die Sach unbequem und
er bat, vor die Dim sitzen zu dürfen. Das verwilligte ihm die
Dim. Wie er nun den Busen und den Bauch der Dirn inseinem
Bücken verspürt, begann sich sein baculus zwischen den Beinen
zu heben. „Heb mich, heb mich," schrie er mit niederer Stimme
und hieß die Dim ihn von hinten her den baculus zu halten.
Die Dirn verwundert sich aber-, griff dem Pfaffen an den
blößigen Leib und hielt den baculus propter reverentiam. Nit
lang dauert's, bat der unruhige Pfaff wieder hinten sitzen
zu dürfen. Die Dim verwilligt es propter reverentiam. Dem
Pfaffen wurde sein bakel warm und lang und er bat, um nicht
hinunter zu fallen, sich wieder halten zu dürfen. Die Dirn
war nicht dagegen propter reverentiam. Da fuhr ihr der Pfaff
zwischen den Posteriora durch und hielt sich an dem goldenen
Vließ, das die Bauerndirn an sich trug, als unveräußerliche
possessio. Der Pfaff griff wacker drein, so daß der guten
Dirn Hören und Sehen verging sicut aures habent et non
audiunt oculos habent et non videbunt. Man sah die Leute nit
so von Gray kamen. „He da, was macht ihr denn da," schrien
plötzlich die den beiden begegnenden Leute. Der Pfaff tat
als ob er nit hört, schlug sich mit der einen Hand an die Brost
und mit der anderen streichelt er verstohlen das goldene Vließ
des Mägdlein. Dieses ein Weib wie andere faßt sich schnell
und sag); den schon weitergehenden Leuten: „Ich such ihm die
Schönheit der Welt begreiflich zu machen." Darüber lachten
alle sehr, denn man glaubt, das Mägdlein wollt den Pfaff
vexieren. „Gratias ago tibi" sagte der Pfaff nach einer Weile,
als man wieder allein im Wald war und weiter. „Weil du
mir die Schönheiten der Welt wirklich begreiflich gemacht
hast, so laß sie mich auch sehen." Die Bauerndirn bedenkt sich
nit lang, treibt das Maultier in das Gebüsch, steigt von dem
Tier und verschwindet mit dem Pfaffen. Wae sie gemacht,
nit weiß ich zu berichten, aber laut hat man lachen gehört,
und als die beiden wieder zum ledigen Maultier kamen, hatte

Karl Amraln. Deutsche SchwankerzÄhler. IV. 5


(£4 66 Ke)

die Dirn ihr blondes Haar ganz wirr unter der Schäubenhaube,
auch atmete sie gleich dem bleichgewordenen Pfaffen in
schnellen Zügen.

Vergleiche dazu auch die Zimmerische Chronik.

11. Freundin steh auf.

Unfern von Gray, in der Grafschaft Burgund, lebte auf
einem Dörfle ein Pfaff. Zu dem kam einmal der Bischof, ein
einfacher bescheidener Fürst, wie dann solche nit allzu häufig
sein. Am Abend begehrt der Bischof zu Bett, bat aber den
Pfaffen, wegen ihm keine Umstände zu machen. Kaum liegt
der Bischof im Bett und schlief, da stieg der Pfaffe in das-
selbig Bett. Item beide schliefen gut und schnarchten fest.
Am anderen Morgen erwacht der Bischof zuerst und sieht nit
ohne Verwunderung den Pfaffen neben sich schlafen. Der
Bischof räuspert sich ein wenig. Da erwacht der Pfaffe, und
noch voller Schlaf hob er seinem Bettgenossen das Hemd, klopft
auf die posteriora und sprach: „Meine liebe Freundin es ist
Zeit für das Morgenessen ! Steh auf 1" Nicht weiß ich, wer da
am Ende wohl verwunderter war, der Pfaffe oder der Bischof.

Vergl. Anthropophyteia Bd. П, S. 301, Nr. 399.

12. Vergiß mein nicht.

Der Bischof kam einst zu einem Landpfarrer, der eine
schöne dicke Haushälterin hatte. Ob auch die Pfarrei nit gerade
reich war, so wurde der Episcopus doch köstlich bewirtet. Für
die Nacht hatte der Landpfarrer ein neues Bett zubereitet,
da er sonst gewöhnlich mit der Haushälterin schlief. Der
Bischof wollte recht bescheiden sein und schlief nicht in dem
für ihn gerüsteten Ehrenbett. Da der Pfarrer noch an einer
Predigt oder Ansprach für den nächsten Tag arbeitete, ging
die Haushälterin in die Küch und nach etlicher Zeit in das
vorgesehene Schlafgemach. Wie sie dort in die dunkel Stub
kommt und etwas schnarchen hört, meint sie, der Landpfarrer
sei schon ins Bett. Schnell zieht sich die Haushälterin blößig
ab, kriecht in das Bett und drückt sich an den Pfarrer, da sie
nicht um ihr Hauptmahlzeit kommen wollte. Da der Schläfer
sich nicht regte, war die Haushälterin nit verzagt, sondern
langte mit der Hand dem Schläfer an den Penitenzer. „Herr


(gai 67 Jfci>

Pfarrerl Herr Pfarrerl" raunt sie dem Erwachenden zu, „ver-
gessen mein nit. Sagt auch wie hat's dem Bischof gefallen?" Mit
diesen Worten rückt sie ihrem Bettgenossen dermaßen nahe an
den Leih daß sie des Bettgenossen Penitenzer an ihren Leib
bracht. Da tönte auf einmal die Stimme: „Apagel Heb dich
hinweg du lose Huri So was hat deinem Bischof noch nie ge-
fallen." In einem Wisch huschte die Haushältern, so dick sie
auch war, aus dem Bett. Nicht langer mocht sie mit dem
Bischof in einem Bett schlafen. Blösig sprang sie hinab zur
Küche. Wie der Pfarrer sie da nackend ersieht, überkam ihn
eine Unruhe, so daß die Haushältern ihrer Hauptmahlzeit nit
verlustig ging, vielmehr der Bischof die beiden Arm in Arm,
Bein um Bein verschlungen schlafend fand. Der wartet bis
die zwei erwacht und meint alsdann: „Hur, soll ich dir deine
Kleider aus meim Gemach holen?" Item, dem Pfarrer ward
wie man sagt, der Pelz gründlich gewaschen. Ob er sich in
der Folge gebessert, wer weiß es? Aber angebrannte Lichter
brennen, wie man zu sagen pflegt, gewöhnlich weiter.

13. Vom Goldschmied und seines Magd.

Einem Goldschmied in der Stadt Nancy — ist die Haupt-
stadt des gantzen Hertzogthums Lottringen und ware ehemals
die Hoch-Fürstliche Besidentz und Hoflager des Hertzogen —
war sein ehelich Weib gestorben. Darob trauert der guet Gold-
schmied über die Maßen und gelobet weder ein Weib anzuer-
kennen noch unkeusch Gedanken zu üben. Item er hielt's, und
alle Abend als er sich auf die Pfühl legt, zog er sein Vorhaut
retro, um, daß ihm kein unkeusch Anfechtung käme. Eins
Abends nach dem Nachtmahl, das die dralle Magd, so dem
Goldschmied noch von Lebzeiten seines Eheweibs diente, zu-
gerüstet hatte, begab sich, daß unser Meister noch ein gül-
denen Bing auebesserte. Plötzlich fiel das Licht um, das aqua-
vit, so auf dem Werktisch stand, fing Feuer und unser Gold-
schmied verbrennete eich gewaltiglich die Hände.

Wie er nun jammert und schreit, kommt die Magd ge-
sprungen, faselnackig, wie sie im Bett gelegen hatte, da sie
ein sparsame Person war. Die sieht den Meister und reißt ihn
von den Flammen, die bald verloschen. Schnell macht sie Licht
und schüttet, wie der Meister befiehlt, aus dem Ölkrüglein öl
über die schmerzenden Hände. Langsam begann der Meister

sich zu beruhigen. Wie er aber nun das hertzig schön Kind

*


(gai 68 Ш

mit den weißen Schneehügeln darauf ein Himbeer saß, ansah
und ein gülden blitzendes Vließlein an ihrem Bäuchlein er-
blickte, da begann ihm der penitentzer aufzubegehren. Kit
weiß ich, wohin auf er noch begehrt hätte, wenn die dralle
Magd nit zu ihrem Herrn in großer Scham gesagt hätte, sie
wolle wieder in das Bett. „Margot," sprach der Goldschmied,
„du mußt mich abziehen, denn mich schmerzen die Hände."
Da Margot sich aber erst anziehen wollte, meinte der Gold-
schmied, deß bedürfe es nit. Beide gingen domit in das Schlaf-
kämmerle des Meisters. Gleich war der Meister auszogen und
schlüpft in das Bett. Margot wollt mit dem Licht grad die
Kammer verlassen, um in ihren Pfühl zu krauchen, nit ohne
daß der Goldschmied mit heißer Lust die runden Formen seiner
Magd geschaut hatte. Da fiel dem Goldschmied sein Geloben
ein, daß er nit unkeusch Gedanken wollt haben. Weil ihm aber
die Hand verbrannt waren und sehr schmerzten, rief er zur
Tür: „Margot stell das Licht weg und komm," jammerte der
Meister. Die Dienerin tat es. „Greif mit der Hand an meinen
bloßigen Leib," gebot der Meister. „Dort wirst du einen un-
ruhigen Wurm finden." Die Magd war etwas verwundert,
aber da sie ein unschuldig Person war, tat sie es und fand den
Wurm. „Meister, ich hab den Gesellen Unruh," sprach sie,
„was soil's damit?" Der Meister entgegnet: „Meiner Seligen
hab ich's gelobt alle Abend die Vorhaut retro zu wenden."
„Damit der Wurm nit erstickt," sagte die Magd, worüber der
Herr hell lachen mußte. „Vere, vere Margot," sprach der
Goldschmied und weiter, „heute kann ich's wegen der Hände
nit, also mach du es." — Die Magd versucht es, aber nitwollt
es ihr gelingen; zu gedenken, daß sie zu sollichen Werken
noch kein Lehrjahr gehabt hat, gleichwohl sie ein schön gut
gewachsen Person war. Wie sie nun mit zwei Händen anfängt,
beginnt der Penitenzer aufzubegehren. „Meister, Meister, was
ist das," fängt die Magd zu schreien an, schlägt verwundert
ein Kreuz und fragt, „beißt er." Nein, sagt lachend der Gold-
schmied, den eine große Lindigkeit überkam, dieweilen während
die Magd arbeitete, ihre Äpfel ihn immer stärker reizten und
ihre Schenkel ihm stets begehrenswerter schienen. „Er beißt
nit," meint der Meister, „wenn du es verstehst dich drauf zu
setzen und ihn rittlings auf den Boden zu werfen." Die un-
schuldig Dirn versucht's, stieg auf Geheiß des Meisters auf
das Lager — zu gedenken, es sei ein ehemalig Ehelager ge-
wesen. — Fein säuberlich nimmt sie den Penitenzer zwischen


<$* 69 jKd

die Finger und wollt sich mit dem fleischigen Hinterteil darauf
setzen. Nit weiß ich, wie es geschah, plötzlich macht der
Penitenzer einen Buck und stak der Magd im Fleisch. Da
schnellt der Goldschmied in die Höh, leicht glaublich, er wollt
sehen was passiert sei. Die Magd glaubt zu fallen und schlingt
im Schrecken ihre weißen Schenkel um den Goldschmied, um
nit zu verunglücken. Der Goldschmied schreit: „Meine Hände"
und schlingt die Arme um den Leib der Dim, die Hände zu
sichern. „Der "Wurm ist in mir," schreit die Magd, doch gar
nit mehr vor Schrecken. „Wir wollen ihn rausreißen," meint
der Herr. „Nein, laßt ihn nur dort wo er ist," bittet dieMagd,
„dort tut er niemand mehr was zu Leid." Item, es war ein
scharren und fegen, weil der Goldschmied den Wurm zurück-
ziehen, die Magd ihn aber behalten wollte. Von dieser Zeit
an zog der Goldschmied sein Vorhaut nit mehr allein retro,
zu gedenken, daß ihm die schön Magd ehrlich dabei half.

14. Ein schön knrtiweilig Geschiente.

Einer jungen Dirn war von einem Burschen Übles ge-
schehen. Nit wollte der Bursche der Dim ein denier geben.
Item, die Dirn klagt's dem Richter. Der weist die Dim ab,
meint, die Dim habe die Bein aufgethan und nit unlieb die
Stöße empfangen. Deß verwehrt sich die schönbusig Dirn,
bittet den Richter um einen Faden und eine Nähnadel. Sie
nimmt die Nadel, der Richter den Faden. „Nun fädelt ein,"
sagt sie. Der Richter versucht's, ließ aber bald nach, da er
ermüdet. „Du willst die sanctam iustitiam verhöhnen," meinte
der Richter, als ihn die Dim bat nun die Nadel zu nehmen.
Er tat's aber. Item, die Dirn tut den Faden halten und er-
müdet den Richter so, daß sie bald einfädeln könnt. „Das
ist meine Geschichte," sagt das Dirnlein. „Erst habe ich mich
lang gesträubt, aber schließlich ging's mir wie euch, der
Bursch fädelte mich ein." Der Richter mußte herzlich lachen
und verurteilte den Burschen.

Vergleiche: M. Lindener, Rastbüchlein Nr. 22, ed. Franz
Lichtenstein, Tübingen 1883.

15. Augen im Hintern,

Ein Pfaffe saß Beicht und hörte, daß die schönsten seiner
Pfarrkinder von ihren Ehemännern contra rationem naturae
in den Arsch gevögelt würden. „S'ist Sünde," meinte der


Pfaffe, „und ihr bekommt Kinder, die die Augen nicht im Kopf
sondern am Hintern haben." Des jammert die dörperhaften
Weiber. Sie bitten und betteln den Pfarrer um Abhilfe.
„Sagt euren Männern nichts und kommt zu mir." Die Weiber
zogen nach des Pfaffen Haus. Der Pfaffe ließ ein Weib nach
dem anderen ins Bett liegen und vögelte sie ab, so daß die
Augen vom Hintern wieder an die richtige Stelle kommen
mußten. Item, der Pfaffe hat ein ungefüges Schneidmesser,
das er den Weibern zwischen die Schenkel bracht. „Das ist
für das linke Aug," meint er wie er eine abgefertigt hatte,
„komm morgen für das rechte Auge." Leicht glaublich, daß
die lang entbehrte Speiseröhre den Weibern mundete, die dem
Pfaffen fein Leckerle und Braten brachten.

Vergleiche dazu: Poggio Bracciolini, Born. Meistererzähler
Bd. IV, S. 152, Nr. 223 und Anthropophyteia Bd. П, Nr. 425.

16. Erkennungieiehen.

Ludwig der Fünfzehnte ging eines Tages in die Oper. Der
Besuch des Monarchen zog selbstverständlich viele Zuschauer
an, welche mit dem König die Ehre eines Theaterbesuches teilen
wollten. Eine schöne Dame, welche in den Annalen der Ga-
lanterie wohl bekannt war, erspähte bei dem Gedränge ein
günstiges Plätzchen. Hurtig stieg sie auf die Logenbrüstung,
um in eine benachbarte Loge zu gelangen. Leider war ihr
Schritt zu kurz geraten und sie strauchelte. Dabei verfingen
sich die Kleider der Dame so unangenehm, daß auf einmal das
ganze Gesäß mit Umgegend sichtbar wurde. Ludwig XV. hatte
den Vorgang bemerkt und trat an die Logenbrüstung heran,
um diese seltene Ansicht sich nicht entgehen zu lassen. Plötz-
lich aber rief er aus: „Ah, mon Dieul Das ist ja Madame
D......"

17. Nicht weiter.

Ein deutscher Edelmann, der leidlich französisch sprach,
ritt über die Brücke von Avignon in die Stadt. Da sein Pferd
übermüde war, begann es zu straucheln als es über die Brücke
ging. Eine Jungfer von augenscheinlich losen Sitten mußte
über den Anblick lachen und machte sich über den Bitter
weidlich lustig. „Ah, Madame," meinte sarkastisch der Ge-
foppte, „das Straucheln meines Pferdes wird Ihnen kaum
sonderlich erscheinen, wenn Sie bedenken, daß das Tier solches


баї 71 Jfcd

jedesmal tut, wann ihm eine Hure begegnet." „Hollah !" ver-
setzte daraufhin die Lose, „wenn dem so ist, dann reiten Sie
keinen Schritt weiter in die Stadt hinein, denn sonst werden
Sie sich das Genick abstürzen."

18. Für Hämorrhoiden.

Ein adeliges Fräulein litt an einer geschwollenen Backe,
die sie nicht los werden konnte, trotzdem bei Bekannten und
und Verwandten nach allerlei Hausmittelchen gesucht worden
war. Ein junger Fant erklärte dem Mädchen schließlich, es
gäbe kein besseres Mittel, als wenn ihm erlaubt würde, seine
Wange an die geschwollene Backe zu lehnen. Gleich wollte
der Batende dieses Mittel auch zur Anwendung bringen, aber
die adelige Jungfrau war indigniert über ein solches Bezept
und lehnte es entschieden ab. Der Fant tat ganz betrübt.
Endlich nahm ein Herr das Wort und sagte ihm : „Junger Mann,
Dir Heilmittel kann nur gut sein für Hämorrhoiden."

19. Von Nothiwang und Ehebueher und Blutschande.

Item es ist gesetzt, so einer ein Ehebruch begienge, selbiger
mit 100 Pfd. Buess solle bestraft werden, und so ein Beamp-
teter nach A betraf un g eines Ehebruches den anderen Ehebruch
begienge, selbiger in 200 Pfd. Buess verfellt solle werden, der
dritte Ehebruch aber solle mit 300 Pfd. bestraft, und ein
Beampteter, der sich zum dritten mahl in diesem Laster ver-
fehlte, der soll neben obiger Straf seines Ampts entsetzt werden.
Solte sich aber einer in dem vierten Ehebruch verfählen, solle
es des Landvogtes arbitrio überlassen sein, ein solchen je nach
Befindung und Umbetänden des Fählers zu bestrafen, daby
aber dem reo die Appelation soll gestattet werden. Mit gleicher
Straf solle auch wider die Weibspersonnen verfahren werden,
so selbige sich in diesem Laster verfählten. Welcher ein Bluet-
schand im ersten Grad beginge, solle enthauptet werden; so
aber die begangene Bluetschand im anderen Grad beschehen,
solle der Fählbare in 50 Cronen, im dritten Grad in 25 Cronen,
im vierten Grad in 12 und ein halbe Cronen verfellt werden,
und welcher ein Weibspersohn, die mit ihm im ersten Grad ver-
schwägert ist, fleischlich erkent hette, der soll in 30 Cronen,
im anderen Grad in 15 Cronen, im dritten Grad in 8 Cronen
gestraft werden, wie in gleichem auch derjenige, der mit einer,


GH 72 jKd

die ihm mit geistlicher Fründschaft verwandt ist, sich fleischlich
versündigt hatte, in, 8 Cronen solle verf eilt werden. Ein gleiches
solle von den Weibspersöhnen verstanden werden, welche mit
gleichen Buessen sollen angesehen werden. Und welcher die
Straf nit hat an Geld zu bezahlen, soll solche mit dem Leib
abbüessen. Welcher aber ein Weibspersohn nothzwangen thäte,
so selbige kein öffentliche Huor ist, soll er enthauptet werden.

Von Straf deren, die sich mit einer Mannespersohn oder un-
geschikten Weibs-Bildt fleischlich versündigten. Item es ist
gesetzt, so einer in dem abscheuwlichen Laster sich vergriffe
und mit einem Knaben oder einem Weibsbildt, das Alters halb
untauglich und ungeechikt wäre, sich mit fleischlicher Schän-
dung versündigen thäte, mit Feuer solle verbrennt werden.

Aus den Statuten von Bellinzona 1694. Revidiert und neu
verordnet.

Cf r. Rechtsquellen des Kantons Tessin von Andreas Heusler
in der Zeitschrift für Schweizerisches Recht 41/42. Bd. Neue
Folge. 20. Bd. Basel 1901.

20. Gewitiigt.

Ein junger Bauernbursch ging zur Beichte und erzählte,
er habe eine Hecke zerstört, um Vogelnester auszuheben. Der
Beichthörende fragte, ob er alle genommen habe. „Nein," ver-
setzte der Gefragte, im Gestrüpp am Bache ließ ich noch etliche,
weil die Vögel nicht flügge sind, doch am Samstag will ich die
holen." Der Pfaffe merkte sich das und als der schlecklustige
Bursche Samstag an die Nester kam, waren selbige leer.

Dem Burschen war klar, wer die Nester ausgehoben hatte
und fluchte über seine Offenheit.

Wenige Monate hernach traf sich's, daß der Bursche wieder
bei demselben Pfaffen beichtete. Er gab an mit einer hübschen
jungen Dirne allerlei kleine fleischliche Sünden begangen zu
haben. „Ja, mein Lieber," unterbrach den Reuevollen der
Beichtiger, „welches Alter hat denn die Maid, außerdem wo
wohnt sie?"

„Zum Kuckuck," fuhr da der Beichtende auf, „das mögen
dir Dümmere als ich erzählen. An meine Nester kommet du
nicht mehr!"

Siehe: L'esprit du bon vieux tems Paris An. VITT.


6* 73 JKî>

21. Em hübscher Spruch.

Zu Konstanz auf dem Konzil waren viele feile Dirnen.
Da eagte ein geistlicher Herr : „Fürwahr der Papst ist Stellver-
treter Gottes, denn hier hat er ein Paradies für die Augen
hergebracht; eine Hölle für die Seele und das Fegfeuer für die
Börse und den Leib."

22. Köstliche Frage.

Ein Bettler bat einst eine fromme Frau in Basel um ein
Almosen, und um die Frau für sich zu gewinnen, sprach der
Bettler: „Ich habe alles Gefallen an den Freuden der Welt
verloren." Da fragte die Frau: „Ist er wohl ein Eunuch?"

28. Er weiß Bescheid.

Ein Adeliger ging mit seiner Kurtisana in die Messe, um
für die Sünden der vergangenen Nacht gemeinsam Buße zu
tuen. Die Kurtieana war bei dieser Andacht weniger bei der
Sache als wenige Stunden zuvor. Beim Evangelium fragte sie
ihren Galan, was heißt doch das In diebus illis? Da versetzte
der in lingua latina wenig kundige Galan: Indie ist das Land
wo der Pfeffer herkommt, aber Busillis kenne ich nicht und
weiß nicht wo es liegt.

24. Der Schuh drückt

Ein reicher Herr hatte eine Dame von hoher Geburt ge-
heiratet. Nicht lange dauerte es und er entließ seine Gemahlin,
worüber sich alle seine freunde verwunderten. Da sagte er,
indem er ihnen seinen Schuh zeigte. „Schaut her! Auswendig
ist er schön und glänzt, so daß diesen Schuh jeder haben möchte.
Ihr seht aber nicht, wo er mich drückt."

25. Der zerschlagene Topf.

In hohem Alter heiratete endlich ein Kaufmann, der sehr
viel Liebschaften gehabt hatte und häufig Vater nebenhinaus
geworden war. Etliche Zeit nach der Hochzeit begegnete ihm
einer seiner Freunde und fragte ihn : „Wie geht es dir." „Ach,"
versetzte daraufhin der Kaufmann, „ehedem habe ich viele
Töpfe zerschlagen und bekümmere mich nicht darum; jetzt


Й 74 ^

babe ich mir einen Topf gesichert, aber den hat man mir zer-
schlagen, ohne daß ich es wahrnahm."

Cfr.: Esprit du bon vieux terns.

26. Die schamhaften Weiber.

Weiber sind, wie der Autor der Schrift Seltzame Falle
nach Plinio dartut, schamhafter als Männer, denn wenn die
Leiche eines Mannes im Wasser liegt, schwimmt sie unanstän-
dig mit dem männlich Glied nach oben, hingegen bei toten
Weibern schaut der Bücken aus dem Wasser, einmal weil die
Frauen einen größeren Bauch und Brüste haben, sodann, weil
die Natur nicht will, daß die Scham des Weibes unbedeckt sei.

27. Drei Mönche.

Drei Mönche stritten sich in wollüstigen Dingen. Der-
jenige, der am wollüstigsten redete, sollte von den anderen ein
Geschenk erhalten. „Ich," sprach der erste, „möchte ein Mittel-
bain haben so lang wie der Kirchturm." „Gut geredet," er-
klärten die anderen. „Ich möchte ein Aichel haben, so dick
als der Kirchturmknopf," versetzte der zweite. „Besser ge-
sprochen," ließen sich die anderen vernehmen. „Ich möchte
weder einen großen noch dicken, sondern meinen, wie er ist, in
einem jungen Dirnlein, so oft er den Kopf hebt." „Du hast
gewonnen," versetzten die Unterlegenen.

28. Auf oder in der Milch.

Eine Kurtisan in Florenz empfing nackend einen vornehmen
Herrn. Der sah, daß die Kurtisana volle schöne Brüste hatte.
Als sich nun die Kurtieana auf das Bett legen wollte und den
Herrn auf sich erwartete, meinte dieser: „Ich schwimme gern
in der Milch." Item die Kurtisana verstand's und legte sich
auf den Herrn. Nachdem das Turnier herum war, sprach die
Kurtisana schlau und listig: „Herr, schwimmt der Rahm nicht
auf der Milch?" Der Herrr verstand's und ritt das zweite
Turnier auf der schönen Amei. Wie oft in jener Nacht der
Herr in der Milch schwimmen und die Kurtisana den Rahm
auf der Milch schwimmen haben wollte, davon war noch viel
zu sagen.


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29. Die bestrafte Witfrau.

Eine Wittfrau nahm ein Knäblein aus dem Hospital der
Stadt zu sich, um eine Seele in ihrem großen Haus zu haben.
Sie kleidete, nährte und unterrichtete das Knäblein aufs aller-
best, so daß er ein schöner hübscher Bube ward und von dem
vielen Wein vor der Zeit feurig erschien. Die Frau hatte den
Knaben so lieb, daß er in ihrem Bette schlafen durfte. Eines
Abends im heißen Sommer ging sie spät zu Bett und als sie
die Decke zurückschlug, sah sie den Zagel des Knaben wie eine
Pfeife in die Höhe ragen. Die Frau wunderte sich darüber
gewaltig, dann der Knabe erst zehn Jahre alt war und noch am
ganzen Körper, den Schopf ausgenommen, kein Haar war.
Wie die Frau aber im Mondenlicht den Zagel lange betracht,
wurde sie von unordentlicher Begier ergriffen. Da sie ohne
Hemd wie auch der Knabe ins Bett ging, überkam sie der
Wunsch, den Zagel zu probieren. Item, sie stieg leise ins
Bett, setzte sich mitten darauf und hob und senkte sich. Dar-
über erwacht, verstört der Knab, den fing sie in den Armen
auf, ließ sich auf den Bücken fallen, drückt den Knaben an
sich und schlingt ihre Bein um ihn. Sie machte es sicut uxor
cum mari to. Doch des Himmels Straf blieb nit aus. Die Frau
meint in fleischlicher Gemeinschaft zu spielen. Dem war nicht
also. Sie wurde zur Strafe geschwängert von dem 10 jährigen
Knab und ganz Born war sicher, daß der Himmel die Böse er-
reicht hatte. Item, es mag ein Lehr sein für alle unkeusch
Weiber, insbesondere Wittfrauen.

Über gleiche Fälle siehe Dr. Eugen Dühren, Rétif de la
Bretonne, Berlin 1906. S. 45—47 und 186.

80. Kein wefl>üeh Glied auf dem Helm.

Wolf von Homburg und Wilhelm von Beischach pflegten
zusagen, wenn jemand nicht ebenbürtig heiratete: Man malt
kein weiblich Glied auf einen Helm.

Siehe dazu: Zimmerische Chronik.

 

 


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