gisforisdie Quellensdiriften ss
zum Stadium der flnfhropophyfeia.
Unter Mitwirkung
von
Ethnologen, Folkloristen und
Naturforschern
herausgegeben
von
DR FRIEDRICH S. KRAUSS.
Band II.
3 Deutsche Sdiwankerzfitiler U des XV. bis XVII. Sahrhunderfs.
Beinridi Bebels Facefien
herausgegeben von
KARL AM RAIN.
Leipzig
Deutsche Verlagsakfiengesellschaff
1907.
Privatdruck.
Nut far Oelehrte bestimmt.
Dem Freunde
t)T Fmedineh S. I^faass
der die Grenzen der Volkskande durch
die
Anthropophyteia
welter gezogen, als Zeichen der
Verehrung
Karl Am rain.
Vorbemerkraig.
Schilderungen der Sitten und
Gebrauche vergangener Jahr- hunderte haben bei der Nachwelt, weit tiber den engeu Kreis def Historiker und Kulturhistoriker von Bernf, stets eine dank- bare Aufnahme gefunden. Scharfer charakterisierende Zeit- bilder, in denen sich das geheimste Fuhlen und Denken der Menschen aller St&nde, aller Klassen widerspiegelt, sind ver- h<nismafiig selten. Selbst in unserer Zeit, die doch wahrlich fiber einen Mangel an folkloristischen und kulturhistorischen Zeitschriften nicht zu klagen braucht, fehlte es merkwurdiger- weise an einem ernstwissenschaftlichen Organe, welches das Volksempfinden liber die intimsten Vorgange auf dem Gebiete der geschlechtlichen Moral in erkenntnisklarer wurdiger Weise zur Darstellung brachte. Dieser Mangel war fur die Volkskunde nachgerade etwa so geworden, als ob man bei dem medizinischen Studium Vorlesungen fiber Geschlechtskrankheiten entbehren konne.
Es war darum fur die "Wissenschaft
ein geradezu feier- licher Moment als der I. Band der Anthropophyteia auf dem Plan erschien. Das war wieder einmal ins Moderne ubersetzt, das Ei des Kolumbus, wenn man sich vielleicht etwas banal, so ausdrficken darf.
Alle akademischen Fakultaten, Juris
ten, Philosophen, Philologen, Mediziner, werden aus diesem wuchtigen Materiale Nutzen Ziehen. Fur den Kulturhistoriker macht sich aber angesichts dieses wissenschaftlichen Organes, welches das Volksempfinden unserer Zeit zu ermitteln sucht, das Bedurfnis geltend, in die Vergangenheit hineinzuleuchten, um den Verbindungsweg mit der modernen Zeit aufzusuchen.
<SH VI J*?>
Selbstverstandlich miissen wir uns
stets an kleinere Zeit- raume halten und dafttr ein geeignetes Material beibringen.
Wir halten hierfiir in hohem Grade
wertvoll alte Chro- niken, Tagebucher und die Schwanksammlungen. Sie bieten ein Material, welches alle Ermittelnngen, die in der Anthro- pophyteia erscheinen, vorzliglich ergftnzen bzw. auch vielfach verstandlich werden lassen. So steht zu hoffen, dafl auch die nachfolgenden Blatter dem Forscher Materialien zu weiteren Studien bieten werden.
Etwas Vollkommenes geliefert zu
haben, bilde ich mir keineswegs ein; doch glaube ich vieles Bekannte dem Forscher in neuer Gruppierung zu zeigen, wodurch vielleicht manche An- regung zu weiteren Arbeiten auf diesem eminent wichtigen Gebiete gegeben wird.
Seine Erganzung findet das
vorliegende "Werk in den Ver- 5ffentlichungen des „Volk&mundes", welcher die Perlen der deutschen Schwankliteratur in geeigneter Form, beziehungs- weise Auswahl, weiteren Kreisen zug&ngUch macht.
lnhalteverzeichnis.
Vorbemerkung.................
Einleitung...................
Das erste Bach.
1. Sprach
eines Pries ters..............
2. Sprach
einer Judin................
3. Vom
Holler, der betteln ging............
4. Noch
etwas von einem MtUler............
5. Wider
einen fahrenden Schuler...........
6. Wahre
Geschichte von einem Priester.........
7. Ungeschickter
Dorfpfaff..............
8. Eine
Ireffliche Tat................
9. Ein
ungeschickter Mensch.............
10. Von
einem Priester and dem Esel Christi.......
11. Ungeschickter
Sprach...............
12. Eines
Toren schwankliche Rede...........
13. Wahre
Geschichten von Pfaff Wendel.........
14. Das
hinkende Schneiderlein im Himmel........
15. Ein
Zorniger..................
16. Ein
Landsknecht ifit einen Kapaun aUein........
17. Banern
bitten urn einen Fluch...........
18. Die
frOmmsten Lente nach Bernhard Retz
19. Ein
Sprach niltzlich zu merken...........
20. Lustige
Tat eines Kriegsmannes von Tubingen......
21. Lustige
Historie vom einialtigen Landmann und einem Dieb .
22. Vom
tfirichten Bauernknecht............
23. Netter
Trost..................
24. Von
einem EinsiedJer oder Waldbrader.........
26. Von den Verftchtern der Kunst
der Poeterey.......
26. Von
eines Pfaffen ROchin.............
27. Vom
leachtlertigen Abt..............
28. Sprach
einer Kindbetterin.............
29. Von
einem empfindsamen Pfaffen.........
30. Ein
h&fllicher Bissen.............
31. Von
einem Stationierer..............
32. Disput
eines Juden and Christen...........
6* VIII
Zweites Such. Seite
33. Von
einem Ein&ugigen...... ....... 33
34. Von
einem Fatzmann............... 24
35. Von
einem Boten................ 24
36. Arztlicher
I return................ 24
37. L&cherlicher
Spruch cines Schwaben......... 25
38. Von
einem Pfaffen und einem Meflner......... 25
39. Ein
Baier friflt Linsen.............. 25
40. Ein
Bauer schw&ngert vne Nonne........... 26
41. Vom
Edelmannsknecht.............. 26
42. Zwei
Sdhne eines guten Mannes........... 27
43. Sein
Spiefl taugt nichts mehr fur den Streit....... 27
44. Von
einem Edelmann............... 27
45. Warum
der Sohn dem Vater nachfolgt, die Tochter aber der
Mutter vorgehe............... 28
46. Ein
MinoritenmSnch schwftngerte eine Klosterfrau..... 28
47. Der
allergrOflte Sttnder.............. 29
48. Manchspredigt................. 29
49. Ein
Pfaffe will seinen langsten Teil wider die Weiber brauchen 29
50. Von
einem Sterbenden.............. 30
51. Ahnlichkeit
zwischen Weib und Hund......... 30
52. Ein
lustiger Koch................ 30
53. Priester
und Teufel zanken sich........... 31
54. Gestdrtes
Passionsspiel.............. 31
55. Einee
guten Gesellen guter Schwank.......... 31
Drittes Buch.
56. Wie
eine Klosterfrau beichtete............ 33
57. Drei
Klosterfrauen beichten............. 33
58. Eine
Fabel von Brassicani............. 34
59. Fabel
von einem Meflner............. 35
60. Wunderlicbe
Tauferei............... 36
61. Rechte
Toren.................. 36
62. Vom
M&gdlein, dessen Jungfrauschaft verloren war .... 36
63. Warum
die FlOhe die Weiber mehr peinigen als die Manner . 37
64. Von
einem, der gehdngt werden sollte......... 37
65. Einer
hatte eine Klosterfrau beschlafen........ 37
66. Die
Arglist der Weiber.............. 38
67. Vom
kmderreichen Pfaffen...... ...... 39
68. Sonderliche
Predigt................ 39
69. Bauer
und Arzt................. 39
70. Vom
kranken Bauer............... 39
71. Eine
einfftltige Pfaffenantwort............ 39
72. Von
einer Hure................ 40
73. Kurze
Predigt................. 40
74. Welche
Dinge sind nichts nutzend.......... 40
75. Was
gilt bei den Deutschen als Freude........ 40
76. Unntttzes
Hausgesind............... 41
77. Ungew5hnliche
Dinge............... 41
78. Drei
Dinge sind widerw&rtig............ 41
79. Drei
Dinge miflfallen Gott........... . 41
IX
Seite
80. Vier
Dinge bleiben nicht verborgen.......... 41
Vier Dinge begehren die
Weiber........... 41
81. Von
einem schamlosen Magdlein........... 42
82. Abermals
von einem M&del............. 42
83. Wie
mofi das schdne Weib sein........... 42
84. Wie
man leben soli............... 44
86. Von den Bettlern.....
.......... 44
86. Von
der einfaltigen Brant............ 44
87. Vom
Bettler and Bftckersbuben Wolfgang Osterreicher ... 44
88. Unzochtiger
Bauer................ 45
89. Eine
Geschichte Hieronymi Embsers des Sekret&rs von Herzog
Georg von Sachsen............. 46
90. Einer
kauft viele Wiegen............. 47
91. Von
einem Magdlein............... 47
92. Von
eines Fursten Narren............. 47
93. Schimpflicher
Sprach eines Bauernmadels........ 48
Einleitnng.
Felix Bobertag erw&hnt in einem die
zwei Humo- risien des XVI. Jahrhundert — namlich Valentin Schumann und Michael Lindener — wiirdigenden Beitrag, welcher im Archiv fur Literaturgeschichte Band VI, 1877 erschien, mit Bezug auf die Schwankliteratur: „Es ist leider nicht zu vexkennen, daft die Gelehrten sich noch verh<nism&fiig wenig mit der Jagd auf dieses kleinere Wildpret besch&ftigt haben."
Dieses Bild ist ganz vorztlglich
gewahlt, denn eine Art Wildgeruch haftet in der Tat all den Schwanksammlungen jener Zeit an. Freilich ist er nicht zu verwechseln mit dem haut-gout jener spateren Zeit, den Boucher, der Maler der Nymphen, und Fragonard, der Maler liebenswurdiger Freeh- heit, in ihren mit schmunzelnder Skrupellosigkeit entworfenen Bildern der Welt bekannt gaben.
Das ancien regime, fur dessen Geist
beide Maler muster- gtlltige Beweisstucke bieten, zeigt uns die von ttberkultur ver- derbten, raffinierten Menschen. Erschlafft vom vielen Geniefien suchte diese "Welt neue Sensationen, um die Wollust wieder zu beleben. Die Hofkapl&ne, die Boudoirgeistlichen wetteiferten mit den Tanzmeistern und hochadeligen Herrn, um die frivole Galanterie eines wollustigen Zeitalters mit neuen Geilheiten auszustatten.
Ganz anders geartet war die Zeit des
XVI. Jahrhunderts in Deutschland. Da herrschte i m V o 1 k e die Erotik unverhullt und in strotzender Kraft, welche ebensowohl das Derbe, Ob- szdne als auch Pathologische, je nach den Zeitverlauften, in den Vordergrund treten laflt. Diese oft geradezu brutale Nackt- heit wirkte aber entschieden weniger unmoralisch als die Geil- heit, welche sich hinter Trikot und Gaze versteckte und eben
XII KS>
dadurch zeigte, wieviel eigentlich
entbloBt war, beziehungs- weise der Phantasie Raum gab zu traumen, was noch zu ent- hiillen sei.
Das verdorbene Parfiim des ancien
regime kennen wir durch vielerlei Untersuchungen, wahrend wir die Erotik des XVI. Jahrhunderts nur sehr Itickenhaft erfahren.
Man hat den eigenartigen Humor des
XVI. Jahrhunderts, der ganz hervorragend fur die Erkenntnis der erotischen Stro- mung jener Zeit geeignet ist, viel zulange achtlos tlbergangen. Die Mahnung Bobert ags trifft leider auch heute noch zu und erst jetzt, nachdem durch wissenschaftiich bewahrte Pfadfinder die Anthropophyteia und die Quellschriften zu
zu deren Studium begrtindet worden sind,
darf man sich der frohen Hoffnung hingeben, daB die Wissenschaft mehr als bisher der Erotik in all ihren Erscheinungformen eingehendere Beachtung schenken wird.
Wie der Botaniker an den Unkrautern
und Giftblumen, die sich in wohlgepflegten Garten und Ackern finden, nicht acht- los voriiber schreiten kann, weil der Begriff Unkraut der Botanik unbekannt ist, ebenso muB der Volksforscher und Kultur- historiker alle AuBerungen des menschlichen Geistes, alle Geistesbliiten der Gesellschaft in den Bereich seiner Unter- suchungen ziehen, urn auf grSBtmfiglicher Grundlage die zweck- entsprechenden Ermittelungen anstellen zu kdnnen.
Erst wenn wir die erotischen
Regungen der Volksseele kennen, konnen wir uns ein genaues und ungetrtibtea w ah res Bild von der Kultur einer Nation machen. "Wer Kenner des Griechentumes der An tike werden will, muB das erotische Element im griechischen Volksleben studieren. Jeder Universitatsprofessor mufl diese Forderung an die Altphilo- logen stellen. Das klingtin den Ohren der meisten Gebildeten wie eine Binsenwahrheit. Sonderbar ist es nun aber, daB man zur Erkenntnis dieser Binsenwahrheit so schwer gelangen kann (oder auch will!) wenn es sich um Zeiten handelt, die uns viel naher liegen, wenn unser eigenes Volk in seiner jetzigen Generation sowie in seinen Vorfahren in Betracht kommt.
Nicht in Frage kann stehen, ob es
sich um geschmackvolle oder geschmacklose Dinge handelt. Wer Forscher ist, hat damit zu rechnen, auf Schritt und Tritt Anschauungen, Verhfilt-, nissen zu begegnen, die einen ^sthetischen GenuB nach keiner Seite hin aufkommen lassen. Subjektive Bedenken vermdgen
XIII
geradezu die Geeamtergebnissen einer
Untersuchung zu ge-
fahrden und falsche Ansichten
zeitigen.1)
* *
Wir bieten auf den nachfolgenden
Blattern eine Reiho derber Spafie, roher Schnurren, &tzend scbarfe Witzreden, un- asthetische Unterhaltungen, deren Kenntnis ihrer Natur nach als tollste Ausgeburten der deutschen Schwankliteratur auf die Kreise der Folkloristen, Mediziner, Philologen, Archaologen und Kulturhistoriker zu beschranken war.
Es sind Werke, mit denen voreinst
die deutsche Nation, wiirdig oder unwiirdig, in den Gang der allgemeinen euro- paischen Literatur eintrat.
Wie diese Anknupfung vor sich ging,
wollen wir in sum- marischer Kurze versuchen darzutun.
Die regen Handelsbeziehungen
bluhender Stadte Italiens mit dem die Pracht und Sinnenlust liebenden Orient, der Trofi fahrender Weiber, welchen die Kreuzztige im Gefolge hatten, riefen eine fortgesetzte Steigerung des Lebensgenusses hervor. Hand in Hand mit der Steigerung der papstlichen Gewalt ging die Prunkentfaltung an der Kurie. Die prunkvollste Hofhaltung kiindete den mach tigs ten Herrscher. Ein Heer von Dienern, Priestern, Adeligen trieb sich am papstlichen Hofe herum. Die Ausgaben wuchsen, in diesem die besten Itrafte vergeudenden Milieu, ungeheuerlich. Feldzuge gegen den Islam in Asien, in Afrika, in Spanien, Jubeljahre, Pilger- fahrten nach Rom wurden ausgeschrieben zur Erhohung der Einnahmen der papstlichen Verwaltung; das Taxen- und S port el- system zeigte sich stets in tolleren Auswtichsen.
Im Mittelpunkt all dieses Luxus
stand das scheme Weib. Bereits bei der langen Belagerung von Accon wahrend des zweiten Kreuzzuges wurden nach den arabischen Geschichts- quellen den Belagerern kaufliche Frauen zugeftihrt. Ein ein- ziges Schiff soil 300 Dirnen gebracht haben, da die nach dem Weibe lechzenden franzosischen Soldaten sonst nicht kampfen wollten.
Mit Bezug auf die Kreuzztige sagt
Abbe Fleury: „Tous les vices y regnaient, et ceux que les pelerins avaient apportes de leurs pays et ceux qu'ils avaient pris dans les pays etrangers."
f) Vergleiche dazu auch
die Eingangkapitel zum I. und II. Bande der Anthropophyteia, mit denen sich Dr. Krauss auf dem Gebiete der Volkskunde ein Denkmal setzte.
XIV JK®
Luxus, GenuBsucht in der Laienwelt,
ganz besonders aber auch im Welt- und Ordensklerua waren die Faktoren der be- fltigelten Sinnenlust. Aus dem Orient hatten die Pilger zum heiligen Grabe, die Kreuzfahrer tolle Sinnenfreude mitgebracht, die Lust am Bad, besser gesagt am Dampfbad begann, bot sich doch damit Gelegenheit von Geschlechtsverkehr. Man lernte rasch, daB es unziichtig sei, mit behaartem KSrper im Baderaum zu erscheinen. Manner und Frauen sorgten, daB all diese AnstoB erregenden Harchen entfernt wurden. — Noch ist die Geschichtc des Bades nicht geschrieben, obwohl dieses Kapitel zu den interessantesten unserer ganzen Kultur gehdrt und mancher schone Beitrag in den Literaturen zu fin- den ist.
War die Cbernahme des Dampfbades wie
tiberhaupt des Gesellschaftsbades nur eine Modesache, beziehungsweise eine gesundheitliche Erkenntnisangelegenheit ? Eine definitive Ant- wort kann zurzeit noch gar nicht abgegeben werden, weil die Frage trotz all der dariiber erschienenen Schriften zu wenig gekl&rt ist.
Wie vorziiglich man die Badegem&cher
zur Nutzbar- machung der Laszivitat und Unzucht nutzbar zu machen ver- stand, erhellt aus der mittelalterlichen Literatur, ferner aus den kulturhistorischen Schriften eines Branome.1)
Es hort sich zwar sonderbar an, aber
ist durch die For schungen der letzten Jahrzehnte stets ersichtlicher geworden. Italien und die Kloster waren die Hochschulen des sich mehr und mehr schnell ausbreitenden raffinierten Lasters. Nicolaus von Clemangis ruft mit vielen gleichgesinnten Reformatoren des verflachten sinnenfreudigen Klosterlebens aus: „Was sind denn heute unsere Frauenkloster ? Sie sind nicht Gott, sondern Venus geweiht; unkeusche, hochst unreine Orte, an denen sich die zligellose Jugend alien Arten der Geilheit und Genufi- sucht preisgibt. Es ist heutzutage ftir ein junges Madchen gleichbedeutend den Schleier zu nehmen oder sich offentlich an einem bertlchtigten Orte preiszustellen."
Wir kdnnen hier keine allgemeine
Kulturgeschichte schrei- ben, so nahe es lige, einmal zu zeigen, wie der sittliche Ver- fall, der aus idealen Intentionen gegrundeten Kloster allge-
') Vergleiche dazu die orientierende
Ausgabe. Brantdme, Leben der galanten Damon, tibersetzt von W. A. Kastner, Deutsche Verlags Aktiengesellschaft.
^ XV JK»
main verheerend wirkte. Die gee&mte
Schwankliteratur Deutsch- land, Italiens und von Frankreicli bietet ebenso wie die Folic von Holzschnitten und Kupferstichen Material genug, um den Stand vieler Kltieter zu beurteilen. In die klbsterliche Aakese spielte eine haufig flammende Sinnlichkeit. Welche Feinheiten enth< z. 6. der Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise! Wir fuhren daraus nur eine Stelle an aus dem V. Briefe, wo- aelbst es heifit: „Vielfach ist auch die Haut dunkelfarbiger Frauen zwar weniger lockend fur das Auge, aber um so reiz- voller bei der Beruhrung, und darum ist der gebeime Liebee- genufi, welcben sie spenden, grdfler und sufter als dffentliche Freuden; und um ihn zu genieflen, werden solche Frauen von ihren Mannern lieber in das Schla<gemach gefuhrt als in die Offentlichkeit."
Neben den Klosterinsassen miissen
wir auch die in Italien und in Paris studierende Jugend anfuhren, als Verbreiter und Tr&ger der derbsten Erotik in alien ihren Formen. Weiter sind hier zu erw&hnen die Landsknechte, welche st&ndig die Zote kultivierten. Schliefilich durfen wir auch die Kaufleute nicht vergessen, welche aus den italischen Handels- und See- st&dten allerlei grobsinnliche Histdrchen mitbrachten und von Stadt zu Stadt weitertrugen.
Das heitere Naturell der Italiener,
ihr Gheselligkeitsbedurf- nis aufierte sich auch in dem lebensfroh scbaumenden Geist ihrer Unterhaltungen. Man freute sich der Pikanterie in jeder Erscheinungsform. Das Leben und Treiben des Klerus, der gebildeten Kreise bot Stoff in Hulle und Ftille.
Die besten Stucke dieser leichten
Ware auch literarisch zu verwerten, blieb einem Italiener vorbehalten, namlich Brac- ciolini.
Die Schwanke und Schnurren des
Florentiner Gian-Fran* ceeoo Poggio BraccioliniJ) fanden bei ihrem erstmaligen Er- scheinen — etwa 1470 — auf dem Bilchermarkte *) groBen Beifall in der Gelehrtenwelt. All die derbsinnlichen, witzigen, spottlustigen Histdrchen, welche sich die papstlichen Sekret&re in frohen Stunden erz&hlten, Aran gen in immer weitere Kreise,
l) Siehe dazo die
vorzOgBche mit Einleitung and Anmerkungea Tersehene Obersetzang von Alfred Semmeraa, welche im IV. Band der Romanischen Meistererzahler, Leipzig, 1906 erschien.
*) Poggio erwfthnt seine Fazetien
bereits in einem Briefe vom 36. Oktober 1438.
62* XVI JK®
nachdem Poggio diese Kinder
sinnenfroher Laune gesammelt hatte.
Selbst die Klosterdruckerei von S.
Eusebio in Bom tiber- nahm die Drucklegung dieser keine Prtlderie kennenden Schw&nke, um dem Lesebedllrfnis zu geniigen.
Die weite Verbreitung, welche diese
von lebhafter Sinnes- freude zeugende Sammlung pikanter Scherze in Italien hatte, dehnte sich auch auf Deutschland aus. Hier reizten diese Schw&nke und Schnurren zu weiterer, den deutschen Verh<- nissen angepaBten Ausschmtickung, zur Nacherz&hlung und Weiterbildung.
Der Boden dafiir war in Deutschland
vorbereitet wie kaum anderwarts. Die f glanzvolle Zeit des Bitterstandes naherte sich dem Verfalle. Mflhsam suchte der Adel und die eng mit ihm und in ihm verbundene hohe Geistlichkeit durch eine auflerst umstandige und verwickelte zeremonielle Feinheit das tJbergewicht und den entscheidenden Einflufl zu bewahren, denn immer wuchtiger begannen die Ziinfte und die niedere Geistlichkeit den geistigen und tatlichen Kampf.
Noch stand die Masse dem Ringen
teilnahmlos gegeniiber.
Wohl empfand man im Volk den dumpfen
Druck von oben, aber noch war man sich der eigenen Kraft nicht bewuBt ge- worden.
Je anmaBender und diinkelhafter der
Adel sich gehabtc, und die Gelehrten mit ihrer verschrobenen Weisheit auftraten, desto mehr begannen die unteren Kreise auf rohe Nattlrlichkeit und Einfalt zu pochen. Schlauheit setzte man der politischen und geistigen Cberlegenheit der Herrschenden gegentlber. Mutterwitz war die Diplomatic der weiten niederen Volks- schichten.
Der peinlich abgezirkelten
zeremoniellen Feinheit der hoheren Kreise gegeniiber machte man sich aus der groben Un- geschlachtheit des Volksverkehres einen wahren Stolz. Volks- tiimlich muBte auch der niedere Klerus sprechen, um Flihlung mit der Herde zu behalten. Der groBte Teil der Weltpriester stammte zudem aus den untersten St&nden und erreichte bei der mangelhaften Vorbildung vielfach niemals eine ideale Auf- fassung des Seelsorgerberufes. Man diente am Altare geradezu handwerkmaflig, und der halbgebildete Klerus tat sich haufig durch besondere Boheit hervor, wie das so viele Schwanke zeigen; Schwanke, in denen Tatsachen mit Namensangabe dor betreffenden Priester belegt werden.
xvn
Bebel erw&hnt z. B. den Priester
Mutscheler in Ulm, dann den Priester Wendelin, Fussilin, ferner die Konkubinen der Geistlichen. Tolle Angaben uber Geistliche enthalt die Zim- merische Chronik. Michael Lindener weifi desgleichen wenig erbauliche Geschichtchen von Mdnchen, Nonnen und Geist- lichen zu berichten.
War die Geistlichkeit aber derart
vielfach ganzlich ihrer hehren Aufgabe unf&hig, wie muBte es erst in den weiten Volksschichten aus s eh en. Wer sollte der Masse ideale Stimmung, weihevolle Sammlung bringen ?
Die Roheit war gewaltig, aber dem
Volke, meistens selbst den hoheren Kreisen kaum bewuBt, denn fur ein derb angelegtes Volk bleibt ein roher, ja grausamer Spafl stets noch ein be- lachenswerter SpaB.
Was uns heute bei der Lekture dieser
Dinge geradezu als Gemeinheit empfindlich abstdBt, fand im XVI. Jahrhundert sogar den Beifall der Gebildeten und der Frauenwelt.
Man wollte lachen und war in den
Mitteln die Lach- lust zu erregen nach keiner Seite bin irgendwie wahlerisch. Der Schwank war in alien Formen willkommen. So zeigte sich das Schauspiel haufig lediglich als ein Schwank in Gesprach- form, die Meistersinger verschmahten fur ihre weltlichen Lie- der den Schwank auch nicht, unbedenklich mischten die Fabel- dichter die Schwanke unter aesopische Apologe. Die Prediger konnten und mochten der Schwanke gar nicht entbehren. Der derbete und witzigste Kanzelredner war auch gleichzeitig beim Volke am beliebtesten.
Gemut8erheiterung stand liber der
Kopfbeschaftigung. Der volkstlimlich deutsche Humor bluhte allgemein. Die Witzreden und Sticheleien betrafen a Her lei lose Gesellen der untersten Klaisen, Bettler, Vagabunden, dann aber auch Volksnarren und bauerliche Kreise.
Mit klarem Auge erkannte in jener
Zeit der Professor Heinrich Bebel, daB sich aus dem Schwank noch mehr machen lieB. Der im Volke wurzelnde Gelehrte hatte wahrgenommen wie reich die Quelle derben Humors sprudelte. So begann Bebel an die bisherige Art auch Schwanke von bekannteren MeB- pfaffen, Landsknechten, Handwerkern sowie Bedensarten be- rtihmter Manner anzureihen.
Der Aufenthalt eines Freundes,
Petrus Arelunensis, im Bade, sowie die schwabische Sitte, den in Badeorten weilenden
Karl Amrain. Deutsche
Schwankerzahler. II. II
XVIII )K®
Freunden kleine Geschenke zu
ubersenden, wax 1506 die auflere Veranlassung zur Herausgabe der sp&ter wirklich weltberuhmt gewordenen Libri HI facetiamm, die erstmals 1508 in Strafl- burg i. Elsafi gedruckt erscbienen.
Heinrich Bebel bat sich mit dieaer
Sammlung, deren Ge- balt durch und durch bodenst&ndig und wertvoll ist, als den geschicktesten Nachbildner Poggios erwiesen, so weit wenigstens Deutschland in Betracht kommt. Dieser Griff in das wahre Volksleben erwies sich als auflerst glucklich. Allenthalben selbst in Frankreich las man diese dem Erohsinn dienende Sammlung und versuchte sich in mehr oder weniger gelungenen Nachahmungen.
Neben Bebel mussen wir Augustin
Tunger, den Prokurator am Hofe des Bischofs von Konstanz nennen, der auf Ver- anlassung des Grafen Eberhard des Bartigen von "Wtirttemberg im Jahre 1486 eine kleinere Schwanksammlung herausgegeben hatte. Desgleichen mussen wir Frey, den Verfasser der „Garten- gesellschaft", erwahnen, der weiter auf Bebel aufbaute.
Weiter dtirfen wir Michael Lindener
wegen seiner kultur- historischen wichtigen Schriften nicht ubersehen und endlieh auch die bedeutsame Zimmerische Chronik nicht mit Still- schweigen fiber gehen.
Die Liste derber Schwankerzahler ist
damit ja noch keines- wegs erschttpft, aber die erw&hnten Namen sind alle fur die suddeutschen Verhaltnisse ganz besonders wichtig. Ausdrtick- lich sei auch der in Suddeutschland wirklich heimisch ge- wordene 2dichael Lindener genannt.
An der Hand der Schriften dieser Hum
oris ten und Sati- riker bekommen wir wunderbare klare Einblicke in die sozialen und kulturhistorisch bedeutsamen Verhaltnisse.
Wer diese Schwanksammlungen achtlos
beiseite schieben wollte, weil der Erzahlende so gar kein Blatt vor den Mund nchmen will, der wurde geradezu unverantwortlich nachlassig Kulturgeschichte betreiben und sich an der Geschichtsfalschung unmittelbar beteiligen.
Fur das Treiben in den Wirtshausern,
Badestuben, auf Reisen schbpfen wir aus den berlihrten Schwanksammlungen gerade anschaulichste Belehrung. "Wer einen wirklich brauch- baren und zuverlassigen Gradmesser ftir die Moral- anschauungen — im weitesten Sinne genommen — jener Zeit gewinnen will, mufl sich unbedingt an das Studium der
6* XIX
Schwanke machen.1)
Freilich fiethetischen GenuB bereiten diese Schwanke in keinem Falle, denn vielfach stoBen wir auf den grdBten Schmutz, aber in all dem Wust sehen wir da* intimate Ftihlen und Denken weitester Kreise, welche
im XVI. Jahrhundert gelebt
und gewirkt haben. Es ist ein Stuck Menschheitgeschichte und darum dem Volksforscher so be* deutungsvoll, ja geradezu kostbar.
* *
ZweckmaBig scheint es zu sein, auf
die Lebensgesehichte der hier in Betracht kommenden Schwank- und Schnurrenver- faaser einzugehen. Wir beginnen mit Professor Bebel.
1. Heinrich Bebel erblickte etwal472
zuJustingen — Ober- amt Munsingen — im Donaukreis des heutigen Ktinigreiches Wurttemberg, das Licht der Welt. Er war der Sohn eines nicht beguterten Bauern, also ein richtiger Bauernbub. Wenn wir das betonen, mag das vielleichit etwas seltsam erscheinen, aber die Herkunft ist fur Bebels ganzes Leben wichtig ge- wordenl Allzeit neigte er dem Volke zu und verweilte haufig unterm Volke, dessen Lebensbedurfnisse und Unterhaltungsstoff er vorzuglich verstand, wfihrend andere Hum an is ten sich fern vom Volke in dunkelhaft vornehmer Abgeschlossenheit hielten. Unter dieser Hinneigung zum Volke hatte Bebel viel zu leiden, namentlich nachdem die aus dem vollen Leben sch5pfenden Schnurren und Schwanke erschienen waren.
Das Vorurteil gegen den
„bauerlichen" Bebel hat es aicher- lich bewirkt, daB Bebel, der gelehrte Lateiner, nie eigentlich bei der Nachwelt dauernd zu den verdienten Ehren kommen konnte.
Koch ungereimter klingt der Vorwurf,
daB Bebel bei seinem freimutigen Betonen sittlicher Sch&den bei der katholischen Geistlichkeit sowie grober Verweltlichung der Kirche, nicht aus der Kirche ausgetreten sei. Bebel, heiBt es, habe auf diese Weise ganz unmannlich gehandelt. Wer diesen Stand- punkt einnimmt, verkennt durchaus und nach jeder Seite hin . die Tatigkeit eines Satiriker.
Bebel erhielt nach seinem Vater den
Namen Heinrich, ein
*) Moralanschauungen andern sich
wie der Geschmack. Man vex- gleiche dazu die bedeutungsvollen Ausfuhrangen von Ednard Kulke in seiner Kritik der Philosophic des Schdnen. Herausgegeben von Dr. Fr. S. Krauss, Leipzig 1906. Seite 275 ff.
II*
6* XX
Bruder des Verfassers der Fazetien
hiefl Wolfgang. Dieser wurde 1506 Magister, hernach Doktor der Arzneigelehrsamkeit nnd 1515 war er in Tubingen Dekan der philosophiscben Fakul- tat. (Siehe hierzu die Bebelbiographie yon Zapf — Augsburg 1802.) Heinrich erhielt seine ersten Schulstunden in dem kleinen bei Ulm gelegenen Orte Schelklingen.l) Im Jahre 1492 be- gegnen wir ihm in Krakau, woselbst er sich der Bechtswissen- schaft, den schSnen Wissenschaften und freien Kunsten wid- mete.') Bald liefi Bebel die Jurisprudenz, die Pandekten, das Corpus iuris ruhen, um sich vollig den schtinen Wissenschaften hinzugeben. Unter seinen Lehrern war es namentlich Lauren- tins Corvin, fur den Bebel grofie Verehrung hegte.*)
Wiederholt unterbrach Bebel seinen
Aufenthalt, und so sehen wir ihn im Hochsommer 1494 in Basel. Hier erkrankte Bebel an der Dysenterie und nur mit Grauen dachte er sp&ter «ji diesen Krankheitsfall zuruck, und zumal
da das folgende Jahr 1495 die Pest brachte, welche auch den Vater unseres Gelehrten dahinraffte.
In kindlicher Liebe weihte Heinrich
den Manen des teueren Vaters eine prftchtige Ode in lateinischer Sprache, die wir der Seltenheit wegen zum Abdruck bringen wollen.
Saphicon in mortem Henrici Bebel
senioris qui obiit in peste MCCCCXCV.*)
Hoc avus noster recubat sepulchro Bebel Henricus, miseris benignus Quern tulit canum furibunda pestis Impia cunctis.
l) Vergleiche in
Bebels Abhandlung: De abusione linguae latinae, Siehe: Die Commentaria epistolanim conficiendarum (Argent 1503, 4) p CXXXIII. (Phorcae 1508. 4) Bogen s. 11 j a (ibid. 1510) p LXXX usw. Munidpes Tttbingenses, die Burger von Tubingen, vel municipes Schel- klingenses, apud qnos ego educatus sum, et primas litems didici.
^ Bebel erwihnt in einem Gedtchte
seine Rechtsstudien „Solus ego cepi civiles discere leges—Palladiasque sequi non radis ipse scholas cfr: Adami.
8) Vergl. Burkhard:
Commentarii de linguae latinae in Germ, fatis P. II. p. 328.
*) S. Henr. Bebel Oratio ad Regem
Maximiliannm de laudibus atque amplitudine Grermaniae (Phorcae et aedibus Thomae Anaheim 1604. 4) Bogen r. ijb.
6* XXI
Pestis hen crassans regione Sueva Strangulans sanctoa tolerans nefandos Integro non to poteraa scelesta Parcere patrL
Qui 8uam duxii probitate
vitam Justus et clemens, pietate pollens Dignus ut vivat superas per auras Tempus in omne.
Disce mortalis petitura mundo Cuncta fallaci, nihil et futurum Semper aetemum, pereunt in hora Gaudia mundi.
Tardius nunquam fluidisque lymphis Transeunt anni, volucrisque vita Corporis nostri fugit et venustas Otior euro.
Horridae mortis memor ipse prudens Esto, quae semper truculenta cunctis Imminet fies moriture manes Pulvis et ombra.
Haec rapit matres juvenes senesque Abstinet nullo genito sub ore Pauperes regum et simili revisat Atria more.
Ezimet nee te proavum vetusta Claritas, tutum facietve virtus Mortequin dura subeas Avernae Limina mortis.
Attalo nunquam preciosa vestis Nec Gygi Lido numerosus archa Profuit nummus, subeuntque legem Omnibus unam.
Non Aristides potuit fugare Integer laethum. Numa vel deorum Cultor, et constans animus Catonis Cedite morti.
xxn
Ergo divinum precious remulce Numen, ignoscat scelere aggravates Astra post mortem petiturus adsis Chare viator.
Welch' feine Seelenempfindungen und
Begungen atmen diese Verse! Welch inniges Verh<nis zwischen Vater und Sohn kunden einzelne der Strophenl Wie interessant ist es, diese Ode zu vergleichen mit der noch anzufuhrenden Apologia Bebelii contra Zoilum de stirpe sua. Solche Bekenntnisse des Dichters wollen doch auch gewurdigt sein, wenn man der Personlichkeit des Verfassers der vielgeschmahten, aber ebenso hfiufig gelesenen Facetien gerecht werden will.
Im Hinblick auf diese bedeutsame
Todesode ist es auch wichtig zu betonen, daB Christoph Freiherr von Schwarzenberg aus Achtung vor dem Verstorbenen und aus Liebe fur Heinrich, den Sohn, ein Epigramm komponierte, dessen Text also lautet:
Proh superi sceptrum arcis vos
demite ternis
Vivere ne praestent stamina neue
secent
Cum nullis parcant rigidae, nec
parcere callent
Sed sine mortales hae ratione necent
Hoc iam Bebelii commonstrat mors
senioris
A cunctis cujus vita probata fuit
Hie nunc exoluit naturae debita,
natos
Sed liquit binos, qui modo laude
micant
Huno rogo per ducas ad celsa
diespiter alme
Limine coelorum, sunt ubi regna dei.
*)
Dieses Epigramm spricht fur die
Wertschatzung der ge- samten Familie Bebel, andererseits zeigt es aber auch, wie gehr der Sohn den Vater geliebt hatte, da Schwarzenberg dem Sonne mit dem Epigramm eine kleine Freude bereiten wollte. Welche Tiefe des Gemutlebens lassen uns die kleinen Ztige ahnen, und wie hinf&llig werden alle Einw&nde, Bebel sei rechthaberisch, larmvoll und oberflachlich gewesenl
Schriftstellerisch tatig war Bebel,
wie Zapf vermutet, erst- mals im Jahre 1496, als er in Basel die Kosmographie seines
*) Epigramma Christophori Baronis
de Snartzenberg Franci orientali. in mortem Henrici Bebelii senioris qui rait pater Henrici Bebelii poetaes S. Bebelii opera. Triumphus veneris & Phorcae in aedib. Tn. Ans- helmi 1509. Bogen I.
XXIII J«e>
in Krakan wirkenden Lehrers Laur.
Corvinus in Druck gab. DaB uberaus seltene Work ist eigentlich eine Erklarung und Einleitung in die Kosmographie des Ptolom&us. Zugeeignet bat Bebel das Werk dem ihm befreundeten Hartmann von Ep- tingen, Kanonikus in Basel. Sp&ter bat Hartmann „suo Hein. Bebel JnstingensL Ordinario lectori poetices in universitate Thubin, felicitatem" gesagt.
Bebel war, wie aus den Zeilen
Hartmanns hervorgeht, Lehrer der Dicbtkunst, und zwar hatte man den feinsinnigen Mann im Jahre 1497 als Lehrer der Beredsamkeit und Dicht- kunst nach Tubingen berufen. Hier schlofi er Freundschaft mit seinen Schulern Melanchthon, Johann Stofler, Franz Sta- dian und Johann Brassikan. Auch der nachmals so streitbare Johannes Eck, welcher in Tubingen studierte, verehrte in Bebel ebenfalls seinen Lehrer. Bebel fiigte Ecks Chrysopassus prae- destinationiB (Aug. Vind 1514 fol) an Johann Asthmann folgende Verse bei, die ein Schlaglicht auf das Verhaltnis zwischen Eck und Bebel zu werfen geeignet sind. Epigramma Henrici Bebelii Justingensis oratoris et poetae laureati ad Joannem Asthman- num Theologum ac concionatorem Tibingensem super iudicio Chrysopassi praedestinationis Joannis Eckii Theologi omnium per Germaniam famigeratissimi ac subtilissimi.
Judicium nostrum tentas Asthmanne
sodalis
Quanti sit nobis Eckius ille tuus. Immo meus potius: nostra quandoque Minerva
Formatus: musis dum puer incubuit. Est mini vir rarus simul admirabilis unus
Cuius ob ingenium Suevia tota nitet. Ille Theologiae musas coniunxit amoenas
Doctus mellifluo cum Cicerone loqui. Ille Mathematicus, vel quern polyhistora dicas
Si titulos omnia enumerare velis. Trigenas tamen haud messes ni fallor in annis
Hactenus implevit: gratia quanta
deum? Hinc spes est melius consultum posteritati
Longius in vita, si superesse datur. Attamen hunc librum numquam librare valebo
(Materia vires exuperante meas). Dum docte, argute, vel quos praedestinet, aut quos
Praesciat ipse deus: explicat atque
docet.
6* XXIV *®
t Ne fiam judex, velut olim turpis
asellus
De cuculi canto, Lnsciniaeqne melo.
Tllbingae sexto die Aprilis Anno
domini M. D. XIV.
Auch dieses Gedicht zeugt von dem
klassischen Latein, dessen Lehrer Bebel geworden war. Man hat nicht unrichtig gesagt, Bebel, der die lateinischen Redner, Dichter und Ge- sehichtechreiber erklarte, leistete ftir die Latinitat was Reuch- lin fur die hebr&ische und griechische Literatur.
1502 war ein Pestjahr und aus
gesundheitliehen Sicher- heitsgrlinden wurde die Universitat nach Nagold und Dora- stetten verlegt. Bebel weilte wahrend dieser Zeit in seinem Geburtsort Justingen. Fern von dem Verkehr mit Gelehrten, ohne Bucher dichtete um diese Zeit Bebel den Triumphus Veneris in sechs Buchern. Die Grunde zu dieser Dichtung gibt Bebel dahin an: „Haec cum nuper (tempore pestis quo a Tubinga secesseram in patrioque Justingensium solo sine libris et literatis delitescerem) mecum tacitus reputassem, cepi cogi- tare auo pacto ociosus aliquid meditarer, unde me vixisse testarer, deque humano genere pro virili portione mea bene mererer, et cum illi scriptores prae caeteris oommendentur, qui non iucunda tantum auribus sed et utilia animis excolendis admoneant, majorisque meriti praedicentur, quam qui alter utrum tantum sunt consecuti, cepi iocoso et figurato carmine scelera atque flagitia horn in um detestari, ut cum iocis pro- d e s s e m." — Wir erwahnten diese Erklarung aus dem Grunde, weil sie uns auch die Herausgabe der Fazetien bedeutend ver- standlicher macht. Lachenden Sinnes geiflelt im Triumphus Veneris Bebel die Torheiten der Menschen, lachenden Auges tut er dasselbe auch in den Schwanken und Schnurren.
In demselben Jahre 1502 besuchte
Bebel Blaubeuren, Jetten- bruck und Ingstetten, aufierdem viele Kloster. In den Buche- reien der Monchniederlassungen suchte Bebel als gern gesehener Gast unbekannte Schatze ftir die Geschichte oder seine histo- rischen Abhandlungen, denen es freilich wie fast alien For- schungen seiner Zeit an der Akribie mangelt. In dem Kloster Zwiefalten war Bebel formlich wie daheim, denn er hatte an dem Abte Georg Fischer, welcher sich der Mode entsprecbend Piscator nannte, einen ausgezeichneten Freund. Bebel ruhmte diesen Abt als einen zweiten Stifter des Elosters, Piscator
_ . ■
empfahl er auch seinen aus Ulm
stammenden Freund Leonhard Klemens, der in Zwiefalten Benediktiner und Prediger war.
$31 XXV
Zu den schdnsten Seiten an
dem Menschen gehftrt bei Bebel dessen unermudliches Eintreten fur gute Freunde. Fur seinen vertrauten Freund Johann Beuchlin trat Bebel mannhaft und wirkungsvoll auf den Kampfplatz, das beweisen die Briefe der Dunkelm&nner.
In dem Carmen Bithmicale Magistri
Philippi Schlauraff *)> quod compilavit et deportavit, quando fuit cursor in Theologia, et ambulavit per totam Alamanicam superiorem finden wir folgende uberaus wichtige Stelle:
Tunc ad Tubingam abii hie sedent
multi socii
Qui novos libros faciunt, et
Theologos vilipendunt
Quorum est vilissimus Philippus
Melanohthonius
Sicut ego cognovi: et igitur Deo
novi,
Si viderem ilium mortuum, quod irem
ad sanctum Jacobum,
Fuit et Bebelius, et Joannes
Brassicanus*)
Et Paul Vereander, die schworen alle
miteinander,
Quod vellent me percutere, si non
vellem recedere?
Bebels impulsive Natur fand bei den
haufigen Gelehrten- z&nkereien an Freunden wackere Unterstutzer. Als z. B. Jo- hann Corunnus, ein Franzose aus Chartres, Bebel literarisch angriff und denselben einen albernen Menschen schalt, den man nicht Bebel sondern Balbus nennen sollte, da schrieb Bebels Schuler und Freund Jakob Heinfichmann aus Sindelfingen am 30. Oktober 1514 an Bebel und berichtete in heller Entrustung uber die „unver8ch&mteste Bestie" Corunnus. Der so tempera- mentvolle Heinrichmann war damals Rat bei dem Bischof Hein- rich von Lichtenau in Augsburg.
Dieser Jakob Heinrichmann ist der
Nachwelt bekannt ge- worden durch urderbe, aber teilweise auch recht drollige An- gaben der zukunftigen Zeiten. Diese Angaben wurden bereits
M'JS. Epistolae obscurorum
virorum (Francof. 1757,8) T. I. p. 196.
2) Brassican, den
Melanchthon hochverehrte, war ein vorzuglicher Lehrer am akademischen Pftdagogium zu Tubingen. In einer weit
ver- breitet gewesenen Grammatik, deren 1. Auflage 1513 zu Strafiburg und 2. in Hagenau 1518 erschien, schOderte er im Vorwort den
vorzflgUchen Stand der akademischen Schule in Tubingen. Den auf Bebel beztig- lichen Passus wiederzugeben, sei uns hiennit verstattet: „Qui literas politiores scire expetit Bebelium poetam strenue profitentem quotidie andiet". Die ganze Schflderong siehe bei Zapf: Heinrich Bebel, Augs- burg 1802, Seite 74, Anmerkung 84. Zu den Fazetien hat Brassican etliche sehr derbe Beitrftge geliefert.
S3* XXVI
seit der Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts als Prognosticon in omne aevum durans den Fazetien Bebels beigeftigt.*) Frei- herr von Schwarzenberg hatte auf die Prognostica des Jacobi Henrichmanni praeceptoris folgendes Distichon gemacht:
,,Henrichmannus predixit tibi vera
futura Hie nullum fallit, tu bene crede mihi."
Neben dieser ungemein beliebten
Kalendervoraussage war auch seine Orammatica sectae recentioris stark verbreitet. Vor- zugliches leistete Heinrichmann als Orammatiker am P&da- gogium zu Tubingen. Bei seinem Tode war er fast hundert Jahre alt.
Neben Heinrichmann und dem bereits
erwahnten Brassican nahmen Bebels gerechte Sache in Schutz, z. B. Michael Coc- cinius alias Kdchlin. CoQcinius war ein sehr gebildeter Schrift- steller und Kanzler bei dem Gouverneur von Modena Veit von Furst; wir erwahnen ferner Leonhard Klemens, Georg Hdr- mann und Bebels eigenen Binder, den Doktor der Arzneigelehr- eamkeit Wolfgang Bebel, welcher gleichfalls wiederholt sich als Dichter ausgezeichnet hat.
Ungemein grofi und weit ausgebreitet
ftir damalige Ver- kehrsverhaltnisse muB der Briefwechsel gelten, den Bebel mit Freunden und Bekannten unterhielt. Wir nennen da Johann Casselius, Pfarrherr in Geislingen, ferner den Sekret&r des Herzog Ulrichs von Wlirttemberg Simon Cellarius, den kaiser- lichen Sekretar und Doktor der Bechte Johann Colaver, Leon- hard Dtirr, Abt zu Adelberg in Wurttemberg, Valentin Ele- phant, ein Patrizier und Senator zu WeiBenburg im ElsaB, den Domherrn in Basel, Hartmann von Ep tin gen, den Karthauser Mdnch Marx Fabri in Trier, Georg Hdrmann, Kanonikus des Stiftes zu St. Moritz in Augsburg. Als Freunde und GOnner Bebels durfen wir Namen, wie den des Dompropstes zu Augs- burg Matthaus Lang, nachmals Kardinalerzbischof von Salz- burg, nicht vergessen, ebensowenig Johann Naukler oder Vergen- hanns, dann Jakob Oessler, welcher bischoflich StraBburgischer Eonsistorialadvokat war, auBerdem den weltbekannten Augs-
l) Heinrichmann hatte
1508 an Bebel und den Freiherrn von Schwarzenberg eine kleine Schrift mit dem Titel: „Prognostica alioauin barbare practica nuncupata", zur Lekture ubermittelt. Bebel fand die Prognostica so urkomisch, dafi er seinen Freund Heinrichmann bat die- 8elbe den Scherzreden anzufflgen.
6* XXVII TO
burger Konrad Peutinger. Freunde
Bebels waren neben Bench- fin auch der Augustiner M6nch Andreas Proles Provinzial seines Ordens, ein einsichtsvoller Mann, der das Verderben der katholischen Eirche sah und die Reformation voraussagte. Es liegt uns fern, etwa ein vollst&ndiges Verzeichnis all der Per- ■Onlichkeiten zu liefern, welche mit Bebel in Verbindung stan- den. Wer sich n&her damit befassen will, den verweisen wir auf Zapfs Bebelbiographie Seite 30—44.
Ein en Namen wollen wir nur noch
anfuhren, n&mlich Hieronymus Emser, den bekannten Gegner Luthers. Bebel kannte den Hieronymus Emser schon seit dem Jahre 1497 aus Basel her und echlofl mit Emser, der aus Ulm stammte, innige Freundachaft. Emser erlebte wegen seines Freundes Bebel einen seltsamen Vorfall. Als Feind der Schweizer, welche nichts von Kaiser und Reich wissen wollten, hatte Bebel einige epitzige Verse gereimt. Emser schrieb diese Verse einem seiner Kommilitonen, der im Eolleg eingeschlafen war, in das Buch. Die fur die Schweizer stark beleidigenden Verse erregten die Gemtiter so gewaltig, dafi heftige Unruhen ausbrachen. Man wollte Emser in das Gefangnis verbringen, aber glucklicher- weise nahm Chriatof von Utenheim Bischof von Basel den Emser in Schutz und behielt denselben solange bei sich bis die Schweizer mit Maximilian I. wieder ausgesdhnt waren. Emser wurde apater Sekret&r des Herzog Georg von Sachsen. Fur die Fazetien hat auch Emser, wie wir sehen werden, Beitr&ge geliefert.
Padagogen, Bechtsgelehrte,
Angehdrige des Weltklerus und Mdnche bildeten den grofien Kreis von Bebels Freunden. Es eind durchweg klangvolle Namen, welche dartuen, daB Bebel bei seinen Zeitgenossen in hdchster Achtung stand.
Bebels Hauptruhm besteht in seiner
Lehrt&tigkeit. Zweifelsohne war er einer der beaten Latinisten. tJberaus leicht verstand er in zierlichen lateinischen Versen alien Ge- fuhlen Ausdruck zu verleihen. Wir mdchten hier nur eine Probe wiedergeben, welche geradezu den Stempel des Volks- tumlichen tragi
Querimonia puellarum in Luciferum,
qui graece Phosphorus dicitur.
Phosphore alternae dator et minister Lucia, et noctis nebulas opacas, Atque funestas removens tenebras Lumine claro.
<S* XXVIII *®
Cur diem velox prop eras olympo Reddere, heu nostris inimice votis Dum meos artus agasina tangens Gaudia refert.
Cogitur tete veniente plorans Linquere amplexus gemebunda nostros Lucidos ignes remorare solis Sidere pigro.
Tu puellarum invidiosa stella Separans euheu, miseros amantes Saepe te contra referunt puellae Impia verba.
Desinit per te requies amantum Desinit per te requies laborum Desinit per te requies aratri et Buricolarum.
Perdidit per te requiem viator Perdidit per te requiemque pastor Perdidit per te requiem volucris Quadrupedesque.
Incipit per te tolerare duras Pectoris curas hominum caterva Incipit dulcem refugare somnum Pulchra puella.
Ergo lucent em remorare solem Dum duos noris recubare amantes. Crede sejunges cupidas puellas Ense necabis.
Ftir seine verselustige Zeit war
Bebel wirklich wie ge- scbaffen. Durch die ftbersetzungen deutscher Volkslicder und Schnurren in die lateinische Sprache hat der Stoff zwar an Anschaulichkeit und Wert verloren, andererseits wurde gerade des lateinischen Textes wegen das Interesse der Gebildeten fur Gegenstande wachgerufen, denen sonst ganz und gar nicht dieser Wert ware beigelegt worden.
Das dlirfte ganz besonders ftir die
Facetiae gelten, ferner
XXIX *i>
fur deutache Bedensarten und
Sprichwcrter. Es ist wirklich interessant zu vergleichen, wie Bebel deutsche Spruche in latei- nische Verse umsetzt.
Wir glauben der folkloristischen
Literatur einen Gefallen zu erweisen, wenn wir etliche von Bebel gesammelte Spruche an dieser Stelle wiedergeben, dean auch sie ceigen Bebels Liebe zu VolksauBerungen.
Versiculi quidam Henrici Bebelii
Justingensis egregias sententias in se continentes.l)
Carmen sodaticum.
Lex bona non mala vis: sapiens: non
stultus abundans Ante ferendus erat et meritum haud favor est
Temporibus pristis sed nostro
tempore vertas Uti fertur folium: et dicere vera notes.
Sic.
Est favor baud meritum ut erit
anteferendus abundanf
Stultus non sapiens vis mala non
bona lex.
Vor reycher Dorheit soil weifihait
ston,
vor gunst sol ouch billichkait gon,
vir gewalt dazu das recht,
ker das blat rum du wirst gewert. Cur ego mortalis possum letarier unquam
Tempus enim quo sum vel moriturus
erit. Sed quando immineat nunquam cognoscere possum
Et quo perveniam nescius atque
miser.
Ich stirb und waiB nit wan,
ich far und waifi nit wa hin,
mich nempt wonder das ich frelich
bin. Ach quis solicito non gestat mille dolores
Pectore quisque suae sustinet ecce
cruces.
welcher mag syn uff erd brait und
weyt,
der nit hab krutz und anfechtung zu
aller zyt. Paupertas tumida et mendax cum divite sacco Atque senex veneris malesani et cultor amoris Displicuisse solent hi tres hominique deoque.
Alt buler und hoffertig arm man,
richer lugner ist ouch daran.
Denen gemeyn ist got und die welt
gran.
*) Cfr. Zapfe seltene
Bebelbiographie S. 135 ff.
XXX K3>
Hec quatuor pervertunt omnia judicia
Piguia (sic!) dona: odium: favor et
timor exitio sunt
Judiciis: per que index corrnmpitur
omnis.
Gelt gunst forcht und nyd send,
die recht werffend an ein glinck
end.
Hec tria pervertunt regna et urbes.
Urbes pervertunt et florentissima
regna
Bes privata: simul non multum
experta juvente
Consilia: atque latens funesto in
corde simultas.
Aigner nutz: iunger rat und
verborgener nyd (= Neid)
verderbt vil stett, land und leyt. Haec tria facinnt sapientens virum Haec sunt prudentis faciunt hec jure sagacem Copia librorum cui sit pervisa frequentes Qui mores hominum multas et viderit urbes Calleat historias: regumque heroica gesta.
Den schrybend die site wyB und clug,
der vil biecher gelesen hat und
lender gnug
erfaren dazu menchen man,
der vil alte geschichten weist und
kan. Hec sunt que maxime homines decipere solent Decipiunt multos (ut nos docuere priores) Et favor hand durans principis atque ducum Et muliebris amor nec non aprile serenum
Labile vel folium quod rosa pulchra
geris. Nisus et accipiter multo discrimine equus que
Tractatur: sepe et tessera vota
negat
Herren gunst und aberellen wetter
frowen liebe und rohe bletter
roB: wurffel und feder spill
betriegen menchen der eB geloben
wil. Profuit ingenium quondam coluisse per artes
Nunc valet ad mundum nil nisi
divitie.
Vor zytten ward hoch geacht kunst
ler
und haust ytz gelt so haust du er. Proh dolor o superi veneratur solus abundans
Nec probus aut doctus nemo juvatque
inopem. Diligitur nullus nisi cum sit adulans
Fallere qui nescis veh tibi nunc
mieero.
Allain geert wird ytz der reiche
man,
fromme und kunst gat gar unden dran,
allain geliebt der schmaiher fry,
we dier kanst yetz nit triegery.
SSI XXXI JK3
Neben diesen Versiculi verdienen die
Proverbia germanica collecta atque in latinum traducta per Henricum Bebelium bepondere Erwahnung. *) Diese Sprichworter erscbienen im Jahre MDXLVm bei Chr. Egenolff zu Frankfurt auch in deutscher Sprache unter dem Titel: „Sprichw6rter, Schdne Weise klugreden darinnen Teutscher unnd anderer spraachen Hdflichkeit, Zier, hdchste Vernunft und Klugheit, was auch zu ewiger und zeitlicher Weifiheit, Tugent, Kunst und Wesen dienet, gespurt und begriffen. Von Alten und Newen beschriben, in ettliche Tausennt zusamm bracht."
Vorzugliches leistete Bebel als
Gelegenheitsdichter. Mit staunenswerter Leichtigkeit schmiedete unser Poeta laureata die Verse, so daB die Zahl der Gedichte wirklich gewaltig groB ist.
Als VoUkommenheit ruhmte man
besonders die Ars versi- ficandi et Carminum condendorum, welche von Bebel 1506 ver- ttffentlicht ward.
Als Gelegenheitsschrift waren
ursprunglich auch die Fa- zetien gedacht, mit denen Bebel seinen Freund den Propst Peter Arelun beschenkte. Es sind schlichte, schmucklos er- zahlte Schnurren und Scherzworte mit scharfen Pointen.
Eine zu StraBburg bei Matthias
Schurer erschienene Schrift vom Jahre 1512 enth< eine Neuauflage der bereits 1508 bei Grlininger in StraBburg erschienenen Bebeliana opuscula nova et adolescentiae labores.
Dieses Werk enthalt die Facetiae
Bebelianae ad Dominum Petrum Jacobi Arlunnensem balneantem, welche eingeleitet werden durch einen Vorspruch an den Leser.
Ad lectorem. — Liber
Pone supercilium lector Nasute,
dicaces
Affero ego risus, atque sales
lepidos Curia me spernant, fora me clamosa refutent.
Solus ego mensis laetitiaeque cano Atque etiam sapiens nos inter pocula tractet
Et tetricas curas mitiget ipse jocis Nemo etiam carpet tristem qui fronte Catonen
Noverit in libris composuisse sales. Weiter folgen einige Verse Maximiliani Transsylvani
%) Eine Neuausgabe
veranstaltete Suringar, Leiden 1879.
<$* XXXIT JKd
Bruxellensis ad lectorem in
conunendationem facetiarum Bebe- lianarum.
Qui sua sub tristi semper teret ocia
vultu
Et sua qui in gravibus tempora rebus
agit. Displicet haec rigidos spernunt nam saecla Catones
Parvaque nunc tetricae gratia
frontis adest. Moribus hinc nostri decet ut te temporis aptes
Inter ut humanos vivere rite queas. Diace igitur lepidosque sales hilaresque lepores
Bebelius libro quos canit ipse suo. Inter enim hos poteris doctissima verba referre
Namque juvant placidis seria mixta
jocis.
Das m. Buoh der Scherzreden dieser Ausgabe
endigt:
Plaudite et valete Joannes Mono Zuifuldensis facetias Conclusit.
Dieser Johannes Morio oder Narr vdn
Zwiefalten, welcher die Scherzreden beschlofl, war 70 Jahre alt und diente seiner Albernheit halber dem Abt Georg Piscator gleichsam als Hof- narr. Graf en, Fursten und Elosterpersonen ' hielten sich in Suddeutschland, namentlich aber in schw&bisch alemannischen Landen sogenannte „gute Fatzmanner". Das Lachbedurfnis war in jener Zeit grofl; die Tatsache geht auch, wie wir weiter unten sehen werden, aus der Zimmerischen Chronik hervor. Die Teufelsgeschichten, die Schw&nke, schimpfliche Historien, Spuk und Geisterrer8cheinungen lassen grelle Streiflichter uber die gesamten Unterhaltungsstoffe jener Zeit fallen.
Den Schnurren folgen unmittelbar zum
Lobe Bebels und seiner Fazetien zwei Gedichte, die wir zur besseren Wurdigung der Fazetien wiedergeben mussen.
I. Paulus Hugo ad lectorem, in
apophtegmata Henrici Bebelii Poetae Urbanissimi.
Si quern forte iuvant risus
urbanaque verba.
Hoc opus assidua perlegat ipse manu. At vos ite procul Critici, procul ite proterui
Et quorum pectus crassa Minerva
tenet. Vos etenim sat erit graecis ridere kalendis
Hirta ne prosequitur, quando capella
lupum. Vos et erit ridere satis cum pandus asellus
Pulsaret resonae plectra canora
Lyrae.
Si* XXXIII jK3
Non ego Demoeriti risus collaudo
perennes
Virtutis medius dicitur esse locus. Vir gravis interdum solet arte remittere frontem
Et dulces hilari voce referre sales. Vultum terrificus non servat Jupiter unum
Molliter interdum ridet Apollo
bonus. Non unam faciem semper gerit astrifer orbis
Et nive non semper terra sepulta
jacet. Nec vultum semper retinebit vir bonus unum
Temporibus vitam commodat ipse suam. Restractare graves facie solet ille Catonis
Consilio pollens et gravitate
potens. Inter res risu dignas mensamque nitentem
Ridiculo condit fercula saepe joco. Quid memorem risus Poeni jurantis ad aras
Ipse tuos Macedo mitto Philippe
sales An ne tuos Caesar risus Auguste tacebo?
Mordacique joco, pungere doctus
eras. Digne sed puero fueras irrisus ab hoc, qui
Dixit in urbe suum saepe fuisse
patrem. Secli sed labor est exempta referre vetusti
Humanos cunctos et meminisse duces. Id generis passim poteris reperire magistros
Namque ferunt tales tempora nostra
viros. Bebelius, solidus Germanae laudis amator
Librum concinnum muneris hujus habet Tempore quam multo fascem congessit in unuir
Imponitur libroque ultima lima suo. Dignus ut inter doctorum convivia serpat.
Concinnos lepido spargat et ore
sales. Ergo quisquis eum mercaberis aere libellum
Bebelio faustos usque precare dies.
Das zweite der erw&hnten Gedichte
tragt die tfberschrift Carmen Joannis Hyphantici1) Vueissenhorensis in facetias Bebelii.
Quern faciles risus, Milesia dicta,
lepores, Fabula, scomma, sales, et joca grata iuvant.
Qui lusus lepidos, dicteria, ludicra mores Instructis epulis quaeque jocamur, avet.
*) Johannes Hyphanticus ein
Gelehrter, der sich auch Weber nannte
Karl Am rain. Deutsche
Schwankerz&hler. II. HI
XXXIV
Dulcia praesentis relegat ridicula
libri
Quern modo Bebelius vulgus adire
sinit. Discedaiit tetrici caperata fronte Catones,
Et facie caedat heruica turba gravi. Non sua res agitur, farrago codicis hujus
Perpetuo risu concelebranda venit Naribus excussis, et ducta fronte protervi
Censores carpent (auguror) istud
opus. Clam&bunt nihil est nequeo ridere profecto,
Quid dicit? lepidos non movet ille
sales. Scribere conetur melius qui talia garrit
Sicque laborificum comperietur opus. Namque jocos patrios latialis sermo recusat,
Plurima teutonice pulchra, latina
minus. Nec si nasutus quicquam despexerit, odit
Quilibet, et placita non sua cuique
placent. Ingenium discors tribuit natura creatis
Et varias mentes unus et alter
habet. Diversos diversa juvant, quae spreverit unus
Alter amat, cunctis nemo placere
potest. Noxia bilis inest aliis, quae tristia suadet
Omnia, nec mentes exhilarare sinit. Contra splen petulans et pulmo mobilis addit
Perpetuos aliis et sine fine jocos. Omnia continuo traduxit tempora risu
"Democritus fin gens ludicra cunctra
sibi Ast Heraclitus lachrymarum fonte perenni
Fievit, et est miserum quicquid in
orbe ratus. Vix semel ad risum tribulis depastus asellus
Commovit Crassum, splene minore
senem. Et varii motus animi discrimina ponunt,
Ut joca moesta tibi, tristia laeta
putas. Valdius arridet laetatus munere Bachi
Quod cui infesta sitis tristia corda
premit. Judicium variat tacito qui pectore curas
Versat, et erumnis corda sepulta
gerit. Obtulit at si cui se dulcis arnica videndam
Hoc sibi cuncta putat esse jocosa
die. Fabula temporibus certis jucunda refertur,
Et magis electo tempore scomma
juvat, Non semper citharae cant us non fistula grata est
Bes nisi legitimo tempore nullo
placet.
(52* XXXV jfc©
Adde quod et gestus, et verba
moventia multum Afficerent; quorum pagina muta caret.
Finge legendo tibi predicta,
solutius aequo Bidebis, lepidos tarn movet ille sales.
Et mecum Vatem defende scholastice
quando A Criticls carpi percipis ejus opus.
rsXog.
Die Fazetienausgabe vom Jahre 1514,
welche im August bei Matthias Schurer in StraBburg erschien, bedarf nur dieser Erwahnung, weil sie mit Ausnahme weniger Beime, einen Neu- druck der Auflage vom Jahre 1512 darstellt.
In den Merkwlirdigkeiten der Kdnigl.
Bibliothek zu Dres- den HI. Band S. 511 bemerkt, wie Zapf in seiner Biographie, Bebels (Augsburg 1802) erwahnt Goz: von den Scherzreden kann man mit Becht sagen, quod rus et stivam oleant, daB sie nach des Verfassers Ursprung schmecken und vielfach grobe ungesalzene Zoten enthalten.
Diesen Vorwurf hat man Bebel scbon
zu Lebzeiten gemacht. Bebel war freilich nicht geleckt, wohl aber ein liebenswllrdiger Mann, der gerne beim Volke und unter dem Volke verweilte.
Seine Schwanke und Schnurren sind
bodenstandig und atmen zum groBen Teil einen kraftig derben Schollengeruch. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen oder in ver- blumter Erzahhingsweise die Lusternheit rege gemacht, viel- mehr schlicht und natiirlich ohne spekulative Umschweife weiB Bebel wirkliche Begebenheiten und seine etwaigen Ge- wahrsmanner anzugeben.
In unserer sozialer denkenden und
fiihlenden Zeit muB der Volksforscher freudiger aufatmen, derartige Vorwiirfe zu er- fahren, denn dieselben beweisen besser als alles andere, wie tief Bebel im Volke wurzelte, wie echt und lebenswahr seine Schnurren und Witze sind.
Wer sich erkiihnt Bebel einen Latein
sprechenden Bauern zu schelten, vergiBt daruber den feingebildeten Gelehrten, den ein hoher Geistesadel zierte. All diese derben Fazetien wurden doch nicht vom niederen Volke gelesen, sondern von den Gebil- deten, vom Adel, von der Welt- und Ordensgeistlichkeit, selbst von der Frauenwelt! Auf alle diese Kreise fallt ja der Tadel der Norgler zurtlck. ttbrigens hat Heinrich Bebel selber, in feinsinniger Weise die plumpen Angriffe seiner Neider und Widersacher zuruckgewiesen und restlos entkraftet.
Ill*
6* XXXVI
Aus dem Jahre 1512 besitzen wir eine
Apologia Henrici Bebelii contra Zoilum de stirpe sua, welche erstmals 1508, dann 1509 und auch 1514 erschien. Bebel rechtfertigt sich in diesem Gedicht gegen einen kleinlichen Wicht, der ihm vorwirft, er stamme von Bauern ab.
Wir halten es fur zweckgemafl das
wenig zug&ngliche Gedicht flir unseren gelehrten Leserkreis zum Abdruck zu bringen.
Quid mihi quod sim rusticus, atque
ignobilis ipse
Zoile detrectas, stulte bilinguis
iners. Si non criminibus poterit mea vita notari,
Non euro indocti verba prophana
viri. Nobilitat virtus, divinae et pallados artes
Sum quibus insignis, nobilis,
egregius. Si referam proavos (fateor) charosque parentcs
Rusticus, et duris ruris alumnus
ero. Sedula turpa fuit campum exercere feracem.
Et dives pecorum, et simplicitatis
amans. Cana fides illis, quis non reverentior alter
Divorum, rusticum cum pietate
colens, Est tamen et genitor turbae prelatus agresti
Civibus atque suis consilio,
eloquio. Vicit et aequales, viridis dum floruit aetas
Viribus atque manu corporeisque
bonis. Solus ego coepi civiles discere mores,
Palladiasque sequi non rudis ipse
scholas. Subsequeris frater (modo det tibi Juppiter annos).
Unica spes generis, spes patriique
soli. Quern modo (post sophiae studium, teneraeque juventae
Musas Hippocrates sub medica arte
fovet. Glorior hinc humuli surgam de sanguine primus
Atque meum veniat nomen in ora
virum. Namque adolescentis lauro mea tempora Caesar,
Cinxerat ex hedera conspicuumque
caput, Contulit et nobis armorum insignia, laus est
Induperatori me placuisse meo. Accessi ob studium variis in partibus urbes
Nunc me doctorem docta Tubinga
videt. Cui tersas primus musas, Latiumque nitorem
Invexi, et teuton grammata nostra
legit. Moribus infandis tu denigrasse parentum,
Et genus et fa mam Zoile inepte
soles.
6^ XXXVI1
Posteritati ego sed nostrae non
sordidus auctor
Nobilitatis ero famigerumqne decus. Cum Mario Caesar, cum Gracilis Scipio quondam
Ignoti fuerant, innumerique duces, Donee claruerunt rebus foeliciter actis,
Sola etenim virtus nobilitare solet. Desine quapropter sacrum irritare Poetam
Candida quern virtus eximium
efficiet.
Vermerkenswerte Ausgaben der
Schwanke Bebels sind ferner jene vom Jahre 1526. — In Antwerpen erschienen die Facetiae Bebelii 1541. — Zu Tubingen kam 1542 eine verbesserte A ullage heraus unter dem Titel: Facetiarum Henrici Bebelii Poetae a D. Maximiliano laureati libri tres, a mendis repur- gati et in lucem rursus redditi. His accesserunt selectae quae- dam Poggii facetiae. Idem Prognosticon, in omne aevum durans, Jacobi Henrichmanni, facetiis Bebelianis non illepide additum. Tubingae ex officina Ulrici Morhardi. — Eine starkere Er- weiterung erfuhren die Facetiae im Jahre 1544. Aufier den Stucken aus Poggio kamen Zusatze „Alphonsi regis arragonum et Adelphi facetiae. Idem Prognosticon, in omne aevum durans, Jacobi Henrichmanni facetiis Bebelianis non illepide additum. Tubingae ex officina Ulrici Morhardi Anno MDXLIV. Dieses Werk erlebte in den Jahren 1550, 1555, 1561 neue Auflagen.
Wichtig ist die Ausgabe von 1590,
deren Inhalt schon der Titel besagt: Facetiae Heinrici Bebelii, Superiorum Aetatum dicta jocosa et facta ridicula continentes, in libros tres digestae, unacum Prognostico perpetuo. Accesserunt illustrium virorum joci et apophthegmata ex Macrobii, Pogii, Erasmi, Camerarii et aliorum monu mentis collecta. Aucta quoque est haec no- vissima editio aliquot lepidis et jocosis, veris tamen historiis quae lucem hactenus non viderunt. Adjecto Indice Copiosissimo. Francofurti. Ex officina typographica Nicolai Baffaei.
In einem Sammelband von Schnurren,
der 1600 in Leipzig der Offentlichkeit tlbergeben wurde, finden wir: Nicodemi Frischlini Balingensis Facetiae selectiores: quibus ob argu- menti similitudinem accesserunt Henrici Bebelii P. L. Face- tiarum Libri tres. Sales item, seu Facetiae ex Poggii Floren- tini Oratoris libro selectae. Nec non Alphonsi Begis Arra- gonum et Adelphi Facetiae ut et Prognostica Jacobi Henricii- manni.
XXXVIII jKi>
In demselben Jahre erschien eine
Strafiburger Ausgabe der Fazetien, ebenso wurden die Schnurren 1605 und 1615 auf- gelegt, wahrend 1651 in Amsterdam eine Auflage verbffentlicht ward, fur welche die 1600 in Strafiburg gedruckte Ausgabe ' vorbildlich war. Ein Neudruck wurde 1660 in Amsterdam verdffentlicht. Auch in Frankreich fanden die urwuchsigen Scherzreden Anklang.
Aus dem Jahre 1516 fuhrt Zapf die
Bebeliana opuscula nova et Florulenta nec non et adolescentiae labores librique Facetiarum cum multis additionibus luculentis an.
Diese Ausgabe erschien bei Guillaume
Vivien zu Parrhysiis ex aedibus Nicolai de Pratis Mense Julii anno MDXVI. Es zeigt sich also, daB die Facetien auch im Ausland Bebels Namen bekannt machten. Die Ausgabe, welche 1526 eine Neu- auflage erlebte, gehort zu den schdnsten und niedlichsten Druck- erzeugnissen franzosischer Herkunft und zeichnet sich durch ihre grofle Seltenheit aus. — Die Buckseite des Titels dieser Ausgabe enthalt eine oratio devotissima folgenden Inhalts:
Ab Alexandro papa sexto conceditur
plenaria remissio in honorem Virginia christifere sequentem dicentibus cum devotione orationem.
Ave virgo gratiosa:
Stella sole clarior,
Mater dei speciosa:
Favo melle dulcior.
Bubicunda plusquam rosa:
Lilio candidior.
Omnia sanctus te honorat:
Omnia virtus te decorat.
Jesus Christus te coronat
In coelis sublimior. — Amen. —
Pater noster. Ave Maria. Credo in
deum.
Ad divam Mariam maris stellam. Dulcis arnica dei rosa vernans: Stella decora
In memor esto mei dum mortis venerit
hora.
Ad beatum Nicolaum Cleri patronum. O Nicolae pii cus'tos nitidissime Cleri Cleri sis custos tempus in omne pii
Spes mea Jesus Maria.
S^l XXXIX #g)
In Admirandam impressoriae art is
adinventionem ] N. Bonespei. T. landatorium decasticon.
Ingeniosa licet patefecerit ampla
vetustas:
Ab8trnsas referans
difficilesque vias. Calcogr aphis jam victa no vis formidine cedat:
Ingeniis non est eqniparanda novis
Nam traxere sacram sacris de
fontibus artem: Artem non priscis temporibus meritam
Hac nunc arte latens quaecunque
scientia fulget. In priscum rediit lingua latina decus.
Maxima debetur tibi summo gratia
regit Hoc qui tarn clarum sparseris orbe sophos.
Zapf ist der, uhrigens gar nicht so
unwahrsccheinlicfien, Ansicht, dad diese obenstehenden Gebete vor dem An fang der Schulstunde von der Jugend hergesagt wurden, und, daB diese "Werke Bebels damals fur die Schuljugend bestimmt gewesen seien. Die Scherzreden dienten dazu, der Jugend die Dumm- heiten, Albernheiten, das unsittliche Verhalten des Klerus an- schaulich zu machen, um die junge Welt fruhzeitig vor der- glcichen Torheiten abzuschrecken und auf den Wegen der Ver- nunft und der Sittlichkeit zu erhalten. Auf diese Weise konnten die Lehrer die Scherzreden erklaren und erlautern, wie ja auch heute noch auf Gymnasien, an denen nicht etwa von krankhafter PrUderie angesteckte Lehrkrafte wirken, Ovid, Horaz und ahnliche mehr den jugendlichen Lateinerscharen vordemonstriert werden. Die Vermutung von Zapf ist so ziem- lich allgemein angenommen worden.
Bebel war erf til It von der frohen
Zuversicht, daB Deutsch- land wegen seiner frommen und tugendhaften Bevdlkerung nie untergehen kdnne. Indem er die Schaden und Gebrechlichkeit, welche viele Angehorigen, insbesondere des geistlichen Standes zeigten, der Lacherlichkeit preisgab, mochte Bebel, der zwar kein bigotter, wohl aber ein wurdiger Katholik war, hoffen ehestens dem ttbel beizukommen. Noch schonungsloser ging Bebel, wie bekannt sein dlirfte, im Triumphus Veneris oder dem Triumphus voluptatis contra virtutes vor.
Keine andere Absicht leitet da bei
den Dichter, als die Un- zucht zu schildern und Abscheu davor einzuflttBen. Das ganze Gedicht ist eine schonunglos geschriebene Satire, doch gilt namentlich das III. Buch Papa cum sacerdotibus dem romischen
6^1 XL
Klerus. Johannes Altensteig, ein
Freund Bebels, bemerkt bei diesem IH. Buche: „Iste liber tertius in quo poeta Bebelius summorum pontificum, c ardi n a1i u m, sacerdotum que, canonicorum, monachorum et monialium, philosophorum, juriscon8ultorum, medicorum, poetarum, et scholasticorum mores eleganter taxat, carpit et damnat, qui quum suorum inferiorum utilitatem, commodum et salutem prospicere deberent, spiri- tualique cibo, hoc est doctrina evangelica et salubri eos alere, et exemplum bonorum operum aliis praebere (ut Paulus monet) quos sanctorum patrum libros voluere deceret."
Zornerflillt sah Bebel, daB gerade
jene Kreise, welche dem Volke in moralischer Hinsicht vorbildlich sein sollten, keine Moralisten, sondern FSrderer der Unmoral waren. An der Zuchtlosigkeit waren die Reichc des Altertumes zu Grunde ge- gangen; Deutschland sollte nach Bebels innerster tJberzeugung ewigen Bestand haben, darum muBte aber eine Lauge &tzenden Spottes tiber die Forderer der Albernheit, Zuchtlosigkeit und Zweizlingigkeit gegossen werden.
Bebel war ein gliihender
Vaterlandsfreund, und in Anbe- tracht der Zeitumst&nde muB ihm dieserhalb auch jeder Gegner Achtung zollen. — Zu Innsbruck hielt er 1501 an Kaiser Maxi- milian L eine Lobrede de laudibus atque amplitudine Germaniae. Ohne Zweifel war die Oratio Henrici Bebelii Justingensis suevi. Ad Augustis atque sacratis Ro. regem Maximilianum de ejus atque Germaniae laudibus, der auBerliche AnlaB fur Maxi- milian I., Bebel zum Poeta laureata zu machen und ihm ein eigenes Wappen zu geben. Bebels Anhftnglichkeit an das Ober- haupt des deutschen Reiches veranlaBte den streitbaren Poeta laureata gegen Leonhard Justinian einem Ratsherrn von Vene- dig, welcher die KrSnung deutscher Kaiser und Konige ange- fochten hatte, eine Apologia zu verfiffentlichen contra Leon- hartum Justinianum Venetum, Imperatoris nomen extenuantem, cbronationem regum nostrorum incessentem atque Germanos barbariae ob id insimulantem.1)
Im Eifer fur sein deutsches
Vaterland schrieb Bebel am 20. Januar 1515 an Desid. Erasmus von Rotterdam „Proinde haec unum te rogo, ut ita pal am te Germanum declares tuis scriptis, ne ullo modo aut Angli aut Galli, gens in suam lau- dem satis effusa, possint de te superbirp, aut suum te civem immodice gloriari."
x) Bebels
Triumphus Veneris cum aliis opusculis Phorcae 1509.
XLI Jfti)
DaB Bebel mit seinen alldeutschen
Bestrebungen vielfach AnstoB erregte und haufig weit liber das Ziel sehoB, muB billigerweise zugestanden werden. Es geht aber auch hier nicht an, lediglich die Schw&chen Bebels zu betonen, denn da- durch wird das Charakterbild durchaus verzerrt. Den Begriff Patriotismus diirfen wir nicht aus unserer Zeit als Gradmesser nehmen, ebensowenig wie die heutigen Begriffe der mora- lischen oder unmoralischen Erzahlung Anwendung finden diirfen auf langst entschwundene Jahrhunderte. Namentlich muB hinsichtlich der Fazetien ungemein vorsichtig geurteilt werden, wenn man nicht als befangen gelten will.
Gegen Bebels Scherzreden hat man bis
auf unsere Tage die scharfsten Einwande erhoben und namentlich auf katholisch kirchlicher Seite wurde mit Tadel nicht gespart. — Wir wollen gerne zugeben, daB vom asthetischen und literarischen Stand- punkt der Wert der Fazetien wirklich gering ist, andererseits aber der folkloristisch, kulturhistorische Wert geradezu un- abwagbar erscheint.
Die Tadler vcrgessen auch standig,
daB, soweit Bebel sich nicht auf altere Quellen stiitzt, nur wirkliche Begebenheiten in die Scherzsammlung aufgenommen wurden. Bebel, der Freund der Monche, Bebel, der seine Sammlung dem Probst zu Backnang und Chorherrn zu Stuttgart Peter Jakob Arelun widmete, war schon in der Lage, die Klerisei, wo es notig erschien, durch die Hechel zu Ziehen. Man hat sich fiir die Freimtitigkeit, mit welcher der Poeta laureatus die Schwach- heiten und Dummheiten einer nicht mehr auf der Hohe ihrer Aufgabe stehenden Geistlichkeit aufgedeckt hat, dadurch zu rachen gesucht, daB man Bebel eines liederlichen Lebenswan- dels bezichtigte. Klipp und klar hat diese Behauptung bis jetzt nicht bewiesen werden konnen, wofern man nicht etwa den Umstand als gravamen ansieht, daB Bebel sich im Sommer bei den Bauern und B&uerinnen aufhielt! Wir glauben, daB Bebel eine frohe Natur war, aber keineswegs in tollen Zflgen das Leben genoB. Bebel war in einzelnen Kreisen der Ge- lehrtenzunft viel zu verhaBt, wegen seines unerschrockenen Auftretens als daB man von dieser Seite her nicht versucht haben sollte, nach Moglichkeit die Ehre dieses Mannes abzu- schneiden, falls Bebel sich irgendwie grobe, sittliche Ver- fehlungen hatte zuschulden kommen lasscn.
Ein Ver&chter des schonen
Geschlechtes konnte Bebel nicht sein, denn er besang htibsche Jungfrauen wiederholt in fein-
XLII Ke)
gefeilten Versen, so z. B. ein
Magdlein Apollonia zu Zwie- falten. Auf Agnes Betaberin eine anmutige Maid in Tubingen machte ef ein von der Pest handelndes Gedicht und beschrieb ganz naiv die kdrperlichen Beize der SchSnen. Immerhin sind das doch noch lange keine Beweise fur einen ausschweifenden liederlichen Lebensgang.
Gerade eine Persdnlichkeit wie Bebel
darf man nicht werten wollen nach einem oder zwei Werken, vielmehr milssen wir den G e s a m t eindruck auf uns einwirken lassen. Nach- driicklich betonen milssen wir in unserer Zeit, daB Bebel sich durch seine Veroffentlichung keineswegs die Gunst seiner hoch- ges tell ten GOnner oder seiner gelehrten weltlichen und geist- lichen Freunde etwa verscherzte. Im Gegenteil, man begliick- wiinschte den Dichter sogar in gebundener Bede. Nicht un- erwahnt wollen wir lassen, daB die Scherzreden zu Lebzeiten des beruhmten Latinisten nicht in deutscher Sprache cr- schienen sind. Beziiglich des Todesjahres schwanken die An- gaben zwischen den Jahren 1514—1518.
Zu Lebzeiten Bebels sind die
Fazetien mindestens funf- mal neu aufgelegt worden. Insgesamt erlebten die Scherz- reden ctwa 21 Auflagen in lateinischer Sprache, ein Beweis fur den Anklang, den sie bei der gebildeten Welt fanden. 1558 erschienen fur die der lateinischen Sprache unkundigen Person en „die Geschwenck Henrici Bebelii, welcher von Kaiser Maximi Hani ist zu einem Poeten gekront worden. In drey Bttcher getheilet, gebessert unnd gemehrt. Sampt einer Prac- tica und vorzeichen zuktinff tiger Ding, so biB auf den J tings ten tag under den menschen gemein sein werden. Durch einen guten Gesellen auB Latein in das Teutsch gebracht. Ge- truckt im Jar MDLVIH."
Lange Zeit glaubte man hinter dem
guten Gesellen Michael Lindener suchen zu sollen, anscheinend aber ohne Grund, da die ftbersetzung ganz wortlich und roh ist, also dem phanta- sievollen Stil Lindeners wenig entsprechend.
Die Dedikation dieser Schwanke
besagt: Dem Wolberedten und der rechten fast wohl erfarnen Ersamen Mann, Peter Jakob Arelunensi, Probst zu Backnaw, Korherrn zu Stutgarten, unnd fiirstlichen gnaden Bhatsherren, wtlnscht Henricus Bebelius vil gl ticks und heil. Zu Tubingen VI Id us Maias im jar MDVI. Darnach beginnen die Scherzreden „Der Geschwenck so Heinricus Bebelius der Poet, in seiner Jugent gescHrieben hat." Dem dritten Buche sind einzelne Gedichte von Paul Hugo,
<gai XLIII
Johann Weber beigefugt sowie Bebels
Apologie gegen den Ver- laumder seines Geschlechts. Es folgen daranf: Liebliche und auBklaubte Geschwenck Poggii florentini des trefflichen Bed- ners", auBerdem heiflt es „hie folgen ander kurtz geschwenck, Alphonsi des Kunigs der Arragonier, und ander trefflicher Menner." Den Beschlufi machen die „Vorzeichen zukunfftiger Ding wie sie im teutschen gebraucht und gesagt werden, zu- sammengetragen durch Jacobum Henrichmannum von Sind el- fin gen." Im Anfang folgt eine Palmeselpfedigt, wobei der Esel nach seinen GliedmaBen ausgelegt wird.
Weitere deutsche Bebelausgaben
stammen aus den Jahren 1589 und 1606. All diese Ausgaben gehoren zu den Sclten- heiten auf dem Buchermarkt. Die Auflage vom Jahre 1606 ist unter 50 Mark nicht mehr zu haben, und dementsprechend sind die Preise fur die sehr selten gewordenen fruheren Ausgaben geradezu ungeheuerlich gestiegen.
Moge unsere Auswahl von den Fazetien
Bebels der ge- samten Bebelforschung forderlich sein.
2. Jakob Frey.
Was Jakob Frey betrifft, aus dessen
„Gartengesell- schaft" wir die erotischen StUcke bringen, so konnen wir uns recht kurz fassen, da der V. Band des leicht zuganglichen V o 1 k s - m u n d e s eine gut orientierende Einleitung von E. K. B1 ii m m 1 en thai t. Eingehender befaBt sich mit unserem Schriftsteller namentlich Johannes Bolte, auf den die Forschung ge- wiesen sei.
Aus dem Leben Freys sind uns nur
sehr wenig zuver- lassige Angaben bekannt. Angeblich stammt er aus StraBburg im ElsaB. In Maursmunster, etwa 8 Kilometer sudlich von Zabern im UnterelsaB, wurde Frey Stadtschreiber. Des Schwanksammlers Tod fallt in das Jahr 1562.
Frey hat sich auf dramatischem
Gebiete mehrfach schrift- stellerisch betatigt und dabei ebensowohl das ernste wie das lustige Genre gepflegt. In letzterer Beziehung war es ein uber- derbes Fastnachtspiel, das von einem Kramer und zwei Magden handelt, von denen eine schwanger, die andere nicht schaff- lustig war.
In seinen letzten Lebensjahren
arbeitete Frey eine Lebens- beschreibung von 43 edlen Mannern des Altertumes aus. Vor- bildlich fur dieses Werk, welches 1562 erschien, ist etwa Cor-
nelius Nepos mit seiner Freude an
edien Taten, an Beispielen von Treue, Gerechtigkeit und Frommigkeit. Die fur alte und junge Leute bestimmte „Gartengesellschaf t" hat F r e y s Namen unsterblich gemacht. Dieses "Work erschien 1557 zu Strafiburg und erlebte, soweit die heutige Forschung feststellen konnte, bis zum Jahre 1612, die fur jene Zeiten geradezu ungeheuer- liche Zahl von 16 Auflagen. Indessen wurde die Gartengesell- schaft nicht nur haufig neu aufgelegt, um der Nachfrage des kauflustigen Publikums zu gentigen, vielmehr wurde das Buch direkt nachgeahmt. Martin Montanus schrieb einen zwei- ten Teil zu der Gartengesellschaft.
Das "Werk von Frey haben fur weitere
Arbeiten benutzt: Schumann 1559, Bernhard Hertzog 1560, der Verfasser des SchiId burgerbuches 1597. Dietrich Mahrold reimte 1608 acht- undzwanzig Geschichtlein aus der Gartengesellschaft. Den Gelehrten des Auslandes wurde das kecke Buch zuganglich, nachdem 1568 Hulsbusch einen Teil lateinisch iibersetzt hatte.
Frey verdankt die Verbreitung seiner
„Gartengesellschaft" in erster Linie Heinrich Bebel, aus dee sen Scherzreden und Schnurren er insgesamt 73 Nummern schopfte, wahrend 24 Schw&nke den Fazetien Poggios entlehnt sind.
Freilich erklart das die Beliebtheit
des schnurrigen Buch- leins keineswegs ganz. Die Losung dtirfte in der auflerordent- lich anschaulichcn "Weise und in der behaglichen Breite liegen, mit denen Frey die kleinen "Witze alterer Herkunft neu zu erzahlen verstand.
Nicht als ftbersetzer alterer
Humanisten hat sich Frey einen Namen zu schaffen gewufit, sondern als freier Bearbeiter vorhandener Stoffe. Der Stadtschreiber von Maursmiinster wuBte die einfachsten Motive durch Personenangabcn und Lokalisierungen reizvoll zu gestalten.
Frey weifi ganz genau, was er dem
sinnfrohen Leser seiner Zeit bieten darf. Gerade darum spiegelt sich, wie ein farbenprachtiger Begenbogen, der mannigfach gestaltete, aber stets elementare Volkshumor von dem Spruhregen der in der ^Gartengesellschaft" gebrachten Witzreden.
Was die Schnurren in etwa an
Lebenswahrheit verlieren, wenn Frey seine Vorlagen abandert oder sogar kombiniert, das gewinnen sie doch durch die Erganzungen und Lokali- sierungen.
1st mancher in der
Gartengesellschaft erzahlte Schwank auch nicht re vera vorgekommen, wie Frey selber in seiner
<9^l XLV
Einleitung zu dem witzigen Buche
bemerkt, so sind doch alle Schwanke lebensmoglich und wahrscheinlich. Das trifft ganz besonders zu fttr die erotischen Schnurren.
Fassen wir diesen derben Stich ins
Frivole und Pikante sch&rfer ins Auge, und vergegenw&rtigen wir uns die Beliebt- heit der „Gartengesellschaft", dann erhalten wir kulturge- schichtlich recht wertvolle Anhaltpunkte fttr die Moralan- schauungen jener Zeit. DaB einzelne Gelehrte z. B. Cyriacus Spangenberg 1570, Georg Nigrinus 1571, Johann Fickler 1581, Theobald Hoeck 1601, Lazarus Sandrub 1618, Burchart Gens- scheddel 1619, Konrad Dannhauer 1642, Moscherosch 1642 die „Gartengesellschaft" sehr abf&llig beurteilten und schmahten, andert an der Tatsache der Beliebtheit des Buches kein jota. Man mochte sogar sagen, gerade aus der Verdammung der „Gartengesellschaft erfahrt die Moralanschauung jener Zeit ihre wahre Illustration, namentlich wenn man sich der vielen Nachahmungen erinnert, welche die Gartengesellschaft erfuhr, und wenn man beachtet, daB bedeutende Manner, wie z. B. Fischart 1575 die Schnurren von Jakob Frey lobend er- wahnten, endlich, daB die Zahl der Norgler sehr gering ist.
Wenn Johannes Bolte in seiner
vorzilglichen 1896 erschienenen Ausgabe der Gartengesellschaft von Jakob Frey bemerkt „seine Erzahlungen von Buhlerei und Ehebruch, von geilen Frauen und verliebten Greisen gehen weit tiber das MaB des Gestatteten hinaus" (vergleiche Einleitung p. XXX), so trifft dieser Vorwurf gemessen an den Anschauungen unserer Zeit durchaus und ohne jedwede Einschrankung zu. Ganz ent- schieden irrtilmHch und unzutreffend ist aber dieser Vorwurf, wenn wir uns das Zeitalter, in dem Frey lebte, vor Augen halten. Keinem Gelehrten wird es doch einfallen, die Garten- gesellschaft in Anbetracht ihrer Entstehungzeit der porno- graphischen Literatur zuzahlen zu wollen! Alt und jung las ungescheut dieses Buch, welches nach dem Wunsche des Ver- fassers „die schwer verdrossenen Gemiiter wieder rekreiern und aufrichten" sollte. Zweifelohne ware manches tadelnde Wort auch nicht gefalien, wenn Frey in seinem Biichlein der katho- lischen Geistlichkeit weniger libel mitgespielt hatte.
Man fasse diese Worte nicht
miBverstandlich dahin auf, als ob wir etwa ftir den Humor Freys eine Lanze brechen wollten. Parteistellung zu nehmen wfire mehr wie tdricht, bei einer Arbeit, die ganz objektiv Tatsachen beizubringen sucht. Wir miissen immer wieder und wieder betonen, daB Humor eine
(s^i XL VI
variable GrfiBe ist, und daB es
unzulassig ist, uns ere Anschauungen iiber lustige und humorvolle Geschichtchen einer weit zuruckliegenden Zeitepoche unterscbieben zu wollen.
Pflichtgem&B baben wir doch auch den
Angaben des Ver- fassers Beachtung zu schenken.
Von groBer Wichtigkeit sind die
erlauternden Vorbemer- kungen, die Jakob Frey seiner gartengesellschaft" mit auf den Weg gab. Es heiBt da unter anderem:
„Dann obgleich wohl etwan gute
Schwenck darinnen seind, so der Wahrheit ungleich, so ist doch mOglich, das solchs oder der gleichen beschehen sein mag oder noch beschehen mocht, wie sich dann noch heut bey tag etwan seltzam Ding mit Worten oder Wercken auff die Ban schicket welches man sunst nit geglaubt noch vermeint het Dann es ist wol zu vermuten, wo kurtzweilige leut und die gem bei einander sind, zusamen komen, da locket ja ein Argument das ander herfur, damit die Gselschaft dester mehr lustig und leichtsinnig ist, ja das ihnen ein halber Tag kaum zweyer Stunden lang gesehen wirt. Ich hab auch nichts, so ungeschicklichs oder unge- biihrlichs vor erbaren Frawen oder Jungfrawen zu reden were, hieher setzen noch anziehen wollen. Dann je Frawen und Jungfrawen alle Ehr, Zucht und Erbarkeit in alle Weg zu erbieten ist und auch er- botten werden solle, wie wol ich von etlichen, doch nit vielen, die eben desselben gleichen Volcks, kleine schimpfliche Meldung allein zu guter Warnung gethon haben. Darumb ich auch gedencke, ob ich schon etwan die geistlichen oder weltlichen angetast, so ist es doch nur zum Schimpff und Niemand zu Nachteil oder Schmach beschehen: man kumpt doch sunst je zu zeyten mit dern gleichen Waidspriichen und schertzlichen Materien so wercklich herftir, und geht so glat und wohl ab, das man sein billich lachen und darumb nit ziirnen sol.
Dernhalben bitt ich, daB mir von
niemands nichts in argem uffgenomen oder also gegen mir verstanden werde. Wer waiBt es, ob ich mich auch etwan in diser Gartengesellschaft wlirde finden lassen; dann ich mich vor lan gen Jar en darein zu schreiben angeben und mit FleyB befohlen babe." —
Grund, diese Angaben zu bezweifeln,
liegt in Wahrheit kaum vor. Frauen und Jungfrauen haben, wie wir weiter unten aus der Zimmerschen Chronik ersehen werden, in jener Zeit noch weit tollere Sachen als Frey solche erzahlt, mit an-
(531 XLVII jK£>
gehort und mitgemacht. Der beste
Zeuge dafiir, dafi Frey nicht zu kraB geschildert hat, ist wohl Michael Lindener, dem wir uns an dritter Stelle jetzt zuwenden wollen.
8. Michael Lindener.
Wie bei Jakob Frey sind uns auch aus
dem Leben Lindeners nur luckenhafte Nachrichten uberkommen.
Das Jahr seiner Geburt fallt etwa
auf 1520. Lindener stammt aus Leipzig und laflt sich dort nachweisen bis zum Jahre 1544. Nachdem er eine Zeitlang Famulus von Luthers Gegner Hieronymus Dungersheim aus Ochsenfurt war (er ver- hdhnte ihn als filzigen Dr. Ochsenfart), lieB er sich an der Universitat Leipzig immatrikulieren. Wie Frey war auch Lindener protestantisch und zeigte kirchlichen Einrichtungen gegenuber eine gewisse Gleichgultigkeit.
In spateren Jahren treffen wir
Lindener in Suddeutsch- land. Zwischen 1553—56 war Lindener nach einer Priifung in Ulm als Lehrer tatig. Nach der Ulmer Zeit hat er dann Studien betrieben und bei „gelerten Leuten und in Libereyen etliche antiquitates historiarum gesucht." Als Ubersetzer Sa- vonarolas und Herausgeber theologischer wie historischer Schriften verdient Lindener ernste Beachtung.1) 1565 erschien in Nurnberg, verdeutscht durch M. Lindener, Poeten: „Des Sunders Spiegel, sieben schoner Trostpredigt von der Welt Jammer und Not, dazu wie man BuB thun soli und selig werden."
Wir fuhren das an, um darzutuen, daB
Lindener wirk- lich durch und durch gebildet war.
Als Korrektor in der Druckoffizin
von Daubmann erwarb er sich das Vertrauen seines Prinzipales, der ihn wiederholt nach Frankfurt auf die Messe schickte. Auch dieser Umstand ist beachtenswert, weil daraus ersichtlich wird, daB Lin- dener keineswegs der unzuverlassige, verkommene Mensch gewesen sein kann als den man ihn hinzustellen beliebte.
Bei dem sehr bosen Kllang, den
Lindeners Name in der Literaturgeschichte hat, muB man unbedingt die sparlichen aber doch auch erfreulichen Lichtblicke im Leben dieses be- gabten, aber sehr leichtblutigen Mannes, fixieren.
1) Vergl. Archiv far
Literaturgeschichte 1878, S. 434 ff.
@H XL VIII /<d
Die Veroffentlichung eines
Schnurrenbtichlein, welches miter dem absonderlichen Titel „Katzipori" 1558 erschien, ist fiir viele Gelehrte AnlaB gewesen, den Stab tiber Lindener zu brechen, ohne daB man sich bemtifligt gefiihlt hatte, das Urteil einer Revision zu unterziehen.
Wie engherzig also hat man bisher
vielfach Michael Lindener beurteilt! Oberflachlich geradezu erschreckend leichtfertig ist es, diesen Charakter lediglich nach seinen zwei Schriften Rastbiichlein und Katzipori werten zu wollen! Ge- wiB, vom literarischen Standpunkt beurteilt, gehdren das Rast- bilchlein und Katzipori zu krassen Auswiichsen eines auBcrlich leichtlebigen und in den Sitten grenzenlos derb gearteten Mannes. Sind das aber schon gentigende Anhaltpunkte, um einen Mann nach alien Seiten zu wiirdigen ? Ist es nicht denk- bar, ja wahrscheinlich, daB auch im Taumel der hochsten Lebensfreude Lindener innerlich herb und ernst war ? Seine Tatigkeit als Savonarola-tlbersetzer beweist es ja!
Wir haben Holzschnitte,
Kupferstiche, Radierungen, kurz- um bildliche Darstellungen berilhmter Meister, in denen Vor- gange derbster Sinniichkeit gewahlt wurden. Wie toricht ware es, aus solchen Tatsachen Beweise schopfen zu wollen, dafl jene Kiinstler vollkommen liederliche Menschen gewesen seifcn!
Leider haben sich viele
Literaturhistoriker nicht frei- machen k6nnen von der Unart, Schriftsteller vollig mit deren Werken zu identifizieren. Wenn ein Hinterwaldler oder Chro- wot etwa Zola als den Dichter der Pornokratie oder Wieland als Vertreter der Pornographie ansieht, so laflt man das mit einem stillen L&cheln durchgehen. Wenn aber Literaturhisto- riker mutatis mutandis ebenso urteilen, dann mufl dagegen ganz bestimmt angekampft werden.
Erich Schmidt hat Lindener
eigentlich erst im wahren Lichte gezeigt, indem er die folkloristische Bedeutung dei Schriften Lindeners leise andeutete. Sehr richtig bemerkt Schmidt: „Er setzt mit zwei kecken, spater vielgescholtenen Btichern die Richtung Poggios, Bebel und der Elsfisser fort.44
Von folkloristischen Standpunkt aus
muB man sagen, Lin- dener tibertrifft Bebel und die Elsftsser, weil er der groB- artigste Gelegenheitschriftsteller ist, den die Schwankliteratur jener Zeit kennt.
Im Strudel des gesellschaftlichen
Lebens zeigt er uns fast alle Kontraste, alle sinnlichen Leidenschaften seiner Zeit.
(SSI IL Jfcd
Durch die Mehrzahl seiner
Geschichten geht ein satirischer Ton, der alle Beachtnng verdient. Aftergelehrte, Bnchdrucker, Buchbinder, Bauern, Geistliche, anmaBliche sauffrohe, freB- lnstige Junker, grausame Juris ten, dumme Studenten, dreiste oder tdrichte Weiber, all diese Stande waxen Lindeners; Feder darstellungswert. All diese Typen besitzen bei Lindener einen ungleich hftheren Wert als bei Bebel, und dessen Nach- ahmern, weil in den meisten Charakteren Lindeners intimstes wirkliches Leben pulsiert. Es sind leibhafte Erlebnisse, die uns in den Katzipori vorgef uhrt werden und gerade darum, weil sie so menschlich sind und dabei so begrenzt in Heimat und Personlichkeit liegen, wir ken sie so m&chtig; darum sind die Vorgange fur den Kulturhistoriker und den Folkloristen der- art wichtig.
Katzipori ist ein uberaus wichtiges
Schwankbuch, welches Michael Lindener auf Bitten ,viler gutter frommer auB- erlesenen bundten und rundten Scbnudelbutzen' herausgab. Wir haben keinen AnlaB daran zu zweifeln, daB Lindener von seinen zu groben SpaBen aufgelegten Kumpanen zu der Heraus- gabe fdrmlich gedrangt wurde.
Wie sich Fischart den absonderlichen
Titel erklart, er- hellt klar aus seiner Anfuhrung; 1575 und 1582 sagt er: „Das ich jz der Eulenspiglischer und Katzenborischer art Bollwagen- buchern geschweige", und 1590 heiBt es: „Bollengespr&ch Gartenzech: Auch defl M. Linders (sol) Katzipory gestech."1)
Aus den Stichproben, welche wir
geben, wird der Leser erkennen, daB diese Derbheiten tats&chlich an der Grenze der Schmutzliteratur stehen. Lindener kennt seine Zuhdrer und deren Geschmack, und so scheut er sich nicht „das Nackteste der grobianischen Volkssitte zu berichten". *)
Freilich, wenn wir gerecht urteilen
wollen, muss en wir anerkennen, daB Katzipori und Bastbuchlein, wie bereits G o e - deke ausdrucklich betont, durch die alteren Fastnachtspiele tlberboten werden. Lindeners Stil ist von einer starken Komik; das ist jene ubermtltige tJppigkeit und Tollheit, jener burleske Humor, welche das Merkmal von Fischarts Schriften bilden.
l) Siehe dazu die:
„Zeitachrift fflr deutsches Altertum und deutsche Literatnr". Herausgegeben von Elias Steinmeyer, XXI. Band, Berlin 1877, Seite 436. ..Michael Lindeners Katzipori von Camillas Wendeler.
*) Vergleiche Gervinus:
Geschichte der deutscben Dichtung V. Auf- lage, II. Band, S. 534.
Karl Amrain. Deutsche
Schwankerz&hler. II. IV
Nicht unzutreffend hat man darum
Lindener den Vorlaufer Fischarts genannt.
Sehr rich tig bemerkt Bobertag „Man
vergiBt jetzt nor allzuleicht, wie viel Vorteil alien Arten der Poesie eine sinn* liche, anschauliche Sprache bringt." Die ungesuchte und da- bei uberaus treffende Bildlichkeit des Ausdruckes, die frische Kraft des Stiles mussen wir Lindeners Schwanksammlung un- bedingt zuerkennen.
Ein keeker sprudelnder tJbermut
steht dem lockeren Ge- sellen zur Verfugung. Turmhoch steht seine Ausdrucksweise uber jener der Mehxzahl von Verfassern anderer Schwank- bucher. In dieser Beziehung beruht Lindeners tfberlegen- heit auf den gleichen Verh<nissen, welche den Beiz jeder Volkspoesie gegeniiber der Poesie der Gebildeten, der Kunst- poesie bedingen.
Gar manchmal zieht der
Schriftsteller uns in seinen Katzi- pori tief in die gemeinen Niederungen des Erdendaseins hinab in einer Weise, die jeden Kulturmensehen verletzt. Lindener machte damit Zugeet&ndnisee an den Z eitgeschm ack.
Bereits die Fastnachtspiele des 15.
Jahrhundert lassen krafi die Freude an Schmutz und Obszdut&t hervortreten. Spezifisch Number gisch, wie Wendeler behauptet1), ist das keines- wegs, nur ist diese Tatsache in Nurnberg akten- und damit weltkundig geworden. Man vergleiche die von Dr. W i 1 h e 1 m Budeck verdffentlichte ,Geechichte der ttffentlichen Sittlioh- keit in Deutschland', 2. Auflage, Berlin 1905; ebenso zeigt die Zimmerisehe Chronik, daB die Freude am Schmutz weitver- breitet in alien Schichten der Bevfilkerung von Deutschland und Frankreich war.
Lindener steht fast einzig da, was
die vielen Um- schreibungen fur die Vorg&nge aus der niederen Geschlechts- sphftre anbelangt. Sein Wortschatz ebenso wie seine Kenntnis von Sprichw5rtern und Volksreimen ist fur den Sprachforscher eine reiche Fundgrube geworden. Neben der eben erwfihnten Sprachvirtuositat muB auch bei Lindener betont werden, daB er vorzuglich die Eigenart der verschiedenen deutschen Landschaften, durch welche er auf seinen Kreuz- und Quer- fahrten gekommen ist, beobachtet und in seinen Schriften niedergelegt hat.
>) C. Wendeler im XXI. Band der
Zeitsehrift fur deutsches Alter- tum und deutsche Literatur.
(gat LI jfce)
Namentlich wichtig sind seine
Angaben uber das Leben und Treiben in den Kreisen der Drucker, Papierer, Buchbinder, der Karten* und Briefmaler der Formschneider der Formstecber. Seine Einblicke und Ausblicke, welche er uns auf das Heine Leben des Schriftetellertumes jener Zeit und was darum und daran hangt, tuen laflt, sind fur jeden Leser fesselnd.
Bastbuchlein und Katzipori gehorten
zu den weitverbrei- teten Buchern. Namentlich Katzipori ist voll gegenwartiger lebendiger Laune; man steht mitten unter lauter Bewegung und Leben. Lachenden Mundes geifielt Lindener wie Bebel die Mdnche und sittenlos dahinlebenden Nonnen, die dunkelhaften Gelehrten, die Arzte, Richter, kurzum alle die Zungenkramer.
Eindringliche ironische Moral
verbirgt sich oft hinter den grotesken einf<igen und ungeschlachten Schwanken. — Heute gehdren Lindeners Biicher zu den grofien Seltenheiten auf dem Buchermarkte. Lindeners Schwanke dagegen haben sich im Volke vielfach frisch und lebendig erhalten.
Einen weiteren Bestandteil unserer
Sammlung von wich- tigen erotischen Schnurren und Schw&nken verdanken wir der
4. Zlmmerlsehen Chronik.
Die Chronik gehSrt zu den
inhaltreichsten, kostbarsten, historischen Schriften, welche Deutschland besitzt.
Begonnen wurde diese Chronik von
Mitgliedern der graf- licben Familie Zimmern, und das Werk blieb lange Zeit auf den engen Kreis des Grafenhauses beschrankt.
Als Hauptverfasser mu£, wie Dr. B a
r a c k1), der Heraus- geber dieser umfangreichen Chronik uberzeugend dargetan hat, Graf Froben Christoph Zimmern gelten. Neben ihm haben wir seinen Sekret&r Johannes Muller zu nennen. Ursprunglich glaubte man, Wilhelm Werner Freiherr von Zimmern sei der Autor dieser geradezu unschatzbaren Chronik. Nachgewiesener^ mafien hat aber dieser Freiherr nur Beitr&ge geliefert, darunter zwei Gedichte, einen geistlichen Spruch und ein uberaus lau- niges — an Versen etwas sehr reiches — Gedicht von einem weltlichen 'Kloster. Wilhelm Werner Freiherr von Zimmern, geboren am 6. I. 1485, als der jungste von vier Sdhnen, war ein uberaus gebildeter Herr, welcher ziemlich in der Welt
') Siehe die mit liebevoHem
Fleifi vertffentlichte Wiedergabe der Handschrift, die 1882 in Q. Auflage erschien.
L1I JKd
herumkam. Dieser lebensfrohe,
heitere Mann wurde 90 Jahre und 1 Tag alt, sein Verscheiden erfolgte am 7.1. 1575. Ahnlich wie dieser Freiherr war auch Graf Froben Zimmern — geboren 1519, gestorben 1567 — eine frohsinnige Natur und ein Lieb- haber von allerlei derben Spafien und Schwanken. So wurden die Witzreden der Tagesneuigkeiten dieser Chronik eingereiht. In einzelnen Fallen best&tigt die Zimmerische Chronik die von Lindener in Katzipori gebrachten Schw&nke. Es bleibt dem Literaturhistoriker vorbehalten, nach dieser Seite hin ent- sprechende Nachforschungen anzustellen. Noch sind ja die reichen Schatze der Chronik nicht alle gehoben.
Von Mitgliedern der graf lichen
Familie unternommen, blieb, wie erwfihnt, das Werk, welches mit dem Jahre 1566 im ganzen als abgeschlossen betrachtet werden kann, lange auf den Kreis des Grafenhauses beschrankt. Erst die Neuzeit wurde auf- merksam auf dieses wichtige Werk, welches reich ist an Er- eignissen, die Beziehung haben auf das deutsche Vaterland, auf Kirche, Lebensweise, Aberglauben, politischen und religitisen Betrug, auf moralische Anschauungen bei Deutschen, Franzosen uad Spaniern. [
Ein frischer Hauch volkstumlicher
tfberlieferung zieht sich durch die ganze Chronik und wird dem auch von Uhland hoch- geschatzten Werke fur alle Zeiten Lebenskraft verleihen, weil die Chronik nicht nur eine eigentliche Geschichte des Hauses Zimmern bietet, sondern auch andere Geschlechter und Ereig- nisse berlihrt. Die Schwanke bilden nicht das kleinste Mo- ment, welches der Chronik dauernden Wert verleihen, denn die Schnurren sprechen fur die Zustande jener Zeit.
Allerdings muB man davor warnen,
Gesamtzustfinde des gesellschaftlichen Lebens nach den Schilderungen der Schwank- erzahler und Satiriker werten zu wollen. Dazu sind alle die Erz&hlungen doch zu einseitig.
Unsere moderne Zeit kSnnten wir ja
auch nicht einzig werten etwa nach den Veroffentlichungen der Witzbl&tter oder den fulminanten Beden des Staatsanwaltes. Immerhin gewinnt man an der Hand dieses Materiales interessante Elnblicke; ebenso Verhalfc es sich mit den Schwanksammlungen des XVI. Jahrhunderts.
Hochst bedeutungsvoll werden aber
die Schwanke, wenn wir sie in einem so umfangreichen Werke wie jenem der Zim- merischen Chronik finden. Da kann nicht die oftbeliebte Er- klarung herhalten, die Witze seien fur die Kneipe bestimmt ge-
ft* LIII JKd
wesen wo sich liederliche Gesellen
trafen. Man mag sicK noch so sehr die Ohren verschlieflen, aber trotzdem bleibt es wahr, viele Sp&Be der Schwanksammlungen, ja gerade jene, welche die grdbste Sinnlichkeit atmen, wurden ebensowohl in den Volksschichten als in den Kreisen der Gebildeten von Laien und Geistlichen erzahlt. Wir mussen da auf eine Erklarung des Zimmeriscben Chronisten verweisen, welche besagt: „Man muB zuzeiten den ernsthaftigen und leidigen Fallen auch g u t e Schwanke und andere Bos sen anhenken. damit die Handlungen durcheinander vermiscbt und der Leser guet- willig behalten werd."1) Als Folklorist niuB man sich redlich freuen, daB in der Zimmerischen Chronik so haufig der histo- riscbe Faden abreiBt, und daftir eine Fulle von Sittenschilde- rungen, Gebrauchen, Sagen und Schwanken eingeschoben wird.
An chronologischen und sachlichen
Schnitzern fehlt es zwar nicht, aber das fallt bei dem umfangreichen Werke und deasen sonstigen Vorzugen nicht sonderlich in das Gewicht und ganz besonders nicht hinsichtlich der Mehrzahl folkloristisch bedeutungsvoller Angaben. Sonst macht das Werk den Ein- druck groBer Wahrheiteliebe, sagt doch der Chronist3): „Die Historici die ubergeen dises alles und will niemands der groBen Herrn Privatleben anruren oder der Katzen die Schellen an- henken, sonder schreiben mertails von ires Bauchs und von Gewins wegen, daran sie doch ho'chlich Unrecht thuen und billicher weren Schmaichler und Orenmelker, dann historici zu nennen, dann nit allein das ldblich und so das Liecht erleiden mag, zu beschreiben, sondern vil mehr das unldblich und ungepurlich, damit sich die Nachkommen dass erinnern und zu vermerken, warumb etwann Gott ein ganz Kunigreich sinken last und erschrockenlich straft."
Umfassend gebildete, mit der
deutschen Literatur bekannte, mit den Empfindungen der Volksseele vertraute Manner, die groBe Beisen im In- und Ausland gemacht hatten, an Ffirsten- hGfen verkehrten, am Beichskammergericht in Speier und am Hofgericht zu Bottweil tatig waren, scheuten sich nicht die groBten Derbheiten dem Papiere anzuvertrauen. Nichts zeigt wohl besser als diese Hinweise, wie gesellschaftsf&hig das einmal war, was wir als schmutzige Unterhaltungsliteratur
\) Siehe Band IV. Zimmerische
Chronik, II. Auflage,, Seite 13,10
ff. 3) Siehe Band III. Zimmerrische Chronik, II. Auflage, Seite 261,8
«.
LIV m
oHne Bedenken erklaren. So wandeln
sich moralische An- echauungen.
"Wie bei Bebel, Frey, Lindener usw.
spielen sich auch die moisten in der Zimmerischen Chronik berichteten Vorfalle in Suddeutechland ab, daneben erhalten wir intereasante Streif- lichter auf das Leben an verschiedenen Hflfen.
Obwohl die Chronik hoohdeutsch
geschrieben ist, zeigt die Spraohe vielfach die Eigenheit der sehwabisch allemannischen Gegend.
Mit Rucksicht auf den
wissenschaftlichen Charakter dieser Verbffentlichung lieB es sich nicht umgehen, die zweifellos sehr starken Kruditaten der Originalvorlagen wiederzugeben. Gerade aus der freien Zusammenstellung dieser uberderben Schnurren empfangen wir ein wahrhaft getreues und ungetrubtes Charakterbild der Sitten bzw. Anschauungen jener Zeiten. Vergessen wir nie, daB aus den Schwanken und Schnur- ren eines Bebel, Frey, Lindener, Tunger die Stimme des Volkee heraust5nt I
Es ist wahr, mancherlei in all
diesen Fazetiensanunlungen erfullt uns mit auBerstem Widerwillen, aber wir mussen als Gelehrte unbedingt gerecht sein und nicht ausschliefilich den MaBstab unseres modernen Empfinden und Gewohntsein an- legen, wo die Eigenart einer anders denkenden Zeit zum Aus- druck gelangt.
Vor allem mussen wir uns ganz
entschieden vor dem bis- lang so haufig begangenen Fehler hliten, all die unverblumten rohen Spafie lediglich dem sie erz&hlenden Schriftsteller wie Bebel, Frey, Lindener usw. in die Schuhe schieben zu wollen. Diese Schriftsteller haben mit einem feinen Empfinden fur die Begungen der Volksseele lediglich bestehende, lebwarme, wesenhafte Witzworte, komische Ereignisse, derbe Schlagfertig- keiten aktenkundig gemacht.
Nicht die unverhullten Bedensarten
verkommener Tauge- nichtse haben wir vor uns, sondern den bei der ehrbaren Manner- und Frauenwelt beliebten Erheiterungstoff, das die frdhliche Geselligkeit fordernde Unterhaltungsmate- rial. Es ist lebfrische Kraft des Volkes, welche sich in derb- stem Humor auBerte.
Diesen Humor kennen zu lernen,
bezwecken die nach- stehenden Blatter, mit deren Verdffentlichung wir uns den Dank aller Volksforscher und Kulturhistoriker zu gewinnen hoffen.
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MancHe Seite durfte dem Fachmann aus
seinen Spezial- studien bekannt sein; vielleichit wird man aber trotzdem die Verdffentlichung begruBen, weil dem Forscher damit manebes schwer zugangliche und seltene Werk ersetzt wird oder doch der Zusammenh&nge wegen leichter erreichbar ist.
Wir mochten nicht schlieBen, ohne
daran erinnert zn haben, daB Martin Luther ein besonderer Freund derbster Anekdoten war, ferner, daB Goethe fleiBig alle Schwankbucher des XVI. Jahrhunderts, soweit sie ihm erreichbar waren, ge- lesen bat.
Die Spruche,
welche Heinrich Bebel der Poet in
seiner
Jugend geschrieben hat.
Karl Amrain. Deutsche
Schwankerafhler. II.
1
Das erste Buch.
1. Sprueh eines Priester*.
Als nnser Furst Herzog Ulrich von
Wurttemberg als Sieger im Kriege einem Orafen Schlofi und das dazugehSrende St&dtchen abgenommen hatte, kam ein dem Grafen verwandter Priester. Dieser erzahlte und bekannte traurig, wie das St&dt- lein und das Schlofi vom Herzog gewonnen und eingenommen worden sei. Der Graf antwortete, es lage ihm nicht sonderlich viel daran, und es ware ihm kein Schaden, denn er hatte ea nicht wollen teurer verkaufen. Daraufhin versetzte der Priester: „In Wabrheit, das hore ich gern, denn ich habe schon sehr besorgt, daB wir's nicht zu gering oder noch geringer verkauften." Der Priester war namlich auch dabei, als man das Schlofi und das Stadtlein aufgegeben hatte.
Vergleiche dazu die Zimmerische
Chronik 2. Auflage Bd. H, 8. 74—75, wo der Vorgang weit genauer geschildert wird.
Es beiflt dort:
Graf Ludwig von Leonstain1)
kam in dem bayrischen Krieg*) in groBen Unfahl; dann als er uf des Churfttrsten, Pfalzgraf Philipsen, Parthei, do zoch im Herzog Ulrich von Wurtemberg fur das Schlofi Leonstain, das belegert er. Das Schlofi wardt beschossen, das mans in wenig Tagen ufgab. Ich hab mehrmals von Herr Gotfridt Wernhern Freiberren von Zimbern gehSrt, das er sampt etlichen Verordneten vom Herzogen bei den Ersten ins Schlofi sei kommen. Ihm ist zu der Beut worden ein uberaus schon Schlofi an aim Kasten,
l) Leonstain,
Leostain, Lewenstain, LSwenstein.
J) Bayrischer Krieg,
er begann 1504 (bezw. schon 1593), siehe Zimmerische Chronik Bd. II, 398/399. — Vgl. Hausser, Geschichte der rheinischen Pfalz I, 486.
1*
bo noch vorhanden, und ain Wetzger;
dann Graf Ludwig hatte sich vor dieser Belagerung wohl hesorgt und derhalben, was ihm lieb, uf ain Ort gethon und geflehnet. Unter anderem, so in der Besatzung zu Leonstain bliben, war ain Pfaff. Der kam in wenig Tagen, nachdem sie das Schlofi ufgeben, zu dem Grafen, klagt ihm mit wainenden Augen den grofien Verlust, wie sie das Schlofi hetten ufgeben mussen, auch hatte der Herzog die ganz Grafschaft ingenomen. Der Graf wollte sich unerschrecken erzeigen, sprach: „Mein Herr Hanns seit zufriden, ich welt das Schlofi nit theurer verkauft haben." Hierauf der Pfaff: „Ach, gnediger Herr, das hdre ich von Herzen gern, dann ich nur besorgt, wir hatten's zu vil wolfail geben." Und wie wol graf Ludwigen nit geheuer bei der Sache, so muest er doch des Pfaffen geschwinde Antwurt lachen.
2. Spruch einer Jiidin.
Vor einiger Zeit war ich in dem
Stadtchen Hechingen, welches im Herrschaftgebiet der Grafen von Zollern liegt. Dort traf ich eine schdngestaltete htibsche Jiidin, welche frohlich und zu guten Schw&nken aufgelegt war. Als ich ihr im Gesprach riet, den christlichen Glauben anzunehmen, antwortete sie gar nicht ungeblihrlich, sondern meinte nur, nach ihrer Ansicht gelte die Beschneidung gerade eoviel wie die Taufe. Nun fragte sie mich, wie hoch denn ich die Taufe einschatze. „Sehr hoch," sagte ich und, „ohne sie bleibt den Menschen die Himmelpforte verschlossen". — „Wir Judinnen halten aber von der Beschneidung gar nichts." Wie ich nun nach der Ursache frage, versetzte sie: „Wir wollten lieber, dafi dem Glied, welches an unseren Mannern beschnitten wird, ein Stuck hinzugesetzt, statt weggenommen wurde."
Bei Jakob Frey: Gartengesellschaft:
lebt die Jiidin,welche- viel mehr von der Taufe als von der Beschneidung halt, in Landau. Bei Frey soil die Jiidin einer „guten" Heirat wegen, sich taufen lassen. —
Vergl. Lundorf, Wissbadisch
wisenbrunlein 1610—11 2, Nr. 9.
Bottmann, Lustiger
historien-schreiber 1717 s. 462 (3,85). J. B. Bouaseau, Toutes les epigrammes, Londres 1880 p. 107 (7. 12).
Domenichi, Facetie 1581 p. 138.
Vergl. die kritische Ausgabe von
Jakob Freys: Garten-
<SSt 5 Jfc©
gesellschaft, welche Johannes Bolte
im 209. Bd. der Bibliothek - des literarischen Vereina in Stuttgart, gedruckt in Tubingen 1896 gibt.
3. Vom Mtiller, der bettein ging.
Ein Bettler kam zu einem Backer und
begehrte als Hand- werksgenosse ein Almosen. „So, welches Handwerk hast du denn betrieben," fragte der Backer. „Ich war Mtiller," ver- setzte der Angeredete. — „Ach! Wie viel Bauern sind denn in deine Miihle gefahren?" — „Sieben." „Hdre ich richtig? Sieben? O, du ungeschickte grobe Flegelskappe 1 Eher h&tten diese sieben Bauern bettein gehen milssen, als ich." Mit diesen Worten wollte der Backer auf den landlaufigen Spruch von der Stehlsucht der Mtiller lenken.l)
Bei Jakob Frey: Gartengesellschaft,
sind es 19 Bauern, welche bei dem verdorbenen Mtiller in Sempach im Schweizer- land mahlen lieflen.
Bolte vermerkt in seiner Freyausgabe
noch: Kurtzweilige und lacherliche Geschicht 1583, S. 536 b. Goedeke, Schwanke 1879 Nr. 79. Bobertag, 400 Schwanke, Nr. 281.
ttbersetzung bei Hulsbusch 1568 p.
Ill De aporiato mo- lit ore, qui mendicabat! —
Lundorf, wissbadisch wisenbriinlein
2, Nr. 4 (1611).
Zincgraf-Weidner, Apophthegmata 4,
178.
J. P. de Memel, Lustige Gesellschaft
Nr. 561 (1695).
C. A. M. v. W., Zeitvertreiber 1666,
s. 193.
Philander, Zeitverkllrzer 1702, Nr.
219.
Domenichi Facetie 1581 (p. 181).
Cluchtboek, Antwerpen 1576, p. 68,
Nr. 84 (vergl. Bolte, Tijdschrift voor ndl. Taalkunde 10, 133). „Van den meulder, die den Backer om Broot badt, ende van den goeden raedt, die den Backer hem gaf, om niet te bedelen' = Groot Klugt- boek, Amsterdam 1680, p. 68.
Freudenberg, Etwas fur alle 1732,
Nr. 123.
4. Noeh etwas von einem Mtiller.
Ein Vogt oder Amtmann hatte seinen
Mtiller beim Dieb- stahl erwischt und lieB ihn dem Galgen uberliefern.
') Vergleiche auch ^Deutsche
Schwanke des 16. Jahrhunderts". Ausgew&hlt und bearbeitet von E. K. BIQmml und Joseph Latzenhofer. Bd.Y des von Dr.Fr. S.Krauss herausgegebenen „Volksmund", Leipzig 1906.
SSI 6 Jfce)
"Wie nun der dem Tode Geweihte die
Leiter hinaufstieg, um an den Strang gekniipft zu werden, bat und beschwor der Vogt den Miiller, er solle ihm doch einen einzigen Muller nennen, welcber ehrlich, fromm und treu ware. „Wenn ich einen Eid leisten sollte, ich kdnnte keinen ehrlichen Muhlen- besitzer nennen," beteuerte der Muller. „Wenn dem also ist," erkl&rte der Vogt, „dann steige wieder herab und bleib am LebenI Lieber will ich doch schon dich, den ich nun einmal kenne, als einen anderen Muller, der am Ende gar noch ein groBerer Dieb als wie du sein kdnnte."
Ahnlich bei Jakob Frey:
Gartengesellschaft: Welches die fromm en Muller sind. — Vergl. auch: Schimpf und Ernst 1545. — Schertz mit der Wahrheit 1550. — Kirchhof, Wendun- mut 1, 290. — Philander, Zeitverkurzer 1702, Nr. 214.
6. Wider einen fahrenden Schiller.
Man findet mitunter Schiller, welche
nicht studieren, auch nicht arbeiten wollen, die aber hin- und herlaufen und betteln. Arme einf<ige Bauern betrtigen sie mit allerlei Buberei und Schelmenstreichen. Sie behaupten, im Frau Venusberg ge- wesen zu sein und allerlei Ktinste und Zauberei dort erlernt zu haben. Sie verheifien Wunderdinge, von welchen ich viel im Buche Triumpho Veneris geschrieben habe.
Gen Justingen kam solch ein Schtiler
zu einem Wagner, welcher schon oft von solchen Geeellen betrogen worden war. Von diesem bat er als Meister der sieben freien Ktinste auch darum, weil er im Venusberg gewesen sei, ein Almosen. Darauf fxagte der Wagner: „Mein lieber Freund, bist du das nachst- verschienene Jahr auch dort gewesen?" — „Nein!" — „Nun, so gehe hin und komme mir ja nicht mehr her, denn ich werde dir nichts geben!" Der fahrende Schtiler war unwillig, be- sonders, weil der Wagner ihn dutzte, denn die Deutschen haben es also im Branch, daB sie nur Freunde und Bekannte, aufier- dem schlechte, unbeachtenswerte Menschen dutzen. „Warum IHrzet Ihr mich nicht, ich bin doch ein Meister der sieben Ktinste und dazu ein halber Gaukler?" — Da erkl&rte der Wagner: „Ich kann mehr wie du! Mein Handwerk ernahrt mich, mein Weib und sieben Kinder 1 Du kannst dich mit sieben Kilns ten allein nicht nahren und gehst betteln. Darum mufit du mich ehren, nicht ich dich!" tJbel verspottet und
verlacht muBte der Schuler scheiden.
So geschieht denen recht, die sich all ein des Titels ruhmen, sonst aber niohts leisten konnen. Die sind ja aucb alleweil stolzer und ubermutiger als jene, welche ebensoviel wissen und yiel studiert haben.
6. Wahre Gesehlehte von einem
Priester.
Ein Priester yon Ulm predigte in
einem Flecken am Aschermittwoch, dem ersten Fasttage, und sprach: „Liebe Sdhne Gottes I Heute verbiete ich euch alle menschliohe Speise." Damit wollte er die Enthaltung yon FleischgenuB ankundigen. Hun Bprach ein anwesender Bauer: ,,Das wird ja gut fur mich sein, da ich mein Heu noch nicht verkauft habel Wenn dem wirklich so ist, wie der Seelsorger gebietet, mtUBten die Leut' doch Viehfutter, Heu und Stroh essen!"
Eben derselbe Priester predigte
weiter: „0, ihr lieben Bruder, hutet euch vor dem Teufel, denn er ist der boseste Mensch unter alien Menschen! Hanget an der Liebe Gottes, welche so silB ist als die gedorrten Holzbimen." Die Bauern pflegen die Holzbirnen zu dorren und bis in die Faatenzeit aufzubewahren; dann gieflen sie Wasser daran, lassen die Frucbte weich werden, bis daraus eine suBe Bruhe wird. Mit dieser Bruhe verglich der Pfaffe die Liebe Gottes.
Aufierdem sagte er in dieser seiner
ersten Predigt: „Dieser Predigtstuhl, liebe Bruder, ist jetzt krank, es wird ntttig sein, aus einer Eiche einen neuen zu machen, welcher stark und fest ist, der alle meine Worte tragen kann, wenn man mir alle meine Bucher bringt, wie die Predigten des Meisters Grutsch, die Predigten von S. Crix, der mit einem Sessel durch die H. E. geschossen ward, die Predigten Discipuli, die Predigten Dormi securi und dergl. noch viel mehr, die ich jetzt nicht alle erz&hlen und dartun kann."
Vergleiche dazu Bernardino Ochino
12. Apolog desLBuches. Der Bischof aus Datia fuhrt neue Fasten ein usw. Volksmund, Band VII.
Auch die Zimmerische Chronik bietet
zahlreiche Belege fur den hGchst unerfreulichen Grad der Geistesbildung vieler Pfarrer und Klosterpersonen.
<S2* 8 Jfcd
7. Ungesehiekter Dorfpfaff.
Ein ungesehiekter Dorfpfaffe wufite
nicht, was er am heiligen Ostertag im Hochamt singen sollte.1) Er schickte darum seinen Meflner zu dem Priester im n&chsten Dorf und liefi bei demselben erfragen, was zu singen ware. Der Bescheid lautete Besurrezi. Der Meflner als lateinunkundiger Mensch, konnte das Wort nicht behalten, doch blieb ihm bewuflt, das der Ausdruck mit Be begann. Unterwegs sprach er alle Augen- blicke die Silbe Be aus, um dieselbe nicht zu vergessen. Wie er nun wiederum heimkam, und der einf<ige, ungeschickte Pfaffe die Silbe Be horte, sagte er: „Es ist gut, ich ver- stehe es wohl, was man tun soil, man mufl Bequiem singen (das ist eine Messe fur Verstorbene), denn es gehort sich, das heute zu halten und den Tag der Erhebung des Leichnams Jesu Christi, der auch in drei Tagen gestorben ist, zu ehren."')
8. Eine tretfliehe Tat.
Zu Freiburg muflte ein Mann
ungebuhrlich lang im Bad auf Wasser warten, auch bis er gezwackt und gerieben wurde, damit der Schweifl recht ausgesondert werde. Als die Sache gar nicht beginnen wollte, ging der Badende ein wenig ab- seite und setzte den durch das Hintergewolbe austretenden — Schweifl auf ein Hauflein zusammen. Endlich kam der Bade- knecht und wollte unseren Mann auch ein wenig reiben. Der sagte aber: „Geh weg! Ich brauch deine Beiberei keineswegs, denn der unsaubere Schweifl ist schon von mir gewichen." Kurz danach merkte man am Geruch, was das fur ein Schweifl war.
9. Ein ungesehiekter Mensch.
Zur Osterzeit fragte in Beutlingen
ein Schneider seinen Knecht, ob er schon zum Sakrament gegangen sei, und den Leib Christi empfangen habe. — „Ja," versetzte der Knecht,
*) Pfaff Leichtenhendle antwortet
am Altar dem ihm ministrieren- den Priester Hans Hemler, der die Epistel nicht fand und darum statt derselben sang: „Ich kanns nicht mehr singen, ich find nichts mehr, do ist nicht mehr geschrieben" in feierlicher Form> um den Gottesdienst nicht zu stSren, „Das Dich der Rit schende in das bOsser Aug*!" usw. S. Zimmerische Chronik, 2. Aufl., Bd. II, S. 470.
*) Vergleiche dazu die von
Bernardino Ochino im 34. Apolog, IV. Buch, gebrachte Variante. „Volksmund", Bd. IX und X.
^ 9 )Kg
„ich bin dazu gegangen und babe da
von gekauft." — „Gekauft ? Ja, wieso denn gekauft?4'--„Ei, ich bin zum Altar ge- gangen und habe fur die Sach einen Pfennig geopfert!"
Da strafte der Schneider den Knecht
und sprach: „Dieser Schatz kann ja mit alien Giitern der Welt nicht bezahlt noch verkauft werden."
„Meister, das ist ein Irrtum von
Euch! Das kann nicht stimmenl Ware es so, wie Ihr sagt, so bek&men weder ich noch du etwas von dieser Kostbarkeit."
10. Von einem Priester und dem Esel
Christ!.
Ein Priester predigte einem groben
Vblklein vom Einritt Christi in die Stadt Jerusalem und erwahnte, Christus habe dabei auf einem schonen hohen Gaul gesessen. — „S'ist ja nicht wahr," mahnte der Messner leise, „es ist nur ein Esel gewesen!" — „Du Narr," schrie jetzt der Priester, „geh hin und ktiB dem Esel das hintere Gewolbe! Kbnnte ich doch nur auch in anderen Sachen meinen Heiland und Seligmacher ehren, keine Arbeit sollte mir zu sauer sein. Ich will des Heilands Ehre beschirmen, so wahr ich Johannes heiBe."
Dieselbe Materie behandelt Jakob
Frey: Gartengesell- schaft. Der Frauenbrudermdnch wehrt aber dem Sakristan noch weit drastischer mit den Worten: „Es ist deiner Muoter Fut gewesen! Gang hin und leek den Esel im Arsch!" —
Siehe auch Hulsbusch 1568 p. 165
Carmelita monachus con- cionatur ingressum Christi in Jerusalem. Kirchhof, Wendunmut 1, 2, 70 (1563). Zincgr&f-Weidner 4, 242. Den roomschen Uylenspiegel 1671 s. 494.
11. Ungeschickter Spruch.
Zwei Bruder kannte ich, deren Vater
gestorben war. Als die Beerdigung stattfand, hatte der eine Bruder eine schwarze Kappe aufgesetzt, der andere gegen alien Brauch eine rote Kappe. „Warum kommst du denn mit einer solchen Kopf- bedeckung?" fragte strafenden Tones derjenige, welcher die schwarze Kappe trug. „Ach," versetzte der Gefragte, „ich trauere in der roten Mtitze ebenso gut wie du in der schwarzen Kappe."
^ 10 Kg
12. Eines Toren sehwinkliehe Rede.
Mir wnrde von einem tdrichten
Burachen berichtet, welcher mit heller, klarer Stimme laut sang, als man seine Mutter beerdigte. Als ihn der Vater hierfur strafen wollte, sagte er: „Vater, ich glaube, du bist nicht recht bei Vernunft. Du bestellst Priester und l&Bt sie singen, wahr end ich umsonst singe und gar noch bestraft werden soil."
Siehe hierzu Bernardino Ochino IV.
Buch. 31 Apolog, wo- selbst der junge einfaltige Mann beim Be gracilis seiner Frau singt. Volksmund, Band IX und X.
13. Wahre Gesehlehten von Pfaff
Wendel.
Georg Ehinger, ein hochgepriesener
Bitter, hatte einen Dorfpriester, einen Herrn Wendel, gegen welchen die Bauern klagten. Sie begehrten vor ihrem Grundherrn einen anderen Seelsorger. Herr Wendel entgegnete hierauf: „Gebet mir aber auch andere Bauern, denn die Kerle kann ich gar nicht mehr ertragen." Spater fiihrten dieselben Bauern wiederum Klage gegen ihn, weil er so selten Messe lase. — *„Ja, das hat seine guten Grunde," liefi sich Pfaff Wendel horen. „Lese ich haufig Messe, dann werden es meine Bauern bald selber kdnnen, dieweil sie so dicht dabei stehen! Dann aber wtirde meine NutznieBung geschwacht und gemindert." Item, Pfaff Wendel wurde zum drittenmal verklagt, er sei selten daheim und wiirde stets ausw&rts essen. „Ganz recht," bejahte der Be- klagte, „aber in meinem Brotkorb sind inzwischen sogar die M&use krepiert. Kein Witziger wird mir rebus sic stantibus raten, daheim zu bleiben."
Vergleiche Bernardino Ochino, 45
Apolog I. Buch; die Bauern setzen ihren Seelsorger ge fan gen, um denselben stets bei der Hand zu haben. Volksmund, Band IX und X.
14. Das hinkende Schneiderleln im
Himmel.
Ein hinkender Schneider kam zur
Himmelspforte und bat Sankt Peter um Einlafi. Wegen der vielen Diebstahle, welche . der Bittende nach Schneiderbrauch auf dem Gewissen hatte, wies Sankt Peter ihn ab. „Ach, laB mich doch um alle Barm- herzigkeit hinein," bat der Schneider, „vor lauter Mlldigkeit kann ich nicht weiter. LaB mich hinter den Ofen sitzen
(9^1 11 Jfce)
und gib mir die schlechteste Arbeit,
ich will's geduldig tragen." SchlieBlich liefi sich Sankt Peter yon diesem Bitten und Flehen erweichen, und flugs war unser Schneiderlein im Himmel. Kurzweil halber ging nun eines Tages der liebe Oott mit dem ganzen himmlischen Heer aus dem Himmel, um sich in einem aufierhalb des Himmels befindlichen Garten zu erlustigen. Im Himmel blieb allein der Schneider. Der besichtigte nun ganz gem&chlich den Himmelssaal. So kam er auch zu dem Sitz des hdchsten Kdnigs und konnte von da aus aller Menschen Tun und nnterlassungen erblicken. "Wie unser Schneiderlein in voil em Schauen ist, sieht er ein altes Weiblein, welches einer anderen Frau, die an demselben Bachlein Kleider wusch, diese Kleidungsstueke wegstibitzte. Da wurde unser Schneider furchtbar aufgebracht, denn er empfand, welche Sunde das Stehlen doch ist. Basch erwischte er den Fufischemel Gottes und warf denselben nach dem "Weiblein. Der HimmelskOnig vermifite bei seiner Heimkehr sofort seinen Schemel und forschte uberall nach, wohin derselbe gekommen war. Endlich mufite sich der Schneider verantworten und die Ursache angeben. „0, lieber Sohn," sprach mildl&chelnd der himmlische Kdnig, „wenn ich so rachgierig ware, wie du, ja, dann hatten wir schon lange gar keine Stlihle und B&nke mehr hieroben!"
Ausfuhrlicher erzahlt Jakob Frey in
der von ihm beliebten breiten Behaglichkeit, dieselbe Geschichte. Fur Bebel gilt: Kurze ist des Witzes beste Wiirze.
Siehe weiter Krauss: Sagen der
Stidslaven 2, Nr. 128.
Loesche, Analecta Lutheran a 1892,
Nr. 317.
Wolf, Deutsche Marchen und Sagen
1845, Nr. 16: Ian im Himmel.
15. Ein Zorniger.
Ein Hafner beichtete, da sein
letztes Stfindlein gekommen war, dem Priester. Alles war gut, nur wollte der Hafner seinen Feinden nicht vergeben. „Wenn du nicht vergibst, wirst du »n die Hdlle hinabgestofien werden," mahnte der Beichtvater. — „Wenn's so ist, dann mach dich nur bald von mir, dann brauche ich keine letzte Clung. Denn alsdann wird die Hdlle gezwungen, mich in tausend Teufels Namen roh und ungesalbt zu verschlingen!"
12 Jfcd
16. Ein Landskneeht IBt einen Kapaun
allein.
Aus Frankreich kam voreinst ein
Landskneeht nach Frank- furt und kehrte im „Boten Ochsen" ein. Der Landskneeht besaB zwar schlechte Kleider, aber einen gespickten Geldbeutel, darum bat der Wirt seinen Gast, er moge doch hinauf an den Tisch zu etlichen vornehmen Kaufleuten sitzen. Das verdrofi die Kaufleute gewaltig, obwohl sie es nicht gut hindern konnten. Als die Suppe aufgetragen wurde, zog jeder Kaufherr einen silbernen Ldffel hervor mit dem Bemerken: „Ein Schelm, wer keinen Silberldffel hat." Der Landskneeht merkte bald die Stichelei, sebwieg aber fein still und machte sich einen Ldffel aus Brot, den er nach kurzem Gebrauch verzehrte mit den Worten: „Ein Schelm, wer seinen Ldffel nicht friBt." Jetzt waren die Kaufleute wieder wtitend und schalten und knurrten gewaltig. „Es ist ein Schelm am Tisch, der mit seinem Mund den Wein unrein macht," hieB es in der Bunde, und so oft einer dem andern zutrank, zogen alle die Wisch- tiicher hervor, wischten sich den Mund und wiesen einander die Becher und fragten, ob sie's getan h&tten. Da gab's natilr- lich nur Entschuldigungen. Unser Landskneeht wuBte damit bald Bescheid. Flugs trank er seinen Becher aus, warf ihn auf den Tisch, so daB er einem Kaufherrn ins Antlitz flog und sprach: „Dafl euch der Teufel hoi', ist denn etwas un- reines in meinem Becher?" — Kurz danach trug man einen Kapaun auf, um den einige Krammetsvdgel gelegt waren. Basch griffen die Kaufleute nach den Krammetsvdgeln, damit der Landskneeht nichts bekommen sollte. Ohne langes Zaudern spiefite der Landskneeht den Kapaun auf und legte den Braten auf seinen Teller. „Ja, ja, ich sehe wohl, es ist jedem Mann um ein Vogel zu tuen." So behielt er den Braten und hatte die Herren grundlich abgefiihrt.
17. Bauern bitten um einen Fluch.
In Sachsen war mal auf einem
Bauerndorf den Landleuten das Fluchen verboten. „Lieber SchultheiB, so kann's nicht weitergehen," meinten sie eines Tages. „Gib uns wenigstens einen Hausfluch, damit sich das Gesinde regieren l&fit." — „Na, was wollt ihr denn fur 'nen Fluch ?" ,,Hm, lieber Schult- heiB, etwa die Pestilenz." „Gut! Abgemacht! Ihr mdgt dazu auch noch die Franzosen haben."
6Sl 13 Jfce)
*
18. Die frdmmsten Leute nach
Bernhard Retz.
Wir erdrterten einmal, wie sehr doch
alle Stande und Orden von ihren eigentlichen Satzungen sich entfernt h&tten und wie alle gar nicht mehr an die Frommigkeit der Altvorderen heran- roichten. Nur die Bauern seien allein noch fromm. „Ach was," nahm bei diesem Gesprache mein Wirt, Herr Bernhard Retz, das Wort, „meines Erachtens sind die Bader die allerfrommsten Leute, denn sie bereiten im Bad ebenso dem Armen wie dem Keichen das warme Wasser."
19. Ein Sprneh nutxlich zu merken.
Konrad Wilensis sagte mir einstens,
er wolle mit dem Schwert den Tod eines seiner Freunde rachen, der neulich ein junges Weib genommen habe und daneben ein grofier Eiferer sei. Da sagte ich zu ihm: „Ach, lieber laB ihn leben, denn er lebt sich selber zur Marter und Pein. Es ist dir viel bafi geraten, wenn er zehn oder mehr Jahre in hdchstem Kummer und steter Sorge leben mufi, statt daB er mit einem Schlag all seine Schmerzen ende. Der tragt wahrlich ein schweres Kreuz, welcher ein eifersuchtiger argwdhnischer Mann sein will."
20. Lustige Tat eines Kriegsmannes
von Tliblngen.
Conrad Bichel von Tubingen unter dem
Oberherrn iiber die Soldaten des Kaisers Maximilian war ein beherzter redlicher Mann. Der lag einmal nick lings auf dem Stroh im Lager und versah sich keiner Fahrlichkeit. Doch da kam ein anderer Kriegsmann, welchem Bichel einige Zeit vorher eine Un- billigkeit erwiesen hatte. Wie jener den Bichel auf dem Biicken liegend fand, sprach er nach Art, Natur und Bedlich- keit der deutschen Nation: „Wenn du nicht am Boden l&gest, wurde ich dich mit meinem Schwerte erstechen." Hierauf entgegnete Conrad Bichel: „Wellst du mich nur verletzen, wenn ich stehe, zur Wehr bereit und fertig bin, so will ich diese Nacht nicht aufstehen." Am andern Tage aber erstach er ihn mit einem SpieB oder Schafflin.
21. Lustige Historie vom einf<igen
Landmann and einem Dieb.
Meine Herren von Stoffel, von
freiem, trefflichem Adel, die man sonst Freiherrn nennt, hatten auf einem Dorf einen
14 JKD
Rentmeister. Aus bauerischer Ein
fait schickte derselbe mal einen Dieb, den er angeklagt, gefangen, gebunden und zum Galgen verurteilt hatte, zu einem Priester in die Kirche, damit er seine Sttnden vor dem Tode bekenne und beichte. Nachdem der Dieb feierlich versprochen hatte, wiederum zuruckkehren zu wollen, lieB man ihn in die Kirche. Da legte er ein Sunden- bekenntnis ab und achtete hiernach nicht auf das ihm in der Kirche zustehende Freistattrecht, das kein Mensch hfitte ver- letzen kdnnen (wie das an vielen Orten nun einmal so be- stimmt ist). Der Dieb verliefi also die Kirche wieder und ging zu dem Amtmann (oder auch Rentmeister geheiflen), lieB sich binden und stieg dann so frohlich zum Galgen hinauf, daB man hatte meinen kdnnen, der mir von Jugend auf be- kannte Mensch habe den Tod von Herzen begehrt. Viele legten es hernach dem Priester ubel aus, daB er den unweisen, un- besonnenen Dieb nicht ermahnt habe, sich der kirchlichen „Freiung" zu bedienen.
22. Vom tdrichton Bauernknecht.
Eine sehr reiche Witfrau hatte einen
einzigen Sohn, der aber wenig Verstand besafl und ziemlich tdlpelhaft war. Der gewann eine in der Nahe wohnende adelige Jungfrau lieb und wollte sie zur Frau haben. Die El tern der Jungfrau waren zwar adlig aber sehr arm, und litten ziemlichen Mangel, so daB an standesgemafle Verheiratung der Tochter nicht gedacht werden konnte. So besannen sie sich nicht lange, als der reiche Baueratolpel als Freier auftrat. Die Bauersfrau war bei der grofien Unbeholfenheit ihres Sohnes besorgt, die Jungfrau wurde aus diesem Grunde noch absagen und so begann die Mutter, ihrem Sohn Schliff beizubringen. Als der torichte Bauer erstmals zur Jungfrau ging, um sich mit ihr zu ver- loben, 8chenkte ihm das Fraulein schbne, sorglich zu be- handelnde Handschuhe. Die zog er an. Unterwegs begann es zu regnen. Da verdarben die Handschuhe in den Grund. „Lieber Sohn," mahnte die Mutter, „du h&ttest die Hand- schuhe fein zusammenlegen und im Busen aufbewahren sollen." Als er wieder zur Jungfrau kam, verehrte sie ihm einen Sperber. Da beherzigte der Bursche die Lehre der Mutter; er wickelte den Sperber in ein Tttchlein und schob das in den Busen. Daheim konnte er der Mutter nur einen toten Vogel zeigen. „H&ttest du ihn fein auf der Hand getragen," lieB sich die Mutter vernehmen. Beim dritten Male erfreute
15 JKS
ihn die Jungfran mit einem
Treydaieb. Das trug der TGlpel auf der Hand, wie er den Sperber hatte tragen sollen. Die Mutter schimpfte und sagte: „H attest es einem Bofi an den Schwanz binden muss en." Schliefilich schenkte die Jungfrau, welche stets grSBeres Mififalien an den Sitten und am Tiefstand seiner geistigen Bildung empfand, dem Bauernkerl ein Stuck Speck. Das band der TSlpel jetzt seinem Pferd an den Schwanz. Beim Heimritt ging der im Dorngestrupp an Baumstammen und Stauden hangenbleibende Speck ganzlich zu grunde. t)ber solche tolpelhaft ungeschickte Sitten war die Mutter ganz trestles und furchtete, die Braut werde einen solch geistes- armen Freier ausschlagen. „Ich gehe wohl am beaten selber zu der Jungfrau und deren Eltern und halte an um die Hand fur meinen Sohn," dachte die Mutter und machte sich auch, nachdem sie ihrem Sonne aufgetragen hatte, gut das Haus zu huten, auf den Weg.
Bei den Eltern der Jungfrau brachte
die Mutter ihre Wunsche zweckm&Big an, wodurch sie es erreichte, daB man Tag und Stunde der Hochzeit festsetzte.
Inzwischen hatte der daheim
gebliebene Sohn Hunger be- kommen; er ging also in die Kticbe, warf Schmalz in eine Pfanne und schlug Eier hinein. Da er einen guten Tropfen Weines trinken wollte, ging er unterdeasen in den Keller. Kaum hatte er das Fafi gedffnet, so schoB der "Wein derart aus dem FaB, daB der Bursche sich nicht mehr zu helfen wuBte. Auf diese Weise floB das FaB aus und der Keller voll.
Was jetzt? Damit die Mutter solches
Unheil nicht sfthe, streute der Tolpel den ganzen Keller voll Mehl, um damit den Keller auszutrocknen. Basch und ungestum sprang er wieder hinauf und schreckte durch sein uberlautes Wesen eine brtLtende Gans auf. Die schrie unaufhttrlich Gag, gag, gag und fldBte damit dem Narren solchen Schrecken ein, daB er befurchtete, sie drohe ihm mit ihrem Geschrei. Flugs ergriff der Tdlpel das schnatternde Tier und hieb demselben, damit es nur ja nichts verrate, den Kopf ab. Damach bestrich sich der sinnlose Bursche den ganzen Kttrper mit Honig, schnitt die Federbetten auf und walzte sich in den Flaum- federn, daB er uber und liber gefiedert war. So glaubte der Bursche am beaten Stellvertreter der Gans zu sein; er setzte sich auf das Nest und wollte die Eier ausbruten.
Ala die Mutter heimkehrte, fand sie
die Ture verschlossen. Sie klopfte und klopfte, doch der Sohn antwortete nur mit
^ 16 ^
Gag, gag, gag; endlich, als die
Mutter schimpfte, auch heftig drohte, sprang der tolle Kerl von dem Neste auf, dffnete und lieB die Mutter herein. Diese war vor Schrecken sprachlos, als sie die tollen Streiche ihres Sohnes sah, doch mochte sie den Dummen nicht ausschimpfen, da die junge Braut ver- heifien hatte, gleich einmal nach ihrem Brautigam sehen zu wollen. Die Mutter verzieh dem Tdlpel die Dummheit und wies ihn rasch an, wie er seine Braut empfangen solle, daB er namentlich seine Auglein fein und lieblich auf die Jung- frau werfen mdge.
Kaum betrat nach kurzer Zeit die
Braut das Bauern- haus, da warf der Bauernsimpel der Jungfrau viele Schafs- augen, die er vorher den Tieren ausgestochen hatte, in das Angesicht. Der Narr hatte das GeheiB seiner Mutter auf diese Art verstanden.
Trotz all dieser Ungeheuerlichkeiten
gab der Beichtum, welcher das beste Unterpfand fur die Liebe ist, den Ausschlag fur die Heiratsplane.
Ist ein Mensch reich, so kann er ja
alles bekommen, was er will, auch Adel, Gestalt, Schdnheit, Verstand und Weisheit.
Bebels Erzahlung war die Vorlage fur
die weit ein- gehendere Darstellung, welche Frey in seiner Gartengesell- schaft dies em Gegenstand widmet.
Siehe: Grimm, Kinder- und
Hausmarchen 3, 60 (1865).
Hub, die Komik und humoristische
Literatur der dent- schen Prosaisten des 16. Jahrhunderts 2, 303 (1857).
Goedeke, Schwanke des 16.
Jahrhunderts 1879, Nr. 11.
Hulsbusch, Sylva sermonum
iucundissimorum 1568, S. 104.
Colshorn, Marchen und Sagen 1854,
Nr. 84.
Philander, Zeitverkurzer 1702, Nr.
20.
J. P. Waltmann, Der in alien
Wissenschaften erfahrene Pickelhering 1720, S. 40, Nr. 15.
a) Der Tdlpel besudelt die von der
Braut geschenkten Handschuhe, erwurgt den geschenkten Habicht, tr> die Egge auf den Handen und lfcBt den Speck vom Pferde heimschleifen.
Haltrich, Volksmarchen aus
Siebenburgen 1885, Nr. 66.
U. Jahn, Schwanke und Schnurren aus
Bauernmund 1890, S. 100.
Chambers, Popular rhymes of Scotland
1870, p. 101.
Halliwell, Popular rhymes and
nursery tales 1849, p. 37.
Krauss, Marchen und Sagen der
Sudslawen 2, Nr. 106, 107 (1880).
6SI 17 JKS
Lambert, Revue des langues romanes
3, 15, 149. Liebrecbt; Germania 14, 88.
Leskien Brugman, Litauische
Volkslieder und Marchen 1882. S. 467 u. 32 mit der Anmerkung auf Seite 573.
b) Der
T5lpel wischt den Wein mit Mehl auf. H. Morlini Novellae 1520 No. 49.
Basile, Pentamerone 1637 I. No. 4. Andrejanoff, Lettiscbe Marchen 1896. No. 73. Knoop, Volkssagen aus dem dstlichen Hinterpommem 1885, S. 114, No. 237.
Krauss, Sagen und Marchen der
Slidslaven, No. 106, 107.
c) Der
Tdlpel ttttet die Gans und setzt sich an ihrer Stelle auf das Nest.
Blade, Contes pop. recueillis en
Armagnae 1867 p. 21. Erauas, Sagen und Marchen der Sudslawen 1, 265 No. 57.
d) Er
wirft der Braut ausgestochene Schafsaugen zu. Blade, Contes pop de la Gascogne 3, 125. Beauvois, Contes pop de la Norvege 1862 p. 203. Cosquin, Contes pop de la Lorraine 2, 178, 182. Krauss, Sagen und Marchen der Sudslawen 2, 106. Sebillot, Litt. ovale de la Haute Bretagne 1881, p. 104. Pitre, Novelle popolari toscane 1885, No. 33.
Vinson, Folklore du pays basque
1883, p. 97. Und die weiteren Quellen in den Anmerkungen, die Bolte in seiner Ausgabe von Freys Gartengesellschaft angibt.
28. Netter Trost.
Ein Bauer hatte ein schamloses
ehebrecherisches Weib. Auf die Dauer ward dem Mann das Unwesen seiner Frau zu arg, und so klagte er sein Leid dem Schwiegervater mit dem Bemerken, er wolle sich scheiden lassen. Der trostete seinen Tochtermann und sagte: „Lieber, sei guten Mutes! Lafi ihr die Sitten und Lebensweise noch eine Zeitlang. Sie kommt schon noch zu Scham und Keuschheit wie ihre Mutter, mein Weib. Die war in ihrer Jugend ganz schrecklich dem Laster der Unzucht ergeben, jetzt, da sie alt geworden, ist sie die allerkeuscheste Frau. Also ist doch wohl auch Hoff- nung vorhanden, daB sich die Tochter einmal bessem werde."
Vergleiche dazu Jakob Frey:
Gartengesellschaft, Von einer Thochter, die irer Mutter in alle Weg nachschlug, bzw. in der Ausgabe von E. K. Blumml „Volksmund(< Bd. V unter
Karl Amrain. Deutsche
Schwankerzahler. II. 2
18 *Q)
„Wie einer seinen Schwiegersohn
trdstet". — Siehe Dietr. Mah- rold im Schmahl vnndt kahl Boldmarseh Kasten 1608 „Von einer hnbschen undt lieben tochter die ihrer frommen Matter in allem Thun undt lassen nachschlug".
Augustin Tungers im Jahre 1486
ersehienene Facetien, welche er Graf Eberhard im Barte verehrte, enthalten dieselbe Schnurre. Dieselbe wird von Tunger lokalisiert: „In dem Dorf Mais am Mylwegs von Chur ist gewesen ein Frow." Siehe Aug. Tungers Facetien herausgegeben von Adelbert v. Keller 1874.
24. Von einem Elnsiedler oder
Waldbrnder.
"Wir haben neulich einen Waldbruder
mit langem Bart gesehen. Dieser Einsiedler wurde von vielen wegen seiner grofien Heiligkeit geachtet und geehrt. Da stand aber einer der Unsrigen, der wenig von der Heiligkeit der Einsiedler halt, auf und sagte: „Woraus schliefiet ihr auf seine Heiligkeit? Viel- leicht aus seinem langen Barte? Ach, ihr einfaltigen Gesellen! Wenn der lange Bart die Frommigkeit ausmachen wurde, dann ware ein Bock ja am allerfrommsten."
25. Von den Verftehtern der Kunst
der Poeterey.
Einer meiner Schiller sagte mir
neulich, daB ihn sehr viele haasen wurden, weil er sich der freien Kunste befleiBige. „Sind denn deine Neider auch gelehrte Leute," fragte ich. „Ach nein," vernahm ich da, „es sind grobe unkundige Leute, welche der Kunste nicht achten." „WeiBt du nicht," sprach ich, „daB die Kunst nur jene Leute zu Feinden hat, als jene, welche sie nicht verstehen! Das besagt ja schon ein altes Sprichwort. Kummere dich hinfurder nicht um solche Leute sondern mach es wie der Fuchs. Dieser schlug mit seinem Schwanz an einen Baum und hoffte Birnen herabzuschlagen. Vergebliches Bemuhen. Als keine einzige Birne fiel, sagte unser Fuchslein: ,0 wie bitter sind diese Birnen, ich mdchte keine essenl' Item von demselben Fuchs erzahlt man ferner, er sei etliche tausend Schritte hinter einem Esel gelaufen und wartete bis die Hoden, welche sehr wackelten, herunterfielen. Obwohl nun die Hoden so aussahen als ob sie nicht mehr lange oben bleiben wurden, und der Fuchs sich schon auf den Frafi freute, war auch bier das Warten vergeblich. Endlich sprach der Gefoppte: „0 wie schwarz und stinkend sind diese Hoden, ich hatte sie
19 *3>
nimmer essen kdnnen/' Also verachtet
auch kein Gelehrter oder Weiser die Poeterei oder andere gute Kunste, das tun lediglich jene, die nichts gelesen oder gelernt haben; ihnen eind die Kunste schwarz, stink end, bitter. Diesen miBgdnne ieh ihre Unwissenheit gar nicht.
26. Von eines Pfaffen Kdehin.
Unsere Vorfahren haben gesagt,
vordem als die Welt noch besser und frdmmer gewesen, seien die Pfaffenkdchinnen in den Luften geangstigt worden, gerade als wenn Jagdhunde wilde Tiere jagen. Nach der Jagd fand man sie zerrissen. Hdrte ein Mensch das Gejaid und leistete er Hilfe, so fand der Hilfeleistende sicherlich am anderen Morgen ein zerhauenes Glied oder sonst ein Kdrperstuck bei der Hausture von Teufeln aufgeh&ngt vor. Neulich bat nun ein Priester, der seiner Kdehin in alien Stucken Folge leistete, den Pfleger im Dorf, er mdchte (die Kdehin im Schlitten herumfahren, wie es Brauch zur Winterszeit und an Fastnacht sei. Als der Pfleger Anstalt machte, dem Wunsche nachzukommen, sprang ein Weib herbei und rief: „Vor Zeiten haben die Teufel die pf&ffischen Huren in der Luft umhergefuhrt, jetzt besorgen's die Pfleger und Gewaltigsten dieser Welt. Darum geschehen alle Dinge in verkehrter Weise."
27. Vom leiehtfertlgen Abt.
Ein Abt hatte ein Magdlein
geschwacht und da er genug von ihm hatte, auch satt war, jagte er die Annate mittellos und ohne Entschadigung von dannen.
Das Magdlein ging traurig zu seinem
Leibherrn, einem Edelmann und klagte, wie der Abt zwar Geschlechtsverkehr gepflegt habe, aber nichts von einer Gegenleistung wissen
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Der Edelmann wurde bei dem Abte
vorstellig, konnte aber durch seine Boten weder durch Bitten noch Drohungen etwas aus- richten. Endlich machte er sich selber auf und forderte ernst- lich 40 Gulden fur das Magdlein. Dem Abte war die Strenge des Edelmannes wohl bekannt und so sagte er, nach seiner Begel und Satzung dtlrfe fur den Beischlaf mit einem guten Tdchterlein nicht mehr als zwanzig Gulden gefordert werden. „Steht das in euerer Begel," fragte der Edelmann und fugte
2*
20 Jfcd
entsetzt hinzu, „o Gottl Was ist das
fur eine Regel! Was fur eine Religion, was fur eine Geistlichkeit, die nicht Satzungen bezuglich der Enthaltung der Heiligkeit gibt, son- dern schamlose Dinge behandelt." „Sprich nicht so heftig wider die heiligen Vater/' mahnte das Abtlein, „der oberste Priester, der Papst, hat ja die Bewilligung und Best&tigung gegeben." „Bei der Hand Gottes," schwur jetzt der Edelmann, „weder Vater noch Papst ist fromml Was geht's mich an, was der Papst erlaubt hat? Habe ich's best&tigt, daB der Papst zu meinem und der Meinen Nachteil und Schaden etwas erlaubt hat? Wann du mir nicht in kurzer Frist Genugtuung leistest, so wird dich weder Papst noch Regel genligend vor mir beschutzen."
Dam ach zog der Edelmann weg und
lie'B dem Abte 6f fent- liche Absage ankunden. Die Versdhnung erfolgte erst als der Abt der verletzten Jungfrau zur Heimsteuer 100 fl., ein Haus und Grund, wie sie einem Bauern *geh5ren, gab. So kam das Abtlein die Rechnung teuer zu stehen.
28. Sprueh einer Kindbetterin.
Zu einer Frau, die geboren hatte,
kamen die Weiber der Nachbarschaft, um der Wdchnerin Gltlck zu wunschen. Wie es dabei zu geschehen pflegt, sagten die Weiber, das Kind gleiche dem Vater geradezu merkwurdig. „Hat's denn auch eine Platte auf dem Kopf," fragte da rascb die Wdchnerin. Dadurch war erwiesen, daB dieselbe Ehebruch mit einem Geist- lichen getrieben hatte.
29. Von einem empflndsamen Pfaffen.
Ein mir sehr wohl bekannter Pfaffe
httrte einem Bauer die Beicht, doch wollte er demselben die Lossprechung nicht erteilen, weil sich in seinem Hause ein offenbarer Sunder aufhalte. Der Bauer erschrak gewaltig und leugnete. „Wahr ist's," versetzte der Beichtvater, „denn du haltst einen Kuhstier, der den Kuhen helfen muB, Jungvieh zu machen. Ich kann dich ohne zuvor den Rat etlicher Doctores zu erholen, nicht
80. Ein haBlieher Bissen.
Als Priester Fiscilinus einmal in
ein Wirtshaus ging, sah er den Wirt in eine Ofenkachel brunzen und so fragte
^ 21 ^
er ihn, warum er das t&te. „Darum,
weil ich morgen aus* ziehe," entgegnete der Gefragte. Kaum war der Wirt hiuaus* gegangen, da schiB Fiscilinus hinter den Ofen. Wie der Wirt wieder die Stuhe hetrat, roch er sofort den gr&ulichen Gee tank hinter dem Ofen und so stellte er den Pfaffen zur Rede. Fiscilinus antwortete: „Weil du morgen ausziehest, hast du in die Kachel gehrunzt, ohne der Zier des Hauses zu achten. Ieh aber will heute schon wieder weiter und habe noch viel weniger auf die Zier des Hauses geachtet. Deshalben schifi ich hinter den Ofen, damit ich das Haus noch stinkender verlasse."
Dieselbe Geschichte bringt Jakob
Frey in seiner Garten- gesellschaft unter dem Titel „£in Pfaff zeert zu Abendt und schisse hinder den Ofen. Frey verlegt den Vorgang nach StraBburg im Elsafl in das Wirtshaus „Zur Lunge". Die Zeit ist zwei Tage vor Weihnachten, es herrscht drauBen groBe Kalte, denn der grobe tolle Pfaffe, genannt Pfaff Holch, kommt in die Wirtsstube, um sich zu warmen und ein halbes MaBlein Wein zu trinken. — Bei Jakob Frey gibt der Wirt auch an, daB er in die Wanzenau (ein Dorf ndrdlich von StraBburg) ziehe, um dort Wirtschaft zu halten.
Kufz angebunden fertigt bei Frey
Pfaff Holch den fra- genden Wirt ab: „Schmeckt er dir nit, so trag ihn hinaus und ziehe darnach aus, wann du willst."
Vergleiche: Waldis, Esopus 4, 35
(1558) „Vom jungen Gesellen und einem Wiert". — Tabourot, Les contes facecieux du sieur Gaulard 1603. — Den roomschen Uylenspiegel 1671. —
Andere Erz&hlungen mit einem
ahnlichen wenig erquick- lichen Schlusse sind: Eulenspiegel hist. 69 — Pauli Nr. 373. Nasr-eddins Schwanke libers, v. Camerloher 1857 No. 74.
81. Von einem Stationlerer.
Ein Mdnch, den man nach dem Brauch
der Zeit Stationierer nannte, weil er mit Reliquien umherzog, fand statt des Heilig- tumes eines Tages Kohlen vor, welche ihm lose Briider heim- lich zugesteckt haben muBten. Basch gefaBt meinte der Mdnch: „Das sind die Kohlen, mit denen man den heiligen Laurentius verbrannt hat." Diese Stationierer sind alle Schelme, die sich nicht entbldden, erdichtetes Zeug vorzubringen.
Diese Schnurre ist entnommen Bocc.
Decamerone VI, 10: Frate Cipolla promette a certi contadini di mostrare lorn
6* 22 JK3>
It penna delta agnolo Gabriello, in
luogo della quale trovandi carboni, quelli dice esser di quelli cbe arrostirono San Lorenzo.
Ahnlich lautet die Schnurre in der
Zimmerischen Chronik.
Der Siationierer Martin Vischer aus
dem Kloster St. Bern- hard, welcher in Schwaben umherzog und Geld sammelte, zeigte in Me&kirch nach einer bei Saufgelagen verbrachten Nacht als Heiligtum — Heu, welches ihm lose Zech-Gesellen an Stelle des wirklichen Heiligtums in den Mantelsack gesteckt hat ten. Es heifit daruber in der Zimmerschen Chronik 2. Aufl. II. Bd. S. 452. „Morgends prediget der Pfaff und nach besehehener Ermahnung zum Volk um ain Almosen, zeucht er das Heu usser dem Wetzger, und wiewohl er erscbrack, jedoch erholt er sich wieder, wollts verbossern und spricht, es sei das Heu, das unsers Hergots Esel uf den Palmtag gessen hab. Dess wardt ein grofi Gelachter in der Kirchen."
32. Disput eines Juden und Christen.
Mathias von Ulm, kein weiser, doch
bibelfester Mann, disputierte mit einem Juden, ob der judische oder christliche Glaube besser oder wahrer sei. „Ibr Juden seid nicht be- zeichnet mit dem Zeichen der Taufe und ihr werdet am jtingsten Tage gleichwie die unbezeichneten Hunde in einer Stadt von dem Hundeschl&ger geschlagen werden. „Wir aber als die Gezeichneten werden frei und ledig sein."
„Wo seid ihr denn gezeichnet,"
erkundigte sich der Jude. „Wir haben das Zeichen der Taufe, welches tief in unserer Seele vorhanden ist." — „Dieses Zeichen der Seele wird man am jtingsten Gericht, da ihr mit dem Leibe gegenwartig seid, gar nicht sehen kdnnen," sagte der Jude und meinte ferner: „"Wir Juden aber sind mit der Beschneidung an der Vorhaut gezeichnet." „0 du unverschamter Jude, wolltest du wirklich im Angesicht des hdchsten Bichters bei so viel tausenden von Menschen deine verborgenen Glieder vorzeigen? Geh an den Galgen mit dieser deiner Schamlosigkeit." So glaubte Mathias den Juden abgefuhrt zu haben.
Zweites Buch.
82. Von einem Ein&ugigen.
Ein Ein&ugiger bekam ein schon
„ttberstampftes" Midchen zum Eheweib und doch hatte er gemeint, es sei eine noch ganz reine Jungfrau. Als er des Handels inne wurde, rupfte er ihr die Missetaten heftig auf, doch die Dime meinte: „ Warum soli ich so gleich ganz und rein sein, wahrend auch du nur ein gutes Auge hast?" — Da sagte der Mann: „Diesen Schaden habe ich von den Feinden empfangen." — „Ich aber habe den meinen von guten Freunden," erkl&rte schlagfertig das Weib.
Vergleiche hierzu Jakob Frey:
Gartengesellschaft, „Von einem, der sein Frau stetigs ein hur schalt und was sie ihm daruber zur Antwort gab", und ferner Jakob Frey: Garten- gesellschaft: „Von einem alten wolversuchten, verhurten reutter, welcher auch auf der Bulschaft ein Auge verlohren. — Vergl. Zacharia, Fabeln und Erzahlungen 1777, S. 107: „Der alte Reuter und seine Br aut." — Siehe auch Die Schw&nke von Dietrich Mahrold 1608, No. 21: Von einem Trefiler zu Wittenberg, der seine Frau stetigs ein Hur schalt, und was sie ihm daruber letzt zur Antwort gab. — Vergl. Pfeiffer, Zeitschrift f. dtsch. Altert. 7, 367 (Altdeutsche Beispiele No. 34). Eirchof, Wendunmut 1, 340. Lundorf, Wissbadisch Wis en- brunlein 1, 156 No. 71 (1610). Freudenberg: Etwas fur alle 1732, No. 224. — Le tombeau de la melancholic 1660 p. 93. — Domenichi, Facetie motti et burle 1581 p. 57. — Nugae venales 1720, S. 46. — Seb. Scheffer, bei Mel an der, Jocorum atque se- riorum centuriae 1603, No. 276. — Lyrum larum lyrissimum 1701, No. 13z\ — Vademeoum fur lustige Leute 1, 193, No. 239 (1767).
24 ^
84. Von einem F&timann.
In Zweifalten erzahlte mir mal einer
im Scherz1), der Beischlaf sei keine tddliche Stlnde, denn nur Lebende kdnnten ihn vollziehen. Auch sei dies keine Kapitalsilnde, weil es nicht um den Kopf, sondern unten am Bauch geschehe; endlich sei die Stlnde nicht diumale, denn der Beischlaf erfolge meistens bei Nacht.
85. Von
einem Boten.
In dem Stadtchen GeiBlingen war ein
Bote eingekehrt; ihm setzte eine ehrbare Frau eigenen Harn auf als guten Bhein- wein. Wie er diesen gekostet und den Betrug verstanden hatte. meinte der Bote: „Dieser Wein schmeckt ganz nach der Art des Fasses." Wie das FaB also auch der Wein.
Vergl. Poggio Bracciolini, Schwanke
und Schnurren.
Bomanische Meistererz&hler Bd. IV,
S. 70, No. 70.
Siehe auch: Anthropophyteia Bd. III.
Deutsche Bauern- erzahlung, No. 39.
Siehe auch Jakob Frey:
Gartengesellschaft, Kap. 123, Eine Wurtin gab eim Gast Bruntz ftir Malvasier zu drincken. — Langius: Democritus ridens 1689.
86. Antlieher
Irrtnm.
Die Arzte haben eine Arzenei, die
nennen sie von dem Kraut Satyrion-Stengelwurz-Diasatyrion. Sie soil gut sein, um Lust zur Unlauterkeit zu bringen. Nun lebte da ein alter Scheisser, welcher ein junges Madel zur Frau genommen hatte, und, um der Braut auf der Geige eins vorspielen und Kurzweil treiben zu kOnnen, bat der Mann einen Arzt um diese Arznei. Der Arzt behandelte gleichzeitig einen am Fieber darnieder- ' liegenden J tingling, der laxiert werden sollte. Uneer Arzt be- reitete beide Arzneien und verwechselte dieselben in dem Ge- sch&ftseifer. So bekam der fiebernde Jungling das Diasatyrion und der alte Mann ein Laxativum.
Kaum hatte der Jungling die Medizin
eingenommen, so begann die Wirkung und die ganze Nacht vexierte ihn der aufstehende Schwanz. Tiber solche Arznei war der Kranke
*) „Im Scherz" sollte dieser
Zusatz nicht wie die geistreiche Fassung dieser ganzen Schnurre etwa dafur sprechen, dan der Abt von Zweifalten der geistige Vater dieser Witzworte ist?
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unwillig, denn derartige Wirkungen
hatte er nicht begehrt. Der Alte hingegen gedachte, als er seine liehe Braut umfangen hatte, mit Hilfe der Arznei w acker zu scherzen. Noch war er im Beginn des Liehesspieles, da beschiB er die Braut und das ganze Bett. Das war das erste Bankett, das er seiner Braut geschenkt hat.
In der Zimmerischen Chronik wird der
Schauplatz nach Augsburg in das Jahr 1518 verlegt. Der blamierte Mann, welcher das Weib beschmutzt, ist Herr von Guettenstein.
Die ganze Geschichte wurde Kaiser
Maximilian hinter- bracht und rief allgemeines Lachen hervor. Siehe Zimmerische Chronik, 2. Aufl., II. Band 259—61.
87. Laeherlieher Sprueh eines
Sehwaben.
Gen Rom zog mit einem Sehwaben ein
Baier. Als sie eines Morgens im Wirtshaus etliche Eier gegessen hatten und wieder unterwegs waren, sagte der Schwabe zum Baier: „Ich habe den Wirt mit List betrogen." — „Womit," erkundigte sich der Baier. ,Jch habe in einem Ei ein gauzes Huhnlein ver- schlungen und dafur nichts bezahlt," erkl&rte der Schwabe.
88. Von einem Pfaffen and einem
MeBner.
Ein Pfaffe und ein MeBner waren
ubereingekommen, daB der MeBner an einem hohen Festtag alles Opfergeld an sich nehmen dlirfe von den Weibern, bei welchen der Pfaffe schon gelegen hatte. Wenn ein derartig bezeichnetes Weib an den Altar trat, sagte der Pfaffe zum MeBner: „Nimm bin! Ver- stehest wohl das Opfer!" Schon waren dem MeBner auf diese Weise viele Gelder zugeflossen, als auch des MeBners Weib dem Altar nahte. Siehe auch bei dieser Frau sagte der Pfaffe: „Nimm hin!" — Der MeBner meinte: „Es ist mein Weib." — Darauf erkl&rte der Pfaff: „Nimm hin lieber Bruder, denn ich will dich in unserem Pakt nicht betriigen; es stehet dir billig zu." Also geschieht den Spflttern, daB auch sie oft zu Spott und Schande werden.
89. Ein Baler frifit Linsen.
In einem Wirtshaus setzte man dem
aus Baiern stammenden Gast Linsen vor. Als Liebhaber von Hulsenfruchten aB der
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Baier sich derart voll, daB er
nachts In das Bett schifi. Morgans wurde er vom Wirte seharf angefahren. „0 Wirt, was hast du mir vorgesetzt," sprach der Baier. „Linsen," entgegnete der Wirt.
„Jawohl, es sind Linsen gewesen,
denn lind leis sind sie von mir geschlichen."
40. Ein Bauer sehwangert *ne Nonne.
Im Jahre 1507 schwanger te ein Bauer
nicht weit von Tubingen eine Nonne oder so ich recht gedenke, waren es deren gar zwei. Den Bauer schalt die Mutter sehr ernstlich. Doch der Bauer, sonst ein grober Filz, antwortete weislich: „Mutter, ich tat's ja nach deinen Befehlen. Allzeit lehrtest du mich, wie ich mit frommen und geistlichen Leuten Umgang haben solle, weil der Prophet David spricht: „Mit den Hei- ligen wirst du heilig. — Also habe ich deinem GeheiB ent- sprochen und wurde nicht nur ein Mann, sondern ein heiliger Mann!"
Nach Bebel crzahlt den Vorfall Jakob
Frey in seiner Gartengesellschaft: „Von eins Bauren Sun, der zwo Beginen schwanger macht."
Ferner. Kurtzweilige und lustige
Geschicht 1583, S. 542. — D. Mahrold: „Von eines Bawren Sohn, der zu Frankfurt ahn dem Mayn zwo Beginnen oder Nonnen dick und schwanger macht." Bl. 93 b. Bolte macht auBerdem auf das Meisterlied des Ambr. Metzgers (1573—1632) „Der Bauersohn und die beiden Nonnen" aufmerksam. Cfr. Bolte: Jakob Frey, Garten- gesellschaft Tubingen 1896, S. 193.
41. Vom Edelmannskneeht
Der Knecht eines Edelmann es muBte
auf eine Zeit mit der Herrin in das warme Bad. Nun begab es sich, daB der Frau im Bad Laub von einem Baume zwischen die Beine go- raten war. Der Knecht wollte das Laub entfernen, aber dartlber erzurnte die Edelfrau gewaltig, weil der Knecht ihre FliBe dabei beruhrte, denn es gibt auf der Welt nichts hoffartigeres als ein reiches Weib. Die Herrin verklagte den Knecht bei ihrem Ehemann und bekam auch Recht. Spater als der Knecht wieder in Gnaden aufgenommen wurde, sprach er zu der Frau: ..Wenn ich jemal, liebe Frau, mitten in der Fotze ein Buschlein
<S* 27 jKd
Rauten sehen sollte, go werde ich es
weder wegtun noch heraus- ziehen."
42. Zwei Sdhne eines guten Mannes.
Ich kenne einen Mann, dessen Magd
zwei Sdhne gebar. Im Scherz sprach da oft und haufig dieser Mann: ,Jch habe doch eine sehr treue Magd. Ohne Argwohn hatte sie ja den einen Sohn verbergen und unterdrucken kdnnen, aber nein, die ehrliche Dirne hat sie mir alle beide gegeben."
48. Sein SpieB taugt nlehts mehr fur
den Streit
Zur "Winterszeit kam ein junger
Geselle zu sein em Liebchen, einer schdnen blitzsauberen Maid. Wie er nun zum venerischen Turnier die Lanze ansetzen wollte, da wollte sein Glied nicht. Nichts konnte der Geselle ausrichten und so sch&mte er sich dessen gewaltig. Das bemerkte unsere seelengute Dirn und teilnahmevoll meinte sie: „LaB dich doch das nicht kummern! Die Kalte ist schuld daran." „Nein wahrhaftig nicht," ver- 8etzte eilig der Bursche, „8olches hat mir mein Geselle mehr denn einmal getan, sogar im Sommer, wann der Tag am heiflesten ist."
Vergleiche dazu: Brantdme: Das Leben
der galanten Damen, ed: Willy Alexander Kastner, II. Auflage, Seite 3/4.
44. Von einem Edelmann.
Mir erzahlte gelegentlich ein
Edelmann, er sei im ersten Jahre seiner Verheiratung mit dem Schwiegervater mal nach Speier zum Bischof geritten. Wegen Mangel an verfugbaren Betten1) muBten beide Herrn beieinander schlafen. In derNacht griff nun der junge Verheiratete nach dem Schwiegervater in der Meinung, es ware sein eigenes junges Weib. Der An- gegriffene begann da aber laut zu rufen: „Ich bitte dich, hdre auf und lafl das unterwegs, lieber Tochtermann. Ich habe dir darum meine Tochter gegeben, damit ich vor dir sicher sei."
*) Diese Schnurre gehdrt mit zu
den verbreitetsten. Stets ist der Mangel an Betten die causa efficiens. Wenn man das als schlechte Erfindung anzugeben bellebte, so bedachten jene AuBerer nicht, daB mittelalterliche Betten Prunkstucke waren.
28 jfte)
46. Warum der Sohn dem Vater
naehfolgt, die Toehter aber
der Matter vorgehe.
Wenn man unsere Weiber fragt, was
die Ursache sei. daB die Sdhne den V&tern folgen, die Tdchter aber den Mllttern vorgehen, so antworten sie weder falsch noch unschicklich: „Die Toehter geht vor der Mutter, damit die Mutter sieher und gewifl ist, daB das ihr Kind sei. Der Sohn folgt aber hinter dem Vater, daB dieser dem Sonne rucklings zeige und andeute, daB jener sein Sohn sei. Dieweil er etwa mdchte durch das Weib betrogen werden, darum muB der Sohn folgen und nicht vorweg gehen wie die Tdchter. Denn gewisse Dinge stellt man gewdhnlich vor die Augen, die ungewissen aber sieht man meistenteils rucklings und von hinten an."
Es war Branch des Altertumes, daB in
dffentlichem, feier- lichen Gang die Frauen voraustraten, die Manner nachfolgten und wiederum, daB die Tdchter der Mutter voraus, die Sdhne aber dem Vater nachgingen. Auf alien alten Kirchen und Jahrtagsstiftunggemalden sieht man die Tdchter vorausgehen. Nach Lang (Chr. J. Grimm: Deutsche Bechtsaltertttmer Bd. I, 4. Auflage, Seite 566) geschah es aus Sittsamkeit, damit die Mutter 'die Toehter im Auge habe; die Sdhne waren aber schon Knechte, Knappen des Vaters.
46. Ein Mlnoritenmdneh sehwftngerte
eine Klosterfrau.
In ein Frauenkloster kam ein Minorit
und wurde da sehr wohl von den Ndnnchen gehalten. Aus Dankbarkeit predigte er denselben uber den Glauben und die Lehre Christi. Fur die schdnen Ansprachen zeigten sich die Klosterfrauen wiederum erkenntlich und um dem Prediger einen Beweis der Ehrung zu geben, fuhrten sie den Mdnch in ihr Schlafhaus. Wie es nun mitten in der Nacht war, fing der Bruder mit lauter Stimme zu schreien und zu rufen an: „Ich tue es nicht! Ich tue es nicht! Ich tue es nicht!" Durch das Geechrei wurden die Nonnen wach, sie liefen herzu, trdsteten den Bruder und fragten: „Warum weinet und schreiet Ihr?" Da antwortete er: „Eine Stimme kam von dem Himmel her, die bekundete, ich solle eine der jungen Schwestem umhalsen, darauf werde sie von mir einen Bischof empfangen und geb&ren. Das will ich aber nicht tun."
Wie das die Schwestem vernahmen,
fuhrten sie ihm eine
SSI 29
jungere Nonne zu. Als diese den
Bruder aber sab, fing sie an, sich zu widern und ging zuruck. „Scbau Liebe," sagten da die anderen Nonnen, „wenn man von uns das begebren sollte, so wurden wir willig sein!" Nach solchen Ermahnungen ergab sich die anfangs zaudernde der gottlichen Stimme und empfing von dem Mdnche. Als die Zeit gekommen war, schenkte sie einer Tochter das Leben.
Als man nun den Bruder schalt und
ihn die Sache ent- gelten lieB, sagte er: „Sie hat nit wollen willig sein, hat dem gOttliohen Willen widerstrebt, darum hat sie zur Pein und Strafe eine Tochter geboren!"
47. Der allergrOfite Sander.
Ein Pfaffe, welcher einen Argernis
erregenden Lebens- wandel fuhrte und spater auch zu ewigem Gef&ngnis ver- urteilt wurde, kam zu einem kranken Manne. Diesem salbte er mit dem Krankenol die Glieder, mit welchen der Kranke gesundigt hatte. SchlieBlich fing der Pfaffe an auch des Mannes Scham zu sal ben. Da begann der Leidende zu sprechen: „Wenn man all die Glieder salben soil, welche gesundigt haben, dann lieber Herr salbet hier nur ja viel 01 hinein. Unter meinen samtlichen Gliedern ist dieses der allergroBte Sunder."
48. Monehspredlgt.
Ich horte einen Mdnch vom Or den der
Observanten einmal wider die Kleiderpracht eifern und wet tern. Die heftige Aus- sprache gegen den KleideruberfluB lautete: „Die Buhler in unserer Stadt strecken ihre Latze soweit aus den Hosen hervor und verwickeln und verstopfen's mit so viel Tuchlein, daB die Metzen w&hnen, es seien Zumpen. Nein, es sind keine Zum pen, sondern nur Lumpen."
49. Bin Pfaffe will seinen langsten
Teil wider die Weiber
brauehen.
In der Einleitung zu der Predigt
sagte ein Priester, er habe drei Partikel — er meinte eine in drei Teile geteilte Predigt — und mit dem langsten, groBten und meisten wolle er die Weiber einmal antasten und ihnen wie man sagt den Text wohl lesen. Als solche Worte ein Bauer vernahm, sprach
dieser zu seinem Weibe: „Gehe mit
mir hinaus, meine liebe Greta; den Teufel soli er mit seinen Partikeln anrubren, aber dich darf er mit Gottes Willen nicht anstofien."
50. Von einem Sterbenden.
Es war einer dem Tode nahe, der
fragte seinen die Nacht- wache haltenden Freund: „Meinst du auch. dafi ich sterben werde?" — Da antwortete dieser: ,,Bekenne dich. erforsche dein Gewiasen, damit du Gott Bechenschaft abgeben kannst, denn lange lebst du nicht mehr." Daraufhin sagte der Kranke: „Bring mir main Niederkleid." — „Wozu denn das?" — „Ach weiflt du. wenn ich sterbe, mitehte ich meinen Hintern be- deck en, damit die Wtirmer mir nicht hineinschlupfen."
51. Ahnliehkeit zwischen Weib
and Hand.
Un8ere vergleichen Weib und
Hund also, daft sie sagen; wie die Hund seichen, wann es ihnen gefallt, also weinen die Weiber. wenn sie wollen. Wie dann Juvenalis in der Satire 6 und Ovid, der Poet, sagen:
Weibs Augen sind dahin gestellt, DaB sie weinen wann's ihnen gefallt. Drum dich das nit bewegen soli, Denn es Trug ist und Listes voll.
62. Ein iustlger Koch.
Wendelin Steinbach, ein trefflicher
Theologe und „die Zeit oberster Befehlstrager der Schule zu Tubingen", hatte einen Koch namens Wilhelm, ein zu alien Schwanken auf- gelegter Mensch, der selten n tiebtern war.
Neulich sagte er zu einem Jungen:
„Weifit du die Ur- sach, warum dein Hintere einen solch schandlichen Geschmack hat?" Der gute und zuchtige Junge schwieg fein still, doch da nahm der Koch abermals das Wort: „Ich will es dir sagen; Die Hebamme hat diesen Ort nicht genugend abgewaschen." Basch und unbedacht versetzte jetzt aber der Bursche: „Hore auf, also zu wahnen, denn die Luft desselben Landes ist so vergiftet und so stinkend, gleichfalls auch der Wind, welcher an diesem Orte durchgeht, und keineswegs der Ort an und fur sich."
<SH 31 jKd
63. Priester and Tealel sanken sieh.
Ein ungelehrter, grober Pfaffe
wollte von einem besessenen Menschen den Tenfel anstreiben und sagte: ,,Dn boser Geist, komm heraus." Da antwortete der Teufel: ,,Nolo, ich will nicht." „Quare nollis, warom willst du nicht?" fragte der Priester. „Quia rumplas in Grammatica, denn du fehlest in der Grammatik," kritisierte der Teufel; der Priester hingegen sprach:
„Bonam est latinum
Dum te fugabo ad latrinam."
„Ein gut Latein muBt du Ion gehn
daraus,
Wann ich dich hinjag bias ins
Scheisshaus."
Da antwortete der Teufel: ..Welch'
grober und ungelehrter Teufel wird das sein milssen, dem du eine Seele nehmen so list. Jeglicher so dir seine Seele befehlen wird. muB mindestens einmal in der Woche ein Augenmerk auf sie haben."
Daher kommt das alte Sprichwort, mit
welchem man die ungeschlachten Pfaffen verspottet: „Es muBte ein heilloser Teufel sein, dem du eine Seele entfuhrst."
64. Gestdrtes PasslonsspleL
In einem St&dtchen spielte man die
Leidengeschichte Christi. Ein kraftiger Bursche wurde bloB und nackend als Christusdar8teller an das Kreuz gehangt. Wie der nun eine Weile am Kreuz hing und hinabsah, erblickte er unten ein hubsches Mad el, das er innig lieb hatte. And&chtig, hold- selig spielte die Dime Maria Magdalena und reizte mit ihrer formvollendeten Gestalt den Christusdarsteller in solcher Weise, daB diesem der „Knecht" aufstand und alle herumstehenden Menschen den Vorfall mit ansahen. Die Sache wurde immer arger und arger, so daB man das Madel hinwegfiihren muBte. Auf diese Weise wurde der Argwohn, den viele der Anwesenden hatten, nachdrtlcklich bestarkt und bestatigt.
Vergl. Anthr. I, No. 86. Der Banater
im Tingl-Tangl. Seite 96.
66. Eines guten Gesellen gater
Schwank.
Ein schwabisches Sprichwort besagt:
Ist an Sankt Jo- hannestag das Wetter schon und beiter, so geraten die Hasel-
32 Jfci)
nusse wohl. Als das im letzten Jahre
auch der Fall war und ein Mann schrie, die Haselnusse warden in Hulle und Fiille wachsen, da antwortete einer und sagte: „Daram werden die Fotzen teuer werden." — „Warum meinst du das?" — „Weil viele Madchen schwanger werden, Denn viele junge Gesellen gehen mit vielen jungen Magdlein in den Wald oder kommen darin zusammen. Daselhst pflegen dieselben der Liebe und des Fotzenspieles."
Ahnlich: Poggio Bracciolini,
Bomaniache Meistererzahler, IV. Band, No. 146 „Im Mai haben die Frauen die grofite Arbeit". Vergleiche dazu auch die Nachweise.
D. Mahrold 1608, No. 85. —
Hulsbusch, 1568 p. 133. — Agricola, Sprichwdrter, 1529, No. 159. — Pauli, Schimpf und Ernst 1545, Bl. 36 a. — Kirchhof, Wendunmut 1, 69. — Me- lander, Jocoseria 1631, p. 307 u. 117. — Comptes du monde adventureux, 1555, No. 3. — Fischart, Geschichtsklitterung. — Schertz mit der Warheyt 1550, Bl. 40 a.
Drittes Buch.
56. Wie eine Klosterfrau beiehtete.
Als eine Klosterfrau einem Priester
beiehtete, sagte sie auch, sie habe sich bisweilen mit einer fremden Guggel be- deckt. „Das schadet nichts," meinte der Priester, „was ist aber darunter verborgen gewesen?" — „Ein Mdnch," sagte die Klosterfrau. „Hlite dich fortan vor diesen Kleidern," sagte der Priester, „auf dafi du nicht verletzt werdest; denn allerlei Unflat liegt unter diesem kleinen M&ntelein". Da meinte die Nonne; „£in Mohr macht einen anderen nicht schwarz." Da ward der Priester zornig und fuhr auf: „Ei so bleib eine Hure wie vordem." — „Werfet aber nur den ersten Stein nicht auf mich," liefl sich die Nonne rasch noch hdren.
57. Drei Klosterfrauen beiehten.
Drei Klosterfrauen beichteten einem
Priester. „Ich hab ein fremdes Messer in meine Scheide gesteckt," gestand eine. Der Priester verstand das nicht, erwog auch den Sinn nicht weiter, da ja Weiber in ihrem Aberglauben haufig die gering- fugigsten Dinge fur Todsunden ansehen. Die zweite Nonne sagte, sie habe zwei Messer in ihre Scheide gesteckt. Auch dieses Gest&ndnis beachtete der Beichtvater nicht. Die dritte Klosterfrau meinte, sie habe drei Messer eingesteckt. „Was schadet das," fragte etwas erstaunt der Priester. Jetzt mufite die Nonne deutlicher werden und erklaren, sie habe sich von einem Manne herumrollen und putzen lassen. Jetzt ging dem Beichtvater das Verst&ndnis auf. Rasch lief er den beiden Sunderinnen nach und rief: „Hort! Dir schelmischen Huren, Ihr seid nicht absolviert, da Ihr nicht aufrichtig beichtet. Penis et cultellus non sunt idem."
Karl Am rain. Deutsche
Schwankerzahler. II. 3
(55* 34 JKd
68. Bine ftbel von Brassleanl.1)
Ein Schuster hatte sein Weib im
Verdacht as mdchte wohl eine Buhlerin sein. Nun machte er sich eines Tages mal auf, gleich als ob er auf den Jahrmarkt wo lie. So band er aller lei Schuhe zusammen und zog hinweg. Als er vor das Dorf gekommen war und ein Kirchlein erreicht hatte, warf er das Bundel Schuhe von den Achseln, lOste das umhullende Tuch, bracbte die Schuhe in dem Kirchlein in Sicherheit und fullte endlich das Tuch mit Steinen. So ging der Schuster wiederum heimw&rts, doch der art, daB kein Mensch sah, wie er in das Haua hineintrat. — Des Schusters Weib rief den SchultheiB, um mit diesem in Abwesenheit ihrea Mannas zu scberzen. Der SchultheiB kam aber nicht sogleich, so daB die Frau wutend wurde. Kaum langte der Ersehnte endlich an und hatte den FuB auf die erste Staff el gesetzt, da lief ihm die Buhlerin entgegen und fuhr ihn an: „Warum bleibst du solange aus?" — „Ich habe zuerst noch mussen einen Acker mit Gerste ans&en." — „ A lies Ungluck wunsche ich deiner Gerste," schimpfte das Weib, und um anzudeuten wie wenig Gedeihen der Gerste zu wunschen sei, hob die Frau ihre Kleider bis zum Nabel in die Hdhe und sagte: „Wolle Gott, daB in Euerem Acker nit weniger Gerstenkdrner wachsen, denn da sind der H&rlein an meiner Klumpsen, wie Ihr es hier sehet." Jetzt zog der SchultheiB seinen Gesellen aus dem Latz hervor, und der war bloB und von einer ziemlichen Lange: „Nicht kleinere Ahren sollen darinnen aufwachsen, denn da ist dieser mein Stengel, den du auch siehest," meinte der SchultheiB. Wie all das der geprellte Schuster horte, welcher unter den Latten verborgen lag, nahm er etliche seiner Steine, warf dieeelben hinab und schrie: „Nicht mit weniger Blitz, Donner und Hagel, als diese meine Steine sind, wolle Gott den Acker auch ver- wusten und verderben."
') Johann Brassikan war ein
Freund von Bebel. Melanchthon sch&tzte diesen Freund Bebels besonders hoch. Als Lehrer am akade- mischen Pftdagogium zu Tubingen gab Brassikan 1519 eine Grammatik heraus, deren erste Auflage in StraBburg und deren zweite Ausgabe fin Hagenau 1518 erscbien. In dieser zweiten Auflage verOffentlichte Brassikan in der Vorrede unter der Oberachrift „Joannis Brassica&i ad externarum nationum ernditissimos epistola" eine Lobrede auf das Padagoghun in Tubingen.
631 35 KD
50. Fabel von einem Mefimer.
Ein MeBner namens Allewelt hatte
eine seitlang in einem Frauenkloster gedient. Mit einem Male kam ihn die Geilheit dee Fleisohes an. Bo nahm er denn ein Bohr, redete bei einem Ofen durch dasselbe mit Sehr eck en erregender Stimme wie ein Geiit: „0 ihr Tochter, hdret das Wort Gottes t" — Voller Schrecken vemahmen die Schwestern diese Geitterstimmt und getrauten sich nicht zu antwort en. In der dritten Nacht, in welcher sich die Stimme wieder vernehmen lieB, fielen die Schwestern ehrfurchtsvoll auf die Knie, denn sie mein ten, es sei ein Engel Gottes, der da spreche. Sie faBten ein Hers und fragten: 0 du Engel Gottes, kunde uns den Willen des Herrn." — „Das ist der Wille des Herrn, daB Allewelt bei euch ichlafe," rief der MeBner durch das Bohr. Wie die Schwestern das hdrten, wurden sie stutxig, denn niemand wufite, was das bedeuten solle. Sich alien Menschen su unterwerftn, das konnte ein Engel unmttglich verlangen. Sie beratechlagten lange bin und her und legten endlich das Gebot und den Willen des Engels dahin aus, daB der MeBner, der Allewelt hiefi, sich ihres Beischlafes und Willens bedienen solle. Vielleioht sollte aus der Klostermitte ein Bischof oder gar der Papst geboren werden.
Allewelt, der MeBner, wurde also
gerufen und dann in eine Kammer eingeschlossen. Zuerst ging die Oberin in die Kammer, um der Stimme des Engels zu gehorsamen. Beim Heraustreten sang die Oberin: Laetata sum in hit, quae dicta sunt nihi, d. h. ich hab mich erfreuet in den Dingen, welche mir gesagt word en. Darauf ging die zweite Vorsteherin hinein, um dem Willen des Engels Genuge zu leisten. Wie diese herauskam und zugleich wie die erste Schwester Sundenver- gebung erlangt hatte, sagte sie: Te deum laudamus, mit lieb- licher Stimme. Die dritte sang beim Herauskommen: Laeta- bitur iustus in Domino, d. h. der Gerechte wird sich freuen im Herrn. Die vierte sang: Gaudeamus omnes, das ist, wir sollen una alle erfreuen. Dem MeBner wurde die Sache aber zu toll und als er beinahe seine Kraft erschOpft, lief er zur Ture hinaus und heulte grausam: Mihi autem nimis, d. h. mir aber ist's zuviel. Die anderen Nonnen schrien und riefen dem MeBner nach und klagten: „Wer wird uns des Ablasses teilhaftig machen ?"
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3*
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00. Wunderliche Taulerei.
Ein Pf af f e sollte ein Kindlein
tauf en. Im Zeremonienbuch fand er geschrieben; Salta per tria (d. b. blattere drei Seiten weiter). Der Pfaffe verstand den Satz nicht recht und tat dreimal yorne bei dem Taufstein springen.
„Herr," sagten die Bauern, „was tuet
Ihr da ? "Wir haben also nie taufen gesehen." Der Pfaffe versetzte „Es ist gut". Die Anderen verstanden die Worte nicht. Nun las der Taufende weiter: Immerge intus, das verstand er dahin, er musse in den Taufstein scheifien — denn immergere und merdare stimmen mit den Silben und nach gemeinem Hall schier ein wenig zu- sammen. Immergere besagt aber eintauchen, wahr end scheifien merdare heifit. Der Pfaffe wollte aber nicht vor den Bauern in den Taufstein cacare und so hiefi er die Leute einen Augen* blick die Kirche verlassen. Dann zog er rasch die Hosen hinab und schifi in den Taufstein. Das sah aber trotzdem ein Bauer durch eine Klumpfen der Kirchture und rief dem Pfaffen zu: ,»Der Teufel lafi seine Kinder in diesem Taufstein taufen, ich will's nicht tuen." Mit diesen Worten zog er ab und trug das Kind ungetauft heim.
61. Rechte Toren.
Ein treuer Liebhaber seiner
Buhlerin.
Ein frommer Spieler.
Ein barmherziger Landskneeht,
62. Vom Magdlein, dessen
Jungfrausehaft verloren war.
Es beichtete einst ein Magdlein und
bekannte, wie es auch die Jungfernschaft verloren habe. Daruber wurde der Beiehtvater gewaltig bdse, schimpfte und wetterte und verglich damit andererseits die herrliche KrOnung der Jungfrausehaft im Himmel. Er machte ein langes und breites daher, erzahlte viel von der edlen Burg der Jungfrausehaft und warum es sich dieses edle treffliche Schlofi so leicht habe aufschliefien lassen. Das beichtende Madchen wurde ganz ungeduldig und meinte: „Glaubet nicht, ehrwurdiger Beiehtvater, daB es ein gar so festes Schlofi gewesen ist! Ein jeder Bauernknecht im Dorf konnte es ja aufschliefien und es haben's auch ihrer nicht wenig aufgeschlossen."
6* 37 *e)
68. Warum die Fldhe die Weiber mehr
peinlgen als die
Manner.
Ein Schuster in der Eeichenau, ein
wunderlicher Dichter vieler guten Schw&nke, sprach mal zu etlichen Edelfrauen: „Saget mir doch bitte die Ursache, warum eigentlioh die Fldhe die Weiber mehr und besser anf alien, beiflen und peinigen als die Manner?" Daruber konnten die edlen Frauen keine Aus* kunft geben, aber sie hielten inst&ndig an, er mtige es doch bitte sagen und drangen solange auf den Schuster ein, bis er seine Bereitwilligkeit erkl&rte. „Gut denn, hdret die Ursache! Sobald die Fldhe der Speise satt sind, haben sie bei den Weibern nachts dabei den FluB und finden Wasser genug darin, um den Durst loschen zu kdnnen." Daraufhin meinte eine der Edelfrauen: „Hdret, ich habe es nie empfunden, daB die Fldhe dahin geben, um sich zu w&ssem." — „Ja," antwortete der Schuhmacher, „solches geschieht darum, daB sie nicht haufenweise dahinziehen."
64. ,Von einem der gehangt werden
sollte.
Als ein Misset&ter am Galgen baumeln
sollte, kamen etliche geistliche Schwestern, um den armen Sunder zu trdsten. „Ja, wer seid ihr denn eigentlich?" fragte der Misset&ter. „Wir sind Tdchter Gottes," antworteten die Gefragten. „Na, so kommet n&her her zu mir, wir wollen eine Heirat feiern," meinte aber mit viel unztlchtigeren Worten der Delinquent, „weil wir soloh einen reichen Schwiegervater haben."
66. Einer hatte eine Klosterfrau
besehlafen.
Einer beiehtete, er habe eine
Klosterfrau fleischlich erkannt. Der Priester wollte diesen Sunder von der sch&ndlichen Liebe mit eindringlichen Ermahnungen abbringen und sagte unter anderen Dingen: „Die Klosterfrauen sind tot fur die Welt, sie sind der Welt abgestorben und sollen allein Gott ergeben sein und ihm dienen." „Herr," sprach da der Beichtende, „es ist dem nicht also, denn sie hat sich unter mir derart getibt, bewegt und gehoben, daB sie einer lebendigen Person vdllig und ganzlich gleichkam. AuBerdem dienen sie nicht allein Gott sondern zuweilen und besonders an den hochzeitlichen Tagen auch den Menschen und unterwerfen sich deren Dienstbarkeit."
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66. Die Arglist der Weiber.
Eine Frau liebte einen Jungling,
konnte indeasen ohne Aufwhen zu erregen, mit ihm nicht zuaammenkommen und dwfte aus dem gleichen Grunde den jungen Mann auch nicht anaprechen. A 1b findiger Weiberkopf wu&te aber die
Lieb- ergluhte einen Ausweg listigster Art. Die Frau beichtete einem Mdnche, der dea Junglings nachster Naohbar war, indem tie sagte: „Lieber Herr und Vater, Ihr habet an diasem jungen Gesellen (hier nannte sie den Namen) einen merkwurdigen Naehbar. Er gehet vox meinem Hauae auf und ab, schaut mir stets auffallig nach und wird mich mit derartigen Ab- sonderliohkeiten noch in ein boses Geschrei bringen. Unter- aaget doch, lieber Beiehtvater, diesem jungen Manne, mir so naehzusteUen." Der ahnunglose Mdnch verhiefi der Listigen, welche den Jungling nur zur Liebe entflammen wollte, bei dem jungen Manne vorstellig zu werden. Der Jungling war sich keiner Schuld bewufit und merkte den Betrug und die Weibar- list, ohne indessen den Willen der Frau zu erfiillen. Als das Weib sah, daB es nicht an das Ziel seiner geschlechtlichen Wunsche komme, liefl es einen mit Gold besetzten prachtigen Frauengurtel herstellen und ging damit nebst andexen achdnen Zierstiicken ftir Weiber ganz aufgeregt zu dem Mdnche und beklagte sich, der Jungling habe solche Kostbarkeiten ge- schickt, die man nicht "annehmen kdnne. Die Listige bat den Mdnch, er solle die Sachen dem Jungling selber zuruckbringen. Das tat denn auch der Mdnch und brachte mit grofiem Un- willen und Grimm dem verb luff ten jungen Mann die wertvollen Gegenstande. Auch jetzt mufite die Liebegirrende umsonst warten. Nicht lange hernach als des Weibes Gatte fiber Land gereist war, kam die Frau abermals zu dem Mdnche und klagte, der Jungling sei zwei Nachte vorher an einem Baum empor- geklettert und in das Schlafgemach eingestiegen. Der Mdnoh war uberaus erzlirnt und schalt den Jungling kraftig aus, doch der Jungling wuflte nun, daB er bei der Frau gut an- kommen werde, darum schlich er sich zu ihr und verbrachte frohe Stunden. So ward in Summa der Mdnch Ursache dieser zusammengefugten Liebe.
Aus Boccacio. Vergl. Dr. M. Landau,
Die Quellen d. Decamerone. 2. Aufl.: Der Beiehtvater als Postilion d'amour, Seite 127.
Vergleiche: Barbazan I. 229. Legrand
III. 232, Du che-
6* 39 *i>
valier qui list aa fame
confeese. — Vergl.: G. Papanti im Caialogo dei novellatori in prosa (Livoxno 1871, No. 28).
67/ Vom kinderrelehen Pfaffen.
Etliche Pfaffen waren beim
Pfarrberrn in Blaubeuren zu Gast geladen. Der Tisch war mit Bechern und Trink- geschirren aller Art besetst, und die Pfafflein begannen gegen- seitig ibre grofie Armut aufzurupfen. „Warum bast nioht auch du solcbe und soviele Trinkgeschirre," wurde einer der armsten Pfaffen gefragt. Dieser antwortete im Zorn: „Wena ich so viele Becker als Kinder hatte, wurde ich ihrer wohl aeht haben." So gab er der Wahrheit selber Baum.
6$. Sonderllehe Predigt
Ein Priester predigte und erwahnte,
Adam habe an fangs den Apfel nicht essen wollen. Doch Eva sei unwillig geworden und habe gedroht: „IB von dem Apfel oder ich laufe dir weg und gehe in das sch&ndlichste Hurenhaus."
69. Bauer and Ant.
Ein schlichter einfaltiger Bauer kam
mit dem Harn zu einem Arzte. „Von wannen kommt er?" erkundigte sich der gewissenhafte Arzt; doch der ungeschlachte Bauer meinte ver- schmitzt: „Herr Doktor, Ihr werdet es am Harn wohl find en."
70. Vom kranken Bauer.
Es wurde ein Bauer von demselben
Leiden auf das Kranken- lager geworfen, an welchem sein Weib und alle seine Kinder gestorben waren. Die Nachbarn und Preunde redeten ihm zu, er moge die Sterbesakramente empfangen und seine Sache wohl bestellen. Das schlug der Kranke ab und sagte: „Mein Weib und meine Kinder haben sich daran den Tod gegessen, das will ich nicht nachmachen."
71. Bine einf<ige Pfafienantwort.
In Konstanz war einer, der in den
geistlichen Stand ein- treten wollte. Die Ezaminatoren fragten ihn, ob er denn
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auch ehelich geboren sei. Der
angehende Pfaffe glaubte, man erkundige sich nach seinem Vaterlande und antwortete: „Ich bin nicht von Legitimo thoro (also nicht ehelich) sondern von
72. Von einer Hure.
Ich hdrte gelegentlich, wie sich
zwei Weiber herumstritten und dabei schimpfte eine die andere: „Du bist ja eine Hure!u
„Es ist wahr/' entgegnete die also Beschimpfte, „aber du war est gerae meines Standee und Wesens. So bist du aber derart ungeetaltet, daB dich kein Mann darum bitten will."
Vergleiche dazu Jakob Frey:
Gartengesellschaft; von zwei bdsen zanksuchtigen Weibern. — Kircbhof, Wendunmut 1, 375 (1563). 7, 162. — Lindener, Katzipori. — Adelphus, Mar- garita facetiarum 1508. — Frischlin, Facetiae 1600, p. 7. — Melander, Jocoseria 2, Nr. 131.
78. Kurze Predigt
Ein Pfaffe sollte seinen Bauern
predigen. Wie er nun auf den Predigtstuhl hinaufkam, begann er: „Es grufiet euch Lukas, der Arzt, wie es denn die heilige Schrift innehalt." Darnach stockte er und wuBte nicht weiter. Nun erhob sich der vornehmstc Bauer der Gemeinde und sprach: „Wir sagen dem Arzt Dank, und wenn Ihr etwa wieder zu ihm kommet, so entbietet ihm in unser aller Namen freundlichen GruB."
74. Welche Dinge sind niehts
nutxend.
Eine polnische Brucke, ein
bdhmischer Mdnch, eine schwa- bische Nonne, ein dsterreichischer Kriegsmann, Andacht der Welschen, Fasten der Deutschen. All diese Stuck der Erde sind keine Bohne wert.
75. Was gilt bei den Deutschen als
Freude.
Willst du einen ganzen Tag frdhlich
sein, so gehe in das Bad. Nach dem Bad zechen die Leute und werden frdhlich.
Willst du eine ganze Woche frdhlich
sein? LaB dir die Ader.
Willst du einen ganzen Monat
frShlich sein? Schlachte ein Schwein, so hast du Wurst und Braten auf lange Zeit.
Willst du ein gauzes Jahr frfihlich
sein? Ninun ein Weib. — Manche sagen zwar, die Beue komme vor Ablauf eines Jahres.
Vergleiche hierzu Anthropophyteia,
Band HI, Seite 132. Spruoh der Israeliten.
76. Cnnatzes
Hausgesind.
Eine Henne, die keine Eier legt. Ein
Schwein, das nicht ferkelt. Eine Kuh, die keine Milch gibt. Eine Tochter, die nachts aus dem Haus l&uft. Ein Sohn, der ein Spieler ist. Ein Weib, das heimlich vertut, was der Mann gewinnt. Eine schwangere Magd.
77. Ungewfthnliehe
Dinge.
Ein Magdlein ohne Lieb,
Jahrmarkt ohne Dieb.
Ein alter Jud ohne Reich turn.
Ein alter Stadel ohne Mans.
Ein alter Pelz ohne Laus.
Ein alter Bock nicht im Bart greifl.
Eine alte Nonne ohne Geistlichkeit.
78. Drei Dinge sind wlderwartig.
Die Katze mit der Maus,
Zwei Hahne in einem Haus,
Zweier Manner Schwestern
Die bleiben selten ohne Zank und
Hader.
79. Drei Dinge mlBfallen Gott
Hoffartige Arme. Reiche Liigner.
Alte Buhler.
80. Vier Dinge bleiben nicht
verborgen.
Die Liebe. Der Husten. Das Feuer.
Der Schmerz.
Vier Dinge begehren die Weiber.
Geliebt zu werden von schonen
Gesellen. Viele Kinder zu geb&ren. Sich kdstlich kleiden. Herrschen im Hause.
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81. Von einem sehamlosen Magdlein.
In meinem Vaterlande lebte ein nicht
gut beleumdetes Magdlein. Einmal hatte deasen Vater zu Ehingen auf dem Markte ein Schwein gekauft, welches das Madchen heimtreiben muBte. Der Buokweg fuhrte durch einen Wald in welchem es einen jungen Gesellen antraf. Der junge Geselle mochte Gefallen an der dralien Dime gefunden haben, denn er sprach sie an, sie moge doch eine kleine Weile niedersitzen und mit ihm rasten. — Das ubrige versteht man ja wohl. — Das Madel zeigte sich anfangs sprdde in der Hoffnung, der Jungling werde rasch ungestiimer werden. Umsonst, man kam schon gegen den Endteil des Waldes, ohne daB der Jungling ein Wort verloren h&tte, und das Madel merkte, wie der junge Geselle ganz und gar von seinem Begehren abkam. Beherzt meinte es darum schlieBlich: „Lieber Buhle, daB ich noch deiner vorigen Bede gedenke, wenn ich dir zu Willen sein mSchte, wo sollte ich denn inzwischen mein Schwein anbinden?" Dieser Spruch ist Viele Jahre in meiner Heimat als Sprichwort ublich gewesen.
Vergl. Anth. I. Nr. 153, S. 187.
82. Abermals von einem Madel.
Es beichtete ein junges Magdlein,
mit Mannern auf dem Heu gewesen zu sein. „Was hast du denn daselbst getan?" fragte der wiBbegierige Beiehtvater, worauf das Madel gleich- sam verspottend erwiderte: „Pfuh! Wisset Ihr nicht, Herr, was die jungen Gesellen mit den Madels auf dem Heu aus- richten ?"
Vergleiche: Anthropophyteia, Bd. II,
No. 380, S. 272/73.
88. Wie mufi das schttne Weib sein.
Das Weib ist mit alien Gaben der
Natur und der Gestalt gezieret, welches ein Kopfchen hat aus Prag, die Brust aus Osterreich, den Bauch aus Frank reich, den Blicken aus Brabant, weiBe Beine und Hande von Kbln, die FuBe vom Bhein, das Biischlein aus dem Baierland, Arschbacken aus dem Schwaben- land. Hat ein Weib all diese Eigenschaften, so wird es als vollkommen schon zu erachten sein. — Auch jenes Weib wird indessen ganzlich vollkommen sein, welches drei harte, drei weiche, drei kurze, drei lange, drei schwarze, drei weifle, drei rote hat.
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Die harten sind die zwei Braste und
der Arsch. Die weiehen sind die zwei H&nde und der Bauch. Die kurzen sind die Nase und die zwei FilBe. Die langen sind die Finger und die zwei Seiten. Die schwarzen sind die Augen und das FOtzlein. Die roten sind die Wangen und der Mund. Die weifien sind die Beine und der Nacken.
Vergl. Krauss, Streifziige im Reiche
der Frauenschonheit 8. 30. Der Wunschzettel eines Schdnheitsverehrers enthalt folgendeg Begehren:
„£ine schdne Jungfrau, davon ich
sag',
Die soil haben ein Haupt von Prag,&)
Zwei Auglein klar aus Frankreich, *)
Ein Mundlein rot aus Osterreich,8)
Von KOln zwei schneeweifie H&nden,*)
Von Brabant zwei achmale Lenden,5)
Zwei Brustlein rund aus Niederland,e)
Zwei Fufllein schmal aus Engelland,7)
Aus Hispanien ein schon weiB
B&uchelein,8)
Aus Flandern zwei dralle Armelein,9)
Ein rund Arschelein aus Sehwaben,10)
Welch' Jungfrau dies hat, ist wert
aller Gaben.
Vergleiche liber die „Streifzilge im
Beiche der Frauenschdn- heit", Dr. Max Bartels in der Zeitschrift fur Ethnologie, S. 674, Berlin 1903.
Siehe aueh Anthropophyteia Bd. I,
No. 110. Bei den daselbst aufgezahlten Eigenheiten eines schonen Madchen spielt die Zahl drei eine grofie Rolle. Vergleiche dazu: Brantdme, Das Leben der galanten Damen von Willy Alexander Kastner, Leipzig 1904, II. Auflage Seite 177.
') Also wie bei Bebel:
2) Jedenfalls
ist die Lebhaftigkeit gemeint.
3) Rot,
weil schwellend, lustverlangend.
*) Die H&nde Kdlnischer Jungfranen
werden viel gelobt. Bei Bebel wird eine feine Ruckenzeichnung begehrt. Osterreichische Niederlande.
Englischen Fufien sagt die
Anthropologic grofle Breite zu. Diese Forderung wird bei dem gelblichen Teint der Spanier sonst meist auf nordische Madchen bezogen.
9) Flandrische Arme waren
das Ideal mancher lebensfroher Maler. ,0) Wie bei Bebel.
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84. Wie man leben soil.
So du gesund leben willst, lafi dir
einmal im Jahre die Ader, monatlich bade einmal, einmal wdchentlich ube den Bei- schlaf aus,1) ifi und trink am Tag zweimal, bei Nacht schlafe ruhig und lang.
85. Von den Bettlern.
Im Gesprach biefl es 'mal, die
Bettler hatten die meisten Kinder. Da ftufierte einer der Anwesenden: Die Bettler legen sich ohne Sorgen und mit guter Sicherheit zusammen. Sie wissen ja, dafl sie nicht selber die kommenden Kinder aufzu- ziehen brauchen, sondern wir milssen das tuen. Sie machen die Kinder und wir milssen sie mit unseren Almosen auf ziehen."
86. Von der einfaltigen Brant.
£in Bauer hatte einem Landwirt seine
Toehter zur Frau gegeben. Als nun der junge Ehemann in der Brautnacht seinem Weibchen das Band der Liebe aufringeln wollte, jenes Band um deasentwegen die Menschen ja meist einander heiraten, da eilte der Mann aus dem Ehebett. „Wohin willst du denn?" fragte ganz erstaunt die erwartungsvolle junge Gattin. „Wei6t du, ich will ein Speidel bringen, mit welchem ich dir, Liebste, das heilige und unversehrte Kndpflein deiner Scham umso leichter erdffnen und auseinander klieben kann." Wie die junge Ehefrau diese Worte hdrte, fiel sie ihrem Manne um den Hals, bekannte ihm eine grobe Verfehlung, indem sie sprach: „Bleibe nur bier! Du bedarfst weder eines Kolben noch eines Speidel, denn meines Vaters Knecht hat vor drei Jahren auch dazu keines Speidels bedurft." Solches schreibt Brassicanus.
87. Vom Bettler und Baekersbuben
Wolfgang tisterreieher.
Wolfgang Oesterreicher tibernachtcte
einmal in einem Bauernhaus. Er schlief auf einer harten Bank und war davon am anderen Morgen naturlich ganz steif und fest. Beim Auf- stehen fand er am Haupte eine Flaumfeder von einer Gans.
') Luthers Vorschrift lautete:
In der Woche zwier Schadet weder Dir noch mir Und macht im Jahre hundertvier,
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„Ach, wie hart und libel bin ich
diese Nacht auf dieser Bank gelegen," jammer te er und fugte hinzu: „Wie mag es aber erst jenen ergehen, welche etwa auf tausend oder mehr Federn Uegen und ruhen."
Dieser Wolfgang wurde 'mal yon einem
Edelmanne heftig ausgescholten, weil der Edelmann zwei Hosen geschenkt hatte, welche Wolfgang sofort wieder yerkaufte. „Wie hatte ich die Hosen behalten sollen, dieweil du sie nicht hast behalten kdnnen, obwohl die Hosen dein eigen waren ?" Dieser Wolfgang Oesterreicher pflegte auch zu sagen, er sei ein Hofmann, da man ihn lieber auf dem Hofe als im Hause sahe. Weiter sagte er, er ware viel reicher denn sein Vater. Dieser habe von den Gutern jahrlich funfzig Gulden Zins gegeben. Er brauche es nicht mehr. Das war auch verstandlich, denn Oesterreicher hatte alles vertan, verprafit und verschlemmt. Einmal wurde Wolfgang von einer Bauerin gebeten, er solle ihr eine kranke Kuh wieder gesund machen. Oesterreicher gab auf solches Begehren der Bauersfrau ein Briefchen, in welchem angeblich etliche Charakter standen. Dieses Brieflein mufite man der Kuh an den Hals hangen. Wolfgang nahm ftir das Mittel sieben Pfennige und zog davon. Die Kuh wollte aber augen- scheinlich nicht gesunden und die Bauersfrau schopfte Verdacht, wohl betrogen worden zu sein. So machte sich denn eines Tages das Bauernweib auf den Weg und ging zu einem Pfaffen, damit dieser das Brieflein entziffere. Der um Aufschlufi gebetene Priester las der Bauerin den Text vor: „Iflt du, so genesest du, — Frifit du nicht, so genesest du nicht, — Sieben Pfennig, das ist mein Gewinn, — Bias mir in den Arsch, ich fahre dahin!"
Solche Schnurren gibt es die schwere
Menge. Vergl. z. B. Der Pesttalisman No. 233 der Schwanke Poggio Bracciolini, Bomanische Meistererzahler, Band IV Seite 158 oder auch z. B. No. 210, S. 147.
88. Unzuchtiger Bauer.
Eine edle Frau, welche jedenfalls
sehr geschlechterregt war, hatte einen starken, sonst aber unbescheidenen Bauern zu sich geladen, auf daB der starke Kerl ihr bei nachtlicher Weile eins auf der Geige machen sollte. Der Bauer war aber schlafdurstiger als begierig, den Leib der Edelfrau zu besitzen. So verschlief der Bauernkerl die gauze Nacht und als er gegen die Morgendammerung endlich aufwachte, ermahnte ihn
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die Frau, welche von dem ausgeruhten
Karl einen ganz - be- sondern GenuB erhoffen mochte, er solle ihr einmal einen Dianst erweuen. Schon nahe der Tag und dann musie er ja aufstehen und mit den Knechten an die Arbeit gehen. Sohalkhaf t meinte die edle Frau, die sich an dem Fingerring zu sohaffem machte und ihn herumtrieb: „Meine Glieder sind ganz erkaltet und auch etwas eingezogen; ich glaube, der Tag ist schon gleich da." Statt den Sinn dieser Worte zu verstehen, meinte der grobe ungeschickte Bauer: „Furwahr Frau, Ihr sagt riohtig, der Tag ist nahe, denn ich wollte auch game 'mal scheiAen." Das hielt der Kerl fur ein sicheres Zeichen der MorgenrSte.
89. Eine Geschiehte Hieronyml
Embsers des Sekret&rs von
Herzog Georg von Sschsen.
Eine Mutter fragte ihre verheiratete
Tochter, wie sich denn der Mann anstelle, ob er auch nachts tuchtige Dienste leiste. „Gar nichts tut er," erkl&rte die Tochter, „hochstena greift er mir zuweilen ein bischen an den Bauch." — „Wenn er dich wieder mal begreift," meinte die Mutter, „so schreist du miaul Fragt er, was will mein liebes K&tzchen, dann gibst du ihm zur Antwort: carnem in carnarium meum — ein Fleischlein in mein Batzlein! Aus diesen Worten wird dein Mann deine Wunsche entnehmen kdnnen und dann mag er wohl dir den Willen erfullen." Drei Nachte hernach tastete der Ehemann wieder 'mal am Lei be seines Weibohens herum. Getreulioh befolgte die liebeshungrige Gattin den mutterlichen Bat, und kaum hatte der Mann die Miau-Wunsche vernommen, da bewies er sich als tapfer und mannlich. An einer derartigen Fleischversorgung fand die Frau groften Geschmack und sie bat bald so haufig um Wiederbeginn des Spieles, daB der Mann des Fleischausteilens ubermude ward und sich m&Bigte. Unvermindert schrie indessen die Frau im Bette Miau Miau, so daB der Mann der Wunsche ganz verdrieBlich wurde. Heim- lich kaufte er Kraut und legte es unter das gemeinschaftliche Ehebett. Als nun in der n&chsten Nacht das liebeedurstige Frauchen wiederum ihr Miau seufzte, wischte der Mann unter das Bett, griff nach dem Kraute, warf es vor die Gattin und sprach: „FriB auch ein wenig Kraut dazu."
Davon kommt das Sprichwort: „IB
neben zu auch Kraut," welches fur die gilt, welche das Fleisch essen, das Kraut aber liegen lassen.
90* Siner kauft vftslo
Wlegen.
Im Frankenlande gebar eine Fran
ihrem Ehemanne vier Wochen nach der Heirat bereita einen Sohn. Eilends ging der besturzte Mann auf den Markt und kaufte so viel Wiegen, daB ein ganzer Lastwagen damit beladen war. Als er mit seiner seltsamen Fracht heimkam, fragten die Leute den Mann: „ Warum bringst du denn so viele Wiegen mit?" — „Ich be- darf ihrer wohl," meinte der Mann, „denn dieweil das Weil) so fruchtbar ist, daB es in solch kurzer Zeit gebaren konnte, werde ich fur die Folge dieser Dinge kaum genug haben."
91. Von einem Mftgdlein.
Ein Bursche drohte einem Madel, er
werde nachts haim- lieh zu ihm kommen. „Das wirst du schOn bleiben last**," meinte das Madel, „denn ich nehme ein Messer in das Sett zu mir und wenn du kommst, werde ich dich ganz bestimmt er- etechen." Trotz dieser wenig angenehm klingenden Erdlfnung kam der gute wagelustige Geselle doch bei der Naeht Heim- lich in das Schlafgemach des
guten Dirnleins. Er fand das Madel im Bett und es schien fest zu schlafen. Da stellte tick der Bursche an als ob er wieder davongehen wolle. Wie das Magdlein solches wahrnahm, schrie es ihm gleichaam, als of> es eben erst aus dam Sohlafe erwache, nach und sagte: „Bleibe nur da, denn ich habe kein Messer bei mir."
92. Von eines Fursten Narren.
Es ward einem Kurfursten in
Deutschland ein Narr ge- schenkt, ein visierlicher Mensch, der wollte sich nirgends be- halten lassen, war oft aus der Htiter Hande entlaufen. Zuletzt, wie man ihn einmal erwischt hatte, lieB der Herr ihn ein- schlieBen in eine furstliche Kammer. Nun ward aber dem Narren mit der Zeit der Bauch voll und er hatte Not zu scheifien. Weil er nirgendwo hinauskonnte und auch keinerlei Geschirr yorhanden war, darin er hatte sein Sack machen kdnnen, nahm er des Herren Stiefel und schifi einen grofien Dreck hin ein. Bald darnach kam der Furst, der wollte die Stiefel anziehen und auf die Jagd ausreiten. Wie er aber den einen FuB hineinsteckte und durch die Weichheit und den jGestank auf die Tat aufmerksam wurde, fragte er den Narr: „Narr, wer hat das getan?" Der Narr leugnete zuerst und
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meinte, er wisse nicht, wer das
gemacht habe. „Wer kann es denn sonst wohl gemacht haben, wenn nicht du," fragte der Fiirst abermals und fiigte hinzu „es war ja kein Mensch hier." Da antwortete der Narr, „es muB vielleicht das Zaun- koniglein dieses getan haben." Da mufite der Herr, weleher ein solches VOglein im Vogelbauer hatte, hell auf lachen, daB der Narr den kleinen Vogel besehuldigte, einen solch groBen Kuhfladen gesetzt zu haben.
98. Sehlmpflieher Sprach eines
B&uernm&dels.
Edelleute ritten am Neckar entlang
und kamen bei Bauern- weibern vorbed, die am Wasser Wasche hielten. Das Wetter war ziemlich kalt und die Weiber hatten rote FuBe. „Wie kommt ihr denn zu solch roten FttBen ?" fragte einer der Edel- leute im Spafi. Da antwortete eine witzige Bauemdirne: „Weil wir Feuer in den Fersen haben." — „Feuer? So! Nun dann bitt ich dich, du mdchtest mir dieses Butlein anzunden," damit zeigte er seinen Gesellen aus dem Latz. Basch hob die flinke Wftscherin die Kleider uber ihren Hintern auf und zeigto denselben mit den Worten: „Httr lieber Herri Steig berab, komm und blase mir das Feuer in meiner Kuohe wieder auf, denn es ist vdllig verloschen."
Siehe dazu auch M. Lindener,
Katzipori.
Druck von Augant Pries In Leipzig.
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