Privatdruck.
Nur fttr Gelehrte best±
4
Ж
Dem Folkloristen
DL* Friedrieh S. Krauss
gewidmet
von
Jakob Ulrich.
^ fr
584826
ßisforische Quellenschriften m
zum Studium der Hnfhropophyfeia.
Unter Mitwirkung
топ
Ethnologen, Folkloristen und Naturforschern
herausgegeben
топ
Dh FRIEDRICH S. KRAUSS.
Band L
& » is Volkstümliche kkis Dichtungen der Italiener.
Deutsch von
JAKOB ULRICH.
Leipzig
Deutsche Verlage * Hcttengesellsdiatf
1906.
Privatdruck.
Nur für Gelehrte bestimmt.
M..................................
Dem Folkloristen
Dl Friedrich S. Krauss
gewidmet
топ
Jakob Ulrich.
лч 584826
ЛИНІ
32101 026719383
w
Einleitung.
L
Charles Nieard hat in seinem verdienstvollen Buche über die französische Yolksliteratur*), das allerdings nicht vom Stand- punkte des Folkloristen aus geschrieben ist, vielmehr das Ergebnis eine Razzia auf die Kolportageliteratur beschreibt, diese in vierzehn Kapitel eingeteilt: 1. und 2. des Almanachs; 3. Sciences et arts; 4. Facéties, hone mots, calembours; 5. Dialogues et catéchismes; 6. Discours, éloges funèbres; 7. Types et caractères; 8. Vies de personnages illustres ou fameux vrais ou imaginaires: 9. Religion et morale; 10. Cantiques spirituels; 11. Epietolaires; 12. Linguistique; 13. Education; 14. Romans, nouvelles et contes.
Die italienische Literatur besitzt wie die deutsche, die spanische wie die englische natürlich ähnliche Erzeugnisse. Ich beschäftige mich hier nur mit deren einem Teil im Italienischen und zwar den Verserzählungen, den Storie popolari in verso2). Da haben wir zunächst einige Sagen aus dem klassischen Altertum wie Orpheus, Jason und Medea, Perseus und Medusa, Pyramus und Thisbe, Sextue Tarquinius und Lukretia; die Erzählung von Karciss ist nur ein Bruchstück einer vollständigen Übersetzung der Metamorphosen Ovids. Aus dem Volksbuche der Sieben weisen Meister von Rom hat Golascione von Perugia die Erzählung Yaticinium geschöpft» die eine gewisse Ähnlichkeit
J) Ch. Nisard, Histoire des livres populaires ou de la littérature du colportage. Deuxième edition. Paris, Dentu 1864.
2) Von vielen gibt Passano, I noveüerieri italiani in verso. Bologna. 1868. Auszüge.
— VI —
mit Josephs Traum hat. Dem Ermogene, dem Sohne eines Kaufmanns aus Alexandrien, ist die Fähigkeit geschenkt worden, die Sprache der Vögel zu verstehen. Er hört von zweien dieser Tierchen, die auf dem Mäste des Schiffes sitzen, mit dem er in Begleitung seines Vaters fahrt, die Voraussagung, er werde König werden und sein Vater ihm dienen. Als er diese Prophezeiung dem Vater erzählt, wird dieser böse und wirft ihn ins Meer; der Knabe wird gerettet und dessen prophezeites Schicksal geht in wunderbarer Weise in Erfüllung1). Nicht wenige Stoffe, die Boccaccio in seinem Decamerone bearbeitet hat, sind auch der Gegenstand von Verserzählungen geworden. Die Geschichte der Gis monda, welche dem von ihrem Vater ermordeten Guis card o folgt, nachdem sie sein Herz gegessen, ist mehrfach bearbeitet worden: von dem Florentiner Benivieni (f 1542), von dem Fiemontesen Annibale Guasco (f 1619), von Antonio Saffi aus Forli und einem Unbekannten; sie ist die erste Novelle des vierten Tages.
Die Erzählung von dem angeblich stummen Gärtner im Kloster (III, 1) ist nicht bloss von La Fontaine und Casti bearbeitet und von Brugiantino versifiziert worden; wir haben auch eine zweite separate Ausgabe unter dem Titel: El Bolognese. Decamerone 11, 4 ist bearbeitet in der Novella di Paganino e Bicciardo, 11, 7 in der il Soldan o betitelten. Die Novelle von Gerbino (IV, 4) ist ebenfalls von einem Unbekannten in Verse gesetzt worden; sehr verbreitet war auch die Geschichte der Griseldis (X, 10), die Petrarca ins Lateinische übersetzte und die für uneern Geschmack unerträglich ist2). Mehr oder weniger veränderte Separatausgaben sind Historia de Prasildo et de Liebina aus dem Orlando innamorato und Historia del Be di Pavia, welche die bekannte Episode (canto XXVIII) des Orlando furioso wiedergibt, während die Novelle ,Perche si dice e fatto il becco а l'oca* dem Mambriano des Francesco Belli entlehnt ist, vgl. Rua, Le novelle del Mambriano pp. 27—44. — Unter dem Namen Glitia Veronese versinzierte ein Unbekannter die durch Shakespeare berühmt gewordene Erzählung von Borneo und Julie, während der Stoff von ,Zähmung einer Widerspenstigen* den Inhalt des Büchleins A. Volpinos: Novella di Madonna Isotta da
*) S. Chauvin, Syntipas s. 193; Loiseleur, Essai sur lee fables indiennes pp. 162—163.
2) S. B. Köhler, Kleinere Schriften H, 505—555.
— vn —
Pisa ausmacht. — Bartolommeo Davanzati und Bernardo Giambullari brachten den ,dicklen Tischler' in Verse1).
Andere Stoffe laden zu einer eingehenderen Besprechung ein. Den Inhalt des Volksbuches von Florindo und Chiarastella gibt R. Köhler2) folgendermaßen an: Guusse, König топ Spanien, trifft auf einer Heise nach Rom in der Nähe Roms eines Nachts einen Landmann, der den Himmel betrachtet. Auf die Frage des Könige erwidert der Landmann, er sei ein Astrolog und habe jetzt das Geschick seines eben geborenen Sohnee in den Sternen gelesen und zwar sei diesem Sohn bestimmt, einst Nachfolger des ihn fragenden Königs zu werden. Der König stellt sich darüber erfreut und bittet, den Knaben ihm zu überlassen, damit er ihn seiner Bestimmung gemäss erziehe. Der Sterndeuter erwidert, er wisse zwar wohl, dass der König den Knaben nur verlangt, um ihn zu töten, aber trotzdem wolle er ihm ihn übergeben, denn was die Sterne verkünden, werde doch geschehen. So erhielt der König das Kind, welches er bald darauf im Wald in einen Graben warf, nachdem er es vorher mit einem Messer am Hals verwundet hatte. Ein römischer Baron Fosco fand auf der Jagd das verwundete Knäblein, Hess durch einen Arzt die Wunde heilen und nahm es an Kindesstelle an. Zum Jüngling herangewachsen, erfuhr Florindo, dass er ein Findelkind sei und beschlose, zum grossen Leidwesen seiner Pflegeeltern, in die Welt zu ziehen, um seinen Vater zu suchen. So kommt er nach Saragossa, wo die schöne Prinzessin Chiarastella, die Tochter des Königs Guusse, ihn zum campione (Kämpen) und scudiere (Knappen) macht. Bald aber kommt ein Abgesandter des Könige Gabrino von Portugal, des Bruders des Guusse, und ladet die Prinzessin zu einem grossen Fest in Portugal ein. Die Prinzessin mues der Einladung folgen, Florindo aber beim König Guusse zurückbleiben. Er ist über die Trennung von Chiarastella sehr betrübt und seine Betrübnis fällt dem König so auf, dass er ihn nach deren Ursache fragt Florindo, der den wahren Grund nicht gestehen will, erwidert, er sei darüber betrübt, dass er seinen Vater bisher vergeblich gesucht habe und erzählt dem König, wie er als Findelkind aufgefunden
!) Siehe Ulrich, Romanische Schelmengeschichten. Leipzig. 1905. p. 10411.
2) Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1869, 380. Ein billiger Neudruck findet sich in der bekannten Sammlung von Sal an і in Florenz.
— VHI —
worden sei. Natürlich ist der König sofort überzeugt, den Sohn jenes sternkundigen Bauern тог sich zu haben. Er achreibt alsbald einen Brief an seinen Bruder Gabrino, worin er ihn bittet, den Überbringer des Briefes töten zu lassen und übergibt Florindo diesen Brief. Florindo langt richtig in Portugal an, als er aber den Brief abgeben will, schläft der König grade. Indem Florindo nun indessen im Garten umherwandelt, trifft er auf die Prinzessin Chiarastella, die über seine Ankunft freudig überrascht ist. Trotz seinem Widerstreben öffnet sie den Brief und liest ihn, Bäsch eilt віє in ihr Zimmer und schreibt einen anderen Brief, worin Gabrino aufgefordert wird, ein grosses Turnier zu veranstalten und dem Sieger — hoffentlich werde dies der Überbringer des Briefes sein — Chiarastella zu vermählen. Diesen Brief übergibt Florindo dem König Gabrino, das Turnier findet statt und Florindo wird als Sieger mit Chiarastella vermählt. Während der Hochzeitefeierlichkeiten trifft ein Bote aus Spanien mit der Nachricht von dem plötzlichen Tode des Königs Guusse ein. So wird Florindo fast gleichzeitig Gemahl der Chiarastella und Nachfolger ihres Vaters. — B. Köhler verweist gleichzeitig auf den verwandten altfranzösischen Dit de Constant, der zuletzt von Wessel of sky, Romania VT, 161 gedruckt wurde, hin und auf von Hahns griechische und albanische Märchen No. 30. Der Berliner Sanskritist A. Weber hat1) eine indische Erzählung analysiert, in der das Motiv des Uriasbriefee und der ,Gang nach dem Eisenhammer* zusammengeschweisst sind und die Sage von der Geburt Kaiser Heinrichs des Dritten (Gebrüder Grimm, Deutsche Sagen. Berlin 1878, 11, 177) herangezogen nebst verwandtem Material
Auch die Novelle von Busotto, deren ausführlicher Titel den Inhalt ziemlich genau angibt — der dem Esel eines Müllers aufhelfen will und ihm den Schwanz ausreiset, aus Angst flieht und einer jungen Frau eine Fehlgeburt verursacht, einem eine Börse übergibt, dem sie nicht gehört und drei schöne Urteilssprüche erhält, hat Parallelen in der indischen Literatur und im Märchen3). In Prosa behandelte im XIV. Jahrhundert Sercambi aus Lucca3) in seiner Erzählung de iusto iuditio den gleichen Stoff. Ich folge hier wieder
i) Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1869, 10 ff. 8) Benfey. Pantschatantra I, 394. *) Ed. d'Ancona. Bologna. 1871.
— IX —
der Inhaltangabe R. Köhlers1). Landrea hat ein Felleisen gefunden und gibt es uneröffnet seinem Eigentümer, einem Bürger aus Lucca, zurück. Dieser behauptet, es seien 100 Gulden darin gewesen, Landrea aber habe 10 davon ge- stohlen und laset ihn festnehmen, um ihn in Lucca тог Gericht zu stellen. Auf dem Wege dahin hilft Landrea ein in einen Sumpf gefallenes Pferd herausziehen, reiset ihm aber dabei den Schwanz aus, und der Eigentümer des Pferdes geht nun mit, um ihn auch zu verklagen. Als sie eine Strecke gegangen sind, scheut ein Pferd, auf welchem eine Dame sitzt, тог Landrea und wirft die im sechsten Monat schwangere Dame ah, welche auf der Stelle eine Fehlgeburt zur Welt bringt. Der Gemahl der Dame schliesst sich den beiden Klägern an. In der Nahe топ Lucca springt Landrea топ einer Brücke ins Wasser, fällt aber dabei auf einen Mann in einer Barke und erschlägt ihn dadurch. Er wird wieder ergriffen und der Bruder des Getöteten geht als vierter Kläger mit. Die Richter in Bologna fällen folgende Urteile: 1. Das Felleisen mit den 90 Gulden gehört dem Kläger nicht, da dieser eins mit 100 Gulden verloren haben will; Landrea soll es also behalten, bis sich der Eigentümer findet. 3. Landrea soll das Pferd, dem er den Schwanz ausgerissen, so lange hei sich behalten bis ihm der Schwanz wieder gewachsen ist; dann soll er es dem Kläger zurückgehen. 3. Er soll die Dame so lange zu sich nehmen, hie sie wieder im sechsten Monate schwanger ist. 4. Er soll sich unter der Brücke in die Barke stellen und der Kläger sich топ der Brücke auf ihn herabstürzen. — Wie man sieht, stimmen die Versnovelle und die Prosa- erzählung nicht ganz mit einander überein.
Den Inhalt der Geschichte топ den zwei Priestern und dem Altardiener erzählt H. Varnhagen9) folgender- massen: „In einer Pfarre in der Nähe топ Siena lebten ein Pfarrer, ein Priester und ein Altardiener. Alle drei waren in die hübsche Frau eines dem Pfarrbezirke angehörigen Bürgers verliebt. Als diese eines Tages in der Kirche war, benutzte der Priester die Gelegenheit zu einer Liebeserklärung. Auf dem Kirchhof begegnet ihr der Pfarrer und später der Altar- diener, die beide ebenfalls ihre Liebeserklärung anbringen.
1) Kleinere Schriften II, 578,
2) Über eine Sammlung aller italienischer Drucke. Erlangen. 1892. pp. 40 ff., eine Schrift, in der sich wertvolle Angaben über Novellen, die auch hier erwähnt werden, finden.
X
Die Frau läset sich mit keinem ein, sondern meidet eine Zeitlang die Kirche. Als sie aber an einem Festtage wieder in ihr erscheint, wiederholt sich der nämliche Vorgang, weshalb sie nun von der Kirche ganz fern bleibt. Als eines Tages ihr Gatte die Ursache hiervon zu erfahren fordert und ihr mit einem Messer droht, wenn sie nicht die Wahrheit gestehe, erzählt sie ihm alles. Auf Anweisung des Gatten muss sie nun zur Kirche gehen und allen drei Liebhabern, die ihre Werbungen wiederholen, Erfüllung ihrer Wunsche gegen Bezahlung bedeutender Geldbeträge verheissen und sie zugleich alle zu einer und derselben Stunde in ihre Wohnung bestellen. Ihr Gatte, erklärt sie, werde zu der Zeit nach Siena verreist sein. Der Gatte läset alsdann einen grossen Zuber mit Wasser füllen und setzt letzterm ein Quantum Färberwaid zu. In der Nähe wird eine geräumige Tonne aufgestellt und die Frau erhält ihre Instruktion. Zur festgesetzten Stunde ist zuerst der Priester zur Stelle. Er übergibt der Frau das versprochene Geld, 110 Florins, und läset sich dann von ihr überreden, in dem bewussten Zuber ein Bad zu nehmen, infolgedessen er vollständig schwarz gefärbt wird. Da pocht der Gatte an der Tür und verlangt Einläse. Die Frau stellt sich sehr erschrocken und veranlasst den Priester, eich in der Tonne zu verstecken. Ebenso ergeht es den beiden andern Liebhabern, von denen der eine um 121 Florins, der andere um 200 Lire erleichtert wird, so dass alle drei eich in der Tonne zusammenfinden, worauf der Gatte die Öffnung verschliesst und die Tonne über Nacht stehen läset. Am folgenden Morgen ruft er die Nachbarn, wohl zwanzig an der Zahl, zusammen, damit sie ihm behilflich seien, die Tonne aus dem Hause zu bringen. Einige blicken in das Innere und erklären, als sie drei schwarze Gestalten sehen, es sässen drei Teufel da drinnen. Der Gatte macht darauf den Vorschlag, zum Zwecke der Vertreibung dieser höllischen Gäste nach der Pfarre zu schicken und den Priester nebst dem Pfarrer und dem Altardiener holen zu lassen. Es wird auch ein Bote abgeschickt, der aber natürlich die Pfarre leer findet. Darauf wird zum Abte eines Klosters gesandt, der alsbald auch erscheint in Begleitung von Mönchen, welche das officium sanctum singen, Psalmen sprechen und viele Reliquien sowie das Kreuz tragen. Darauf wird die Tonne geöffnet und die drei vermeintlichen Teufel kommen heraus. Die Bauern stürzen sich mit Stöcken auf sie und prügeln sie weidlich durch, während der Abt das dirupisti spricht und mit dem
— XI —
*) S. meine Ausgabe in den Romanischen Forschungen, Bd. XX.
Kreuze in der Hand sie in die Hölle bannt: „Gehet, Verfluchte, in das ewige Feuer !" Die Unglücklichen entfliehen und gelangen wipder in die Pfarre.44 — Varnhagen verweist auf die 9. Novelle Sercambis (Auegabe Renier) und das IV. Kapitel von Somadevas Kathararitsagara (deutsch von H. Brockhaue).
Eine Storia del Bolognese, deren einziger bekannter Druck auf der Bibliothek von Bergamo aufbewahrt wird1), erzählt uns, wie ein junger Bitter in einem Walde in ein gast- freundliches Frauenkloster gerät und dort im Vertrauen auf seine Manneskraft infolge einer Wette mit der Äbtissin all sein Gut verliert. Zurückgekehrt gewinnt ein Abt, den er unterwegs antrifft, die gleiche Wette, verliert aber zusammen eine andere mit seinem Gefährten, die sich um das Ausblasen einer Kerze ungefähr wie in Zolas La Terre dreht. — Auch die Storia del Galonaco di Siena hat, wie d'Ancona nach- wies, eine indische Parallele.
Ins Altertum gehören die Höhlen von Fiesole, einer auch sonst sagenumwobenen Stadt. Sie wird von einem gegründet, der aus dem Osten gekommen ist und sich König Atalante nennt, gerät dann in die Hände des Inders Burrasso, eines grausamen Menschen. Um der Gefahr zu entgehen, von ihm getötet zu werden, gräbt ein Edelmann von Fiesole eine Höhle in den Berg, um für sich und seine Kinder einen Zufluchtort zu erhalten. Die Göttin Diana bewohnt mit einer Nymphe schon längere Zeit diesen Berg, den auch ein Schäfer mit zwei Schwestern besucht. Eines Tages überraschen er und eine der beiden Schwestern Diana an einer Quelle, wie sie eben im Begriffe ist, sich auszuziehen; der Hirt flieht, um das Schamgefühl der Göttin nicht zu verletzen, lässt aber seine Schwester zurück, mit der Diana liebreich spricht. Der Hirt kommt voller Schrecken zu seinen Eltern und erzählt, was vorgefallen ist; einer seiner Nachbarn, der in die Schwester verliebt ist, eilt zu ihrer Befreiung herbei; Diana segnet die Ehe der beiden, nachdem deren Vorbedingungen mehr als genügend erfüllt sind.
In dem Esempio d'un giovane ricchissimo wird die bekannte Geschichte von dem reichen Jüngling erzählt, der sein väterliches Erbe verschwendet hat und sich an einem Balken aufhängt, der unter der Last zusammenbricht und
— XII —
Siehe R. Köhler, Kleinere Schriften II, 213. a) Siehe A. d'Ancona, Poemetti popolari pp. 1—52.
einen Schatz zum Vorschein bringt, den der Vater vorsorglich dort verborgen hatte.
Giambullari Bernardo ist auch der Verfasser eines Gedichts, in dem der Teufel auf den Esel eines Klosters steigt, es versteht, sich von den Mönchen zum Abte wählen zu lassen und dort eine neue „Ketzerei" einführt. Vom Teufel im Nonnenkloster erzählt eine Novelle des Franzesco da Barberino.
In der Geschichte des Kastellans wird erzählt, wie er lange die römische Gampagna ausraubt und von einem Mönche bekehrt, der ihm zur Busse für seine grässlichen Sünden auferlegt, eine einzige Nacht in einer Kirche im Gebete zu verharren; wie der Teufel in verschiedenen Gestalten und vielfachen Weisen umsonst versucht, ihn davon abzubringen; wie er zu einem Musterleben zurückkehrt, einen Spital für Pilger und Kranke gründet und sich ganz ihrem Dienste widmet1)
Die Novelle von dem Eifersüchtigen von Florenz ist lange nicht so interessant wie die im Text gegebene von dem Eifersüchtigen. Ein Bildhauer hat eine bewegliche Statue geschaffen, welche der Frau eines Bürgers gleicht; der schlägt in seiner eifersüchtigen Wut der Bildsäule den Kopf ab, ohne damit aufzuhören, zum Hahnrei gemacht zu werden.
Die wenig interessante Novelle von Ginevra degli Almieri handelt von einer Scheintoten.
Wichtig dagegen sind für die vergleichende Literatur- geschichte die beiden Geschichten von Johannes Chry- sostomuB und St. Albanus, die im Grunde identisch sind.2) Ein Einsiedler, der sich die himmlische Glorie erwerben wollte, hatte sich besonders Enthaltung von Wollust, Totschlag und Meineid auferlegt. Aber der Teufel läset zu seiner Einsiedelei eine hübsche junge Königstochter gelangen, die sich auf der Jagd verirrt hat und ihn um Unterkunft während der Nacht bittet Der von den Sinnen überwältigte Einsiedler tut dem Mädchen Gewalt an und tötet das Opfer seiner Wollust; den Boten des Königs, welche die Verirrte suchen, schwört er, es sei seit Jahren kein Mensch mehr in dieser Einsiedelei erschienen. So hat er in kurzer Zeit die Frucht so mancher Jahre des Gebets und der Kasteiung zerstört. Als er plötzlich
— XIII —
*) Siehe Bédier, Les fabliaux. Paris 1893. pp. 406. 2) A. d'Ancona, Poemetti popolari Bologna 1889. pp. 391—658. S) Crane, Italian popular tales p. 307. Imbriani, Novellaja fiorentina pp. 93 ff.
wieder zu Verstand gekommen ist, hofft der Lüstling, der Mörder und Meineidige, es sei ihm die Aassicht auf das ewige Heil noch nicht ganz abgeschnitten, wenn er seine Busse noch strenger gestalte, am Boden krieche, das Auge nie zum Himmel erhebe und nicht spreche, bis Gott ihm ein sichtbares Zeichen schicke, dass ihm seine Untaten verziehen sind. Einige Jahre spater kehrt der seiner Tochter beraubte König auf der Jagd in den Wald zurück, wo der Einsiedler, mehr Tier als Mensch, haust. Als er vor den König geführt wird, ist nun die beste Gelegenheit für ein solches Zeichen: Das getötete Fräulein erscheint lebendig, König und Gott verzeihen ihm und bald stirbt er, um in die ewige Wonne einzugehen.
Die Geschichte von Lodovico und Madonna Bea- trice behandelt das gleiche Thema wie der altfranzösisch» Schwank: Der geprügelte und zufriedene Hahnrei Dem Ehe- mann kommt mit Hecht die Treue seiner Frau verdächtig vor; er verkleidet sich und wirbt um ihre Gunst. Die merkt zur rechten Zeit, dass sie ihren Mann vor sich hat, sperrt ihn in ein Kämmerlein und läset ihn von seinen eigenen Leuten ordentlich durchbläuen. Hochbeglückt sinkt er dann in die Arme seiner treuen Gattin.1)
Die sehr verbreitete Novelle Ottin eil o e Julia9) stammt wahrscheinlich aus der gleichen Quelle wie das französische Volksbuch, Pierre de Provence et la belle Maguelone, nämlich aus einer Erzählung von Tausend und einer Nacht. Ottinello entführt Julia, die von ihrem Vater verfolgt wird» Die Liebenden schlafen in einem Walde ein; ein Falke trägt den Schleier Julias weg; Ottinello sucht den Vogel zu erreichen und wird bei seiner Verfolgung von Korsaren zum Gefangenen gemacht. Nach vielen Abenteuern finden sie sich wieder, heiraten und der Vater Julias verzeiht ihnen.
Die Geschichte von der Königin Stella und Matta- bruna, welche die Leiden schildert, welche eine Schwieger- tochter mit ihren Kindern von ihrer Schwiegermutter zu er- dulden hat, gehört dem grossen Sagenkreise von der unschuldig verfolgten Frau an.8)
— XIV —
*) VgL d'Ancona, la figlia del re di Dada und Suchier in der Einleitung seiner Ausgabe der Manne quin e Beaumanovis. Paris 1884.
2) S. G. Gröber, Lat. Litteratur p. 412.
Das gleiche laset sich von St. Uli va sagen, die sich eher die Hand abschneiden laset, als dass sie ihrem unnatür- lichen Vater zu willen ist.1)
Viele Abenteuer sind zusammengesehweisst in l'innocenza trionfante (die triumphierende Unschuld). Leodoro, dem König von Armenien, wird ein Sohn geboren, den aber ein ungetreuer Bitter, dem er anvertraut worden, mit dem Seinigen vertauscht und in den Tigris wirft. Von einer Löwin gerettet, wird er von einem Hirten aufgenommen, der ihm den Namen Leonildo gibt; er wächst zu einem tüchtigen und tapfern jungen Mann heran. Nachdem er verschiedene Proben seiner Tapferkeit ab- gelegt, zieht er an den Hof des Könige von Medien und ver- liebt eich in dessen Tochter Bodisbe, mit der er nach Armenien flieht. Dort angekommen hört er, dass die Königin auf eine falsche Anklage wegen Ehebruchs hin zum Tode verurteilt ist; er kämpft mit dem Ankläger und zwingt ihn, sterbend ihre Unschuld zu erklären. Beim ganzen Hofe beliebt entdeckt er nicht lange nachher eine Verschwörung, welcher der König, also sein Vater, hatte zum Opfer fallen sollen; aber als er später, in seiner Ehre angegriffen, den angeblichen Königsohn tötet, wird er ins Gefängnis geworfen, wo er an einer Gedenk- münze, die er am Halse trägt, von dem erkannt wird, der ihn in den Flues geworfen. Dieser entdeckt dem König die Wahr- heit, wird zum Tode verurteilt und auf die Bitte Leonildos hin zu ewiger Haft verurteilt; Leonildo selbst wird vom Vater anerkannt und führt mit ihm und mit Weib und Kind ein fröhliches Dasein.
Das Buch von Birria und Gieta ist die Italianisierung einer lateinischen Komödie, welche W. Müller 1840 in Bern herausgegeben hat, und welcher dem Vital von Blois zu- geschrieben wird.2)
Die Kaufmannstochter, welche am ersten Abend ihrem Gatten entfloh, ist eine graziöse Geschichte. Ein Kaufmann hatte eine ebenso schöne als naive Tochter, der ein junger Mann im Spasse sagte, ihre Schönheit wäre ohne Gleichen, wenn man ihr ein Kind machte. Sie fragt natürlich sofort, wie man das zu Wege bringe, und ihr Vater züchtigt
I.
Llombruno.
Erster Gesang.
(1) Allmächtiger Gott, der du im Himmel bist, himmlischer Vater and heiliger Heiland, der du das Gute und Böse eines jeden weiset und deesen Weisheit überall herrscht, der du jedem, der dich anruft, Gnade gewährst, sei mir so gnädig, dass ich einen schönen Gesang dichten kann, der jeden vom Kopfe bis zum Scheitel gefalle. (2) Meine Herren, ich finde, dass durch die Armut viele Leute ins Unglück geraten sind und ihre Freiheit verloren haben, so hart hat sie die Armut verfolgt. Ich will hier eine Geschichte davon erzählen, von einem armen Manne, wenn ihr mich anhören wollt, der aus Armut in solche Not geriet, dass er eines Tages dem Teufel eines seiner Kinder gab. (3) Der arme Mann war Fischer und zog jeden Tag zum Fischfang aus. Zu seinem Unglück fing er immer wenig Fische. Land oder Beben hatte er auch nicht, doch sechs Kinder zu ernähren, und sein Weib war blühender als eine Bose und er erhielt sie nur vom Fischfang und von gar nichts anderem. (4) Eines Morgens erhob sich der gute Mann und ging wieder mit seiner Barke auf den Fischfang. Und an jenem Tage fing er gar keinen Fisch, sodass ihn Verzweiflung erfasste. So kam er zu einem Inselchen, auf dem sich der Teufel befand, der zu ihm sprach : „Was willst du mir geben, wenn ich dir Fische und recht viel Geld gebe?" (5) Und er antwortete: „Da du es kannst, befiel mir, was ich tun kann." Der Teufel setzte seine Mienen auf und sprach: „Wenn du mir eines deiner Kinder auf dieses Inselchen bringet und mir versprichst, mich nicht zu täuschen, so will ich dir Fisch und viel Geld in Gold und Silber zu
Volkatftmliobt Dichtungen der Italien». 1
2
deinem Fortkommen geben.u (6) Und jener gute Mann hatte darüber grossen Schmerz, aber ans Armut muse er es ihm wohl versprechen. Er sprach also : „ Ich will dir den kleinsten geben und ihn auf diese Insel bringen." Und der böse Teufel kargte nun nicht ; er nahm Fische und füllte damit die Barke, dann gab er ihm viel Geld, dass er es mit sich nehme und sagte: „Wenn du mich tauschen solltest, würde ich dich ersäufen." Und jener gute Mann antwortete kühn: „Sicher werde ich dich nicht betrügen." Dann ging er mit den Fischen* und recht viel Geld nach Hause. Er kaufte gute Kleider für sich, sein Weib und seine Kinder und versah das Haue mit Lebensmitteln; wegen des Knaben hatte er grosses Weh im Herzen. Nun rief er seinen jüngsten Sohn und in der Barke führte er ihn mit sich; rudernd gelangte er zur Insel, wo er ihn aus der Barke nahm und sagte: „Warte, bis ich zurückkehre!u Und so liess er um solchen Gewinn das Söhnchen, das nicht einmal sieben Jahre zurück- gelegt hatte. (9) Und jener gute Mann schied von dannen, denn den Tod des Kindes wollte er nicht sehen. Und der Teufel kam geradenwegs daher und wollte ihn mit sich nehmen, um ihm dieses Schicksal zu bereiten. Das Kind war sehr erschrocken, denn es hatte niemand, der ihm beistand, und mit solcher Kraft schlug es das Kreuz Christi, dass der Teufel wegfloh. (10) Das Kind blieb unter grosser Furcht mutterseelen allein auf jener kleinen Insel und schaute in die Höhe und sah dort eine Frau in Gestalt einer Jungfrau stehen, die im Gesichte einem Adlerweibe glich, und sie kam auf das Kind zu und sprach: „Fürchte dich nicht, ich will dich von diesem Orte wegnehmen." Das Knäblein sagte: „Ich will von hier nicht weggehen, denn ich muss auf den Vater warten. „Gerade zu deinem Vater will ich dich tragen," sprach die Frau und nahm das Kind und fing an, sich in die Lüfte zu erheben, und trug es so hoch, dass ihm die Haare verbrannten. (12) Dann zeigte sie ihm das schöne Land da oben und ihr Schioes, das in weiter Entfernung lag — vier- hundert Tagereieen und noch mehr erwähnen die Bücher —; jenes Adlerweib aber mit dem trefflichen Kinde legte den Weg in einer Nacht zurück durch Zauberei ; am Abend hatte sie es von der Insel weggenommen und am Morgen kam sie schon in ihrem Schlosse an. (13), Sie legte es in einem schönen Saale nieder und sagte: „Erwarte mich hier, bis ich zurückkehre.u Sie trat in ihre Kammer ein und wurde ein
Fräulein, das geradenwegs aus dem Paradies zu kommen schien, denn sie leuchtete mehr als der Morgenstern, und der glänzenden Sonne glich sie; mit vielen schönen Kleidern war sie angetan und hatte noch nicht zehn Jahre überschritten. (14) Das Mädchen, von dem ich euch spreche, hies s Madonna Aquilina und rettete den Knaben vor dem Teufel, als sie ihn von dem Strande wegtrug. Sie ging zu ihm und sagte: „Gott gebe Dir einen guten Morgen! Ich bin die, die dich тог dem Teufel rettete und dich so hoch trug.44 (15) Und jenes Kind dankte ihr in seiner guten Art höflich und sagte zu ihr: „Madonna, des bin ich froh und werde immer Euer Diener eein.a Und sie antwortete: „Habe keine Angst; ich werde dir noch grössere Freude machen.4* Sie war zehn Jahre alt und er sieben, und er blieb noch mehr als acht Jahre Jüngling. (16) In der Zwischenzeit übergab sie ihn einem Lehrer zum Studieren und er machte gute Fortschritte und lernte auch Fechten und Turnieren und wurde ein tüchtiger Mann im Waffenspiel und seine Hiebe konnte keiner ertragen, und wohl sprach jeder aus jenem Lande: „Sicher ist dieser der Sohn eines Barons oder eines Grafen,u so tüchtig und wohlgebildet sah er aus. (17) Als sie an Jahren gewachsen waren, glich sie einer Lilie und er einer Hose, und jenes Weib voller Schönheit sagte: „Mein Herz wird nie Huhe haben, wenn ich nicht meinen Wunsch erfülle. Möge es dir gefallen und gerne, dass ich deine Gattin sei und du mein Mann, da ich dich zu einem stattlichen Jüngling auferzogen habe." (18) Und er hat, wohlgezogen wie er war, geantwortet und zu ihr gesagt: „Madonna Aquilina, mit grosser Mühe habt Ihr mich aufgezogen, nachdem Ihr mich vom Strande weg gerettet. Ich bin bereit, zu tun, was Euch gefallt.a
Seinen Namen nannte er jedermann, und von da an hiessen ihn die Leute Liombruno. (19) Und dann heiratete er sie mit allen Förmlichkeiten. Und sein Schloss war stark und mit allem Nötigen versehen, und hatte in der Luft zwei Tore, die durch Zauberei und zwar so gebaut waren, dass nie- mand dort eintreten konnte gegen den Willen der Madonna Aquilina. (20) Und Liombruno kannte den Zauber und ging nach Belieben dort ein und aus, und oft ging er zu Turnieren und zeichnete sich dabei aus, und jene Frau voller Liebreiz liebte ihn von Tag zu Tag mehr, denn er war schön und anmutig, so dass ihre Leidenschaft für ihn keine Schranken kannte. (21) Aber als er eines Tages schlechter Laune war,
1*
sagte sein« Frau zu ihm: „liebster Mann und Gatte, weswegen bist du so zornig gegen mich?" Und Liombruno antwortete ihr:
яFrau, ein heftiges Sehnen ist in mir erwacht; meine Bruder und meinen Vater und meine Eltern möchte ich wieder einmal zusammen sehen." (22) Die Frau sagte: „Wenn du gehen willst, versprich mir ohne Trug, vor Jahresfrist an dem Tage zurückzukehren, den ich dir als Termin setze." Und Liombruno versprach, dies ohne Pein zu tun, und sie gab ihm dann einen Bing, der ihn vor Unheil schützen sollte. (23) Und sie sprach dabei: „Dieser Bing diene dir zu deinem Vergnügen. Was du von ihm verlangen magst, Geld und Gut, wird er dir nach Wunsch liefern. Aber zeige ihn niemand, sonst ist er unwiederbringlich verloren. Und mach, dass du in einem Jahre zurück seiest, und wenn du langer bleibst, dürfen es nicht mehr als vier Tage sein." (24) Und Liombruno sagte: „Gerne". Uud jene edle und anmutige Frau liées, bevor er sich zu dieser Reise aufmachte, vier Tage prächtigen Hof halten und Hess ihn zum Bitter schlagen und das glänzende Schwert wurde ihm umgürtet, und nachher nahm Herr Liombruno Abschied. (25) Er brauchte vierhundert Tagereisen, um in sein Vaterland zurückzukehren, aber jene Frau liess ihn durch Zauberei einschlafen und befahl ihrer Kunst, ihn nach seinem Lande zu befördern. Und so schlief er am Abend ein und am Morgen war er in seiner Heimat. (26) Und als die Morgenröte anbrach, erwachte Liombruno und erhob sich auf seine Fusse und sah eich um; das schöne Land hat er wieder erkannt und als feingesitteter Bitter hat er demütig Gott gedankt und dann seinen Bing um Erhörung gebeten und es kam alles, was er von ihm verlangte. (27) Dank seiner Wunderkraft verschaffte ihm der Bing zuerst einen guten Benner, dann ein schönes und prächtiges Kleid, wie es einem Bitter wohl ansteht, dann ein mit Talern zu diesem Zwecke wohl versehenes Kästchen, und dann kamen auf dee Bitters Wunsch Mannen zu Fuss und zu Pferde. (28) Und mit diesem Volke und diesem Kästchen ging er nach Hause, wo er seinen Vater fand ; und seine Brüder waren gar glücklich, das Kästchen aber bot er der Mutter an, drin Geld für Freunde und Verwandte war, die alle sagten: „Willkommen sei Herr Liombruno." (29) Und alle sprachen nachher: „Liombruno, wo bist du denn gewesen?" Und Liombruno antwortete: „Um die Wahrheit zu sagen, bin ich bei gewissen Kaufleuten ge- wesen, bei denen ich viel Geld verdient habe und die mich
wegen der guten Dienste, die ich ihnen geleistet, mit Kleidern schön ausgestattet haben und denen ich es verdanke, Bitter mit goldenen Sporen zu sein." (30) Wohl neun Monate blieb er da und machte beständig jedem seiner Freunde und Verwandten Geschenke, und auch in WaffenÜbungen und Turnieren tat er sieh oft hervor. Und Liombruno wurde von allen geehrt. Als die neun Monate um waren, sagte er zu seinen Eltern: „Ich muss nun Abschied nehmen; (31) denn ich habe jenen Kaufleuten versprochen, vor Ablauf des Jahres zurückzukehren." Da sagten sofort seine Verwandten: „0, Liombruno, wohin willst du gehen? Der König von Granada, der hier in der Nähe wohnt, will seine Tochter verheiraten und hat ein Turnier ausrufen lassen: wer darin Sieger ist, soll sie heimfuhren.u (32) Als liombruno das hörte, kam ihn Lust an, sein Gluck zu versuchen. Von dem Binge erbat er eich sofort einen schönen Benner mit einer prächtigen Büstung, und was er verlangte, stellte sich sofort ein. Liombruno wappnete sich dann und nahm Abschied von seinen Leuten, die alle weinten. (33) Als Liombruno Abschied genommen hatte, ritt er so lange, bis er in Granada ankam, wo das Turnier angesagt war. Und das prächtige Fest war schon im Gange, und so ging er am folgenden Tage auf die Wiese, wo das Volk sich versammelt hatte: dort war auch ein gar starker Sarazene, der beinahe schon Sieger im Wettkampf war. (34) Dieser Sarazene besass eine solche Stärke, dass sich keiner an ihn heranmachen wollte, und er war so tüchtig und strotzte so von Kraft, dass seinen Hieben keiner widerstehen konnte. Und Liombruno voller Vornehmheit stellte sich ihm entgegen und der Sarazene sagte: „Ergib dich mir, oder wenn du kämpfen willst) mach dich bereit.u (35) Liombruno antwortete: „Gerne", und entfernte sich mit seinem Pferde, um zum Anlauf aus- zuholen. Und der Sarazene, der so stark und so stolz war, nahm feste Stellung auf seinem guten Benner und wandte sich seinem edeln Gegner entgegen. Beide Bitter spornten ihre Pferde heftig, und nun werdet ihr von ausserordentlichen Hieben hören. (36) Der Sarazene und Herr Liombruno trafen sich gegenseitig mit aller Kühnheit und jeder gab dem andern einen schweren Hieb; aber der Sarazene war der verlierende, und die Büstung, die er anhatte, nützte ihm keine Bohne, denn der edle und kräftige Liombruno stiess ihm das Eisen und den Speer so tief ins Herz, dass er ihn tot vom Pferde warf. (37) Als der Sarazene tot vom Pferde gefallen war,
— 6 —
durchritt Liombruno das Feld und brachte alle, die er antraf, zu Fall, so dass ihm alle den Platz frei gaben, denn wohl schien er ein edler Paladin und mit lauter Stimme sagte jeder: „Mutiger Mann, kämpfe nun nicht langer, denn die Ehre des Turniers gehört dir." (38) Der König liées den Bitter kommen und sprach zu ihm: „Tapferer Held! Meine Tochter sei dein Weib, du mein Schwiegersohn und ihr Gatte.u Und Liombruno sagte: „Gerne tue ich, was Euch gefällt, hoher ruhmreicher König." Aber bevor er sie ihm gibt, will er sich mit seinen Baronen beraten. (39) Der König fragt seinen Weisen und sagt: „Was dünkt Euch топ dem Bitter?" „Dir müest es wissen", sprachen diese. „Vielleicht hat er in seinem Lande ein Weib; auch scheint er mir nicht топ so edler Abkunft, dass er zu einem solchen Zweck zu Euch passe. Wenn er auch wacker und voller Kraft ist, scheint er uns nicht der richtige Gemahl für Eure Tochter« Aber wenn Dir nach unserm Bate handeln wollt, so macht, dass jeder sich einer Sache rühme und dass er ohne Aufschub den Beweis leiste." Und so Hees er am folgenden Tage alle seine Barone in einem Saale ver- sammeln und befahl, dass jeder vortrete, seinen grössten Preis nenne und ihn dann vorzeige. (40) Der eine rühmte sich seines schönen Weibes, der andere seines schönen Hauses, der eine seines schnellen Pferdes, seines trefflichen Benners, der andere eines edeln Sperbers oder Falken, ein dritter eines Palastes oder hohen Turmes, ein vierter unterfing sich irgend eines Unternehmens. Und ab jeder geprahlt hatte, wurde auch Herr Liombruno gefragt. (41) „Nun", sagte der König, „habt Ihr gar nichts zu rühmen?" Und Liombruno antwortete und sprach: „Heilige Krone, verzeiht! Ich rühme mich meiner Dame, der schönsten, die man finden kann, und in zwanzig Tagen will ich das beweisen." (42) „Du bittest mich um eine Frist von zwanzig Tagen und ich will dir dreissig gewähren." Liombruno sprach zu seinem Binge: „Bringe mir schnell Madonna Aquilina her." Diese Dame aber wollte, weil er ihr die Treue nicht gehalten, nicht kommen, damit er sein Benehmen bereue ; rasch vergingen achtundzwanzig Tage und am dreissigsten sollte er den Kopf verlieren. (43) Am dreissigsten Tage kam sie und hielt sich ausserhalb der Stadt auf. Eine ihrer Zofen schickte sie verkleidet an den Hof des Könige, und als der Herrscher sie sah, die voller Anmut war, sagte er zu Liombruno : „Ist das dein Weib?" Und der antwortete: „Nein, lieber Herr!" (44) Dann trat eine Kammerjungfer vor den König und seine
7
Barone, und als der König diese betrachtete, die so schön gebildet war, sprach er zu Liombruno folgendermassen: „Ist das dein Weib, edler Kämpe ?" Liombruno antwortete mit sanfter Stimme: „Beide sind ihre Dienerinnen-u (45) Und Madonna Aquilina kam schliesslich mit ihrem holden Antlitz, das Glanz ausstrahlte; dem Blicke des Könige zeigte sie sich und schied dann ohne zu verweilen von dannen. Und als der König sie betrachtet hatte, sagte er zu Liombruno: „Edler Herr, verzeiht mir.u Und der antwortete: „Verzeiht eher mir." (46) Und Liombruno nahm Abschied und ging hinter seiner Frau her. Sie wartete auf ihn auf einer schönen Wiese und Liombruno bat sie weinend um Gnade. Und sie sprach: „Falscher, Treuloser, dein Tod täte mir trotzdem noch leid." Mit Zauberei ging die Dame davon und liées ihm weder Rüstung noch Pferd. (47) Weder Hüstung noch Pferd liess sie ihm, und Liombruno trat in ein Wäldchen ein und traf da drei Strassenräuber, die alle voller Verzweiflung schienen, wie ich im zweiten Gesang euch sagen werde samt dem, was dem Hitter begegnete. Der erste Gesang von Liombruno ist nun beendigt; Christus und seine Mutter mögen euch vor Unglück bewahren.
Zweiter Gesang.
(1) Herrscher der ewigen Reiche, du biet licht, Tod und Leben; du beherrschest die ganze Welt und nahmst Fleisch- gestalt an in der gnadenreichen Mutter. Gib mir Gnade, o Herr, dass ich die schöne blumenreiche Geschichte fertig reime* Im Namen Gottes will ich den zweiten Gesang von Liombruno beginnen. (2) Ihr Herren, im letzten Gesänge sagte ich euch, wie Liombruno dem Teufel entrann. Dann erzählte ich wieder Punkt für Punkt, wie er mit grossen Ehren zum Vater zurück- kehrte, auch was er dann tat und wie Madonna ihn verliess und іЬщ weder Waffen noch Pferd liess und wie er in eine schwierige Lage geriet. (3) Drei Strassenräuber hatten zwei Kaufleute mit grosser Grausamkeit getötet und ausgeraubt und hatten ihr Geld zum Verteilen auf einer Wiese auf einen Stein gelegt. Und jeder schien sehr aufgeregt und sie machten zusammen einen grossen Lärm und zogen die Schwerter, um sich zu töten, und das alles um einen Mantel und ein Paar Hosen. (4) Den Mantel wollte der eine, die Hosen der andere, und sie konnten nicht einig werden, weil dann der dritte leer
— 8 —
aueging, und so wurden alle drei böee. Unterdessen kam Liombruno herbei, als sie gerade feet auf einander einhieben, und der älteste rief ihn an und Liombruno eilte rasch hin. Und er sprach zu ihm: „Wackerer Freund, achte sehr auf diese Dinge. Gib dein Urteil über diesen hübschen Mantel und diese Hosen ab.u Liombruno antwortete ihm: „Dass ich einen gerechten Entscheid fällen kann, mögt ihr mir die guten Eigenschaften des Mantels und der Hosen künden, da ihr sie offenbar kennt." (в) Einer топ ihnen, welcher der ver- ständigste war, fing an, zu Liombruno zu sagen: „Du sollst wissen : Wer diesen Mantel an hat, kann von keinem lebendigen Menschen gesehen werden. Und von der Trefflichkeit dieser Hosen will ich dir sagen: Wer sie trägt, läuft schneller als der Wind, denn mit Zauberei wurden sie verfertigt." (7) Liom- bruno sagte: „Das könnte ich nur glauben, wenn ich es selbst probiert hätte." Und der älteste antwortete ihm: „So zieh sie an und geh damit auf diesem Wege einige Schritte." Liombruno zog sie ohne Zögern an und so bekleidet bat er einen um den ManteL (8) „Wenn das wahr ist, was ihr sagt, so ist der meiner Treu einen grossen Schatz wert" Der älteste sagte: „So zieht ihn doch an; er wird euch Gewissheit geben, dass dem so ist!" Und er legte ihn um und sprach: „Seht ihr mich?" „Nein, meiner Treu," sagte jeder; und er nahm das Geld, wie es ihm beliebte, denn keiner von ihnen konnte ihn sehen. (9) liombruno zögerte keineswegs; er trug Mantel und Hosen weg. Und die Räuber blieben traurig zurück und namentlich waren sie über den ältesten erzürnt. „Er ist dein Freund, und ein Verwandter von dir," sagten sie zu ihm, „und du hast ihn so entwischen lassen." Der älteste sprach: „Ich kenne ihn weiter nicht und ich sah ihn sonst nie als in diesem Walde." (10) Aber alle Ausreden, die er vorbrachte nützten ihm nichts: sie wollten ihm keinen Glauben schenken und spraohen: „Du hast ihn weggeschickt, um ihn später aufzusuchen, wenn es dir passt." Und voller Wut drangen sie mit ihren Degen auf ihn ein und brachten ihn auf jener Wiese zu Tode. (10) Und ale dies vollbracht war, wandten sie sich zu den Steinen mit dem Gelde, und als sie sahen, dass dies verschwunden war, gerieten beide in grosse Wut und jeder beschuldigte den andern, es gestohlen zu haben. Und mit ihren Schwertern hieben sie so fest auf einander ein, bis beide zu gleicher Zeit tot am Boden lagen. (12) Und Liombruno, der das grosse Getöse hörte, wandte
sich um und sah zu, wie sie mächtige Streiche führten und wie eie voller Wut einander zusetzten* Ohne Aufschub kehrte er zurück und nahm nach Belieben der Gulden drei tausend und siebenhundert und eilte dann schneller als der Wind weg. (13) Und Liombruno wanderte so lange, bis er in eine Stadt kam und dort in eine Herberge eintrat, wo er drei Kaufleute traf. Und er grüsste sie und sie standen auf und erwiderten seinen Gruse. (14) Und als Liombruno die Kaufleute sah, die ihm Ehre erwiesen, sprach er mit sanfter Miene: „Setzt euch, edle HerrenIй Und Liombruno sprach zum Wirte: „Bring Wein, und zwar vom besten, und gebt diesen Kauf- leuten zu trinken, denn ioh will mit ihnen einen vergnügten Tag machen. (16) Der Wein wurde also gebracht, und als sie getrunken hatten, sprach Liombruno und sagte zu ihnen: „Edle Kaufleute, ihr sucht die Welt nach allen Eichtungen ab und besucht alle Reiche und Lander. Weift mir doch das Land über dem Meere, wo Madonna Aquilina wohnt" (16) Keiner von ihnen konnte es ihm sagen; der eine wie der andere der beiden Kaufleute sagte: „In meinem Leben habe ich nie von einem solchen Lande reden hören.u Der älteste aber sprach: „Du könntest tausend Meilen, Wochen und Monate wandern, du fändest eine ähnliche Sache nicht; sicher könnte dir dat nur der Wind zeigen." (17) Liombruno sprach: „Ist denn keiner da, der mir sagen könnte, wo ich den Wind antreffen kann?" Der älteste antwortete: „Wenn du auf jenen Berg steigen und dort die Winde abwarten wolltest, die bei einem Einsiedler Herberge nehmen; es sind ihrer mehr als sechzig, wenn sie bei einander sind, und alle gleichen einem Menschen. (18) Aber probiere es nicht etwa, die Reise zu wagen, denn nur ein Eremit war dort und der wird von den Winden hingetragen. Und das erneuert sich mit jedem Jahresanfang, wie es der Himmelsgott angeordnet hat. (19) Jener Berg ist so hoch und so steil, dass, wenn irgend jemand den Aufstieg zu seinem Unglück unternimmt, er auf der Hälfte des Weges abstürzt und tot unten in der Ebene aufgefunden wird. Deswegen fürchtet sich jeder dorthin zu gehen." Liombruno sagte: „Und doch muss ich hinziehen." (20) Koch war die Sonne nicht untergegangen, als Liombruno von diesen Abschied nahm. Die Kaufleute hatten ihm Weg und Aufstieg des Berges gewiesen und er hatte ihnen dafür gedankt. Er macht sich auf, zieht den Mantel an und bedient sich auch der Hosen, um geschwinder bei dem Einsiedler zu
— 10 —
sein. (21) Mit der Wimderkraft, die sie besassen, marschierte er fröhlich, kam zum Berge und stieg ohne Furcht hinan. Er kam zur Zelle des Einsiedlers und klopfte an. Der Klausner wunderte sich und machte das Zeichen des Kreuzes; dann öffnete er das Turchen und sah niemanden. (22) Und jener Einsiedler hatte grosse Furcht und glaubte, es sei der Teufel, der alle hintergeht. Liombruno trat etwas zurück, zog den Mantel aus und rief Christus und die heilige Mutter an ; dann trat er an das Pförtchen. Als der Klausner die reine Jungfrau nennen hörte, fasste er wieder Mut. (23) Noch nicht ganz war die Sonne untergegangen, als, wie die Geschichte berichtet, Liombruno bei dem Einsiedler ankam. Und dieser sagte: „Freund, wie bist du hierher gekommen und auf welcher Seite bist du aufgestiegen? Hierher ist nie ein Mensch ge- langt, der Wind habe ihn denn hergetragen." (24) Und Liombruno antwortete ihm und sprach zu dem Klausner: „Mein Schicksal hat mich hieher gebracht und diese Hosen habe ich zu solchem Ende getragen. Voller Sehnsucht bin ich nach meinem Weibe, das auf dem Grunde meines Herzens ruht. Madonna Aquilina heisst sie und das Land, das sie beherrscht, ist offenbar absonderlich." (25) Der Klausner sagte unter dem Einflüsse Gottes zu Liombruno: „In meinen Leben habe ich nirgends ein solches Land nennen hören." Liombruno sagte: „Ich bin dahin belehrt worden, dass die Winde hier einkehren. Im Namen Eurer Höflichkeit bitte ich Euch, fragt sie mir zu Liebe danach, wenn sie kommen." (26) „So tritt ein," sagte der Einsiedler, „bis die Winde einer nach dem Andern hereinkommen. Dann will ich fragen, ob einer es wiese." Liombruno trat in die Zelle ein, wo der Einsiedler wohnte, um dort zu bleiben, bis alle die Winde zurückkehrten. Und jener Einsiedler fragte und beschwor sie im Namen Gottes. (27) Zuerst kam der Westwind, dann der grosse Südwestwind, plötzlich nachher der Ostwind, der grosse Ver- wüstung mit sich bringt; ebenso kam der Hauptwind und der griechische und der Meereswind, der Auster und Boreas, der von jenseits der Berge und andere Seewinde aus ihrer Höhe. (28) Und jener gottbegnadete Einsiedler fragte einen der Winde nach dem andern und beschwor ihn im Namen Gottes, ihm Kunde über jenes Land zu geben. Jeder sagte: „Ich bin nie dort gewesen." Aber einer sagte: „Der Sirocco muss noch zurückkehren; vielleicht weiss der etwas davon." (29) Unter- dessen war der Sirocco angekommen und jener Einsiedler be-
schwor ihn bei der Kraft Gottes nach jenem Lande, wo die Madonna Aquilina ist. Der Sirocco antwortete: „Dort bin ich schon gewesen und werde morgen früh dorthin zurück- kehren." Und Liombruno sagte: „Wenn es dir recht ist, will ich mit dir kommen." (30) Der Wind sagte: „Willst du mit mir kommen? Jenes Land ist sehr entfernt und ich könnte nicht auf dich warten, Freund, so dass du umsonst redest" Liombruno sagte: „Ich kann dir wohl folgen über Berg und Tal, wenn du mich morgen rufen willst, wenn du auf dem Funkte bist, aufzubrechen." (31) Der Sirocco sagte: „Ich will dich rufen, da du mit mir kommen willst; aber nirgends werde ich auf dich warten, das sag ich dir und das sollst du wissen. Strasse und Weg will ich dir weisen und will sehen, ob du mir nachkommst." „Ich bin zufrieden", sagte Liombruno, „wenn du mir nur diesen Dienst erweisest". (32) Und der Klausner gab ihnen zum Nachtmahl, was er hatte, und der Engel des Herrn besuchte ihn. Der Klausner ging mit Liombruno zu Bett, der die Beinkleider nicht aus- zog, um sofort bereit zu sein, wenn der Wind ihn rufe, und um ihm an den Ort zu folgen, wo er hinging. (33) Als der Tag hell wurde, rief der Sirocco Liombruno und sprach: „Freund, willst Du mitkommen?" Und er antwortete: „Ich bin bereit". Ohne Zögern schritt er hinaus, und der Sirocco wies ihm Weg und Steg und sagte: „Siehst du den Berg, der in weiter Ferne liegt? Dort wirst du mich finden, wenn du mir nachkommst" Dann machte sich der Sirocco pustend auf und Liombruno nahm von dem frommen Klausner Ab- schied und eilte in schnellem Laufe hinter dem Winde dahin und legte den Mantel an. Bald kam er dem Sirocco zuvor und kam so früher als dieser auf dem Berge an, so dass er auf ihn warten musste. (35) Da sprach der Wind: „Was für ein Mensch bist du, dass ich dich auf dem Wege nicht gehen konnte? Und du marschierst eben so schnell und noch schneller als ich, und ich glaubte, du könntest nicht mit- kommen? Siehst du jenen Berg in der Ferne? Dorthin muset du mit mir gehen, und dann werde ich dir, lieber Freund, dass Schloss der Madonna Aquilina zeigen." (36) Dann machte sich Sirocco wieder auf den Weg und Liombruno zog seinen Mantel an und war dem Winde bald ein gutes Stück voraus, der Liombruno manchmal anrief, der sich umwandte und Antwort gab. Und so langte er vor dem Winde an und nahm den Mantel ab. (37) Als das geschehen war, kam der
Wind an und sprach: „Ich versichere dich, lieber teurer Freund, dass du der schnellste Laufer bist, den ich in meinen Leben gesehen habe. Erhebe dich nun und sieh dort das Schloss". Damit schied der Wind von ihm und schlug einen andern Weg ein; Liombruno aber eilte nach dem Schlosse. (38) Voller Fröhlichkeit trat er sofort ein und stieg im Palast empor. Im Saal stand das Mahl bereit, denn Madonna Aquilina will essen. Er setzte sich und ass aus dem Teller und die Dame sah den Bitter nicht. (39) Ein Hof fraulein schnitt vor und ein anderes diente mit dem Becher. Und Liombruno ass mit gutem Appetit, denn er hatte es nötig, und niemand sah ihn. Aber jene Frau wunderte sich über das Essen, das vor sie kam, und es schien ihr, ale esse sie nicht den vierten Teil von dem, was sie sich reichen liées. (40) Und jene edle und königliche Dame überlegte und sagte sich in ihrem Herzen: „Das ist ein Zeichen, dass es Liombruno schlecht ergeht; dass er entweder tot ist, oder in grossem Unglück sich be- findet. O ich Unselige! Eine grosse Sünde habe ich begangen, dass ich ihm weder Waffen noch Pferd liées, während ich auf seinen Fehler nicht hätte sehen sollen." (41) Durch die Wunderkiaft des Mantels sah die Dame ihn nicht an ihrer Seite, und Liombruno beeass noch den Bing, den sie ihm beim Weggang gegeben hatte. Und jener Bitter mit der hübschen Erscheinung liées ihn auf den Vorechneideeteller fallen; und als die Frau ihn sah, hub sie an zu sprechen: (42) „Das ist der so liebliche Bing, den ich Liombruno gab. Der hätte ihn noch froh machen können, wenn ich ihm nicht seine Kraft entzogen hätte. Immerdar wird mein Herz traurig und meine Seele in Schmerz getaucht sein." Und wegen des grossen Kummers, den die Dame empfand, fiel sie halbtot auf die Bank hin. (43) Und die Kammerzofen gingen aus der Kammer, wie die Herrin es befohlen hatte, und Liombruno ging hinein und liées sich am Bande des Bettes nieder, auf dem die Dame vor Schmerz schlief. Er beugte sich über sie, küsste ihr helles Antlitz, und dabei erwachte die Frau.
(44) Liombruno legte den Mantel wieder an und sie sah niemanden. Plötzlich sagte sie in ihrem Herzen:
nO ich Elende, Unglückselige! Ich glaubte Liombruno wäre hier; ich habe gewiss nur geträumt. 0 weh! Mein Trost ist dahin! Das ist ein sicheres Zeichen, dass Liombruno tot ist."
(45) Da die Frau nichts sah, fing sie ein ander Mal an zu schlafen, und Liombruno tat wieder das Gleiche und erschreckte
— 13 —
II.
Geschichte von drei verzweifelten Burschen und
drei Feen.
(1) Derjenige, der von Johannes nackt im Flusse Jordan die Taufe empfing, welcher der Gründer des Christentums wurde und uns von Sünden rein wusch, leihe mir seine Hülfe, denn ich weiss selbst, dass ich einer solchen Aufgabe nicht gewachsen bin. Deswegen stärke er mein Gedächtnis, dass ich die schöne Geschichte erzählen kann. (2) Da ihr hieher gekommen seid, um mich anzuhören, so leiht * nun meiner Bede Eure Aufmerksamkeit, denn ich weiss, dass die Geschichte euch allen gefallen wird. Bei seiner Geburt wurde sein Glück jedem Geschöpf zugeteilt, nur muss man es durch die Welt in Stadt und Schloss überall suchen. (3) Und wenn man es nicht im eigenen Lande findet, muss man ein anderes ab- suchen, bis man es entdeckt und dabei Mühe, Drangsal und Ungemach nicht fürchten. Selten erreicht man das Gute,
die Fran noch mehr; aber diesmal wandte rie sich so schnell um, dase er sich nicht mit dem Mantel decken konnte, und sah sie ihn ein bischen, bevor er das Kleidungsstück an- gezogen. (4 в) Und die Dame tat dergleichen, als ob sie schliefe, und Liombruno zog den Mantel aus; sie faaste ihn rasch mit den Händen, bevor er im Mantel verborgen war, und so stark, dass sie ihn drückte und sagte: „Wer hat dich dieses Zauberwerk gelehrt, das du anwendest, und wer hat dich hierher gebracht?" (47) Und Liombruno erzählte ihr alles, wie es zugegangen, von den Strassenräubern, die er ge- funden, von dem Mantel und den Hosen, von dem Winde, der ihm den Weg zeigte. Und ihnen fehlte jetzt nichts mehr; jedes legte dem andern die Arme um den Hals und auf jenem Bette schlössen sie Frieden. (48) Und so lebten sie in vollkommener Liebe mit einander, so lange es Gott gefiel. Ich aber bitte den allmächtigen Jesum Christum und seine Mutter voller Hülfe, dass sie alle wackeren Leute be- schütze und hüte, sie in Frieden und Eintracht erhalte und uns bei unserem Ende in seine Glorie aufnehme. Euch zu Ehren ist dieser Sang gedichtet.
— 14 —
ohne vorher d&e Gegenteil durchgemacht zu haben. Berg und Tal muss man durchstreifen! denn wenn du träge bist und immer an einem Flecke sitzest, wirst du, das sag ich dir, dein Glück nicht finden, wenn du dich nicht rührst und tummelst. (4) Jeden Ort muss man absuchen, manchmal findet man es auf einer Wiese. Es waren einst drei ver- zweifelte Burschen, die nicht wussten, was sie anfangen sollten, bis sie sich zusammentaten. Jeder fing zugleich zu reden an: „Wohin gehst du?" „Was machst du?" „Ich will es dir gern sagen, wenn du mich anhören willst. (5) Manche Strecke habe ich zurückgelegt und bin auch gerne bereit, deren noch manche zu machen mit gesenktem Haupte, bis ich es nach so vielen Seufzern irgendwo hinlegen kann." Der andere antwortete: „Und ich armer Kerl, ich bin entschlossen, im Guten oder im Bösen aus so viel Kümmernissen heraus- zukommen, und wenn ich mich eines Tages ins Meer stürzen müsste." (6) „Ich s ehe, dass jeder von euch verzweifelt ist. Wenn wir uns Gesellschaft leisten wollen, können wir die Welt so lange durchqueren, bis uns vielleicht ein Glück zu Teil wird." Und so wurden sie einig. Zusammen nahmen sie ihren Weg auf und waren eines Abends in einer Herberge und am Morgen zogen sie weiter. (7) Sie waren alle leicht gekleidet, aber weil die Beise weit war, erbaten sie sich Brot vom Wirt an jenem Abend, und jeder hatte ein Flaschchen, und weil der Wirt auf die Länge des Weges hinwies, so füllte jeder das seine mit Wein. So marschierten sie bis zum Untergang der Sonne und dann lagerten sie sich auf einer Wiese.
(8) Der eine sagte: „Es wird besser sein, zuerst zu Nacht zu essen und uns dann zum Schlafe niederzulegen." Während sie sich noch unterhalten, erscheinen plötzlich drei schöne junge Mädchen unter ihnen, so dass diese nur staunen müssen; und kaum sind die Mädchen angekommen, fangen sie an, zu sprechen: „Seid uns alle drei willkommen, da ihr hier Herberge genommen habt." (9) Der eine von ihnen sprach: „Seid auch ihr uns willkommen ! Wohin geht ihr um diese späte Stunde ! Wenn ihr nichts dagegen habt, ruht hier mit uns aus und irrt nicht weiter durch Busch und Hain. Da wir unser drei und ihr euer drei seid, mag jeder für diese Nacht eine nehmen, und jede von euch sich mit einem von uns vergnügen, und morgen werdet ihr gehen, wohin es euch behagŁw (10) Eine antwortete: „Bildet euch das ja nicht
15
ein, denn in keiner Weise wirst da mich berühren, da hattest mich denn zum Weibe genommen; unter anderen Bedingungen wirst du mich nicht haben. Aber wenn du mich heiraten willst, so höre meine Bede: Ich will etwas tun, was dich fröhlich machen wird, und dir als Mitgift soviel Gut ver- schaffen, dass du dein ganzes Leben dich dessen freuen kannst.u (11) „Wisse", antwortetete dieser dem Weibe, dass ich jetzt nicht zu heiraten gedenke, es sei denn, wie ihr sagt, dass diejenige, die ich heimführen würde, mir soviel Gut mit- brächte, dass ich mein ganzes Leben dessen froh würde. Solche Be- dingungen würde ich vielleicht eingehen ; auf andere Weise würde ich keine nehmen". (12) Die Frau sagte: „Verlange nur und erbitte, was du willst, denn du sollst es haben". Er ant- wortete: „Wenn du mir gibst, was ich verlange, will ich für immer der Deine sein. Eine Börse möchte ich, so beschaffen, dass sie immer voller Geld wäre, und jedes Mal, wenn ich sie öffnete, sollten hundert Dukaten herausspringen". (13) „Hier ist die Börse, die du von mir verlanget". Und der sagt: „Ich möchte es aber probieren". Diese nestelt an der uffnung der Börse herum und läset hundert Dukaten ihm zu Füssen springen. Der, welcher denkt, dass dies ihm nur nützlich sein könne, nahm jene mit den schönen Antlitz zum Weibe und steckte ihr seinen Bing an den Finger. (14) Die andere sprach zum zweiten von ihnen: „Und was denket du in deinem Herzen?" Er sprach: „Ich will weder Silber noch Gold, vielmehr einen Teppich von feiner Farbe, der mich ohne Bast ungesehen in jeden Kreis trüge." Den besagten Teppich beschafft die Frau und spricht: „Mach einmal damit die Probe". Der legte ihn um die Lenden und gab Befehl, ans Ende der Wiese liess er sich tragen und kehrte schnell zurück; das Mädchen hat er sofort geheiratet, denn die Sache schien ihm gut zu gehen. Und dann sagte die dritte ohne Zögern: „Was hast du dir ausgedacht, Gefährte? Sag es mir". „Wenn du wüsstest, was ich mir ausgedacht habe und du es mir liefern könntest, liebliches Antlitz, würde ich dich heiraten, wie die andern getan, und stände immer ohne Bück- halt zu deinen Diensten". „Verlange nur, was du willst". Und er sagte, er wolle ein Horn, bei dessen Blasen jedesmal zehn Schaaren von Bewaffneten erschienen. (17) Denn wenn ich recht viel Geld wollte, würde ich einfach ein Land mit Krieg überziehen und aus Furcht würden sie ohne Säumen eine grosse Summe zahlen, um vom Kriege befreit zu werden;
— 16 —
denn meiner könnten sie sich ja nicht erwehren, wenn ich so viele Lente gegen sie ins Feld führte". Das Madchen, das mit ihm spricht, sagt: „Hier ist das Horn; probier es und blase einmal"! (18) Und er nahm das Horn und hat es geblasen; sofort erschienen die Reisigen, sehn Schaaren, jeder wohl bewaffnet, und wohl zeigen sie sich von Kraft und Mut beseelt. Koch einmal hat er geblasen und ebenso viele sind wieder auf den Plan geruckt. So hat er zehn Mal ge- blasen, bis hundert Schaaren bei einander waren.
(19) Die Proben haben sie also gemacht, die zu ihrer Zufriedenheit ausgefallen sind, denn jeder hatte, was er wollte ; und alle drei waren mit diesen dreien so verheiratet, dass es keinen gereute. Und alle drei sind eingeschlafen, bis der andere Tag am Himmel heraufstieg; aber am Morgen, als sie erwachten, fanden sie keine von den Frauen mehr vor.
(20) Und der eine sagt: „Wo bin ich diese Nacht gewesen?" und erzählt seinen Traum. „Ich habe einen Traum geträumt", eagt er zu seinen Gefährten, „den ich euch auseinandersetzen will. Es schien mir, ich habe ein Weib genommen, und wir schäkerten mit einander. Sollte einer von euch sie gesehen haben, denn ich weiss nicht, was aus ihr geworden ist?"
(21) Der andere antwortete: „Mir schien es gestern Abend, als wir gerade daran waren, auf der Wiese unser Nachtessen einzunehmen, als ob drei Frauen von guter Art gekommen seien und uns freundlich grüssten." Der dritte Gefährte ist voller Verzweiflung, denn er kann sich nicht darauf besinnen, wie die Sache gegangen ist. „Auch ich," sagte er, „habe eine geheiratet, und weiss nun nicht, wie es sich in Wirklich- keit verhält." (22) Und der andere spricht: „Auch ich habe ein Weib genommen, und sie schenkte mir einen gar schönen Teppich; und obschon es dunkle Nacht war, trug er mich, wohin ich wollte." Und der erste sagte, dass ihm die seine eine Börse von dunkler Seide gab, aus der hundert Dukaten her- vorsprangen, sobald man sie öffnete. (23) Und der jüngste erzählte: „Mir gab die meine ein fein gearbeitetes Horn, das, wenn man es blies, jedesmal zehn Schaaren feiner Leute hervorbrachte." Als sie sich umschauten, fanden sie alle diese Dinge in ihrem Bereich; sie sahen die Börse und den feinen Teppich und ebenso das zierlich gearbeitete Horn. (24) „Das muss ein wirklicher Traum gewesen sein! Machen wir einmal die Probe und sehen wir, was daran ist!" Sie machten die Probe und sahen, dass alles in Ordnung war;
17
den Weg nach Bom beschlossen sie einzuschlagen. Der mit der Börse bezahlte den Wirt fur dat, was sie in seinem Hause verzehrt hatten. Drei Monate ungefähr blieben sie in Bom; dann beschlossen sie, andere Lander aufzusuchen.
(25) Es machte sich derjenige auf, der als erster die Börse bekommen hatte, und schlug den Weg gegen Spanien ein. Dem Wirte s topft er den Schnabel gut, denn an der Zeche braucht er nichts abzuklauben. Ein gutes Stück Wegs hat er schon hinter sich und er knausert nicht mit dem Oelde, denn er hat ja einen, der für ihn verdient, und mit Schach und Damenbrett hätte er zwei Säcke Oeldes fallen können,
(26) denn in diesen Spielen war er ein so guter Meister, dass die Nachricht davon zur Königin gelangte, und gar rasch läest sie nach ihm schicken, er soll zu Hofe kommen. Er macht sich schnell auf den Weg und steht ohne Säumen vor der Königin, die er sich verbeugend ehrerbietend grflsst; und er sagt: „Hohe Frau, sagt mir, ich bitte Euch, was steht zu Eurem Befehl?" (27) „Es ist mir von deiner Artigkeit er- zählt worden, und wie du so gut Schach spielst und auch im Damenbrett so geschickt bist, dass wenige dir darin gleich- kommen. Ich trage grosses Verlangen, mit dir zu spielen, weil du ein so artiger Meister bist." Und er sagt, gern wolle er tun, was in ihren Wünschen liege. (28) Sie fingen mit dem Damenbrett an und sein Spiel behagt ihr bass; und auch er sah sie nicht ungern, denn er war schon halb ver- liebt in sie. Sie Hessen nun das Brettspiel und machten sich ans Schach; und sie, die Meisterin im Spiel war, hat ihm in beiden Gattungen mindestens fünfhundert Dukaten abgewonnen. (29) Als sie an jenem Tage mit dem Spiel fertig waren, sagte sie: „Da wir nun solange gespielt haben, so musst du mir wahrhaftig versprechen, heute mit mir zu Nacht zu speisen". Und er, der die Flammen schon heftiger brennen fühlt, hat ihre Einladung sofort angenommen und sagt: „Da es Euch Vergnügen macht, so ist Euer Wille auch mein Wille. (30) So haben sie also zu abend gegessen, und dann kam wieder, ohne dass sie die Tafel aufgehoben hätten, das Damenbrett, und sie hüben das Spiel wieder an, denn sie denkt in ihrem Sinn, wie sie das Feuer schüren könne; und manchmal seufzt sie und dann sinnt sie wieder, wie sie zu ihrem Ziele komme, denn ihr Gedanke geht darauf aus, ihm den famosen Beutel zu nehmen. (31) Und sie verstellt sich, und eagt: „Wie ein Verrater handelet du an der Liebe", und bei diesen Worten
VolkftOmllob« Diobfcmgtn dar Italiener. 2
18
seufzt sie. Der trog schon eine Wunde im Herzen, und hei diesen Worten horchte er auf; die hat ja weder Gatten noch Herrn und kann ihn nach Herzenslust an sich fesseln, und zwischen ihren Seufzern sagt sie ihm, dass sie insgeheim mit ihm reden möchte. (32) Und so sprach sie denn: „Da der Liebesgott mich betrogen hat und mich zwingt, dir ganz zu Willen zu sein, so bin ich eine Königin, wie ich dir erzählt habe. Wenn es dir also gefiele, mich zum Weibe zu nehmen, so kämen wir beide auf unsere Rechnung, und so will es das Geschick. Aber darauf gehe ich immerhin blos ein, wenn du mir den wunderbaren Beutel zum Geschenk machst. (33) Und weiterhin sollst du mir zeigen, wie du dich dabei benimmst, und mir das nicht vorenthalten, wenn du nach deinem Be- lieben die Gulden hervorbringst; wahrhaftig, ich weiss nicht, wie das zugeht." Und er sagt: „Pass also auf! Wenn du die Börse nimmst und sie ohne Säumen an den Lederteilen schüttelst, kommen immer hundert Gulden heraus." (34) „Das ist fürwahr eine wunderbare Geschichte! Zum Herrn dieses Beichee will ich dich machen und als Gemahlin will ich dein eigen sein, wenn du mich einer solchen Gnade würdigst." Dieser, dem das Herz im Leibe zappelt, und der sieht, dass das, wonach er sich sehnt, sich verwirklichen will, spricht zu ihr: des bin ich zufrieden; du sollst den Beutel haben, wenn du zuerst tust, was ich dir sage. (35) Bleib ein wenig hier und dann komm zu mir. Ich mache mich auf den Weg, komm allein hinter mir her und dort wirst du mich allein finden." Und so verstand sie wol ihn am Narrenseil herum- zuführen. Er gab ihr die Börse und dachte keinen Augen- blick daran, auf solche Weise geäfft zu werden. Diese erhob sich und begab sich in ihr Gemach, nachdem sie Biagio gesagt hatte, er solle nachkommen. (36) Dann aber gab sie ihren Dienern Kunde: „Bleibt hier fest auf dem Platze! Wenn Biagio sich anschicken will, hier einzudringen, laset in auf keine Weise ein. Oder noch besser: gebt ihm zehn Streiche mit den Prügeln auf Abzahlung; sagt, ihr wisset nicht, wer er sei, schmiert ihn tüchtig durch und jagt ihn fort" (37) Da nähert sich auch Biagio gleich der Türe. „Hola!", sagt einer zu ihm; „was hast du hier zu suchen?" Biagio der das Ge- hirn im Hintern hatte, sagte: „Den Laufpass sollet du be- bekommen, wenn du jetzt auch noch so fein daherkommst. Hör, was ich dir sage: Auf dein Gerede gebe ich garnichts und in die Gemächer der Königin bahne ich mir einen Weg."
— 19 —
(38) Schon sind vier Stallknechte zur Stelle, die ihm das Fell gehörig durchgerben. Vier Stöcke bringen ihn zum Tanzen und mancherlei Süssigkeit fallt dabei für ihn ab, und der Gang erdröhnt wie ein Fase oder eine Höhle, und wie sie ihm nun den überflüssigen Saft ausgepresst haben, entweicht er unter Holzmusik durch die Türe.
(39) Der arme Bursche weiss nicht was machen; einsam und in aller Stille macht er sich auf dem Weg. Nach Born kehrt der Bejammernswerte zurück und fand die beiden Ge- fährten in grösster Fröhlichkeit vor. Und er sagte zu einem von ihnen: „Lieber Bruder, du musst mir deinen Teppich leihen, denn ein Weib hat mich kräftig zum Narren gehabt und mich um die Börse erleichtert (40) „Meinen Teppich," spricht der Gefährte, „will ich dir nicht leihen, denn ich fürchte, du würdest ihn verlieren." „Ich muss in ihre Ge- mächer eintreten, und dazu brauche ich ihn ; denn meine Börse muss ich wieder haben." So lange haben віє mit einander geredet, bis sie einig wurden; er legte den Teppich an, zog davon und kam im Paläste der Königin an. (41) Sofort trat er durch das Fenster der Kammer, wo die Königin der Buhe pflog; aber geschickt wie sie war, merkte sie das gleich, denn Biagio wanderte nicht unsichtbar. Sie war in der Ver- 8tellungskun8t Meisterin und sagte: „In grosses Staunen hast du mich versetzt; weswegen hast du mit deinem Kommen so lange gezögert? (42) Ich wenigstens bin nicht schuld daran. Solltest du mich etwa ganz verlassen haben?" „Jetzt, wo du mich hast durchprügeln lassen, willst du es natürlich nicht gewesen sein." „Biagio, in äusserste Verwunderung bringet du mich mit dem, was du eben gesprochen hast". Und er erzählt ihr, wie die Sache zugegangen, und sie tut dergleichen, als hätte sie Mitleid mit ihm. (43) „Einen Zweifel sollst du mir heben. Vor Schrecken bin ich bleich geworden und fast in Ohnmacht gefallen, als ich dich durch das Fenster eintreten sah! Warum hast du dich nicht der Türe bedient?" „Wenn ich diesen Teppich in meiner Gewalt habe, so trägt er mich ohne Begleitung wohin ich will." »Das könnte ich nun nicht glauben, ohne es probiert zu haben," sagte die Königin. (44) „Das ist ja unglaublich und ich staune nur." Biagio sagt: „Möglich iet's schon," und ist auch bald bereit, mit der Probe nachzugeben.
nSag mir einmal, fährt man, wenn man diesen Teppich anhat, unsichtbar, wenn du es ge- statten willst?" „Sicher unsichtbar, wenn man will," antwortet
2*
Biagio; „du kannst es ja durch die Bäume des Palastes probieren. (45) Du kannst ihm befehlen, was du willst, und überall hin wird er dich geleiten; wenn du nicht willst, brauchet du auch nicht gesehen zu werden, und Fenster oder Tur schlitzt nicht vor ihm.u Die Dame zog ihn an und sagte dann: „Siehst du mich? Bin ich gerade oder krumm?" Biagio antwortet: „Ieh sehe nichts," und sie findet rasch die Türe. (46) Biagio blieb allein in der Kammer zurück. Sie zeigte sich ihren Dienern und belehrte sie über die Kraft des Teppichs. Dann sagte sie zu allen ihren Kammerjungfern, es möchten zwei von ihr ins Gemach gehen, um das Bett zu machen: „Und wenn ihr einen aufrecht oder sitzend findet, so schlagt schnell Lärm, und die Knechte werden mit Un- gestüm dorthin laufen." (47) Und als sie ankamen, fanden sie den, welcher auf die Königin wartete, und ohne ihn zu grüesen hüben die Weiber ein mörderliches Geschrei an. Und sobald die Knechte das gehört haben, waren sie hinter Biagio her, und jeder sagte: „Wenn ich dich recht einschätze, bist du sicher ein Dieb." (48) Und sie fingen an, ihn durchzu- hauen." Biagio sagte: „Ich bin kein Räuber." Er aber kriegt den Buckel so voll Haue, dass er zur Tür des Gemaches und hinausläuft, und voller Angst flieht der Bedauernswerte, während ihm vor Zorn das Herz bersten will. Und er sagt: „Ich Armer! Was soll ich weiter tun?" Und damit nimmt er wieder den Weg nach Born auf.
(49) So kam er denn eines Tages zu seinen Gefährten und war unzufrieden und zornig, wenn er gedachte, welcher Schimpf ihm angetan worden und wie ihm der Teppich ent- wendet worden war. „Leih mir," sagte er zu dem andern, „dein Horn, denn ich will nach Spanien zurückkehren und dieses so lange mit Krieg überziehen, bis ich sie gefangen und das Land verheert habe." (50) Der Gefährte sagt: „Sprich nicht davon, denn ich bin sicher, du würdest es verlieren, wie du es mit dem Teppich gemacht hast." Biagio aber setzte ihm so lange zu, dass er es ihm schliesslich lieh. Biagio nahm es und zog wieder seiner Wege. (51) Und als er in einer Ebene an der Grenze jenes Landes anlangte, die ihm günstig schien, fing er an, jenes Horn zu blasen, und hat so viele Reisige zusammengebracht. Die Nachricht davon gelangte endlich auch zur Königin, und da dieser schwere Drohungen ausstiess, wurde sie schliesslich nachdenklich. (52) So schickte sie also Späher, um zu erfahren, wer er sei, und als sie es
erkundet, sagte sie: „Den werde ich ohne Kampf versöhnen, wenn ich nur Gelegenheit finde, mit ihm zu sprechen." Und sie gedachte, zu ihm in die Ebene hinunter zu steigen, und hatte alles wohl überlegt. Mit ihrem Gefolge stieg sie zu Pferde und schlug den Weg nach dem Lager ein. (63) Sie gelangte ins Lager vor die Standarte und fragte, wer der Herr sei; dann stieg sie geschickt aus dem Sattelbogen und erwies ihm ganz besondere Ehre. „Ich möchte," sagte sie, „den Grund wissen, weswegen du in solche Wut geraten bist." Biagio sagte zu ihr: „Du sollst'e erfahren und jeden an mir geübten Betrug musst du bezahlen." (54) „Wenn dir je eine Beleidigung sollte angetan worden sein, so weiss ich nichts davon und trage auch keine Schuld daran. Meine Barone müssen die Ursache gewesen sein, wenn dir je ein Schimpf widerfuhr. Aber ich weise, dass du klug und weise bist und dem Schicksal zu danken hast, das dich mit so viel Gaben des Körpers wie des Geistes ausstattete, dass du zum Herrn dieses Beichs geworden bist" (55) Und ich verpfände dir meine Treue, dass mir dein Kommen lieber ist als ich sagen kann, und dein Scheiden bereitete mir so grossen Schmerz, dass, wenn ich daran denke, es mir immer noch kalt über den Bücken läuft In allem, was ich kann, will ich dir gern gehorchen, und wenn ich dich in irgend etwas beleidigt haben sollte, tut es mir leid und habe ich darob im Herzen grossen Kummer. (56) Das Reich stelle ich vollständig zu deiner Verfügung und alles, was darinnen in meiner Macht ist, wenn nur ein so gräeslicher Krieg zu Ende ist Und in meinem Sinne bin ich ganz verdutzt, und mit mir alle grossen Herrn in diesem Lande, die wahrhaftig nicht die Hälfte deiner Kriegsmacht zur Verfügung haben. (57) Du würdest mich aus grosser Verwunderung befreien, wenn du mir den Sachverhalt wahrhaftig erzählen wolltest, ob es durch Schwarzkunst geschieht, dass so grosses Volk zu deinem Be- fehle steht0 Biagio antwortete: „Meine Macht dir zu er- klären liegt ganz ausser meiner Absicht, damit du mich nicht wieder hinter das Licht führest, wie du es so trefflich ver- stehst; diesmal nämlich soll dich der Spass teuer zu stehen kommen." (58) „Dann willst du also so grausam sein, mir Ungebührliches zuzufügen? Nun, wenn es dir mir gegenüber an jedem Entgegenkommen gebricht, so gebe ich mich ganz in deine Hand! Nimm dieses Messer, s to es es mir ins Herz und durchbohre meine Seele, damit mit Recht man dich herz-
los nennt, weil du tötest, was dir ergeben ist." (59) Als er diese Worte gehört hat, rente es ihn und er wandte seinen Sinn; in seinen Herzen war er traurig und er sagte bei sich : „Es ist wohl wahr, dass ein Weib kann, was es will, und einem weiss für schwarz vormalt." Und er überlegte in seinem Geiste und sprach zu der Frau folgende Worte: (60) „Ich schenke dir das Leben und dein Land. Gib mir meine Börse und mein*» Teppich, nnd ich will mit meinem großen Heere ab- ziehen, nicht ohne dir dieses Geheimnis mitgeteilt zu haben." Diese bedrängt ihn, es ihr sofort zu sagen, Biagio aber schwieg bei allen ihren Worten. Sie sprach: „Tu mir dies kund, und du sollst noch viel mehr als alles dies haben."
(61) Und sie fuhr fort: „Wenn du mich Hebst, Herr mit dem anmutigen Antlitz, befreie mich in diesem Punkt von jedem Zweifel." Biagio sprach zu ihr: „Siehst du dieses Horn? Yon seinem Wesen sollst du einiges wissen. Sobald ich es blase, bei Tag oder bei Nacht, kommen zehn Schaaren Gewappneter, die alle zu meiner Verfügung stehen." Die Frau sagte: „Wie ist denn das möglich?" Und Biagio ant- wortet: „Das sollst du mit deinen eignen Augen sehen."
(62) Es antwortete die Frau: „Befriedige meinen Wissens- durst; ich will ein wenig zur Seite treten, und wenn du mir, Herr, diese Gnade erweisest, sollst du Teil an meinem Beiche haben." Mit ihrer Frechheit verstand sie, welche diese Kunst wohl kannte, ihn so weit zu bringen, dass er das Horn in ihre Hände legte, und sie hat es voller Freude in Empfang genommen. (63) Sie stieg zu Pferde und entfernte sich ein bischen; dann erkannte sie, dass dies eitel Feenwerk ist, und fängt das Pferd zu spornen an. „Mein Schade ists," sagt Biagio, „und ich trug die Schuld, denn von neuem hab ich mich foppen lassen." Und da das Horn nicht mehr in seiner Gewalt war, waren auch die Schaaren der Reisigen weg. (64) Diese wandte sich ihrer Heimat zu und Hess Biagio allein, der verzweifeln wollte. Und er sagte bei sich: „Ich bin doch ein rechtes Vieh! So geht es dem, der sich nicht zu lenken weiss." Er sieht, dass seine Leute ihn verlassen haben, und er spricht weiter: „Lass ihn gehen, lass ihn gehen, den armen Tropf; sein Schicksal hat es wohl so haben wollen ! "
(65) я Was soll ich tun?" sagt Biagio. „0 ich Unglück- seliger, der ich so schönen Gewinn eingeheimst habe, dass ich nicht mehr zurückkehren kann, um meine teuren Gefährten
23
wiederzusehen!" Und er wollte sich ganz der Verzweiflung hingeben. Aber was nutzt's? Umsonst jammert er, denn so ergeht es dem, der sich nicht zu lenken weiss, und dem, der jedermann zu viel Vertrauen schenkt. (66) Biagio befand sich in einem Irrgarten, wie er nie in einem grösseren gewesen war, und aus dem herauszukommen ihm unmöglich schien; denn sein zu grosses Vertrauen hat ihn zu dem gebracht, was er nun muss über sich ergehen lassen. Halb leblos weiss er nicht, wohin er sich wenden soll, und so bittet er in Jammer und Fein den Himmel, ihm Hülfe zu schicken. (67) Aber jene Fee, die ihm die Börse*) geschenkt hatte, wollte ihn nicht im Stiche lassen und bewirkte, dass er in jener Um- gebung eine Feige fand, und von diesen Feigen will ich euch erzählen, dass sie eine Kraft besassen, über die ihr werdet mächtig lachen müssen. (68) Jedes Mal, wenn Biagio eine davon ass, wuchs ihm ein Schwanz um eine Hand breit! Er hatte grossen Hunger und ass also darauf los, bis er manchen Beif davon hatte; dann sagte er schliesslich: „Noch bin ich gar hungrig und doch will ich nicht weiter essen." Und so liess er den Feigenbaum und wanderte weiter, und der Schwanz schlängelte sich mindestens sechs Mal um seinen Leib. Es war Januar und der Beif deckte alle Saaten zu. Als er über einen Hügel gekommen war, richtete er seine Augen in die Bunde und sah am Abhang einen anderen Feigenbaum, der auch mit Früchten beladen war, und an dessen Fuss blieb er stehen. (70) Und die Feigen waren über alle Massen schön. Biagio erinnert sich an den andern Baum und das Missge- schick, das ihm jener gebracht; er steht ein bischen still und hält an; dann sagt er: „Ich will auf gut Glück hin davon essen, und sollten mir gar Hörner wachsen." Eine dieser Feigen stiess er sich in den Mund, und sofort nahm der Schwanz um eine Hand breit ab. (71) Biagio fing an, sich zu freuen: „Vielleicht kann das noch mein Glück werden!" und er begann von den Feigen soviel zu essen, dass der ganze Schwanz verschwand. Bei sich dachte er nach und sagte: „Ich will doch einmal sehen, ob ich meine Sachen nicht wieder kriegen kann." (72) Schliesslich fand er ein Körbchen und ging damit zum ersten Feigenbaum; acht von dessen Früchten steckte er ein. „Wenn mir mein Vorhaben nur
*) Der Text hat fälschlich: das Horn. Oder vielleicht ist eher zu lesen: die ihnen das Horn.
— 24 —
gelingt," sagte er, nnd nahm acht Feigen von dem zweiten Baum, die er in einem Sacklein verwahrte. Nach der Stadt machte er sich auf, bloe, um der Königin jene Feigen zu verkaufen.
(73) Unter dem Paläste nahm er einen Platz ein; seine Kleider machten ihn unkenntlich. Es war kalt und unbehag- lich. Einer war zur Königin hinaufgegangen, die in ihrem wohlgew&rmten Gemache sass. „Drunten an unserer Wohnung habe ich unter dem Vordach etwas gesehen, was mich sehr in Verwunderung versetzt. (74) Ein Bauer hat da einen Korb voll Feigen, die im September nicht schöner sein könnten; Für acht der Früchte will er vier Dukaten haben." „Geh schnell, lass sie dir nicht entgehen und bring sie dann schnell herauf." Der bringt ihm die vier Dukaten und Biagio entweicht durch das Stadttor. (75) Dann kam die Stunde des Früh- stücks. Die Königin hatte zwei Fräulein, die mit ihr zu Tische sassen, und beide waren wohlerzogen und schön. Als sie sich zu Tische gesetzt hatten, reichte man ihnen das Wasser zum Händewaschen und das Mahl begann; die Königin liées sich jene Feigen bringen. (76) Sie nahm deren zwei nnd reichte sie der einen ihrer Hoffräulein und sprach: „las sie, denn sie gehören dir," und so geschah es mit den andern zwei, die sie der andern gab. Die andern vier will sie für sich behalten und sprach : „Die rechne ich mir als einen grossen Genuas an," und sie assen sie mit Lust und redeten von ihnen als von einer lieblichen Speise. (77) Das Frühstück war halb fertig und noch wurde das Lob der Feigen gesungen, als eines der Fräulein sprach und der Königin gegenüber solche Worte über die Lippen brachte: „Eine traurige Ge- schichte ist mir passiert! O weh mir, mir ist ein Schwanz gewachsen." „Und mir auch, wie mir scheint," sagte die andere, und damit hörten sie zu essen auf. (78) Die Königin trat in ihr Gemach und rief auch die Fräulein herbei. Sie heben die Böcke in die Höhe und schauen nach dem Schwänze; und, o weh! alle dreie hatten einen, die Armen. Der der Fräulein hatte zwei Hand Breite und der der Königin viere; und indem sie zwei und zwei und vier verglichen, konnten sie aus der Sache nicht klug werden. (79) Schliesslich kamen sie darauf. Den Fräulein hatte sie je zwei Feigen gegeben und sie fanden Schwänze von zwei Hand breit vor; sie hatte vier Feigen und dafür das Doppelte; also konnte es nicht fehlen: „die Feigen", sagte sie, „sind daran schuld". Nach Ärzten liées sie schicken, um diese Miesbildung zu entfernen.
(80) Und viele Arzte fand man auch nnd alle wunderten sich über den Fall ; und schliesslich kamen sie überein : Für diese Krankheit gibt es kein Heilmittel. Einigen ging es sogar schlecht, denn so wollte es die Königin, weil nach aussen hin die Sache nicht ruchbar werden sollte. (81) Trotzdem redet man davon und Biagio ist ins Land zurückgekehrt. Ins Haus eines Arztes begibt er sich und hat in folgender Weise mit ihm geredet: „Doktor, Gott schenke dir GesundheitIа „Und Geld gebe er uns auch!" sagte der Arzt. Biagio fahrt fort: „Und Geld sollst du auch haben, wenn du tun willst, wie ich dir sage.u (82) Biagio war mehrere Male in der Türkei ge- wesen und verstand die dortige Sprache ganz gui Er sagte zum Arzt: „Mein Unglück hat mich Pein und Not genug erdulden lassen. Ich komme aus der Nachbarschaft von Bussland. Das Glück wandte mir den Bücken. (83) Mein ganzes Vermögen liegt auf. dem Grund des Meeres und kaum bin ich mit heiler Haut davon gekommen. Mein Beruf war die Heilkunst und zufällig bin ich in dieses Land gekommen. Nun glaube ich gehört zu haben, dass die Königin ein übles Gebrechen an ihrem Leibe trägt. Wenn du mir ein purpurnes Kleid mit einem kriegegewohnten Pferde und zwei Bedienten leihst, werde ich dir sehr verpflichtet sein und den Gewinn wollen wir miteinander teilen. (84) Aber nimm zwei Be- diente aus fremden Landen, und du geh zur Gebieterin und sag der Königin, wie ich gestern gerade um neun Uhr Abends hierher kam und nach Rom ziehen wollte, wie du zufällig an der Haustür standest, wie ich dich grüsste und wie du mich auffordertest, die Nacht in deinem Hause zuzubringen. (85) Und weil ich dein Berufsgenosse war, nahmst du mich auf; und dann redeten wir von der Heilkunst und du fragtest mich allerlei und ich gab dir über jeden Punkt Auskunft, wie ich jede Krankheit heilen kann. Wenn du das, wie ich dir sage, tust, sollst du fünfzig Dukaten von mir haben." (86) Als der Arzt von Geld reden hörte, holte er ihm ein schönes Pferd mit zwei Knechten und einen mit Buntwerk gefütterten Rock und liess ihn ohne weiteres Reden im Hause. Fröh- lichen Herzens begab er sich zur Königin, redete mit ihr von ihrem Znsammentreffen, wie er zuhause einen gar kundigen Arzt hat, der im Sinne hat, nach Rom zu gehen, (87) wo er den heiligen Vater in Behandlung nehmen soll, denn für alle Übel weiss er ein Heilmittel. Ich fing auch an von Euch zu erzählen; um es kurz zu machen: auch diese Krankheit weiss
26
er zu heilen und Euch von diesem Gebrechen zu befreien. Sie antwortet: „Wenn er ist, wie du ihn schilderst, eoll sofort nach ihm geschickt werden." (88) Doktor Biagio kam schnell zur Königin und grûsste sie fein. „Der welcher den Mond und das Tagesgestirn schuf, erhalte und behüte dich und steh dir immer mit seiner Hülfe bei.a Und die Königin sagte in gleicher Weise: „Doktor, seid willkommen! Und wenn Ihr wirklich zu meiner Heilung gekommen seid, sollt Ihr Geld von mir bekommen, so viel Ihr wollt" (89) Doktor Biagio sagt: „So ist's recht Ich bin sicher, Euch zu heilen.u
Er fing an, von seinem Unglück zu erzählen und woher er kommt, wie er sich ausserhalb Landes befand und wie er all seine Habe auf dem Meere verlor, wie ihr der andere Arzt wohl erzählt habe. (90) „Auf also," sagte die Königin, „da Ihr in Euerm Berufe so tüchtig seid, wie mir jener gesagt hat" Und jener fuhr geschickt in seiner Hede fort: „Immer und überall wo ich war habe ich die Krankheit in Augen- schein nehmen wollen. Wenn ich Eure Krankheit heilen soll, muss ich also mit dem Auge sehen und mit der Hand be- tasten.
tt (91) Die beiden Fräulein wurden Biagio zur Kur übergeben und er begab sich in ihre Kammer. Biagio schien jede schön, denn sie leuchteten wie die Sterne. Biagio spricht zu jeder von ihnen: „Zieht die Unterröcke aus, denn ich muss bei meiner Treue von Eurer Krankheit Einsicht nehmen." (92) Sie zogen sich also beide aus und er besah alles und betastete alles, so dass sie ihm Seufzer entlockten und ihm die Haare zu Berge standen. Er tröstete jede: „Eure Krank- heit wird geheilt sein,a und ohne Zögern tat er, als ob er eine Latwerge herausnehme, (93) und dabei nahm er geschickt eine jener Feigen und steckte sie der einen von ihnen in den Mund, und das gleiche tat er bei der andern, und sauber wie Gold gab er jeder noch eine. Und nach einer Weile fingen beide an zu sagen: „Doktor so und so, wir sind von unserer ganzen Krankheit geheilt"
(94) Die Neuigkeit drang bald zur Königin, dass die beiden Fräulein geheilt seien, und schnell geht sie zu dem Gemache, wo sie sich von der Wahrheit überzeugt Und sie spricht zu Biagio: „Dein Heilmittel wird deine Börse bald zum Lachen bringen." Und Biagio antwortet: „Die Hälfte des Honorars möchte ich haben, denn das ist bei unsers Gleichen Sitte." (95) Sie liess ihm ausserdem hundert Dukaten geben und sprach: „Die andere Hälfte sollst du
haben, wenn du mich geheilt hast, und alle sollen dir auf den Tisch gezählt werden, bevor du von mir Abschied nimmst«44
„Für heute wollen wir ausruhen; morgen wird die Sache noch besser abgeklärt sein. Erlaubt mir also dass ich mich zurück- ziehe; morgen soll das zweite Experiment an die Reihe kommen." (96) Vierhundert Dukaten gab er dem Arzte, der ihm das Kleid und das Pferd geliehen. Der war das Geld zu nehmen nicht faul; und Biagio sprach: „Damit ich diesmal nicht als Unmensch erscheine, so nimm diese Kleinigkeit und gib sie dem, der mir dieses Kleid lieh, und morgen soll es wieder in deinen Händen sein. (97) Denn du sollst es mir so lange überlassen, bis ich die Königin von ihrem Übel befreit habe, und dann kehre ich auch hei dir ein und meine Ehrlichkeit sollet du an dir erfahren.44 Der sagte bei sich: „Geh in Gottes Namen! Ich weiss, dass wir uns mit diesen Dingern gütlich tun werden.44 „Auch diese Fünfzig nimm noch und lohne damit die Bedienten ab.44
(98) Biagio liess an jenem Abend etwas drauf gehen; und als der Morgen gekommen war, und sich Biagio aus dem Bette erhoben hatte, trat er тог die Königin und besah auch ihr Missgeschick an der Stelle, wo er den andern Heilung gebracht hatte, und in einer Latwerge verabreichte er ihr zwei jener Feigen und meinte dabei, es sei nicht unangenehm zu nehmen.
(99) Und die Königin däuchte es in der Tat süss und sie sagte, das sei eine gute Latwerge. Biagio sagte: „Dieses Heilmittel ist über alles hochzuschätzen.44 Die Königin ruht ein bischen aus und ruft dann, dass jedermann es hört, dass zwei Hand breit des Schwanzes verschwunden sind. (100) Da- mit war die Königin recht zufrieden und meinte, Biagio solle nur fortfahren. Der war aber nicht maulfaul und sagte, sie dürfe eich nicht sehr beeilen: »Nie erinnere ich mich, dass je einer mir gesagt hat, ich solle diese Kur so eilfertig vollziehen, denn sie kann sehr schädlich wirken und muss mit aller Sorgfalt durchgeführt werden. (101) Es mues Euch genügen, dass ihr morgen früh zufriedengestellt sein werdet. Nun möchte ich von euch eine Gnade erbitten, die ihr mir gewähren mögt.44 „Euch einen Gefallen zu gewähren werde ich eicher weder langsam noch saumselig sein; und indem ich euch einen Dienst erweise, glaube ich nur einen kleinen Teil meines Dankes für deine Wohltat abgetragen zu haben.44
(102) „Ich habe von euch sagen hören, dass ihr einen schönen Schatz besitzt und ausserdem sonderbare Sachen, die ich gern
— 28 —
sehen möchte, wenn ihr nichts dagegen habt." Diese sagte: „Nach dem Frühstück will ich es dir zeigen, da du es wünschest. Alles, was ich dir an Augen ablesen könnte, möchte ich dir zu Gefallen tun." (103) Biagio ging zum Frühstück und sagte: „Vielleicht erreiche ich mein Ziel doch noch," und er denkt in seinem Herzen, was er zu tun hat, um seine Sachen wieder zu bekommen. Als er gefrühstückt hatte, liées die Königin, um ihm ein Vergnügen zu bereiten, nach ihm schicken und führte ihn in ihr Gemach, das mit Schätzen ganz angefüllt war. (104) Zunächst breitete sie den Teppich, den sie Biagio abgenommen, mitten auf dem Boden aus. Biagio schaute ihn nur an und blieb ruhig dabei Dann holte sie ein Buntwerk hervor und viele Juwelen, die einen Haufen Goldes wert waren; dazu legte sie die Börse Biagios und auch sein Horn, (100) von vielen andern Kleinodien und schönen Dingen zu schweigen, die hier aufzuzählen zu weit führen würde. Und die Frau sprach zu Biagio: „Nun, sind diese meine Kleinodien nicht anmutig?" „Doch," sagte Biagio, „ohne zu lügen." Die Frau sagt: „Wenn du mich heilst, magst du davon nehmen, wonach dich gelüstet" (106) Biagio sagte: „Wenn ich in mein Land zurückkehre, wird es mir weder an Kleinodien noch an Geld fehlen. Auf der ganzen Welt findet sich weder Schloss noch Stadt, die sich mit den meinigen vergleichen liessen. Ich will nur denjenigen, die mich darnach fragen könnten, die Wahrheit über deinen Schatz möglichst genau sagen können." (107) „Damit du diesem deinem Wunsche recht gut nachkommen könnest, will ich von drei Dingen hier das Geheimnis mitteilen: dem Beutel, dem Horn und dem Teppioh, deren Wert in Worten nicht auszudrücken ist und deren Kraft ich dir blos mitteile, damit du es in deinem Lande wieder erzählen kannst und von mir froh scheidest. (108) Merk dir also für den Fall, dass einer dich darnach fragen sollte: Jedes Mal, wenn du den Beutel schüttelst, fallen hundert Dukaten heraus. Jedes Mal, dass du das Horn ertönen lassest, kommen zehn Schaaren Gewapp- neter." „Das ist aber grossartig," antwortete Biagio. Und die Frau sagte: „Es kommt noch schöner. Wenn einer diesen Teppich über die Schultern wirft und er möchte, dass er ihn in die Luft hebe, trägt er ihn bis nach Boncesval und Mauern und Tore schützen gegen ihn nicht, und er schreitet über Berg und Tal und kein Wind hat seine Geschwindigkeit. Ist es nicht grossartig, sag mir, dass diese Dinge solche Kraft
— 29 —
Ш.
Novelle von drei Frauen, die einen Ring fanden.
(1) Zur Zeit Merline lebten drei schöne verheiratete Frauen, die einen Lustgarten verliessen, in dem sie sich einige Tage vergnügt hatten, und als sie wohlgemut, heiter und zufrieden auf dem Wege nach ihrer Heimat waren, fanden sie zusammen
besitzen?" (110) Biagio ergriff die Börse mit der Hand, und das Horn dazu, und sprach zur Königin: „Wenn das, was du sagst, richtig ist, gab es nie auf der Welt eine so köstliche Sache." Damit nimmt er schnell den Teppich, wirft ihn über die Schultern und sagt: „Vorwärts." Dann liess er die Juwelen fallen und die Königin fing an zu schreien. (111) Bei diesem Geschrei eilten die Knechte herbei und alle sagten: „Was soll das heissen?" Und die Königin antwortete: „Dem, der den Leuten zu viel Vertrauen schenkt, dem pflegt es wie mir zu gehen. Nun kann er über mich lachen, während ich mich hier zu Tode ärgere." Und den Knechten setzte sie die Sache auseinander: „Und dieser Arzt ist schuld daran ge- wesen " (112) Biagio war in kurzer Zeit bei seinen Gefährten und erzählte ihnen den Fall in aller Ausführlichkeit, und wie er schliesslich mit schönem Gewinn davon gekommen sei und ein ander Mal klüger sein wolle; und damit Keiner von ihnen sich zu beklagen habe, nahm er seine Börse aus dem Busen, und schenkte jedem fünfhundert Dukaten, damit sie sich an ihm erholen können.
(113) Daraue geht hervor, dass man Niemanden betrügen soll. Die hielt, wie gesagt wurde, Biagio zum Narren und er täuschte sie, wie wenn sie ein junger Fant wäre. Und ander- seits soll man auch Niemanden trauen, wie tausendfältige Er- fahrung lehrt, denn viele haben einen ihr Vertrauen gechenkt, die dann hintergangen worden sind. (114) Wenn diese Biagio Börse, Teppich und Horn nahm und ihn voller Verzweiflung herumirren Hess, so liess ihn jene Fee das Geheimnis ent- decken; dank ihr fand er die Feigen von verschiedener Wirkung und er bediente sich ihrer verständig. Und wenn ich die Wahrheit verkünden soll, dass jeder sie hören kann, so sage ich: Noch heute besitzt sie ein Schwänzlein von zwei Hand breit Langel
— зо —
einen kostbaren, blitzenden, schönen Bing von grossem Werte. (2) Da alle ihn gesehen hatten, wollte jede ihn haben, nnd führte dafür gnte Gründe an. Merlin, der zufällig bei dem Lärm herbeikam, wurde die Entscheidung übertragen, und er antwortete sofort: „Wenn ich eure Zwistigkeit wohl betrachte, ist das eher eine Verwirrung als ein Streit, in dem man einen Entscheid treffen kann. (3) Aber da ihr mich als Schiedsrichter in dieser Sache bestellt habt, so verspreche ich, der den Bing an den Pinger zu stecken, welche mit der besten List ihrem Manne den schönsten Streich spielen wird."
(4) Die erste, welche die Frau eines Kotare war, suchte ihren Geliebten, einen klugen Mann, auf und sprach zu ihm: „Mein lieber fröhlicher Freund, verweigere mir jetzt einen Dienst nicht. Führe mir, ohne dass es dich einen Heller kostet, in unauffälliger Weise einen Zimmermann her, denn ich habe beschlossen, heute meinem Manne einen Possen zu spielen." (ö) Der Geliebte wollte seine Freundin nicht verlieren und war es zufrieden, einen Zimmermeister hinzuschicken und als der zur bestimmten Stunde gekommen war, Hess sie ihn eine andere Türe anbringen, welche dem eigentlichen Eingang ähnlich war, und welche in ein gewisses Zimmer im Erdgeschoss führte. Und das tat sie, um ihrem Gatten Mühsal und Pein zu schaffen. (6) Als die Stunde gekommen war, wo der göttliche Apollo seine schönen Goldhaare uns entzieht, kehrt der Gatte, des Schreibens satt, nach Hause zurück, um sich etwas zu erholen. Die Frau, die ihn kommen hörte, liées sich mit grossem Gekrach wie ein lebloser Körper, der die Seele aushaucht, die Treppe herunter fallen und rief: „Oh weh! ich bin verloren!" (7) Sofort lief der Mann dorthin, wo sie lag, und sagte; „Mein Weib, was soll das heiseen?" Sie gab keine Antwort, aber wandte sich mehrere Male wie eine unbeholfene Masse herum. Auch die Magd eilte herbei und befahl ihrem Herrn, schnell in der Lilien- apotheke ein gewisses Ol zu holen ; die war nämlich mehr als eine gute Meile entfernt, (8) Der schenkte diesen Worten Glauben, da er Wahrheit von Lüge nicht unterscheiden konnte, und wie ein rechter Gatte, der seine Frau verehrt und liebt, rannte er in die Apotheke. Sie aber, die wenig Schmerzen spürte, erhob sich rasch nnd verwandelte die alte Türe in eine neue, und um den Spass zu erhöhen, Hess sie einen Wirt- schaftereif daran anbringen. (9) Als dann der Gatte in grosser Eile von dem Apotheker zurückkam und eine neue
31
Tür sah war er ganz erschrocken und sprach bei sich selbst; „Ich muss mich geirrt haben." Dann sah er den Reif und war ganz paff, und er hörte in jenem Hause überall das Lärmen des Geschirrs uud das Bellen von Hunden, was ihn die Hände zum Himmel erheben liess. (10) Und seufzend sagte er: „Oh ich Unseliger! Wie geht das zu, dass ich das und das Haus klar als das Meinige erkenne und es in eine Wirtschaft verwandelt ist? Welches Missgeschick hat mich so verrückt gemacht, dass ich nach Sonnenuntergang beim Schein der Laterne nicht unterscheiden kann, ob dies mein Heim oder das eines andern ist? (11) Ich habe nie Hunde gehalten, und hier höre ich deren so viele, dass ein Jäger nichts mit ihnen anzufangen wüsste. Aber sollte ich jede Qual erdulden und dabei Leben und Ehre verlieren, so will ich probieren, ob ich hier eintreten kann oder nicht." Nach diesen Worten verscheuchte er jede Furcht und fing an, zu klopfen, in der Meinung, es werde ihm sofort geöffnet werden. (12) Aber ein Diener, der da drin versteckt war, sprach zu ihm: „Geh mit Gott! Denn du findest hier heute Abend um keinen Preis Herberge. Besorge deine Angelegenheiten an einem andern Orte." Diese Antwort schien ihm so sonderbar, dass er den Kopf sinken liess wie die Ochsen, wenn sie vom Metzger den Todeeetreich empfangen haben; er erinnerte sich nicht einmal mehr, Notar zu sein. (13) Ganz verwirrt ging er weg und sprach dabei: „Die Wohnung, die mir gehörte, ist dies nicht mehr ! Und doch scheint mir, ich habe sie eben in raschem Laufe verlassen. Mag Gott es verstehen, denn ich versteh es nicht, vielmehr bin ich ganz verstört, denn im Übrigen ist die Strasse ganz unverändert." Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung und zählte eins nach dem andern die Häuser seiner Nachbarn ab, und indem er sie wieder und wieder beschaute, täuschte er sich in keinem als in seinem eigenen. Und als er das bei sich bedachte, beschloss er, noch ein Mal sein Glück zu probieren, so dass ihm der Diener noch frecher entgegentrat, (15) der zu ihm sagte: „Hergelaufener Kerl, wenn dir noch ein einziges Wort entschlüpft, soll ein Steinhagel über dir niedersausen, und die Hunde will ich auf dich hetzen, bis die Kleider und Haut ganz zerfetzt sind. Mach dich schnell auf die Strümpfe und beschleunige deine Schritte, und behellige mich nicht noch einmal* Wenn du ein drittes Mal klopfst, wird dich einer hören, der dich nie gesehen hat." (16) „Öffne gefalligst, denn dies Haus gehört
32
mir," sagte der Notar, „nnd ärgere mich nicht länger." „Beim Henker, ich will dir öffnen nnd die Kleider sollen dir rauchen! Siehst du denn nicht, dass dies eine Wirtschaft ist? Spiel nicht weiter den Laffen, sonst lass ich die Hunde los." (17) Und er tat dergleichen, als ob er sie losbinden wolle. Der aber bekam solche Furcht, dass er sich nicht getraute, ihn weiter zu bitten, und so ergriff er die Flucht, um einem grösseren Unglück zu entfliehen. Und um den Hunden besser zu entgehen, wenn sie hinter ihm herkommen sollten, gab er sich Mühe, die Strassen zu vermeiden und die Gässchen zu benutzen, bis er schliesslich in das Haue eines Barbiers ge- gelangte. (18) Als er sich zurecht gefunden, beschloss er, diese Nacht nieht länger herumzustreifen. Er rief den Barbier, nnd der kam gar freundlich herbei, unterhielt sich mit ihm von vielen Dingen und fragte ihn schliesslich ob er vielleicht eine törichte Gesellschaft angetroffen habe, dass er sich um eine solche Stunde habe aus dem Hause locken lassen.
(19) Der setzte ihm vom Anfang bis zum Ende auseinander, was ihm passiert und wie es ihm ergangen war; wie er mit den Heilmitteln zurückkam, um seiner verunglückten Frau zu Hülfe zu kommen, wie er alle benachbarten Häuser genau er- kannte, das seinige aber nicht mehr da war; wie er vielmehr an Stelle desselben eine gutbegangene Wirtschaft vorfand;
(20) und wie ein Diener ihn hatte töten wollen, der frecher als je einer war, und wie er dem Tode durch diesen kaum entrann. Der Barbier fing an, zu lachen, in dem Gedanken, dass der gnte Mann träume oder dass er vielleicht, wie es vorkommt, eins über den Durst getrunken. (21) Und um dem abzuhelfen, sagte er zu dem Freunde gewandt: „Es wird gut sein, wenn ihr ohne Zögern euch zu Bett begebt, da für euch die Strassen nicht passierbar sind." Dieser, der vom Hunger geplagt wurde und der sich wegen seines Durstes aufziehen hörte, sagte: „Damit ich zu dem Schaden noch den Spott habe, soll ich nun auch noch ohne Nachtessen zu Bette gehen. (22) Du behandelet mich wie einen Betrunkenen, und ich bin so nüchtern, wie nur möglich. Doch heute Morgen habe ich nichts als ein Ei genossen, so das mir der Magen zusammenschrumpft. Du weist, dass während des Tages ich vom Schreiben mich bloss erhebe, wenn etwas dazwischen kommt, nnd heute habe ich beständig geschrieben. Denk dir also, wie wohl mir zu Mute ist" Der Barbier sagte: „Es ist für Euch nicht gut, dass
за
Ihr so spät nach esset ; daraus könnte mehr Böses als Gutes ent- stehen, und mir fiele es zur Last." Der, dessen Eingeweide leer waren, hätte gerne zu Nacht gegessen ; aber топ Scham be- zwungen ging er, wenn auch ungern, zu Bette. (24) Die ganze Nacht verbrachte der Unglückselige, ohne je Schlaf zu fin- den, damit, das erlebte Missgeschick durchzudenken und zu bejammern, brüllend, wie die Tiger und die Bären, wenn sie dem Jäger nicht entrinnen können, oder wenn sie sich von den andern Raubtieren mit übermächtiger Kraft zerrissen und zerfleischt sehen. (25) Als aber die schöne Morgenröte mit dem Tagesgestirn sich zu offenbaren begann, beschloss dieser, nicht länger liegen zu bleiben wie ein Feigling, sondern mit männlichem Mute zur Wohnung zurückzukehren, und für den Fall, dass jener Diener keine Art annehme, so viele Freunde zu sammeln und mit solchem Ungestüm vorzugehen, dass die Mauern sich öffnen sollen, geschweige denn die Türen. (26) Jener Barbier, der ein ganz geriebener Schäker war, ruhte nicht, bis er ihm eigenhändig eine Art von Panzer an- gezogen hatte, der mehr als hundert Jahre in einer Ecke ge- legen hatte; und an die Seite gürtete er ihm ein Schwert von der Art jener, welche nicht so rasch aus der Scheide fahren, und um die Ausstattung vollständig zu machen, liess er ihn den Kopf in eine Art von Truhe stecken. (27) So machte er sich schwach, betrübt und von der Last der Waffen bedrückt mit dem Barbier zusammen auf den Weg; und als sie sich auf Pfeilschussweite dem Hause genähert hatten, sahen sie kein Wirtshausabzeichen mehr vor, so dass der Barbier, der mit ihm an dieser Stelle stehen geblieben war lachend sagte: „Meiner Treu, Ihr hattet gestern, wenn mich nicht alles täuscht, einen ordentlichen Schwips." (28) „So wahr ich dir gewogen bin," sagte dieser, war das nicht der Fall; vielmehr muss es ein Gespenst oder der Geist eines abgeschiedenen Feindes gewesen sein." Und es fällt ihm gar- ment ein, die Schuld auf seine Frau zu werfen und ihr so Unrecht zu tun; und aus Angst vor ihr stottert er und ist fast aus dem Häuschen, und so sehr wenig weise er sich einen Bat zu schaffen, dass er es nicht wagt, die Türe zu berühren, geschweige denn einzutreten. (29) Sein Ehegespons, das auf seine Bückkehr wartet, hatte eine Wache ans Fenster gestellt. Als die ihren Herrn um die Ecke auf die Hauetüre zukommen sah, trat ihm ganz wild entgegen und sagte: „Eine schöne Geschichte! Ein netter Spass, den Ihr Euch da geleistet
Volkftomliohe Diohtangen der Italiener. 3
34
habt! Welches reissende Tier wäre so erbarmungslos« eine solche Grausamkeit zu verüben !a (30) Von der andern Seite eilte das Weib herbei, kläffend und beissend wie eine Hündin, und tat dergleichen, als ob sie sich zu Tode weine; und da- bei verfluchte sie den ersten, der davon sprach, sie mit einem solchen Manne ins Ehejoch zu spannen, mit dem sie nun mehr als zwölf Jahre in Schmerz und Pein gelebt habe. „Als ich gestern Abend in Todesnöten war, ranntest du in grosser Eile davon« Und jetzt kehrst du — ein Traum scheint es mir — bewaffnet in Gesellschaft eines Haarschneidere zurück, dass ich aus Scham für dich in den Boden sinke, wenn ich sehe, mit was für Leuten du dich abgibst und zu deiner Gesell* schaft einen Läusesäger auswählet, so dass mich Lust ankommt, dir die Augen auszukratzen." (32) Er konnte lange sagen: „Weib, hör mich doch, Undankbare, und stille deine Wut! Die Möglichkeit, heimzukehren, wurde mir zweimal genommen und mir solcher Schimpf angetan, dass ich zum dritten Male nicht anzuklopfen wagte und gern oder ungern anderswo eine Lagerstatt suchen musste; und wenn du das nicht glaubet, so frage den, der bei mir ist." (33) „Was fur ein gutes Zeugnis ist das gewesen! Sonst weiter keine, Herr Gatte? Nur zu! doch sag mir gleich, wie viele Blätter dies dein Büchlein hat, und ob die Blätter drin schwarz oder weiss sind, damit ich schnellstens weiss, welcher Wirt dich diese Nacht in seinen Klauen hielt.tf Als der Barbier dieses Ge- töse hörte, machte er sich eilends auf die Strümpfe.
(34) Und der arme Gatte stand da wie angewurzelt und zitterte auf der einen Seite und auf der andern schnaubte er, wie einer, der im Kampf mit Weib und Magd den kürzeren zieht. Schon schiffbrüchig will er nicht zwischen Skylla und Gharybdis ersaufen, und bittet seine Frau, sie möge sich be- sänftigen; ein prächtiges und schönes Kleid soll sie haben. Bei solchem Angebot liess sie mit Blitzesschnelle den Hoch- mut des Weibes fahren, so dass der Gatte voller Freude zu seiner Frau sagte: „Bereite das Essen, denn ich fühle meine Kräfte schwinden, wenn du auch nicht an das glaubet, was ich habe aushalten müssen," „Ich glaub es, Männchen, denn du bist ja ganz verstört. (36) Auch der gestrige Tag zwingt mich, dir Glauben zu schenken, denn an solchen Abenden ziehen viele Hexen mit ihrer Anführerin an der Spitze durch die Strassen, und sinnen darauf, mit ihren Zaubereien einen guten Mann der Sinne zu berauben, der
— 35 —
sein Hans verläset, um für seine leidende Frau Hülfe zu holen.** (37) „So wird es sein, mein Weib; du sprichst wahr, wie wenn du dabei gewesen wärest. Ich war im Begriff, dienstfertig und hurtig zurückzukehren, um in die Liste der Ehemänner aufgenommen zu werden, wie sie sein sollen, als ich nach Hause kam und ganz baff wurde, als ich die Türen die alt und abgebraucht waren, erneuert fand — wunderbar zu sehen! — und darüber einen Wirtschaftsreif.** (38) Die Frau konnte sich nicht enthalten, laut aufzulachen, da sie an dem Missvergnügen, das sie ihrem Ehegespons bereitet, Vergnügen fand. Und auch er hatte keinen Grund zur Klage, weil die Freude dem Schmerz die Tore schloss, und neben der erlebten Fröhlichkeit konnte die Erinnerung an das erlebte Leid nicht aufkommen.
(39) Kehren wir nun zur zweiten Gattin zurück, welche mit der ersten wetteiferte und sich anschickte, an ihrem Ge- mahl ihren Willen zu erproben und schon einige Spässe aus- geheckt hatte, die sie ihm spielen könnte. Schliesslich sagte sie, als sie schon die Kleider ausgezogen, um zu Bett zu gehen, zu ihrem Gatten: „Mein Gatte, du hast einen so stinkenden Atem, daß ich mir vorgenommen habe, nicht mehr an deiner Seite zu ruhen.** (40) Der Gatte sagte: „Sprichst du im Ernst, mein liebes Weib, oder willst du mit mir einen Scherz machen?** Sie antwortete: „Es ist nicht meine Art, zu spassen, am wenigsten mit dir. Es schickt sich nicht, vielmehr ist es eine grosse Schmach für eine Frau, wenn ein Mann bei solchen Vorkommnissen den Blinden spielen will; zu den Frauen, die sich das gefallen lassen, habe ich nie gehört und will nie dazu gehören. (41) Weiter will ich dir sagen, dass ich mich von Tisch und Bett von dir schon von mehr als einen Monat hätte scheiden lassen; aber dein liebreiches mildes Wesen und deine andern guten Eigenschaften haben mich zu meinem Schaden in dieser unwürdigen Lage gehalten. Und wenn ich dich jetzt verlasse, so fass dich in Geduld, denn ich kann es nicht mehr länger aushalten.** (42) Da antwortete er ganz erschrocken: „Gibt es denn für einen schlechten Atem kein anderes Heilmittel, als dass ein Weib den Mann verläset und ihn für immer zwingt, keusch zu leben? Du bringst mich in eine so elende Lage, dass ich lieber nicht mehr unter den Lebenden weilen möchte.** Die Frau sagt: „Wenn du nach einem Mittel dich sehnst, musst du dich um Hülfe umsehen. Ich kenne einen Barbier, der, wenn er dich bloss ein Mal
3*
— 86 —
sieht, dir sagen kann, ob dieser Fehler von den Zähnen oder dem Magen herrührt und ob dir geholfen werden kann." Der gute Kerl, der alles glaubt, antwortet: „Lassen wir ihn schnell kommen!" Die Frau, die ihn schon am Bändel hat, schickt einen Diener nach ihm, der ihr ganz ergeben ist. (44) Als der Barbier gekommen war, sagte er sofort, dass dieses Ge- brechen nicht aus dem Magen, sondern топ einem verdorbenen Zahne herrühre, der hinten im Munde sitze und den er leicht ausziehen könnte, wenn er nur während eines bald vorüber- gehenden Schmerzes ein bischen Geduld haben wolle. (46) Dieser sagte: „Meister, ein wenig Schmerz zu ertragen macht mir nichts aus, wenn ich nur der Heilung sicher bin und es nicht noch schlimmer kommt." Der Barbier, der ihn zwischen Tür und Mauer hatte, packte ihm einen Zahn, den schönsten und den besten, den er im Munde hatte, und hielt ihn so in Bedrängnis, dass ein Toter aufgestanden wäre. (46) Ptolomäus sah in seiner ganzen Astrologie, obwohl er sie bei unbedecktem Himmel betrachtete, nie so viele Sterne, als dieser am Schatten sah, und die Kiefer krachten ihm der- art, dass man den Lärm, den das Ausreissen verursachte, so- zusagen durch die ganze Gegend hörte, um von dem Schrei ganz zu schweigen, so dass viele Leute herbeieilten. (47) Vier- zehn Tage und mehr trug er den Kopf und die Kinnbaoken zu seinem Verdruse angebunden, und beinahe wäre ihm der Lebensatem ausgegangen; so grob und ungebührlich war der Spass.
Kun soll von der dritten die Bede sein, die mit einem Abt zu ihrem Ergötzen einen neuen Streich und eine neue Tücke gegen ihren Gatten am gleichen Tage ersann. (48) Sie gab ihm von einem Trank zu trinken, der ihn sofort in einen schweren Schlaf versenkte, worauf sie froh einen Boten zu dem Abte sandte, um seine Hülfe in Anspruch zu nehmen. Dieser, der des Weges nicht unkundig war, eilte mit zwei Mönchen auf heimlichen Pfaden sofort herbei und trat hurtig und leichtfüssig ins Haue, um den Gatten ine Kloster zu bringen. (49) Und als er dort angekommen war, liées er ihm seine Kleider aueziehen und ein Mönchgewand anlegen. Ausser- dem Hess er ihm, als er ihn so einem Toten ähnlich, der nie mehr aufwachen soll, schlafen sah, eine grosse Tonsur am Kopfe echeeren, um seiner noch besser spotten zu können, und be- fahl, dass ihn unter den Namen des Bruders Golombin der Sakristan zur Mette rufe. (50) Aber bevor diese Stunde sich
37
am Himmel zeigte, batte der Trank іеіпе Wirkung verloren, eo dass dieser erwachte und sagte: „Was soll das heiesen? Wohin bin ich geraten? Welch ungerechtes Schicksal gab so viel Schlimmes zu? Steh auf, Frau, und hilf mir." Und um sie zu wecken, hatte er die Hand ausgestreckt» als der Sakristan an die Zelle trat, (61) und stark an die Tür pochend eagte: „Schnell auf, Bruder Colombin! Im Namen des Abtes befehle ich Euch, mit den anderen zur Messe zu erscheinen." Der, welcher nicht wusste, wie und wann er unter eine solche Fügung des Schicksals geraten war, stiese vor Verwunderung einen lauten Schrei aus und machte dann das Zeichen des Kreuzes. (52) Und indem er sich selbst betastete, sagte er: „Nie in meinem Leben gelüstete es mich darnach, Mönch zu werden noch wünsche ich jetzt, in einem Kloster zu sein. Zur Mette laset mich der Abt rufen? Das ist wahrhaftig eine zu scheussliche Geschichte, und ich kann mir kaum vorstellen, dass mich meine Kräfte, mein Verstand, meine Kleider und, was am wichtigsten ist, Julia mein Weib sollen im Stiche ge- lassen haben." (63) Da kommt der Sakristan zum zweiten Mal voller Zorn und Empörung und rief mit grossem Ungestüm von neuem: „Schnell auf, denn schon hat es zum dritten Mal geläutet." Bruder Colombin gerät in einem wahren Aufruhr, und drohend antwortet er: „Wenn ich heraus komme, ver- dammter Teufel, richte ich dich so zu, dass schleunige Flucht dir nichts hilft." (54) Der Sakristan antwortete: „Meiner Treu, wenn ich solche Dinge dem Abte berichte, wirst du vom Scheitel bis zur Zehe durchgebläut werden als ein schlechter und verruchter Bruder." Der glaubt immer noch zu träumen und merkt nichts von den gesponnenen Bänken und dass sein Weib ihm Widerstand leistet; einem Narren gleich tritt er aus der Zelle (55) und packt den Sakristan am Skapulier, dass der sich nicht zu rühren wagte; und er sprach dabei: „Nun ruf' den Abt und seinen Stellvertreter und die ganze andere Be- gleite chaft, denn jeder soll als gewöhnliche Kost von mir fünfzig Faustechläge erhalten," und fortwährend prügelte er ihn dabei Der Abt, der es hörte, eilte bei dem Getöse herbei als wirklicher Guardian und Hirt. (55) Alle Mönche sammelte er in ein Truppchen, um nicht blind in den Kampf zu gehen, und jeder hielt in der Hand eine Geiseel, derart, dass sie einen Griechen zum Lateinischreden bringen konnten. Und als sie zu der Stelle gekommen, wo der frisoh gebackne Mönch war, sprach der Abt zornig zu ihm: „Sag einmal,
38
Brader Colombin, weswegen bist da nicht zur Mette gekom- men? (57) Und es genügt dir nicht, dem Abte gegenüber ungehorsam gewesen zu sein, du musst auch noch den Sakrieten prügeln? Aber der gerechten Strafe sollst du nicht entgehen, bevor ich dich freigebe." Dann befahl er, ihn auszukleiden und zu geissein, was ihm gar sonderbar vorkam, so dass er anfing zu schreien: „Ist das eure Satzung? ich verstehe sie nicht!" (58) Da sprach der Abt: „Bevor der Tag hell am Himmel hinaufsteigt, wirst du sie so kennen lernen, dass du sie einen andern lehren könntest, obschon Verstand nicht deine stärkste Seite ist." Der antwortete: „Mönch bin ich nie geworden, und was für ein Teufel hat mich gezwungen diese rauen Hüllen anzuziehen und mein schönes "Weib zu verlassen?" (59) Sprach der Abt: „Man muss ihm jeden- falls den Grind kratzen. Packt eure Geissei, denn Worte sind hier überflüssig: ich komme nicht daraus, ob er sich verstellt oder ob er träumt." Die übliche Vorschrift wurde gegeben, um ihn zum Gehorsam zurückzuführen, die ihm so schwer fällt, und sie fingen an, ihn zu geisseln, dass ihm der Schlaf verging, nicht bloss das Lachen. (60) „Barmherzig- keit!" schrie der Arme, mein frommer und guter Herr Abt. Zur Mette will ich ungerufen beim ersten Glockenzeichen kommen; und wenn ich je von deinen Geboten abfalle, übe keine Nachsicht, sondern verjage mich mit Schimpf und Schande aus dem Kloster und lass mich jede Pein erdulden." (61) Der Abt sprach da: „Du bist ein frecher Lümmel, der du von einem Weibe sprichst, und doch nahm ich dich am Johannistage vor fünfzehn Jahren in der Auvergne in unsern Orden auf." Er antwortete: „Ich weiss nicht, wie das kommt, wozu du mich verurteilet; aber ich sage dir in Wahrheit und schwöre dir, dass mich nie darnach gelüstete, ein Kloster- bruder zu werden. (62) Ausserdem scheint es mir, dass ich noch vor zwei Tagen Weib, Familie und Gesinde hatte, präch- tige Güter, Alleen und Höfe, Handel und Wandel und ein hübsches Vermögen beisammen." Sprach der Abt: „Du kehrst wieder zu deiner weltlichen Verirrung zurück. Die Haut hängt dir offenbar noch nicht fest am Bücken. Auf! man prügle ihn ein andres Mal." „Gnade, Herr Abt, um Gott, tut das nicht, denn sofort will ich gehorchen." "So komm also zur Mette," sprach der Abt, „wenn du nicht als ganz dummer Mensch erscheinen willst; und bitte tausend Mal den Sakristan um Entschuldigung wegen des gar grossen Fehlers,
— 39 —
den dn an ihm begingst, indem dn einen Monat lang jeden Morgen mit ausgestreckten Armen am Boden kniest" (64) Dieser, welcher die Hiebe gekostet hatte, versprach guten Willens alles, was man von ihm wollte, und hätte Christus verleugnet, nur um dieser Pein zu entgehen. Schliesslich fand er sich bei der Mette ein und der Abt trug ihm auf, den zweiten Gegengesang zu singen, wenn er nicht wolle, dass sein Jammer von neuem beginne. (65) »Wie soll ich singen?" sagte der Arme, „wo ich glaube, seit meiner Geburt nie sonst einer Mette beigewohnt zu haben ? O meine süsse Julia, wer hat dich mir geraubt ? Wollte Gott, ich wäre in deiner Nähe ; dann ginge es mir nicht so schlecht!" Um ihn noch mehr in Furcht zu jagen, fing der Abt von neuem an, ihn schreck- lich zu bedrohen. (66) So sah er sich, ob er wollte oder nicht, gezwungen, den zweiten Gegengesang anzustimmen, und so süss stimmte er ihn an, obschon er in solcher Kunst des Verständnisses entbehrte, dass er den ganzen Chor in Ver- wirrung brachte und es in jener Nacht bei der Mette nicht mehr möglich war, die Stimmen zusammenzubringen, so schön sang Bruder Oolombin. (67) Deswegen musste er dann am Morgen mit den Katzen unter dem Tische essen und die Teller in die Küche tragen. Weiterhin liées ihn der Abt wegen eines Wortes, das er gesprochen, peitschen; dann befahl er ihm, mit einer Schlinge am Halse um Verzeihung für das gebrochene Stillschweigen zu bitten und einen grossen Schluck Wermut zu trinken. (68) Aber wenn ich euch alles sagen musste, was über den Armen hereinbrach, würde die Ge- schichte zu wortreich und der Hörer käme nicht zu Ende. Es genügt, noch den berühmtesten Teil zu berühren, wo der Abt ihn einen Mönche als Gefährten mitgab, der grosse Lust hatte, ihn einmal durch die Stadt zu begleiten. (69) Als dieser zu dem Hause gelangte, wo er mit seinem Weib zu wohnen pflegte, sagte er bei sich: „Wenn ich je noch Blätter umwende in meinem Leben unter jenen Mönchen in diesem Gewände, so hole mich der Henker," und damit wandte er dem Gefährten den Bücken, trat in grosser Eile über die Schwelle, da er die Tür offen sah, und verlangte mit lauter Stimme nach Julia. (70) „Da bin ich," antwortete das Weib, „was steht zu Euren Diensten, ehrwürdiger Vater?" Und er breitete beide Arme aus, um sie an sein Herz zu drücken, mit den Worten: „Ich bin dein Gatte, Giani Andrea." Aber sie be- drohte ihn mit lautem Geschrei: „Ich soll wohl eine Stange
40
ergreifen, unverschämter Pfaffe, um dir damit den Schädel zn zerschmettern ? (71) Ist das das Beispiel eines ruhigen Lebens, das du den Leuten dieser Welt gibst? Scham dich dessen, was du zu mir gesagt hast, denn mein Gatte ist seit einem Monat auf einem Landgut! Und andern Schimpf tat sie ihm noch an, bis aus der Küche noch eine Magd erschien, mutig und stark, zu ihrer Hülfe, und ihm zwei Näpfe auf dem Kopf zerschlug. (72) Und das Weib begleitete ihn noch mit der Stange bis an die Türe, um ihm die Kapuze der Kutte in Ordnung zu bringen und um ihm die kürzesten Wege zu zeigen. Bei diesem Lärm eilen viele Leute herbei; aber sein Gefährte entschuldigt ihn in diesem Augenblick sehr, indem er sagt: „Tut ihm seinen Schimpf an; der Ärmste ist ein bischen verrückt. (73) Zu gewissen Zeiten des Jahres und gar häufig pflegte er solche Anfälle zu bekommen, dass er einen Monat und mehr von Sinnen war; aber nie verlor er so sehr das Mass, dass er irgend eine Ausschreitung begangen hätte, es sei denn jetzt, was mir Furcht einflößet Und um grösserer Schmach zu entgehen führte er ihn gebunden ins Kloster. (74) Der Arme wagte es nicht, auch nur ein Wort zu sagen, um nicht von Leuten aus dem Volke erkannt zu werden; und so wurde er ganz erschrocken und verstört, von Furcht und Scham hin und hergetrieben, bis zur Abtei von vielem Volk geleitet und für einen Narren angesehen, so dass der Abt ihn sofort im Turmverliess in Böcke schliessen Hess. (76) So lange hielt er ihn im Gefängnis, bis ihm die Haare mächtig wuchsen, dann holte er, um ihn aus dem Kloster herauszubringen, vorsichtig den Trank hervor und gab ihm davon ein Glas voll zu trinken, dass seine Sinne so ihren Pfad verloren, dass er wie tot, vom Schlafe ganz umfangen, nach seinem Hause zurückgebracht wurde. (76) Die Frau brachte ihn an dem gleichen Orte unter, wo er gewesen war, als die Mönche ihn wegtrugen, und nicht lange war er dort, so schwand die Finsternis und Phöbus stieg glühend wie ein Feuer, herrlich und hell im Osten empor, und durchbohrte mit seinem Strahl die Erde, bevor dieser erwachte. (77) Aber als er wach war und sein Weib vor sich sah, betrachtet er diese ganz verstört und wechselt die Farbe, und wiederholt oft : „0 Gott, was hat mich für eine solche Gnade bestimmt, dass ich dir zurückgegeben bin, mein Weib, denn ich dachte schon, von dir verbannt zu sein, und zweifelte schon, ob ich dich je im Leben wieder sehe." Und er fing an, all sein Unglück
41
топ einem Ende bis zum andern ihr zu erzählen, und wie nie an irgend einem Ort ein Mensch lebte, der so viele Hiebe bekam, wie er, und dass niemanden ein ahnliches Schicksal traf. Es sprach das Werb: „AU dein Miesgeschick rührt, mein Gatte, wenn ich das Rätsel recht löse, nur топ deinem unmässigen Trinken her. (79) Wer zu тієї trinkt, träumt тієї, und du hast gestern so тієї geschluckt, dass ich mich schämte, deine Lebensgefährtin zu sein, und das brachte dich ine Wackeln, denn der Mensch, der über den Durst trinkt, gerät so ausser sich, dass ihm in einer Stunde es scheint, in so vielen Ländern gewesen zu sein, als er in vier Monaten nicht zu bereisen vermöchte." (80) „Kann sein, mein Weib, dass ich geträumt habe. Immerhin kam ich letzthin als Mönch verkleidet hierher, um dich zu umarmen, aber du ge- rietest in eine Wut, dass ich mich jetzt noch fürchte, dich anzusehen.- Die Frau sprach: „Halt nun den Mund und sprich davon nicht weiter, denn es kostet mich Uberwindung, dich anzuhören; und wegen dieses deines Lasters hoffe nicht, von mir in Zukunft je einen Schluck ungemischten Weines zu bekommen. (81) Bleib nun den ganzen Monat hier im Hause, denn du gleichst einem Sperber, dem man die Augen- lider zugenäht hat. Ich werde durch das Land Gerücht und Mähr verbreiten, dn habest die Märkte von Frankreich auf- gesucht, damit dein Verfehlen nicht an den Tag komme und dir daraus Schmach erwachse." Dann machte sie sich mit den Gefährtinnen auf den Weg und zusammen suchten sie Merlin auf. (82) Und als sie bei ihm angekommen waren, setzte ihm jede auseinander, was für einen Streich sie ihrem Mann ge- spielt habe. Merlin antwortete nicht sogleich, denn er staunte, welchen Fleiss diese Damen bei ihrem Wettbewerb entwickelt hatten. Dann aber entschied er — und mit Becht — dass die mit dem Zahn die Ehre des Sieges davon getragen habe. (88) Und um der ersten und dritten zu beweisen, dass er gerecht geurteilt habe, sagte er: „Jede von enoh hat ihren Gatten gezwungen, eine Lüge zu glauben. Diejenige, die ihren Mann aussperrte, liess ihm durch einen Diener Schimpf und Schande sagen und ihn bedrohen, was auch den grössten Weisen als Narren hätte erscheinen lassen. Und du brachtest deinen Mann von Sinnen, indem du ihn mit jenem Trank betrunken machtest, und auf ähnliche Weise hast du ihn dann mit Hülfe von andern zu seinem Nachteil übertölpelt. Aber diese be- wog ohne weiter auszuholen den Gatten mit ihrer eigenen
— 42 —
IV.
Qrlllo als Arzt.
(1) O ihr hohen und heiligen Musen, die ihr an dem ge- weihten Born des Pegasus weilt und mit grünenden Oliven- blättern bekränzt seid, schenkt mir wie dem Thebaner Amphion und dem Thrakter Orpheus eure höchste Gunst, dass ich eine Erzählung vortragen mag, die den Zuhörer ergötze. (2) Im Dekamerone des Boccacio, in seinem Gorbaccio und auch nicht in den fünfzig Erzählungen findet sich eine, die dem horchenden Publikum so viel Freude und Genuss zu verschaffen im Stande wäre. Sie handelt von einem dummen und halbverrückten Bauer, der gewohnt war, vom Morgen bis zum Abend den Acker zu bestellen und der den Doktor der Medizin spielen wollte.
(3) Grillo nannte er sich mit Namen und wohnte mit "Weib und Kindern in einer aus Schilf, Böhricht und Blättern gebauten Hütte, in der er von dem Ertrag seiner ländlichen Arbeit lebte. Er hatte einen Bruder, der Doktor war, einen jeden Preises und jeder Ehre würdigen Mann. (4) Der wohnte in einer hochherzigen Stadt, die nicht weit von jenem Land- haus entfernt war, und lebte prächtig und fein von dem Be- rufe, den er den ganzen Tag ausübte. Dieser Arzt, um euch nichts zu verhehlen, träumte in einer Nacht, er sei auf das Feld gegangen, wo sein Bruder pflügte. (5) Und es war ihm, als ob er vom Pferde stiege und dass er den Pflug gegen seinen Willen mit aller Gewalt schnell wegnahm, dass er der Furche des Bruders langsam folgte und dass ein unbekanntes Etwas, das im Acker verborgen war, ihn mitten im Pflügen zurück-
Zunge dazu, sieh den schönsten und besten Zahn, den er hatte, ausziehen zu lassen, weswegen ich Euch den Preis zu- erkenne.
(85) Keiner von den andern war so geschickt wie dieser, Lug und Trug zu erkennen, und wurde unter allen am stärksten geäfft und musete an sich den grössten Schaden erfahren, so dass der Preis richtig verteilt ist. Und keine von euch be- mühe sich, ihn zu erbitten, denn ich reiche ihn der, welche die schlauste und dabei die am wenigsten verdorbene ist.
43
hielt nnd um das Ende dieser Arbeit zu sehen, entdeckte er einen unglaublichen Schatz. (6) Und während er denn diesen wegtragen wollte, erwachte er gegen Tagesanbruch und fand seine Hände leer. Deswegen wollte er aber nicht ver- zweifeln, und er befahl seinen Knechten, ihm sein Pferd vor- zuführen, damit er sehen könne, ob das, was er geträumt, wahr sei. (7) Als das Pferd ohne zu langen Verzug an der Stelle angekommen war, stieg der Arzt auf und ritt schneller als im Galopp davon, um auf seiner Reise bevor die Sonne am Horizonte aufgestiegen war, kein Hindernis anzutreffen. So gelangte er auf eine grüne liebliche Au, auf welcher er seinen Bruder sah, der an der Stelle pflügte, von der er ge- träumt hatte. (8) Und er stieg von seinem guten Benner, schritt auf seinen Bruder zu, und rise ihm schnell den Pflug aus der Hand; dann wandte er sich ohne Verzug an ihn und bat ihn um Verzeihung, wenn er sich in diesem Falle einen Fehler zu Schulden kommen lasse, da er es nicht tue, um ihm entgegen zu treten, sondern um über eine Vermutung ins Klare zu kommen, die ihm in einem Traumgesichte auf- gestiegen sei. (9) Als sich Grillo so behandelt sah, packte er wutentflammt eine Hacke und schwur bei Gott, er wolle ihn ungespitzt in den Boden hineinschlagen und ihm den Kopf wie eine Bübe abhauen. Aber einer seiner Knechte eilte ihm zur Hülfe, schlug dem Bauer schnell die Schaufel herunter und mit dem Schwerte in der Hand zwang er ihn als verständiger Mann gegen seinen Willen zur Buhe. (10) Unter- dessen fing der edle Arzt wie ein Ackersmann das Feld zu pflügen an nnd kümmerte sich wenig um die Wut des Bruders beim Antreiben der Ochsen, die eine gerade Furche zogen. Und so lange ging er, dass, wenn er an jenem Tag zu Bette gegangen wäre, wie Jason auf der Fahrt nach dem berühmten und kostbaren goldenen Vliese um ihm ein Hindernis in den Weg zu legen, hätte er keinen so grossen Schatz gefunden. Denn mitten im Pflügen sties s der Pflug auf den Deckel eines Grabes, das unter dem schwarzen Erdreich verborgen war, und so sah es aus, dass den Doktor die Furcht packte bei dem Gedanken, es sei der Höllenschlund und nicht die Öffnung eines dunkeln Grabes, aber als er seine Augen auf den Inhalt richtete, sah er einen grossen Schatz in dem Grabmal. (12) Der berühmte Giani, der später Doge der Venezianer wurde, weil er den kleinen Knaben bei sich hatte, war nicht so froh, als er den Schatz in Altino fand, wie es dieser Doktor war, der
44
beide Hände öffnete, nnd dabei den himmlischen Herrn lobte dafür, dass sich das, was ihm im Traume erschienen war, in Wirklichkeit ereignete. (13) Als Grillo, der aufmerksam zu- schaute, den Schatz sah, eilte er sohneil an den Ort, wo sein Bruder beim Grabmal stand, und wollte auch seinen Anteil haben. Aber damit war der Doktor nicht zufrieden, vielmehr jagte er ihn von sich mit den Worten: Wenn er sich nicht von dannen trolle, werde er ihn von seinen Knechten totschlagen lassen. (14) Grillo hörte das voller Furcht und verließe mit gesenktem Haupte das Feld; der Doktor aber war weder faul noch müde, den ganzen Schatz aus den Boden zu heben und ihn dann schnell wie ein Blitz von seinen Dienern nach Hause schaffen zu lassen. Und als Grillo in seiner Hütte anlangte, erschöpfte er sich umsonst in seinem Bemühen, das Schicksal zu verfluchen, (16) indem er sagte: «Ach ich Elender, Unglücklicher, wer ist in dieser Welt unter einem schlimmeren Stern geboren, wenn ein Mann, der an einer Stelle pfiügt, einen solchen Schatz findet, wie ich ihn eher zu bekommen hoffen durfte, an einem Orte, wo ich mich mit äusserster Mühsal seit zwanzig Jahren abgerackert hatte? (16) Das ist ein allzu offenbares Zeichen meines alles übersteigenden Unglücke, und ich kann daraus entnehmen, wie es weiter gehen wird, wenn sich Meer und Erde, Feuer und Luft mir entgegenstellen nnd die ganze Welt und der Himmel mich bedrücken und das Schicksal gegen mich ist, gegen das ich nicht ankämpfen kann, weil es schliesslich immer den Sieg davonträgt." (17) Während sich Grillo so grämte, drängten sich die Kinder um ihn und schrieen alle um Brot; da wuchs ihm Schmerz und Zorn doppelt, so dass er aus innerstem Herzen Himmel, Mond, Sonne, Nacht, Tag, Feuer, Wasser und den ganzen menschlichen Krempel verfluchte, da er nur zum Dulden auf diese Welt gekommen war: (18) Und er fuhr in seinem Ergüsse fort: „Wie kommt es, dass das Glück einem Doktor so günstig ist, dass er ohne Mühe einen so grossen Schatz finden kann? Deswegen will ich Doktor werden, da diese unter der Sichel des Mondes so glücklich sind, dass sie in einem Augenblick mehr verdienen als jeder Andere in hundert Jahren. (19) Das Vieh, den Pflug und die Felder will ich verkaufen und Arzt werden, und wie ich hier bloss Mühsale einheimse, will ich mit meinen Kenntnissen Geld verdienen, um meine Lage zu verändern. An Ehre werde ich Abend und Morgen zunehmen und hoffe in einem Jahre
so viel zu zu erwerben als andere Gelehrte in hundert und mehr." (20) Sein "Weib, das aufs Land gegangen war, kehrte mit der Schaufel in der Hand heim, und da sie ihren Gatten sah, der sich leise über sein Schicksal beklagte, wurde sie nicht müde, ihn zu befragen, welches der unglückliche Fall sei, der seine Pein und seinen Schmerz verursachte, und so wahr er sie liebe, möge er es ihr sagen. (21) Und der Bauer erzahlte ihr unter schweren Klagen, wie die ganze Sache gegangen sei und wie er den besten Entschluss gefasst habe, nämlich den, ebenfalls Arzt zu werden und praktizierend von Ort zu Ort zu ziehen, um reich zu werden und Ehre zu erwerben. „Und das, was ich auf dieser Welt besitze, will ich verkaufen, um mich fein zu kleiden und Geld ausgeben zu können." Das Weib antwortete: „0 weh, was höre ich dich da sagen! Ich glaube, du hast den Verstand verloren. Lass dich nicht vom Schmerz so überwältigen, dass du deine schwaohe Seite nicht mehr kennst. Glaubst du denn, in einem Augenblick gelehrt zu werden, du armer kindisch gewordener Alter? Um in diesem Leben noch Wissenschaft zu erlernen, müsstest du ja eine ganze Stadt ausgeben können (23) und zwanzig Jahre studieren, und dann hättest du noch nicht einmal domine i ta los!" Grill о antwortete: „Sei nur guten Muts. Du wirst schon sehen, wie's geht, mein feines Weibchen." Und sobald am andern Tage die Morgenröte erschien und seine Frau ausgegangen war, verkaufte er all sein Hab und Gut an einen Bürger der Stadt, der Kaufmann war. (24) Hacken, Hauen, Schaufeln, Pflüge und Ochsen, den Wagen und ein hübsches Stück von vier Feldern und dann ebenso viel und die Hälfte mehr, was das Weib mitgebracht hatte, alles verkaufte er. Und dem ältesten seiner Kinder hinterließe er von hundert Dukaten, die er als Bezahlung empfangen hatte, (25) dreiseig, damit ihm seine Frau keine Vorwürfe machen könne, und sprach dabei zu ihm: „Wenn du deine Mutter siehst, so gib ihr dieses Geld und sag ihr, dein Vater habe es dir für deine Mutter übergeben." Und der sagte fröhlichen Willens: „Mein lieber Vater, was du gesagt hast, will ich gerne ausrichten." Und als Grillo dieses Geschäft abgewickelt, entfernte er sich schnell, nachdem er die andern Goldstücke in ein Geldsäckel verwahrt hatte. (26) Lassen wir diesen in seinem Zorne nun gehen und kehren wir zu der Frau zurück, die mit be- kümmertem Antlitz das Haus Verliese, als sie Grillo sein Un- glück so beklagen hörte, und im Fluge begab sie sich zu
dem Schwager und sagte: , Eines solchen Schadens versah ich mich von Eurer Seite nicht; aber wer andern tränt, gerät leicht ins Elend* Glaubt Ihr, ee sei mit der Gerechtigkeit vereinbar« dam Ihr einen solchen Schatz in unserm Boden finden und Am« der nicht Euch gehört, Euch aneignet, ohne dass Euch der Himmel bestraft oder Euch die Erde verschlingt, um Euch in den Höllenpfuhl zu versenken? Wenn Ihr ihn schon behalten wollt, solltot Ihr ihn mindestens mit uns teilen! (28) Ich weiss nicht, ob Ihr bei der Ausübung der Heilkunst, die Ihr so lange studiertet, und beim Durchsuchen des Dreckes und der Pisse soviel Geld verdient habt wie an einem einzigen Morgen beim Pflügen« Ich weiss, dass diese meine Logik Euch nicht genehm ist, denn mir ist bekannt, dass das Sprich- wort sagt: „Du sollst den Menschen nicht an seiner empfind- lichen Stelle berühren und mit der Wahrheit keine Scherze treiben.44 (29) Während diese mit wutentflammten Augen so sprach, kam ihr ältester Sohn dort an und überbrachte ihr das Geld, das Grillo bei seinem Weggehen zurückgelassen hatte, — wie schon gesagt dreissig Dukaten — und erzahlte weinend, wie ihr Gatte alles, was er besass, verkaufte, und aufgebrochen sei. (30) Die Frau schrie, ab sie das hörte: „Ich Unselige! Durch Euch trifft mich dieses Unglück, mein Schwager," Der kluge Arzt tröstete sie und zeigt herben und tiefen Schmerz über ihren Kummer. Ab er nachher gehört, durch welches Tor der Stadt er sich entfernt hatte, lobte er Gott, da er nunmehr wusste, dass er auf dem Wege nach der Stadt Schlaraffia war. (31) Und er sprach zu seiner Schwägerin: „Ich will auf einen einsamen Weg, wo mein Bruder durchkommen muss, aus Edelmut ein Säcklein mit tausend Gulden werfen, dass sein Sinn sich ändert, er seine Beiße durch die Welt aufgibt und ins Vaterland zurückkehrtu
(32) Die Frau sprach: „Das gefallt mir sehr und zu grösserer Sicherheit will ich mit dir gehen.a Der Arzt sagte: „Auch ich hab nichts dagegen,u So führte er sie einträchtig und friedlich hinter eich auf dem Rücken des Pferdes in ein Wäldchen, und als sie dort angelangt waren, verbargen sie sich und warfen das Säcklein auf die Strasse. (33) Grillo kam in übler Laune seines Weges daher und sagte, als er an die Stelle kam, wo das Geld lag, mit zusammengekniffenen Lippen und tiefem Schmerze den Blick gen Himmel richtend und von schwerem Kummer bewegt: „Weswegen beraubst du mich Elenden nicht dieses Staubgewandes ?u und in diesem
— 47 —
Augenblick setzte der Arme seinen Fuss auf das Säcklein, bemerkte es aber in seinem Schmerze nicht (34)
Аія der Bruder sah, dass er achtlos daran vorbeigegangen war, regte ihn sein Unglück sehr auf, und er rief ihn sofort zu sich und zeigte ihm das Säcklein, das auf der Strasse lag, und sagte: „Unglückseliger Schmerzgepeinigter, beklage dich über dich selbst, du Armer. Wie willst du das erwerben, was verborgen ist, wenn du das, was offen zu Tage liegt, nicht siehst?a
(35) Dann sagte er zu der Schwägerin: „Halte dich nun nicht länger verborgen und entdecke dich deinem Manne, denn er 8oll im Frieden zurückkehren und sich eures alten Nestes erfreuen." Und er wollte Grillo jene Dukaten geben, als dieser mit ungewohntem und schrecklichem Schrei antwortete : „Ich will sie nicht, Verräter! Mir gehts erst gut, wenn ich Doktor bin." (36) Dem Arzte tat das recht leid und er sagte zu der Schwägerin: „Ihr habt meine Absicht gesehen\u
dann trennte er sich von ihr und liess sie mit kummervollen und traurigen Herzen zurück. Die Frau wollte ihrem Gatten folgen, um ihm den Tod zu geben, und so folgte sie ihm ganz langsam aus der Ferne jeden Tag allein.
(37) Grillo, der zuerst wieder zu wandern anfing, setzte seine Reiße nach Schlaraffia fort über "Hügel, Höhen, Berge und schattige Täler, dabei manchen rauhen und wilden Wald, manche finstere Höhle und manchen dunklen Laubgang durch- schreitend, in den Phöbue Strahl nie gedrungen war, und schliesslich gelangte er, wie es dem Schicksal gefiel, an die Tore der Stadt Schlaraffia. (38) Und er ging, um dort aus- zuruhen, in eine Herberge, die im Schild ein Fräulein von würdiger, stolzer und hoheitsvoller Haltung führte. Als das die Frau sah, ging sie voller Wut zum Palast des Königs, und der müde Grillo hielt sich dort bis am andern Tag auf. (39) Als Phöbue aus dem Osten zu uns gelangt war, erhob sich Grillo aus dem Bette und ging sofort auf den Platz, auf dem gerade Markt war; dort kaufte er sich einen trefflichen rosenfarbigen Zobelmantel, der heller leuchtete als Gold, denn wenn dieses leuchtet, leuchtete der Zobel noch mehr. (40) Dazu leistete er sich eine grosse Scharlachkapuze, die mottenbelastet und buntgefüttert war, und ein Barett von gleicher Farbe, das an der einen Seite eine Münze hatte, wie es jetzt die Befehls- haber tragen, und diesem unvernünftigen Dummkopf kostete dies ein hübsches Paar Gulden. Überdies kaufte er noch ein Paar Strümpfe aus buntschimmernden Stoffe, wie vor Zeiten
48
die richtigen Doktoren sie an den Ärmeln bloss mit einer Quaste geschnürt zu tragen pflegten, und er begab sich zu seinem Wirte zurück, um diese Prachtstücke dort anzuziehen, und kehrte dann in einem solchen Aufzuge zurück, dass er alle Leute zum Lachen brachte, denn er ging und wandelte pünktlich in der vorgeschriebenen feierlichen Haltung und spuckte ebenso feierlich. (42) Einen Hock von Damast hatte er angezogen, einen schäbigen, schmutzigen, langen und schlecht- sitzenden, dessen Gewebe durchschien, und ein Paar Pantoffeln, die er umgekehrt angezogen hatte, trug er an den Füssen, so dass der traurige dumme Mann kaum gehen konnte als einer, der kaum welche gesehen, geschweige denn getragen hatte. (43) Es war an jenem Tage eine grosee Kirchweih in der Stadt, in der Hauptkirche, zu weleher, wie es bei den Christen Sitte ist, demütig die Leute, den weltlichen Tand verachtend mit grosser Andacht ihre Opfer darzubringen strömten, damit ihnen Verzeihung für das begangene Böse werde und sie im Guten besser ausharren können. (44) Grillo hört davon und macht sich auf den Weg nach der Kirche, mit jenen Kleidern angetan, und oft stand er auf der Strasse still, um den Mantel zu beschauen, und dann sah er sich um, ob einer, der zum Tempel ging, ihn auch betrachte, so dass bald eine Menge ihn umstand, die schon gemerkt hatte, was mit ihm los war und ihn mit lächelnden Mienen in Empfang nahm. (45) Mit den Mützen in der Hand sagten sie: „Eure Hoheit sei willkommen! Aber wo habt ihr Euren goldenen Gürtel gelassen, ohne den ihr nur halb so gut ausseht?" Und er antwortete in einer Sprache, die dem Brüllen eines Ochsens glich: „Nur Geduld, denn in einer Stunde bin ich ein Gelehrter, und den Gürtel will ich mir dann bald kaufen." Und ein Verruchter, der diese frohe Szene sah, sagte bei sich: „Was soll aus diesem Dickkopf werden ?u Und er lief auf ihn zu, packte ihn am Kopf und deckte ihm mit jeder Hand ein Auge zu, wobei er ihn so belästigte, dass Grillo wie ein Frosch aussah; und er tat dergleichen, als ob er dem dummen Bauer eine wichtige Angelegenheit ins Ohr flüstere. (47) Schliesslich gelangte er in den heiligen Tempel und sah einen armen Teufel abseits sitzen. Der, ein Schläuling, erkannte die Einfalt des Mannes, zog ein schönes Büchlein ans dem Busen und beim Lesen tat er dergleichen, als ob ein grosser unerhörter Fall darin erzählt und aufgedeckt würde, und bald presets er die Lippen auf- einander, bald zwinkerte er mit den Augen, so dass der Bauer
49
in helle Verwunderung geriet. (48) Und er näherte eich ganz langsam dem Armen, welcher dergleichen tat, als habe er ihn nicht gesehen, und weil er wohlgebildet und schön war, gefiel er Grillo über alle Massen, und mit roher Sprache fragte er jenen, er möge ihm, wenn es ihm gefalle, wie es seine Pflicht sei, aus Höflichkeit sagen, wovon das Buch handle, und wem es gehöre. (49) „Bas Buch ist mein,u sagte der Spitzbube, „und es lehrt die Kunst der Medizin und alle andern Wissen- schaften, und jeder Zweifel wird durch dies Buch gehoben. Ich bekam es vor einiger Zeit von einem grossen Schwarz- künstler, der in einem hier in der Nähe liegenden Landhause starb, dass die Stadt Raffaria nennt; für hundert Dukaten würde ich es nicht hergeben.u (50) Als Grillo an diesem Büchelchen so viel Wackerkeit rühmen hörte, wuchs ihm der- art die Sehnsucht, es zu besitzen, dass er ohne das Buch zu sterben meinte, und er sagte zu dem armen Schlucker: „Mein lieber Bruder, gib mir das Büchlein und weigere es mir nicht, denn ich bitte dich um Gottes willen darum", und während er mit ihm leise redete, drückte er ihm dreissig Dukaten in die Hand. (51) Als der Spitzbube die Dukaten sah, überliess er ihm das Buch, obschon er sich noch ordentlich hatte bitten lassen, und schied von ihm, denn er konnte es kaum erwarten, sich irgendwo zu verkriechen; bei sich selbst lachte er vor Freude, und er hatte auch Grund dazu, denn für das Geld konnte er tausend solcher Büchlein kaufen. (52) Grillo ging mit dem Büchlein in die Herberge, so fröhlich, dass er nicht einmal merkt, dass die Hosen ihm den Hintern nicht berühren ; und er sprach bei sich: „Meiner Treu, jetzt kann mir das Glück nicht mehr fehlen." Schon glaubt er, ein Gefäss der Wissenschaft zu sein, und er glaubt nicht, dass irgend ein Mensch den Mund zu einer Frage öffnen könnte, die er nicht zu beantworten vermöchte, und auf jedem Gebiete meint er den Andern beech amen zu können. (53) Sein Weib, das sich an den Hof begeben hatte, verdang sich dort als Küchenmagd, und wie es dem ungerechten Schicksal gefiel, dass keinem lebendigen Menschen Treue hält, bewirkte es, das böse, grau- same und ruchlose, dass einer schönen, zarten Tochter des Königs, als sie einen Fisch ass, eine spitze Gräte in der Kehle stecken blieb. (54) Der König, der seine schöne Tochter mehr liebte als sich selbst, liess schnell die Arzte kommen, fand aber keinen, der sie heilen konnte. Deswegen verzehrte er voller Schmerzen sein Leben in Klagen, so dass das kluge
Volkitûmliehe Dichtungen der Italiener. 4
— 60 —
Weib ОтШов, wie sie dies vernahm, beschloss, eich an ihrem Gatten zu rächen. (66) Und sie trat in die Gemacher des Könige und warf eich ihm zu Füssen. Dann, als er ihr sagte, sie möge ihr Anliegen vorbringen, begann sie mit demütiger Stimme und mitleidiger Bede : Wisset, Herr, dass gestern hier ein Mann ankam, der seines Gleichen nicht hat in der Heil- kunst, und zwar ist er in der Herberge abgestiegen, welche in ihrem Schilde ein Fräulein trägt (66) Ich kann dir im Folgenden nicht alle seine Wunderkuren aufzählen, denn sie sind zahllos; aber das wage ich dir zu sagen, dass unter dem Monde nie ein solcher Mann war. Aber er findet es ver- gnüglich, den Ungebildeten zu spielen und er pflegt selten eine Heilung zu unternehmen, es sei denn, dass ihn einer mit dem Tode bedroht, der das zu tun im Stande ist; so eigen- sinnig ist er.
(67) Der König zögerte nicht lange, sondern liées ihn vor sich kommen in dem Saale, in dem er vorher mit grosser Fracht alle hervorragenden nnd berühmten Arzte der Stadt versammelt hatte, um von der Trefflichkeit Grillos zu hören. Als dieser aber vor seiner Majestät erschien, glaubte jeder, einen hölzernen Kerl vor sich zu sehen. (58) Er trug seinen mit Zobelpelz verbrämten Bock mit einem fettglänzenden Gürtel, den er sofort gekauft hatte, als ihm das Volk das anempfohlen, so dass er wie ein sonderbares gelehrtes Tier aussah mit dem tellerförmigen Barett, mit der Kapuze und den Pantoffeln, die einander gar nicht ähnlich sahen. (69) Und als er ohne Verbeugung und ohne andere Begrüssung vor den königlichen Thron gelangte, machte er vor dem König den Eindruck eines dummen Viehs. Als der ihn sah, sprach er zu ihm: „Wo habt Ihr das Wasserglas gelassen, wackerer Doktor?" Er antwortete: „Meine Kunst besteht in anderem als im Beschauen des Wassers." (60) Der König hiese ihn Platz neben sich nehmen und erwies ihm wegen dieser Ant- wort grosse Ehre. Die Arzte konnten sich nicht enthalten, zu lachen, als Grillo redete. Schliesslich erzählte ihm der König mit grossem Miesvergnügen den Fall seiner Tochter, und versprach ihm mit einem Schwur, er werde ihm deren Heilung mit einem unermesslichen Schatze lohnen. (61) Als sich Grillo auf diesem Punkte sah, erfasste ihn grosse Furcht hei dem Gedanken, dass er ja von der Heilkunst nichts ver- stehe; auf seinem Antlitz spiegeln sich Trauer und Schrecken derart, dass er nicht einmal eine Antwort findet, und gerne
— 61 —
4*
wäre er in seiner alten Heimat gewesen. (62) Schliesslich sagte er aber doch unter grosser Furcht, dass er nicht Medizin studiert habe, dass er erst hier als Arzt aufgetreten sei und dass er von der Arzneiwissenschaft einstweilen niohts verstehe; dass sein Handwerk sei, Morgen und Abend im Schweisse seines Angesichtes den Acker zu pflügen und dass er, um an diesem Orte zu Ansehen zu gelangen, erst seit kurzer Zeit diesen andern Beruf erwählt habe.
(63) Als die Doktoren, die vor seiner Majestät standen, diesen einfältigen Mann so reden hörten, fingen sie alle zu- sammen zu lachen an, so dass Grillo mehr ais einen Seufzer ausstiess. Schliesslich sagte einer von ihnen mit süsser Miene zu ihm: „Gerne möchte ich von Eurer allmächtigen Trefflich- keit irgend etwas lernen, wenn es Euch beliebt. (64) Grillo antwortete: „Laset mich doch in Buhe! Ich bin kein Dok- tor, ich habe es vorhin schon gesagt.u Der König packte ihn aufgeregt am Arm und sagte dann: „Beim heiligen Gott, wenn du meine Tochter nicht heilst, sage ich dir auf deinen Kopf zu, dass du dieser Schlinge nicht entrinnst, und bevor der dritte Tag vorbei ist und du das nicht tust, werde ich dir zum Beweis dafür den Kopf abschlagen lassen!" (65) Der Bauer redete sich aus, so gut er konnte und schwur ihm tauend Schwüre, d«e er kein Arzt eoi; und der König raunt* ihm ins Ohr: „Bei Gott, du lügst!" Und er konnte lange beim Kreuze versichern und um ihm zu entrinnen neue Be- weise anführen, der König war bereit, ihn sterben zu lassen, wenn er in drei Tagen seine Tochter nicht heile. (66) Als Grillo sieht, dass die Sache ernst ist, wandte er sich zu dem König und sagte: „So wahr mir Gott helfe, da du willst, dass ich, der ich nichts verstehe, deine Tochter ins Leben zurückbringe, die schon halb dem Tode verfallen ist, spricht die Vernunft mein mich vernichtendes Urteil, da sie von mir sicherlich nicht geheilt wird, wie mich dünkt. Aber um dir den Gefallen zu tun, bin ich es zufrieden, das zu machen, wovon ich nichts verstehe, (67) unter der Bedingung, dass du Alles tuest, was ich von dir verlange, und du nur zusiehst und schweigst.u Und der König antwortete: „So will ich jetzt tun, Meister, und zwar gerne; und ich sohwöre bei Gott, dass ich dir eine so äusserst grosse Wohltat vergelten will, denn dies nicht zu tun wäre ein Verbrechen." (68) Grillo befahl dann, dass jeder, wer er auch sei, das Zimmer verlasse, und jeder gehorchte ohne Wiederspruch. Dann musste die
52
Tochter herkommen; und mit lästiger Klage erfüllte sie der* art das Gemach, dass man glauben konnte, sie sterbe vor Schmerzen. Dann Hess Gxilo ein Stück Schmalz bringen und zündete ein grosses Feuer an, (69) und schloss die Türe ohne Aufschub, sodass er mit dem König und seiner schönen Tochter allein blieb, die er den nackten Hintern mitten über dem Feuer in die Höhe halten läset, so dass das Fräulein vor Scham fast nicht wusste, was sie tun sollte. Und der König spricht vor Empörung kein Wort, um nicht dem Ver- sprechen untreu zu werden, das er Meister Grillo freiwillig gegeben hat. (70) Grillo schmierte sich die Hand in grosser Eile mit dem Schmalze, das er sich hatte geben lassen und der schönheitgekrönten Dame salbte er die Schenkel und den zarten Hintern. Und als diese an diese liebliche Geschichte dachte, sprach sie in ihrem Herzen: „Der spitze Dorn zer- sticht mir meine Kehle und der salbt mir, um mich zu heilen, meinen Popo ! (71) Das ist doch der grösste Spass und die gross te Dummheit, die ich je in meinem Leben gesehen habe und an die ich denken werde.u Auch der König dachte bei sich das Gleiche, und während er sich sehr verwunderte, brach die Dame in ein solches Gelächter aus, dass die Gräte aus der Kehle herausfuhr. (72) Und dann stiees sie einen mächtigen schrecklichen Schrei aus: „Mein lieber Vater, die Wahrheit will ich dir nicht verbergen! Dieser hat mich von einem grausamen Tode gerettet; sicher ist er der beste Arzt der Welt," Sie nimmt die Gräte in die Hand und öffnete fröhlichen Antlitzes die Türen dieser Kammer; und der König, der das sah, dankte Gott und kann Grillo nicht genug be- glückwünschen. (73) Die Arzte waren ganz starr, und alle die um Grillo herumstanden, taten ihm unendliche Ehre an, weil sie fürchteten, von ihm ausgespottet zu werden. Zwei wackere Schatzmeister führten Grillo in das Schatzhaus des Königs und gaben ihm auf dessen Befehl ohne Aufschub eine Million an Gold. (73) Dann führten sie ihn mit einem gold- und silbergestickten Kleid gar lieblich angetan vor ihn, und jeder beschaut ihn staunend vor Wunder. Der König sagte : „Als meinen Bruder nehme ich dich an und unsere Freund- schaft soll sich niemals mehr trennen, mein lieber Meister, da sie den Anfang ewiger Verpflichtung bildet," (75) Sein Weib, das sich keine Vorstellung gemacht hatte, es könne so gehen, wie es gegangen war, war dessen sehr froh, und behielt sich vor, sich ihm zu entdecken, und sagte oft bei sich selbst:
„Wenn es Zeit ist, werde ich meinem teuren Gatten zu wissen tun, dass ich die Ursache gewesen bin, dass er einen solchen Reichtum erworben hat." (76) Der König, der gesehen hat, dass die Heilung eine andauernde ist, kann sich kaum genug tun, ihm Freude zu bereiten, ihn zu ehren und zu lohnen, indem er ihm bald einen prächtigen Hock schenkt oder einen Mantel, der mit Seide oder Gold verbrämt ist, und das ist den Ärzten so widerwärtig, dass sie aus Neid beschlossen, ihn beim König in Ungnade zu bringen, zu dem sie gingen. (77) Und sie sprachen davon, wie Grillo gesagt habe, er wolle in einer Nacht alle die Kranken heilen, die im Kloster von San Benedetto unter grossen Qualen lägen. Der König wollte die Ausführung dieses Vorhabens sehen, liess Grillo sofort zu sich kommen und sagte: „Meister, ich will, dass du zum Heile der Stadt deine Wunderkraft verwendest (78) und alle die Kranken heilest, die sich im Spital befinden, wenn dir daran gelegen ist, mir Dienste und Vergnügen zu erweisen, und es wirklich wahr ist, dass du mir in inniger Liebe ergeben bist?" Grillo antwortete: „Wie soll ich bei grünen Zweigen auf ein Mal so viele Salben und Arzneien, Pillen und süsse Tränklein zusammenbringen, deren allzuviele sind, um in so kurzer Zeit beschafft zu werden? (79) Dann willst du mich auch, Herr, dazu bringen, etwas zu vollbringen, was ich nie verstand und was mich nie gelehrt wurde. Nimm deinen Schatz, den du fröhlichen Sinnes mir schenktest, weil ich deine edle Tochter geheilt habe, und lass mich dorthin gehen, wo mein Weib weilt. Ich weiss, dass sie mit andern Leuten auf mich wartet, denn ich bin ein Bauer und Ackerer und kein Arzt und Doktor." (80) Der König antwortete: „Du bist zu sehr Steckkopf!ц Auf alle Fälle musst du sie heilen. Und wenn du es tust, soll deine Belohnung so ausfallen, dass du sagen wirst: Herr, ich lobe dich. Eine Frist von drei Tagen setze ich dir; damit ist aber die Bedingung verbunden, dass du den Kopf verlierst, wenn du sie nicht heilet. Wenn du aber nach meinen Willen tust, (81) will ich dir eine weitere Million in Gold geben und dir einen noch höheren Ehrenposten anweisen als vorher. Zeige mir gegenüber nicht solchen Hochmut, dass ich dich zur Hölle fahren lassen muss." Grillo antwortete: „Es tut mir leid, о Herr, dass du von einem einfachen Mann eine so hohe Meinung hast, aber bloss um deinem Wunsche zu willfahren will ich, um keinen Fehler zu begehen, etwas tun, wovon ich noch keine Ahnung habe.
54
(82) Aber da sollet an alle, die das Spital in ihrer Hut haben, den Befehl ergehen lassen, dass eich keiner meinen Anordnungen widersetze, scheinen sie ihnen nun gut oder schlecht." Der König antwortete: „Damit bin ich einverstanden." Und schneller als ein Yogel seine Flügel zum Fluge hebt, sandte er im Laufe einen Boten zum Spital und tat das, was er Grillo versprochen hatte. (83) Grillo selbst ging dann sofort an den Ort hin, wo jeder, der dort angestellt war, zu seinem Befehl stand und ihm in gar nichts widersprach. Er aber liess, ohne weiter etwas zu sagen, im Hofe ein Feuer anzünden und dorthin alle Kessel tragen, die man im ganzen Lande finden konnte. (84) Ein oberer Beamter jenes Ortes sagte ihm, er möchte, wenn es ihm gefiele, gerne von ihm wissen, wozu er dieses anordne. Grillo antwortete: „Meiner Treu, da du es au wissen wünschest, wäre es ohne Zweifel unrecht von mir, es dir zu verhehlen. Ich glaube, dass der König verrückt geworden ist, der mich hierher geschickt hat, um das auszu- führen, was du von mir hören wirst. (85) Er will zunächst, dass ich ein grosses Feuer anzünde und den Kesseln einen festen Standort sichere ; diese letztern sollen dann mit Wasser gefüllt werden; wenn dies dann siedet, sollen die Kranken, die in diesem Spittel an Hüften- und Lendenweh, am Kopf oder am Magen leiden, in die Kessel hineingeworfen werden; so will er sie kochen und dann versehren." (86) „Bei Gott, das ist eine sonderbare Kur und über meinen Herren ver- wundere ich mich bass," antwortete der Wärter mit gesenktem Haupt, indem er das Missgeschick der Kranken bedachte. Der Saal, wo diese waren, befand sich in der Nähe, und als sie von der ihnen drohenden Gefahr hörten, flohen sie wie die Hunde aus der Küche und schrieen aus einem Munde, dass sie gesund seien. (87) Der eine zog sich seinen Bock an, das andere die Mütze, der eine das Hemd, der andere die Strümpfe, ein dritter das Kleid, und alle flohen aus dem Spittel in grosser Eile, indem sie dergleichen taten, als ob sie über die wiedererlangte Gesundheit grosse Freude empfänden. Aber aus Angst wartet keiner auf den andern, sondern wo der Weg am kürzesten und bequemsten war, bewegten sie eich aus der Stadt, und schliesslich blieb keiner mehr übrig. (88) In hellen Scharen zogen die Leute aus, um sich voller Verwunderung diesen Fall anzusehen; und als man die Wahr- heit erfahren hatte, war jeder vor Verwunderung starr, und einer sagte zu dem andern auf den Strassen : „Dieser Meister
— 55 —
Grillo ist ein Gefäss der "Weisheit und sieht dooh aus wie ein einfacher und einfältiger Mensch, mit dem man glaubt bloss in der Dunkelheit reden zu dürfen. (89) Als der König die Neuigkeit hörte, stieg er mit allen seinen Baronen zu Pferde — in seiner Begleitung war auch seine schöne Tochter — und zog Grillo entgegen, um ihn ehrenvoll in Empfang zu nehmen. Und als er beim Spital angekommen war, stieg er aus dem Sattel und ging ihm mit so тієї Ehrerbietung und so vielen Verbeugungen entgegen, dass niemand je eine solche Feierung sah. (90) Dann hiess er ihn auf seinen Benner steigen und er selbst wählte sich einen andern, und mit reinem, aufrichtigem Herzen führte er Grillo zu seinem Palaste, wo ihm der König voller Preis eine weitere ganze Million Goldes gab, wie er ihm versprochen, und am Hofe sohenkte er ihm ein prächtiges Haus, das mit allem nötigen reichlich ausgestattet war.
(91) Die Arzte platzten fast vor Schmerz und hielten sich von ihm für blamiert, weil ihn der König Tag und Nacht, zu allen Stunden, mit Auszeichnungen überhäufte. Unterdessen sannen drei Höflinge des Königs, die wussten, wo Grillo seine Dukaten verwahrte, darauf insgeheim, wie sie ihm seinen Schatz stehlen könnten, (92) und um die Mitter- nachtsstunde, als Grillo eine Unterredung mit dem König hatte, erbrachen und öffneten sie die Türen und raubten ihm all sein Gold und Silber, das sie in unterirdische geheime Bäume mit sich trugen, ohne dass Mühe oder Hindernis sie dabei betraf, und Grille, dessen Rückkehr sich hinzog, fand da, dass ihm sein Schatz gestohlen worden war. (93) Hierauf hub er schwer zu klagen an und verfluchte sein Missgeschick : unter einem so ungünstigen Stern sei er zu seinem Unglück geboren, dass sein Haus am Hofe, in der Nähe des königlichen Palastes nicht einmal sicher sei Und weinend begab er sich zu seinem Herrn und offenbarte ihm seinen Schmerz. (94) Ais der König das hörte, empfand er selbst tiefen Kummer, und liess auf dem öffentlichen Platze ausrufen, dass, wer den ruchlosen Täter kenne und ihn nicht angebe, gevierteilt werden solle, und dies Hess er in allen Teilen seines Königreiche verkünden und viele auf Verdachtmomente hin festnehmen und martern, ohne dass etwas dabei herauskam. (95) Die Arzte, die den ganzen Fall vernahmen, traten ohne Aufschub zu einer Be- ratung zusammen, und als jeder seine Anweisungen empfangen hatte, begaben sie sich sofort am folgenden Tage zu ihrem
56
Herrn und sagten: „Wir sehen, dass deine Ehre durch Meister Grillo zerstört ist und grosse Schmach erlitten hat, denn während er im Stande ist, alles zu erraten, will er nicht an- gehen, wer ihm den Schatz entwendet hat, (96) vielmehr findet er Spass daran, zu sehen, wie du in deiner Wut bald dem Einem bald dem Andern mit Unrecht Beleidigung zufugst nnd dem Unschuldigen Schmach antust, was die Ursache ist, dass deine Ehre immer schlechter fährt. Lass also, Herr, ihn zu Schaden kommen, wenn er dir nicht in kurzer Frist den Täter angibt" Дія dies der König hörte, liess er sofort Grillo vor sich kommen (97) und sprach zu ihm: „Ich hätte mir nie gedacht, dass du, der du doch alles zu erraten weiset, mir über den Verbleib nicht alles mitteilen würdest, was dir bekannt ist. Drum, weil du dich darin gegen mich vergangen hast, werde ich dich als einen Ungehorsamen aufknüpfen lassen, wenn du in drei Tagen mir nicht enthüllst, wer dir den Schatz gestohlen hat, und ihn nicht auffindest. (98) Grillo redet sich aus und sagt weinend: „Ich weiss, dass ich nie ein Hexenmeister war, und damit mein Leben nicht in beständiger Gefahr sei, will ich weder Arzt noch Doktor mehr sein. Überläse es also, wenn ich es errate, meinem Entscheid und Befehl, ob ich von euch scheiden will." Der König sagte: „Das bin ich zufrieden; aber wie gesagt, wenn du es nicht errätst, wirst du am Galgen bammeln." (99) Grillo antwortete: „So sei's denn zu meinem Unglück." Von dem König nahm er schnell Abschied und schloss sich dann betrübt, lebensmüde, elend und von Schmerzen gepeinigt in sein Zimmer ein. Er denkt und denkt, und je mehr er denkt, desto wirrer wird er in seinem Herzen und seinem Sinne, und dies Mal hält er es für ganz sicher, dass ihm vom König das Leben geraubt wird. (100) Unter grosser Qual verbrachte er diesen ganzen Tag, und als es zu dunkeln anfing, hub der eine der Diebe zu dem andern zu sagen an, er wolle zu dem Hause Grillos gehen, um zu sehen, ob er ein Wort von ihm erhaschen könne. Und als er dahin gelangt war, legte er sich auf die Lauer und hörte Grillo sagen: „Oh weh, ich Armer! Beim himmlischen Gott, von dreien haben wir nun schon einen!" (101) Er sagte das von den drei Tagen, von denen nun schon einer vorbei war; der Dieb aber, der horchte, glaubte, er rede von ihm, und kehrte an den Ort zurück, wo er seine Gefährten zurück- gelassen, und erzählte ihnen, was er gehört hatte, so dass jeder von ihnen Angst bekam und sie beschlossen, den zweiten
zum horchen hinzuschicken, sobald die Dämmerung niedersteige. (102) Der ging unter grosser Furcht hin, schneller als ein von Sporn und Peitsche getriebener Gaul, und er hörte Grillo unter schweren Seufzern sagen: „Zwei haben wir nun, es fehlt nur noch der dritte.u Er sprach von den zwei Tagen, die ihm sein Herr geschenkt hatte, und es schien ihm dies kein Scherz, da der dritte herannahte, an dem er nach Hengland abreisen sollte. (103) Aber als der Dieb, der an der Türe horchte, Grillo sagen hörte: „Zwei haben wir nun," schied er von diesem Orte und betrübt zu seinen Gefährten zurück, zitternd wie ein Blatt im Winde. Und er sagte zu ihnen: „Nun sind wir ruiniert, wenn wir keine Abhülfe gegen diesen Schaden finden, denn Grillo hat unsern Trug entdeckt." (104) Der dritte war ein Mann mit rotem Haar, bösartig, schlau und scharfsinnig, und sagte: „Meiner Treu, ich kann nicht glauben, dass Meister Grillo solche Fähigkeiten besitze, dass er mit seinem rohen Verstände das Verborgene und Verschwiegene erfahre und sofort einen Diebstahl enthüllen könne, von dem sogar wir, die ihn begangen haben, kaum etwas wissen. (105) Auch ich will in nächster Nacht an die Türe G rill o s gehen, um zu horchen." Und als die Sonne mit ihrem Lichte verschwunden war, ging er ohne Zögern, um Grillo kläglich sprechen zu hören: „Ach, Boter, Boter, was gedenkst du nun anzufangen? Da ist ja der dritte und du willst mir den Schatz nicht geben und weiset doch, dass du ihn mir geben kannst!" (106) Grillo sprach so mit seinem Büchlein, das er von dem Spitzbuben gekauft katte, dessen Deckel aus einem einfachen roten Leder bestand, und deswegen nannte er es Boter. Und der Dieb, der auch so hiess und sich von Grillo so nennen hörte, sagte: „Meiner Treu, der weiss, wer wir sind, und wir sind verloren, wenn wir uns ihm nicht entdecken."
(107) Dann lief er zu den Gefährten und sagte zu ihnen: „Meine lieben Genossen, ihr sprecht wahr, und wenn wir ihm diese Nacht seinen Schatz nicht heimlich zurückbringen, habe ich die Meinung, dass er uns eines qualvollen Todes wird sterben lassen, denn er wird dem König den ganzen Fall aus- einandersetzen, so dass, wenn wir uns nicht zur rechten Zeit vorsehen, wir ohne Zweifel uns für begraben ansehen können."
(108) So gingen also alle einträchtig zusammen zu der schönen Wohnung Meister Grillos und brachten ihm seinen ganzen Schatz zurück, ihn dabei kniefällig um Verzeihung bittend. Als sich dann im Osten der Tag zeigte, ging Grillo,
— 58 —
wie es seine Gewohnheit war, zum König und zeigte ihm den Schatz, wollte ihm aber nicht eagen, wer ihn gestohlen hatte. (109) Im Saale waren all die Arzte aus allen Ecken und Enden versammelt, um zu sehen, ob Grillo erraten habe, wer die seien, die ihm seinen Schatz gestohlen. Und als sie hörten, dass er sie herausgefunden, verlor ein jeder vor Verwunderung fast den Verstand, und der König hatte darob grosse Freude, dass er vor Bührung lachte und weinte. (110) Und wenn er ihm vorher Ehren erwiesen, so waren er und seine Tochter, nachdem sie diesen neuen Beweis seiner Kunst gesehen, in solchen geradezu überschwenglich. Da nahm Grillo von seiner Majestät mit freundlichen Mienen und aus Bührung und Furcht gemischten Worten Abschied, der ihm mit grossen Ehrenbezeugungen und Verbeugungen gewährt wurde. (111) Der König sagte: „Da ich dir versprochen habe, dass dein Ver- bleiben und dein Weggehen in deinem Belieben liege, so will ich dich jetzt zu meiner Befriedigung bis ausser die Mauern begleiten, um dich zu ehren und dir ausdrücklich zu beweisen, dass ich dich mehr als mein Leben liebe." Und nachdem er so gesprochen, gab er ihm mit seinen Baronen zu Pferde das Geleite.
(112) Grillo ritt mit seinem Schatze, den sechs Maultiere trugen, die vorangingen, und der Herrscher folgte ihm mit seinen Leuten. Und als sie auf einer grünen Wiese angelangt waren, sprang zufällig eine Grille dem König in den Busen, der sie s of ort in seine Hand einsohloss und bei sich selbst dachte, während er sie festhielt, er wolle sehen, ob Grillo sagen könne, was das sei. (113) Und er sagte zu Grillo: „Mein Meister, ich bitte dich um einen letzen Gefallen, den du mir erweisen sollst. Schlage mir nicht ab, das erraten zu wollen, was ich hier in der Hand halte !" Grillo antwortete : „Dem kann ich mich nicht beugen und deinem Wunsche nicht genügen, denn ich bin kein Zauberer, wie du denket; und wenn du das meinet, bist du eben nicht ganz bei Trost." Der König, den diese Worte aufregten, befahl seinen Bittern, die Schwerter zu ziehen und sprach: „Obschon es mir leid tut, werde ich dich eines grausamen Todes sterben lassen, wenn du es mir nicht sagst, bevor die Sonne zur Büste geht." Da rief der Arme in seinem groseen Elende: О unglücklicher Grillo, in welche Hand bist du geraten!*) (115) Der König,
•) Im Original ist ein Wortspiel mit Grillo und grillo (Grille), das im Deutschen nicht wiedergegeben werden kann.
der in der Hand eine Grille gefangen hielt, öffnete, ale er dies hörte, voller Neugierde und freudenentzündet die Faust: „Bei Gott, er hat die Wahrheit gesagt Ich hatte es nie geglaubt, wenn ich es von einem andern gehört und es nicht hier vor meinen Augen gesehen hätte, nnd obschon ich es sehe, stehe ich doch im Zweifel, ob ich es glauben soll." (116) Dann sagte er zu Grillo: „Geh zur guten Stunde, denn an Weisheit findest du nicht deinesgleichen. Und zu deinen Befehlen wirst du mich zu jeder Stunde bereit finden, wie es die Billigkeit erfordet" Und damit schied er ohne Aufschub. Und der König kehrte mit seinen Baronen von Grillo weg nach der Stadt zurück und kam lange Zeit aus seiner Ver- wunderung gar nicht heraus. (117) Grillos Weib hat gesehen, wie er Abschied nahm und das Land Verliese. Sofort sagte auch sie dem Hof Lebewohl und folgte ihm in grosser Ent- fernung. Und da sie grosse Angst hatte, wollte sie sich ihm auf der Strasse nicht entdecken, sondern sie ging zuerst zu ihrem Hanse und wartete da auf ihn voller Lust (118) Ale Grillo ebenfalls nach Hause kam, wurde er voll Freude von Weib und Kind in Empfang genommen und lebte müh- und kummerlos und verjagte die gehabten Sorgen. So ging es ihm von da an gut, und von den übelwollenden neidischen Scharen wurde er geehrt; mit seinem Bruder sprach er nie, der über seinen Reichtum sich ebenso ärgerte wie der Bauer über den seinen, der eigentlich ihm gehörte. (119) Als die aus dem Dorfe von der Ankunft Grillos gehört hatten, gingen sie ihn zu beglückwünschen und voller Neugierde drückten sie ihm einer nach dem andern die Hand mit einer Freude, die ich nicht beschreiben kann, und begrüssten ihn schon von Ferne mit Verbeugungen. Er aber nahm sie mit so würdigen Geberden auf, dass er damit die Hunde aus der Küche ge- jagt hätte, indem er sprach: „Scheint euoh nicht, dass ich in Wirklichkeit in kurzer Zeit ein grosser Doktor, in allen Wissenschaften der ausgezeichnetste, der je war, und aller Ehre würdig, geworden sei? Denn ich kann wohl sicherlich sagen, dass nie ein grösserer Doktor war noch sein wird, denn ich pisse keine Schiffe und kacke keinen Dreck, nein, sondern lauter Wissenschaft" (121) Alle hören es mit Verwunderung und es glichen gerupften Fledermäusen die dummen Leute, die ganz verdutzt ihre Augen auf Grillo richteten, so dass jede Familie, ob reich oder arm, die wie es kommt, Kranke hatte, um Bat und Hilfe zu diesem Aufschneider lief.
— 60 —
(122) Und als der richtige Karr, der er war, verordnete er, um seinen Namen bis zu den Sternen dringen zu lassen, jedem sein Klyetier, so dass er fast die Gedärme kackte, und so arbeitete er an diesen Schafen, wie wenn er eine lange Lehr- zeit durchgemacht hätte, dass alle von jedem Gebrechen frei und heil waren. (123) Weiterhin sagte noch dieser Schafs- kopf und Einfaltspinsel, wenn er sich bei den Nachbarn rühmte, dass er in der Schwarzkunst ein grosser Gelehrter sei und alle Dinge errate, und dass er beim Disputieren schon manchem den Kopf eingeschlagen habe, denn ihm hielt kein Esel stand, geschweige denn ein menschliches Wesen, so sinn- los redete er. (124) Und als er einmal in seinem Aufputz, wie es zu geschehen pflegt, in die Kirche ging und der Priester die Messe las, sprach er mit ihm, um ihn zu über- zeugen, dass er sich geirrt habe, Dinge, dass er den Himmel und die Sonne zum Lachen und jeden Fröhlichen und Wohl- gemuten zum Weinen gebracht hatte; der Priester aber hielt in seiner Predigt inne, wie wenn ein Salomo gespochen hätte. (125) Nur wenn die einfältigen Worte des Doktors dem Priester manchmal zu sonderbar schienen und er von Meister Grillo den Fehler zu erfahren wünschte, den er begangen habe, wartete er ihm mit einem andern Kauderwelsch auf, so dass ihm nur grössere Bewunderung erwuchs, und um auf seiner Meinung nicht allzusehr zu beharren, beantwortete er dessen Behauptung mit Schweigen. (126) Eines Tages passierte es, dass einem armen Teufel, einem Nachbar Grillos, ein ganz kleiner Esel geraubt wurde, so dass er mit seinem Weibe grosse Klage erhob und sein herbes und grausames Geschick verfluchte samt dem Diebe, der ihn so gaschädigt hatte, denn ohne das Grautier hatten Kinder und Weib und er selbst die Hoffnung auf ein weiteres Fortkommen verloren. (127) Er weinte erbarmungswürdig und wusste nicht, was er sagen und machen sollte. Mit Seufzern betrachte er den Himmel und fing dann mit sich selbst zu reden an: „Da in dieser sterblichen hin- fälligen Hülle man das bischen was einem gehört nicht einmal behalten kann, beschliesse ich, mit einem schmerzvollen Tode unter unentlicher Qual mein Leben zu beenden." (128) Dann wandte er sich an sein Weib und seine Kinder und sagte: „0 du unglückselige, traurige und elende, wie kannst du solchen Schmerzen stand halten, wo du deinen Untergang vor deinen Augen siehst! Du wirst der Kinder und sie der Mutter be- raubt werden und keine Kur des Meisters Grillo wird auch
helfen können, da unser Unstern es so will." (129) Das trostlose und beklagenswerte Weib, das ihn so laut jammern hörte, hatte ein von doppelten Schmerzen erfülltes Herz und klagte ihr Missgeschick an. Schliesslich vertraute sie ihm ihre Absicht an: „Mein guter Gatte, wir wollen dem Tode entrinnen und unsern Esel suchen gehen; nimm an, was ich dir vorschlage. (130) Geh und suche Meister Grillo auf; sag ihm, wie uns heute Morgen unser Eselchen gestohlen wurde. Zerraufe dir nicht weiter deine grauen Haare, denn Geheim« nisse gibt es für ihn nicht. Er wird dir schon diese Last vom Bücken nehmen mit seiner übermenschlichen Wissenschaf t. ** So lange redet sie auf ihn ein, dass der Gatte ohne Zögern in aller Eile sofort zu Grillo ging. (131) Und als er vor ihm stand, fiel er vor ihm auf die Knie vor grosser Qual und sagte dann: „Wenn deine Ehrwürdigkeit mir nicht den Schmerz ausreis st, den ich in meinem Herzen habe, indem du mir den zur Kenntnis bringst, der an mir einen solchen Ver- rat begangen hat, dass er mir mein Eselchen stahl, von dem Weib, Kinder und ich lebten, (132) muss ich ohne jeden Zweifel sterben. Deshalb bitte ich dich mit gefalteten Händen: Hab Mitleid mit meiner schweren Qual und mir den Esel zu weisen sei dir nicht zu lästig." Als Grillo den Bauer dies sprechen hörte, antwortete er schnell mit froher Stimme: „Zeig mir den Puls und fürchte nichts; den Esel will ich dir schon verschaffen." (133) „Ich habe keinen,ц sagte der Bauer, „und du scheinst mir ein Narr," antwortete Grillo: „Reiche mir doch bitte den Arm.** »Bei Gott, ich bin ja gesund.*4
„Hol dich der und dieser! Dir scheint es sonderbar, wenn ich dir den Puls fühle; aber wenn ich dir den Dieb in die Hände lieferte, und du mit ihm machen könntest, was du willst, würde dir das ganz natürlich scheinen." Er sagte:
„Herr, man muss---.a Grillo antwortete: „Tu meinen
Willen, wenn du nicht Schmach und Schande davon haben willst.** Der Bauer sagte: „So sei's in Gottes Namen!" und reichte den Arm, und jener befühlte ihm wie ein Träumender den Puls, zeigte ihm ein glückseliges Gesicht und sagte zu seinen Bedienten mit strenger Stimme, ihm ein Klyetier zu verabreichen. (135) „Wie, ein Klyetier?** „Scheint dir das so sonderbar?** „Bei Gott, ganz sonderbar!** „Willst du den Esel nicht bald wiederfinden?** „Doch, aber auf die Art möchte ich ihn nicht aufsuchen.** „Wenn ich dir den Dieb- stahl offenbaren soll, musst du meinen Willen tun und bei
62
dem, wae ich dir sage und befehle, fest und beständig bleiben. Wenn nicht, mach dass dn fortkommst, unwissender Narr!" (135) Und stolz sagte er ein zweites Mal zu seinen Dienern, ihn fest zu packen und diesem dummen törichten Menschen gegen seinen Willen ein Klyetier zu applizieren. Und sie packten ihn und während der Ärmste laut aufschrie, brachten sie das Klystier an den gewohnten Ort mit so vielem Spass, dass selbst die Steine lachten. (137) Und der Bauer, der an solche Mahlzeiten wenig gewöhnt war, schrie, wie es drinnen war: „Ah, ah, der Leib tut mir weh, ich bin betrogen, ich bin tot! Was soll ich tun? und mit abgedecktem Arsch beugte er sich nieder, um vor Grillo zu kacken. Und er machte ihm schimpfend Vorwurfe und sagte: „Ah, Kerl, was machst du da? Hast du kein Schamgefühl? (138) Geh und Scheies ausserhalb des Hauses und des Höfleins, da du ja daran ge- wöhnt bist, die Strasse zu misten, du echeusslicher närrischer Kerl ohne Verstand, sonst jage ich dich mit dem Stock aus dem Hause, dass es tönt." Der Ärmste, der weder lebend noch tot war, lief eiligst mit aufgehobenen Lacken aus der Tür und rannte in einen Graben, an einen Ort, an dem sonet niemand sich zu zeigen pflegte. (139) Und unter Schmerzen und mit verstörtem Angesicht kackte er mehr als er gewollt hätte, und schrie dabei so laut, dass man es weithin hätte hören können. Der Esel, der an jenem Orte verborgen worden war, hatte seinen Herrn an der Stimme erkannt und fing an, so stark zu iahen, dass der Bauer ihn sofort erkannte. (140) Und laut schrie er: „Bei dem wahrhaftigen Gotte, wenn ich nicht ganz in Dummheit versunken bin, ist der, der iaht, mein Esel, der mir gestohlen wurde und den ich schon ver- loren glaubte." (141) Dann lief er noch mit dem Dreck am Arsch, denn er war mit dem Blacken noch nicht fertig, und als er zum Esel ohne Aufschub gelangt war, verlor er vor Verwunderung fast den Verstand, und von dem Orte, wo er verborgen gewesen war, und mit unerhörter Freude und eben solchem Vergnügen führte er den Esel mit der einen Hand am Arsch, mit der andern am Zügel vor Grillo. (142) Und so laut schrie er, dass alle Umstehenden eiligst herbeieilten, um zu sehen, was das sei; und sie sahen den Bauer, der mit jenem Eselein vor Meister Grillo stand. Und er tat allen die Wirkung kund, die er mit seinem Klyetier erreicht hatte, so dass jeder sich verwunderte und Grillo noch stolzer auf seine Kuren wurde. (143) Dann fing er an, mit vornehmer Haltung
63
einherzuschreiten und nur yon Gelehrsamkeit zu sprechen und zu sagen, er sei der weiseste und würdigste Mann, den die Erde trage, und er werde einst auf einem hölzernen Pferde ins Paradies einreiten, nnd die Frau, die solches hörte, hielt sich für die Königin des Himmele, (144) nnd sprach zu den andern Weibern: „Wie trefflich war doch der Gedanke dieses meines Gatten, all sein Gut aufzugeben, um ein so geriebener Arzt zu werden und mich zu dem zu machen, was ich nun bin, so hochgestellt, dass jeder mit dem Finger auf mich zeigt, wahrend ich früher arm und barfuss mit den Gänsen und euch herumzuhüpfen pflegte. (145) Ale der Bruder Grillos von seiner Gelehrsamkeit und seinem grossen Ansehen hörte, verwunderte er sich und wurde von Neugierde gequält, und begab sich zu ihm mit freundlichem Wesen und grüsste ihn mit höflicher Bede, indem er sagte : „Mein lieber Bruder voller Trefflichkeit, Geist und Wissenschaft, ich bin gekommen, dich zu begrüssen und dir damit meine schuldige Pflicht zu er- weisen." (146) Grillo wandte sich aufgeregt mit wildem Antlitz gegen ihn und sah ihm fest ins Gesicht; dann sprach er: „Als einen Bruder erkenne ich dich nicht an und kenne dich überhaupt nicht, " und damit jagte er ihn von dannen. Der ging voller Wut und Gift mit gesenktem Kopf und ge- ducktem Hals davon und verfluchte sich selbst, dass sein Bruder, der arme Kerl, ihn nicht mehr kennen wollte. (147) So lebte Grillo lange Zeit ruhig im Frieden zusammen mit Weib und Kindern, beständig den mächtigen und wahr- haftigen Gott preisend, der ihm so hohe Gnaden eingegossen, für die auf der Welt nur er ein würdiges Gefäss war. So endigte er mit Pracht und äussersten Bezeugungen der Himmelschuld sein Leben, denn auf dieser nützt es nichts, Verstand zu haben, wenn nicht das Glück dazukommt.
V.
Camprianoe
(1) Um jeden Zuhörer Behagen zu verschaffen, will ich euch eine Novelle erzählen von der Rührigkeit eines Acker- hauers, der bloss eine Eselin besass. Wenn ihr den Sprecher anhören wollt, wird sie euch, scheint mir, schön vorkommen,
64
und wenn mir der heilige Geist zu Hülfe kommt, kann ich mich rühmen, mit meinem Gesang euch zum lachen gebracht zu haben. (2) Wenn die Geschichte wahr ist, war es ein sonderbarer Fall. Ich erzähle sie, weil der Stoff hübsch ist und wir von einem Bauer singen wollen. So wisse denn, ver- ständiger Leser, das s er aus Gello war und Gampriano mit Namen hiess; wie ich schon gesagt, besass er einen Esel und sechs Töchter, und seine Gattin war dick und sein Haus nicht mit Gütern überladen. (3) Er sagte bei sich: „Was soll ich anfangen! O böses Geschick, bin ich ein armer Kerl! Sechs mannbare Töchter hab ich hier und sonst kein Gut unter dem Dache. »Und meine Frau ist auf dem Funkte, wieder ein Kind zu bekommen und meine ganze Habe ist ein Eselein und fünf Franken, die mein Herr von mir verlangt. Was sollen denn da meine Töchter machen? (4) So gehe es denn, wie es gehen magl Ich bin entschlossen, einen Verdienst zu suchen. Mit dem Esel will ich auf den Markt gehen! Viel- leicht kann ich einen Handel machen. Die fünf Lire, die ich für den Hauswirt zurückgelegt, will ich dem Esel in den Leib treiben." Wie gedacht, so getan. (5) Dann nabm er das Tier vor, das all das Geld in seiner Öffnung hatte; und da- mit das Schicksal ihm wohlgesinnt sei, sagte er: „Es macht die Geizigen traurig," und andere bescheidene Worte sprach er. Wer lernen muss, lerne von Campriano, der etwas wagte und dem das Glück günstig war. Hört nun, was mit ihm passierte! (6) Als er so seines Weges zog, stiess er auf ein paar Kaufleute, die das Land absuchten, und er hielt an, um sich etwas mit ihnen zu unterhalten. Und solche Worte liess er vernehmen: „Von Hause brach ich auf mit diesem Esel, um ihn wenn möglich, noch in diesem Monat zu verkaufen, denn er hat mir so viel geprägtes Kupfer und Silber ge- schissen, dass ich seiner überdrüssig bin." (7) Und die Kauf- leute machten sich über das lustig, was Gampriano vorbrachte, und einer lachte dem andern ins Geeicht, und sie glaubten, es mit einem Verrückten zu tun zu haben. Und unterdessen sammelte der Esel den Stoff, den er im Leibe hatte, um ihn von sich zu geben, und das ging denn auch ohne allzu viele Pein seinerseits von statten, und er kakte das Geld, das er im After trug. (8) Die Kaufleute sagten zu dem Bauer: „Lies doch das Geld auf, das er gemacht hat." Gampriano sprach zu ihnen: „0 weh, wenn ich so viel auflesen muss, bin ich ruiniert! Mein Haus und ein ganzes Fass ist voll,
Ich möchte ihn verkaufen oder sonst einen Handel schliessen. Weib nnd Töchter haben ihn so satt, dass niemand im Hause ihn mehr will.44 (9) Da redeteu die Kaufleute mit einander leise und wollten ihn kaufen, und fröhlich waren sie unter einander einverstanden, ihm das zu zahlen, was er verlangen würde. Dann sprachen sie zu Campriano: „Was soll denn dieser Esel kosten?" Campriano sagte: „Fünfzig Dukaten, die er ja in drei Tagen kackend einbringt14. (10) Das schien den Kaufleuten zu viel. Sie sagten: „Hat er keinen Fehler?44
„Ihr werdet es sehen,44 sagte der; „ich will ihn gallopieren
lassen und sein ganzes Maul zeigen. Ihr werdet gehen : Er ist nicht blind, er hinkt auch nicht, und ist mehr als hundert Dukaten wert. Hätte ich nicht das Haus voll Dukaten, könnte man mir Siena schenken, ich gäbe ihn nicht her.44 (11) „Ich will mich jetzt nicht länger mit Heden aufhalten,44 sagte da einer der Kaufleute. „Komm, ich will dir das Geld auszahlen,44
und sie gaben ihm das Geld in der Tat. Als er es auszahlen sah, sagte er bei sich: „Wer ist von uns nun am verrück- testen?44 Er nahm das Geld und liess sie in Frieden; nach Hause kehrte er zurück.
(12) Er langte bei seiner Frau an und sagte: „Nun müssen wir einen Sack voll Hirn brauchen, sonst geraten wir in Schmach und Schande. Die Sache ist nämlich: „Ich habe gewissen Kaufleuten den Esel mit einer Lüge verkauft, und sie werden, wie ich glaube, bald hierher kommen. Aber wenn wir dieser Gefahr entrinnen wollen, pass auf, was ich dir sage. (13) Mach, dass du morgen früh aufstehst, und töte ein paar Kapaunen, den einen röste, den andern siede in einer Stunde, dass sie gut aussehen, und hierauf verwende deine Muhe. Und wenn ich klopfe, sollen sie fertig sein, denn ich will sie diesen Dummköpfen zu essen geben; und wenn sie unter der Tür stehen, stelle sie in der Mitte des Hauses auf, dass sie in der Kühle gekocht scheinen. (14) Ich will sehen, ob ich diesen Kaufleuten auch die Pfanne anhängen kann. Wenn nicht, auch gut. Das Geld werde ich ihnen alles zurückgeben und dann der Sorge ledig sein und so gut als möglich werden wir eben unsere Pein weiter tragen. Drum sei gescheit, wenn sie angeführt werden sollen, und wenn sie kommen, schicke sie in den Weinberg.
(15) Kehren wir nun zu jenen Dickschädeln zurück, den zwei Dummköpfen von Kaufleuten, die sich mit dem Esel nach Hause aufmachten. Die beiden Einfaltpinsel sind dort
Volkstümlich* Dichtungen der Italitntr. 5
— 66 —
angekommen und machten schnell zwei weisse Leintücher be- reit. Und die beiden Tölpel banden die dem Tiere unter und dann gingen sie mit ihren Frauen zu Bette, bis das Licht des anderen Tages erschien. (16) Am Morgen erhoben sich die Kaufleute, um zu sehen, was der Esel zu Tage gefördert habe; sie brachten in jenen kleinen Stall einen Sack mit, den sie zu ihrer Lust zu füllen gedachten. Es schien, als ob sie ihm ein Abführmittel eingegossen hätten, eine so schöne Wirkung sahen sie auf den Leintüchern. Als sie die Ware sondierten rochen sie den Geruch: von was, merkst du wohl, verständiger Zuhörer! (17) Von Gras, das er an jenem Abend abgeweidet hatte, denn grün sahen sie den dampfenden Mist, auf einer Seite mit schwarzem Stoff gemischt, der in hundert- tausend Farben schimmerte. Als die gesehen, woran sie da- mit waren, wurden ihre Herzen von Kummer und Zorn ent- flammt und sprachen: „Dieser Lümmel hat uns betrogen, aber mit seinem Tode soll er sein Yergehen büssen.
(18) Wir wollen ihn in seinem eigenen Hause angreifen und ihm mit unsern Händen den Tod geben. Zuerst soll er uns unser Geld herausgeben, bevor wir von seiner Schwelle weichen. Er soll uns nicht mehr anschwindeln können! Machen wir uns also ohne weitere Begleitung auf den Weg. So brechen sie auf, ш Campriano zu suchen, und ihm den Tod zu geben. (19) Campriano ging mit Karst, Hacke und Schaufel in den Weinberg ; zwei Kaninchen besass er, von denen er eins in seinen Mantel eingewickelt trug; das andere liess er zu Hause, um sich auszuruhen, denn jener Spitzbube hatte sich wohl ausgedacht, was er machen wolle: nämlich, jenen Schafsköpfen einen weiteren Streich zu spielen. (20) Die Kaufleute sahen ihn im Felde und gingen in aller Eile auf ihn los; es schien, als ob sie dampften; wie ein Pfeil schwirrten sie dahin. Campriano sagte bei sich: „Wenn ich aus diesem Unternehmen heil hervorgehe, kann ich stolz sein." Sie kamen heran, ohne zu grûssen; doch Campriano wollte diese Höflichkeit nicht versäumen: (21) „Was wollt ihr so eilig, mit solchem Ungestüm und solcher Aufgeregtheit? Sprecht schnell! Vor Furcht vergehe ich ; macht kein so zorniges Gesicht. " Einer von den Kaufleuten sagte: „Hergelaufener Kerl, du hast uns betrogen und willst uns höhnen? Gib das Geld zurück, das wir dir gaben, und nimm den Esel, der voll von Dreck steckt, wieder." (22) „Habt ihr bloss Zorn deswegen?" sagte da Campriano. „Seid nur ganz ruhig; euer Geld sollt ihr sofort wieder haben.
Aber zuerst müsst ihr mit mir speisen." Ans dem Mantel hat er das Kaninchen genommen nnd zu ihnen gesprochen:
rNun seht einmal zu!" Zu dem Tierchen aber sprach er: „Geh schnell zu Lisa und sag1 ihr, sie soll rasch Kapaunen schlachten und den einen braten und den andern sieden. (23) Geh schnell, dass ich dir nicht zu läuten brauche, und sag auch, dass ich zwei Kaufleute bei mir habe, die diesen Morgen zum Essen mit mir kommen, und dass sie den Tisch decke und alles sauber zubereite, um Allen Ehre anzutun". Und das Kaninchen schlug sich in das Gebüsch und liess eich nicht mehr sehen. (24) Als das Kaninchen fort war, sagte er: „Vorwärts, brechen wir schnell zum Essen auf!" Er packte Hacke und Mantel und sagte: „Ich kann es kaum erwarten, bis wir nach Hause kommen, тог Hunger gerate ich ausser mir, und auch das Geld möchte ich euch so schnell als möglich zurückgeben." Keiner der Kaufleute wollte ein Wort reden, denn sie warteten ab, wo das hinauswolle. (25) So kamen sie zum Hause; er klopfte an die Tür mit der Hacke, die er in der Hand hielt. Und die Frau, die den Spa es wohl kannte, zog rasch den Topf vom Kohlenbecken und stellte ihn in die Mitte des Hauses. Dann sagte sie: „Wer ist da?u und öffnete die Türe. „Wer Teufels wird es sein?" sagte er, und machte ein böses Gesicht. (26) Alle drei traten sofort in den Raum ein, und in der Mitte kochte der Topf. Campriano sagte zu seinem Weibe: „Ist gekocht, dass wir uns ein bischen den Gaumen kitzeln ?a Die Frau machte mit den Kaufleuten einen Scherz, während das Kaninchen von der Bank herunter zur Türe hinaussprang. Die Kaufleute sahen es und einer sprach zum andern: „Wir müssen diesen mit dem Tod verschonen und ihm das Geld lassen, das wir ihm gegeben haben. Aber diesen Topf, der so stark siedet, und dieses Kaninchen soll er uns verkaufen, und vor- her treten wir nicht über seine Schwelle." Campriano sagte: „Speisen wir, dass ich euch nachher das Geld auezahlen kann." (28) Sie setzten sich auf dem Boden, denn so wahr mir Gott helfe, es ist kein anderer Tisch da. Und sie essen auf einem Block, wenn die Erzählung nicht irrt, ohne Tisch- tuch und Tüchlein, und als Becher benutzen sie hölzerne Näpfchen; aber mit jenen Kapaunen vergnügen sich doch alle. Sie essen und trinken wie die Bauern, mit vollem Munde, und beiden Blanden. (29) Als sie die Hähne verzehrt hatten, sagte einer der Kaufleute zu Campriano: „Zu dem, was ich
— 68 —
dir sage, darfst du uns nicht nein sagen/ Und Campriano versprach ihm. was er wollte. „Die Pfanne dort, in der du das Fleisch siedest, sollet du uns verkaufen und dieses Kaninchen wollen wir als Laufburschen. Sieh ein bischen» ob bei diesen nicht eine Schraube los war!" (30) Und glaubst du, dass Gampriano das Äuglein lachte, als er das hörte! Und mit gar nicht rohen und langsamen Worten sagte er in Übereinstimmung mit ihrer Bede: „0 wackerer und liebens- würdiger Kaufmann, mit einem Gulden wirst du mich nicht befriedigen! Für die Pfanne will ich dreissig Dukaten, denn so viel habe ich mit ihr schon an Holz erspart. (31) Und noch eine Wunderkraft besitzt sie: auch an Salz erspart man viel mit ihr. Und jenes Kaninchen, das du da oben siehst, hat mir gar lange als Laufbursche gedient, es gehörte schon meinem Grossvater und Urgrossvater ! Er hat gewiss vom Himmel die Gnade erhalten, nie zu altern, und um dreissig Dukaten sollet du es haben. (32) Dreissig und dreissig macht sechzig; von diesem Preis lasse ich keinen Heller ab." Er rühmt sich, dass er schon mehr dafür hätte haben können, um das Eselchen in Vergessenheit zu bringen; er schwört und verschwört sich bei dem heiigen Kreuze, der wackere Bauer, um sie anzuführen. Sechzig Dukaten zu zahlen waren sie zu- frieden; ihr könnt euch denken, was das für Schafsköpfe waren! (33) Dann schieden sie mit grossem Jubel und mit Freude, denn sie glaubten, einen schönen Gewinn gemacht zu haben, da der Topf ohne Feuer kochte! Und der Abglanz ihrer Fröhlichkeit leuchtete auf ihren Gesichtern. Verständiger Leser, warte ein bischen, und ihre Freude wird nicht lange anhalten! Sie kamen nach Hause und rühmten ihren Weibern die Wunderkraft des Kaninchens und der Pfanne.
(34) Kehren wir nun zu dem bekümmerten Campriano zurück, der schon darauf ist, dass die Pfanne zurückkehrt. Eine weitere Ausflucht hat er dies Mal nicht und er glaubt sicher, dass es ihm nun schlecht ergehe. Seine Frau,
die ihn klagen hört, sagte: „Zweifle nicht daran, dass sie zurückkehren. Hör aber, was ich mir ausgedacht habe, und dann magst du es ausführen, wenn es dir gut scheint. (35) Wir haben hier eine rostige Trompete, die schon lange an der Wand gehangen hat. Wenn sie hierher zurückkehren, musst du zunächst sagen, ich habe ihnen den Schaden zugefügt. Mach dazu ein trauriges und aufgeregtes Gesicht und tu dergleichen, als ob du Schmerz und Kummer empfindest; befestige mir eine mit
Blut gefüllte Blase am Hals, durchbohre sie dann und ich spiele die Tote. (36) Du kannst mich dann mit dieser Trompete auferwecken, und es wird dann scheinen, als ob es wahr sei. Und sobald ich sie ertönen höre, erhebe ich mich ganz verstört, erzähle, ich sei in einem Grabe gewesen und füge eine Geschichte meiner Erfindung hinzu. Dann werden sie Lust bekommen, meine Trompete zu kaufen, welche die Toten auf erweckt." (37) Manchmal ist es doch gut, ein Weib zu haben, das dir einen guten Bat gibt. Sieh diesen an, der sinnt und sinnt, um aus dieser Gefahr zu entrinnen, und seine Frau findet es sofort nnd sagt es, ohne weiteres Auf- sehen zu machen. Und was nötig dazu war, bereiteten sie vor und erwarten die Kaufleute guten Mutes.
(38) Nun kehrt die Erzählung zu den Kaufleuten zurück an dem Morgen, wo sie ihren Frauen durch das Kaninchen auftrugen, nicht etwa Kalb- oder Schaffleisch, Hühnchen oder Bebhühner zu rüsten, sondern Bindfleisch, wie die Geschichte erzählt, bloss um zu sehen, wie der Versuch ausfalle. Dann warten sie, dass das Kaninchen zu ihnen aufs Feld zurück- kehre, um sie zu belustigen. (39) Sie warten und warten; das Kaninchen kommt nicht und Appetit ist doch reichlich vorhanden! Den Kaufleuten wuchs der Hunger und es schien ihnen Esszeit zu sein. Und da sie nicht wussten, was damit sei, schickten sie sich an, nach Hause zu gehen. Und die Frauen hatten das Kaninchen geschickt, aber es hatte anders- wo einen Buheplatz gefunden. (40) „Sollte der uns wieder angeschwindelt haben?" sagte der eine. „Und wir sind wieder auf den Leim gegangen.M Sie gehen ihres Weges weiter und schauen sich von Zeit zu Zeit nach dem Kaninchen um; über das hat das Wiederkommen vergessen! Unter einander sagen sie: „Es scheint mir, es ist spät geworden. Komm, wir sind schön angelaufen.u So redend sind sie nach Hause gekommen, aber das Fleisch werden sie nicht essen. (41) Ihr wiest ja, auf dem Lande sind die Haustüren offen, damit man nicht anzuklopfen braucht; diese Kaufleute traten also hurtig ein, um das Bindfleisch zn probieren. Aber ihre Gedanken waren töricht. „Nicht gekocht ist es?" schrien sie ihren Weibern zu und rauften sich die Haare aus mit den Worten: „Er hat uns zum Narren gehalten. (42) Der Strolch hat uns einen aufgebunden, und mit diesem sind es jetzt zwei. Aber warte nur, deinen Streich werden wir dir heim zahlen, denn ich habe eine Idee. Gehen wir noch heute nach seinem Haus;
mit eignen Händen will ich ihm den Kopf spalten." Und so zogen sie zu Gamprianoe Wohnung und hüben an, in grossem Zorn zu ihm zu sprechen: (43) „0 elender Betrüger, ge- meiner Bauer, euch schnell unser Geld zusammen ; wenn nicht soll deine Sünde bestraft werden! Und damit du ein ander
Mal lernst, die Leute nicht zu betrügen---u „Niemals
habe ich jemand betrogen," antwortete Gampriano. Bei dieser Bede antworteten die Kaufleute: „Mit dem Esel, dem Topf und dem Kaninchen ! (44) Da hast du uns den Topf gegeben mit der Behauptung, er besitze eine Wunderkraft, und von dem Kaninchen sagtest du das gleiche. Als das Fleisch in den Topf getan wurde, hast du es sofort gesotten herausge- nommem. Als das Kaninchen freigelassen wurde, schlug es sich in die Büsche. Gib uns ohne weitere Worte unser Geld zurück, wenn du nicht willst, dass wir dir heisser machen als die Sonne!" (45) Nun schien Gampriano die Gefahr da zu sein; doch begann er mit folgenden Worten : „Verwundert euch nicht über das Kaninchen, wenn es anderswo hingegangen ist Ihr habt ihm ja den Weg nicht gezeigt, auf dem es hätte zu euch zurückkehren sollen. Was nun das Fleisch an- betrifft, das in dem Topfe nicht kochte, so hat ihn vielleicht meine Frau mit einem andern verwechselt. (46) Wartet ein bischen, ich will von meiner Frau hören, ob sie euch etwa betrogen hat. Wenn sie es getan hat, will ich euch zeigen, wie sehr sie mich damit aufgeregt hat. Lisa, komm herunter! Du wirst schon diese Treppe herunter steigen, wenn ich mich dir mit diesem Prügel in der Hand nähere; du weiset ja, wie Gampriano beschaffen ist." (47) „Was Teufels soll's? Was gibts denn?" sagte die Frau mit gesenktem Blick. „Was soll's denn zwischen uns geben als Geschrei und Streit? Vor- wärts, schnell sag mir, was du von mir willst und lass mich nicht länger in Verwirrung." „Der Kukuk soll dich holen, Unselige! Was für eine Pfanne hast du diesen da gegeben?" (48) „Ich will dir die Wahrheit sagen, mein Mann. Den wundertätigen Kochtopf zerbrach ich, als ich ihn wusch. Bei meinem Gotte, ich hörte eben noch, wie er platzte! Und um dem Tanzen des widerwärtigen Stockes zu entrinnen und nicht mit dem Kopfe gegen die Wand zu rennen, gab ich ihnen diesen, den sie zurückgebracht haben. Ich bitte dich, lass Gnade für Becht ergehen." „Sind das die Ehren, die du mir erweisest, schlechtes, elendes, schuftiges Weib? Komm nur her; bevor dieser Tag vergeht, sollst du es büssen!"
„Mach was du willet; du findest ihn doch nicht mehr, und wenn du mich noch so sehr prügelst.u Campriano sagte : „Maulst du immer noch?" Er rennt auf sie zu und durch- bohrt die Blase. (50) Da fiel die Frau zu Boden und tat, als ob sie am sterben wäre. Als die Kaufleute sie am Boden sahen, sagte einer zu den andern: „Du siehst, dass es Cam- priano ernst meint. Aber ich möchte nicht, dass es sich herumspräche, dass sie unsertwegen gestorben ist." Und jeder tröstet Campriano: (51) „Dieser Fall schmerzt uns und tut uns leid. Hätten wir das doch nicht mit angesehen! Wae werden nun deine Töchter anfangen, die doch verheiratet werden sollen?" Campriano sagte: „Eure Worte zeigen, dass euch mein Wohlergehen am Herzen liegt. Wenn ihr wollt, will ich sie ins Leben zurückrufen und ihr um euretwillen verzeihen." (52) „Wie, ins Leben zurückrufen ? Bist du etwa Christus oder Sankt Petrus, die Tode auferweckten?" — „Ich bin-weder Christus noch Sankt Peter; aber eine Sache wirst du sehen, die dir nicht schlecht scheinen wird, sobald du mich die Trompete blasen hören wirst, die hier an der Wand hängt." Dann nimmt er sie herunter, und einer der Kaufleute sagt leise zu dem anderm: (53) „Wenn er diese mit der Trompete auferweckt, muss ich sie auf jeden Fall kaufen. Wird die wirklich die Toten aus dem Grabe hervor- zaubern?" Campriano sagte: „Wenn der Sohn Gottes kommen wird, sie aufzuwecken, und die Trompete erdröhnt, wird er den einen Freude, den andern Verwirrung schaffen. Adam hat sie mit eigener Hand geschaffen und mit ihr rufen wir jeden Toden ins Leben zurück. (54) Einer der Kaufleute sagte: „Das möchte ich gerne sehen. Spiele doch ein bischen!" Und Campriano blies und die Frau erhob sich und tat der- gleichen, als ob sie auferstehe; nachdem sie eine Zeit lang geschwiegen hatte, hub sie zu sprechen an und gab ihnen zu verstehen, sie sei als arme Seele in der Hölle gewesen. (55) „In der Hölle sah ich den Teufel, und die Versiera, seine Frau ; mit mir verfuhren sie wie der Wurm mit einem Kohl- blatt; jeden meiner elenden Knochen benagten sie. Ich wollte fliehen und rief den heiligen Paulus an und die ganze Zeit versank ich unter Schlangen, Kröten, Taranteln und Eidechsen in solcher Anzahl, dass tausend Karren sie nicht hätten weg- führen können. (56) Da ich den himmlischen Ton dieser Trompete hörte, liess mich der Teufel los. Und mit solcher Eile kehrte die Seele zurück, als ob sie Flügel bekommen hätte,
72
um ihre Stelle in den sterblichen Körper einzunehmen. Und immer werde ich meine Sünden beweinen, denn die Hölle ist bitterer als Wermut." Und als sie das gesagt hatte, schwieg sie. (57) Da sagten die Kaufleute zu Campriano: „He! hör, was ich dir jetzt erklare! Diese Trompete wollen wir dir abkaufen, und gern will ich mein Geld darauf verwenden. Verlange, was du willst, und wir wollen es dir geben, denn sie zu besitzen habe ich grosses Verlangen." „Für fünfzig Dukaten könnt ihr sie haben, dass ich eure Sehnsucht be- friedige." (58) Diesen schien der Handel nicht teuer und sie konnten es kaum abwarten, ihr Geld los zu werden. Sie nahmen die Trompete und machten sich mit ihr auf den Weg und plaudern unter einander: „Wenn ich nach Hause komme, hab auch ich im Sinne, diese Trompete zu probieren. „Ich will mein Weib töten und du das deine, und dann wollen wir sie beide wieder auferwecken". (59) Die beiden schicken sich an, ihre Weiber in die Enge zu treiben : den Tanz hätte man sehen sollen! Als sie bei ihrem Häuschen angelangt waren, fingen sie an, zu schreien und zu wüten, und jeder nahm sein Messer heraus und stach seine Frau nach dem Kopfe. Das ganze Haus überschwemmten sie mit Blut und schlachteten sie wie Hühner ab. (60) Als beide das Schnaufen verlernt hatten, wollten sie mit der Auf erweckung anfangen; stark bliesen sie die Trompete und glaubten sie damit ine Leben zurückzurufen. Sie blasen und blasen, und keine von ihnen steht auf! Schliesslich sehen sie ein, dass sie sie beerdigen müssen. Einer der Kaufleute sagte: „0 weh! welch Hohn- gelächter! Jetzt sind wir doppelt geäfft! (61) Und doch müssen wir es durchaus wagen, wenn wir das Leben nicht verlieren wollen* Zuerst wollen wir Campriano töten und uns dann aus dem Staube machen". Der andere sagte: „Ich will dir einen Bat geben, dass wir unsern Willen ausführen können: Gehen wir in sein Haus, packen wir ihn und stecken wir ihn in einen Sack. (62) Nachts wollen wir danu zu einem grossen Flusse gehen, zu dem ioh den Weg wohl kenne; dort ist zwischen zwei Höhen eine Brücke und dort werfen wir ihn hinein ; auf diese Art wird er seine Vergehen büssen und für alles Böse, das er getan, wird er bestraft werden." Als sie die Sache überlegt hatten, suchten sie ihn mit einem grossen Sacke auf, um ihn zu fangen. (63) Es war wohl drei Uhr nachts, als sie Campriano fanden, der eben das Haus verlassen hatte, und diese lauerten ihm sehr geschickt auf, griffen ihn
73
mit grosser Wut an und steckten ihn schnell in den Sack; einer von ihnen lud ihn auf die Schulter, um ihn in jenes Tal su tragen. (64) Campriano konnte nicht reden ; es schien ale ob er schon von den Wellen Lethes gekostet habe, die den, der von ihnen trinkt, alles vergessen lassen. Bald aber werdet ihr sehen, dass Gott diesem zu Hülfe kommen will: er machte, dass die beiden Kaufleute Durst bekamen, so dass der eine zu dem andern sprach: „Wir müssen diesen hier ein bischen ausruhen lassen. (65) Gehen wir langsam auf jenen schönen Hügel, wo eine Quelle mit hellem Wasser rinnt". (So viel tranken sie davon, dass sie den Durst vertrieben und wieder in die Ebene hinunterstiegen.) — Sie Hessen also dort Campriano liegen, denn die Mühe, ihn hinaufzutragen, erach- toten sie nicht für gesund; sie machten sich also auf den Weg und kamen bei der Quelle an, die auf der halben Höhe des Berges lag. (66) Ein Schafhirt ging an der Stelle vor- bei, wo Campriano lag, und ging in die Maremme. Campriano hörte ihn und sagte: „Lieber Bruder" unter grosser Furcht. „Ich will sie nicht," schrie er mit kläglicher Stimme: „eine solche Perle geziemt mir nicht." Der Schafhirt sagte: „Wer ist da unten? Was soll das bedeuten und was willst du?" (67) „Ich will es dir erzählen, mein Verhängnis, Bruder. Aue Spanien sind zwei Kaufleute gekommen. Sie erzählen, dass Gott ihnen geoffenbart hat und dass sie aus den Sternen und von Heiligen wissen, dass ich der Königstochter als Gemahl gegeben werden soll. Aber an solche Zierden bin ich nicht gewöhnt. Sie wollen mich mit Gewalt nach Spanien führen und haben sich nur auf dem Berge aufgehalten, um an der Quelle zu trinken." (68) „Der Schafhirt sagte: „Du bist verückt, einen solchen Vorschlag zurückzuweisen. Wenn ich gehen soll, will ich mit dir eine Abmachung treffen: ohne Aufschub will ich dich eines Tages reich machen". Campriano sagte: „Lass mich sofort los," worauf er seinem Vorschlag folgte; der Schafhirt übergab ihm sein Vieh und zehn Gold- gulden und sechs aus Kupfer. (69) Dann liess er sich selbst in diesen Sack binden, und Campriano sparte dabei seine Kräfte nicht; er aber blieb dabei ruhig wie ein Bracke. Cam- priano ging darauf weg mit seiner Herde, so dass es schien, er sei nie etwas anderes als ein Schäfer gewesen. Unterdeesen kehrten die Kauileute zurück; sie luden den Sack auf ihre Schultern, gingen weiter und warfen ihn in den Fluss. (70) Dann traten sie den Weg nach Hause an, um ihre Angelegen*
— 74 —
heiten in Ordnung zu bringen. He! paeet auf auf meine Worte, denn hier kommt nun dae Schönste ! Bei einer Mühle fanden sie Campriano, der mit dem Vieh seinem Heim zu- strebte. Als sie ihn da sahen, schlugen sie das Kreuz und fragten ihn, ob er Campriano sei (71) Er wandte sich mit fröhlichem Antlifz zu ihnen und sagte: „Ja, erkennt ihr mich? Ihr glaubtet mir sicherlich viel Böses anzutun; nun steht ihr wie die Ochsen da. In einen Sack eingewickelt warft ihr mich in den Fluss; aber bei uns gibt es keine Gegend, die so schön ißt wie die auf dessen Grunde; das ist sicher das Land der Seligen. (72) Ich ging hinunter und trat in einen schönen Garten : mit Würsten sind da die Beben angebunden ; ein Fluss ist da, in dem der köstlichste Wein daherflieest; davon trank ich, was in mich hineinging; gebratene Kapaune fliegen dort herum; Berge gibts auch, die aus Käse geschabt sind; eine Frau bereitet Makkaroni nnd macht hübsche Bissen bereit. (73) Auf dem Pfahl der Weinrebe steckt eine Drossel und unten an ihr findet ihr eine Apfelsine ; daneben ist ein Kristall- becher, wenn ich mich recht erinnere, voller Malvasier; und die Betten sind aufgeschüttelt, so dass ich einen Augenblick ganz paff war, meiner Treu. Weisse Hirsen, Torten und Marzipan und Piniennüsse, die auf sonderbare Art zubereitet waren. (74) Und da waren auch viele Mägdelein, die sich beständig miteinander belustigen. Schönere sahst du nie, nnd ich bin sicher, ihr würdet euch verwundern, wenn ihr ihre Unterröcke und die Dinge sähet, mit denen sie geschmückt sind. Dazu die Küsse und die Liebkosungen, die sie dir entgegenbringen! Ein ganzes Jahr lang möchte man nicht von ihnen scheiden! (75) Bei deiner Ankunft waschen sie dir die Fusse nnd trocknen sie dann mit einem feinen und kostbaren Tüchlein. Dann erhebst du dich und setzest dich zu Tische und sie bedienen dich mit feinem Brote, Turtel- tauben und Wachteln; Kapaune, Bebhühner, dicke und fette Täubchen dir aufzutragen werden sie nicht müde. Und das darf st du glauben: da unten zahlt man keine Zeche. (76) Wie sie mich dann an den Fasttagen, am Freitag und am Samstag morgen, behandelten, das kann ich euch beim besten Willen nicht sagen. Fein zubereitete Störe, lang wie Wachsstöcke, sind dort in Sulz, und die Kräuteromeletten laufen auf den Fusswegen, die Fässer sind voller frischer Eier, und Schleihen Hechte, Meeräschen und Lampreten und noch andere gebratene Fische sieht man da. (77) Ich machte mich auf, und als ich
den Flues verllese, wurden mir zehn Dukaten gegeben, denn ee ist Sitte da unten, so viel dem zu geben, der in den Flues geworfen wurde. Diese Tiere wurden mir mitsamt den Hauten und Federn zum Geschenk gemacht, nicht weniger als hundert Haupt. Jetzt fuhr ich sie nach Hause und will dann dorthin zurückkehren, um mich noch weiter acht Tage zu vergnügen.
(78) Da ahmten die Kaufleute die Magier nach und fielen vor Gampriano auf die Knie: „Wenn du bewirken könntest, dass wir der Freuden jenes seligen Ortes, von dem du so liebliches berichtest, teilhaft werden könnten, so würden wir den Kümmernissen dieser sterblichen Welt entrissen, um uns dorthin zu begeben. Wirf uns also, Campriano, in jenen Fluss, dass wir einen Geschmack jener schönen Welt bekommen."
(79) „Um euch einen Gefallen zu tun, will ich umkehren." An einem Seile band er beide fest und warf sie, um die Sache kurz zu machen, in den Fluss. Und die Heise von neuem mit seinem Hirtenstab antretend machte er sich mit seiner Herde nach seinem Heim auf und freute sich mit Weib und Kind so seines Daseins, daes er von da an kein Zahnweh mehr spürte. (80) Und ich ging auch von dannen, nachdem ich gesehen, dass es Glück braucht, um auf dieser Welt vor- warte zu kommen, denn wenn uns auch Christus beistehen will, wird dir sonst jedes Unternehmen hart und schwierig erscheinen. Wer sich manchmal in Todesgefahr schweben 8ah, der muss wirklich einen guten Stern haben! Und damit ist diese Erzählung zu Ende geführt! Amen.
VI.
Der Eifersüchtige.
(1) Aus Höflichkeit komme jeder Eifersüchtige mit fröh- licher Miene mich anzuhören. Ich werde von einem Unglück- seligen erzählen, der an der Eifersucht litt, die uns in so schwere Bande schlägt. Seine Frau schaffte ihm schweren Kummer. So horcht denn, ihr Herren, auf diese schöne Geschichte: wie eine Frau von hohem Mute ihren Mann, der die Wahrheit behauptete, der Lüge überwies. (2) Es war ein genuesischer Kaufmann, der ein Weib zur teuren Gemahlin hatte ; und wenn es wahr ist, so sagt uns die Geschichte offenbar,
76
dass sie schöner war als die Mairose. Und diese Eifersucht, packte ihn so stark, dass er nirgends Buhe fand, und aus Eifersucht, die ihm das Herz quälte, hielt er sie in einem Turme eingeschlossen. (3) Und jene Burg hatte ihren Grund, im Meere und nach der Landseite hin hatte er eine kleine Öffnung gelassen und zwei starke Türen hatte er dort anbringen lassen und die Schlüssel dazu trug er immer bei sich. In der Mauer war ein Bad, das sich drehte, wie es Gewohnheit in Klöstern ist und was die Frau wollte, wurde ihr mit Hülfe dieses Bades gereicht (4) Abgesehen davon, dass die junge Frau allein war, hatte sie alles, was ihr Herz begehrte. Juwelen beease sie mehr als eine Königin und auch vieler Kleider konnte sie sich erfreuen. Und doch sagte sie weinend: „Ich Unglückselige!" und tadelt ihre Mutter, indem sie spricht: „0 du, du elende, die du mich zum Tode verurteiltest, als du mich so verheiratetest!" Aus lauter Traurigkeit, obschon voll Furcht, setzte sich die Schöne nach der hinteren Seite, die nach dem Meere hinaus lag; віє betrachtete die vorbei- fahrenden Schiffer. In der Nähe des Turmes war ein Schiffchen, das ein Bitter da vorüber trieb, um für seine Gesellschaft Fische zu fangen, denn er wollte morgen ein Festmahl geben. (6) Und als sie unten das Schiffchen landen sah und sein leuchtendes Antlitz betrachtete, floh sie wie ein dummes Ding, denn sie hatte Angst vor ihrem Manne. Aber der treue Liebesgott, der das alles schaut, schlug ihn mit einer schweren "Wunde, so dass er das Vergnügen aufgab; er kehrte nach Hause zurück und warf sich auf sein Bett (7) Weil er sah, dass er mit dem Gegenstand seiner Liebe für einige Zeit nicht werde reden können, erhob er grosse Klage und zeigte tiefen Schmerz, und war fast trostlos. Und seine Frau begab sich mit grossem Zittern zu ihm, als sie ihn so jammern hörte, und sprach: „Mein Gemahl, was habt Ihr denn? Welches ist die Ursache Eures Schmerzes?" (8) Und er antwortete wie ein Mensch, der in Verlegenheit ist: „Sonderbare Schmerzen fühle ich in meinem Herzen. Süsses Weib, für mich gibt es kein Entrinnen; mein Tod ist nahe. Ich sage dir, dass ich dich als Herrin meines Gutes zurücklasse, liebe Frau, da du mir treu und ergeben warst, denn aus dieser Welt muss ich vor Schmerzen scheiden". (9) Sie sagte: „Gatte, bei jener Treue, die du mir versprochen hast, beschwöre ich dich, dass du mir die reine Wahrheit sagest, weswegen dein Geist so aufgeregt ist Sei sicher, dieser Zustand wird nicht andauern
— 77 —
und du sollet wieder werden, wie du warst. Nun sag mir die Wahrheit, mein Gatte, denn einen bessern Arzt kannst du nicht bekommen!"
(10) „Da du mich beschwörst, mein feiner Geliebter, darf ich dir die Wahrheit nicht verhehlen. Wisse also, dass einer unserer Mitbürger, ein hervorragender Kaufmann zum Weibe die Bose des Gartens besitzt und diese meine Pein verursacht." Dann erzählte er ihr die ganze Geschichte, was für eine Frau sie war und wie sie bewacht wurde. (11) Sie antwortete wie eine wahre Freundin: „So tröste dich doch, mein lieblicher Herr, und mach, dass man nicht weiter sage, es könne sich dieser kein lebender Mann nähern, denn ich mache mich anheischig, diesem Kaufmann zu beweisen, dass er sie nicht hüten kann, diese, wie ihr sagt, so anmutige und schöne Frau, — nackt soll sie in Euren Armen liegen." (12) Als der Bitter seine Frau so reden hörte, erhob er eich fröhlichen Antlitzes, nahm sie in die Arme, küsste sie auf ihre schönen Augen, und umfasste sie so liebevoll, dass er sie ohne zu Zögern umarmte. Und damit sie flinker und zum süssen Spiel geneigter sei, warf er sie auf das Bett und rechnete fest mit ihr ab. (13) Als sie mit ihrem Spass zu Ende waren, erhoben sie sich fröhlich, ein Liedchen trällernd. Und der Bitter war bald angekleidet und Hess seine Einechte und Diener sich rüsten. Der kühne Bitter stieg zu Pferde und alle begaben sich auf die Vogeljagd. Er sprach zur Frau: „Nun beeile dich aber, die Sache in Ordnung zu bringen, (14) so dass, wenn ich morgen vom Schloss zurück kehre, alles durch deine Weisheit bereit sei Wenn nicht, ersteche ich mich mit diesem Messer und töte mich in deiner Gegenwart." Sie antwortete: „Mein süsses Lieb, lass mich diese Angelegenheit abmachen, wie ich es gut finde; geht und kehrt in einer Woche zurück und alles sollt Ihr in Ordnung finden." (15) Und er reitet ohne Zögern mit schönen Falken weg, um sich an der Vogeljagd längs des Ufers zu vergnügen. Seine Frau strengt ihren Verstand an und denkt stark über die Angelegenheit nach. Und ohne Verdruss überlegte sie sich die Sache so lange, dass sie schliesslich folgende Lösung fand: Sie bestellte einen Koffer, in dem ein Bitter bequem sich aufhalten konnte. (16) Aus starkem Holz, dick und mit grosser Kunst eingeteilt Hess sie ihn machen; das zierliche Bild des Bitters liess sie darauf anbringen, so dass es schien, als komme er direkt aus
Palästina. Als der Herr von der Vogeljagd zurückkehrte — und blühend von Gesundheit kam er wieder, — nahm ihn sein Weib bei der Hand und zeigte ihm sofort den Koffer (17) mit den Worten: „Mein Herr und Gemahl, deinem Wunsche stelle ich alles nach. Wenn du die Frau geschenkt haben willst, musst du einige Mühsal erdulden, das heisst, du musst sagen, dass du sofort ohne Aufschub nach Horn gehen willst, um Verzeihung deiner Sünden zu erlangen, und mach, dass es die Freunde und Verwandten, die Bürger der Stadt und all die andern Leute erfahren. (18) Und dann wirst du sie eine Strecke weit begleiten, so dass es scheinen wird, als wärest du dort gewesen, sie dann vorausschicken und heimlich zurückkehren: dann werde ich besorgen, dass du durch eine List, die ich ausgedacht habe, die Frau bekommst". Und so wie sie sagte, lies s er verkünden, und viele Leute zogen zu seinem Hause, um ihn vor seiner Abreise noch zu sehen.
(19) Viele Leute kamen auch, ihm ihre Begleitung anzutragen, und da war auch der Kaufmann, der die Frau die seine nannte, um die der Hitter schmachtete. Noch mehr bot er ihm an, und er dankte ihm und machte sich auf den Weg, um sofort heimlich zurückzukehren. An einem Orte erwartete ihn die Gesellschaft, und das zwar von da an mehr als einen Monat.
(20) Die Frau liess sofort den Koffer holen und steckte Stoffe hinein, dass man darauf liegen konnte; dann versorgte sie drin den Hitter, der mit schönen Kleidern angetan und mit viel Gut ausgestattet war; sie gab ihm auch mit, was er etwa nötig hatte, so aber, dass man es nicht sehen konnte. Als all dies in Ordnung war, schickte sie nach jenem Kaufmann.
(21) Der Kaufmann kam ganz gern und ohne Zögern zu der Frau, die er in grosser Klage fand und die er fragte, was ihr fehle und was sie wünsche. Sie antwortete, sie jammere, weil ihr Hitter nicht mehr da sei. (22) „Aber weswegen ich Euch habe kommen lassen, ist folgendes: Er hat mir alle seine Habe in diesem Koffer hinterlassen. In Wahrheit habe ich gehört, und glaube, dass du ein ehrlicher Mann bist, weswegen ich dich bitte, du mögest ihn bis zu seiner Rückkehr an irgend einem geheimen Orte in deinem Hause aufbewahren. (23) Und damit Dir sicher seid, dass er mir viel Gold und Gut hinter- lassen hat," damit nahm sie den Schlüssel und öffnete den Koffer und liess ihn oben hinein sehen; unten aber war der Kitter zugedeckt und hatte ein'Schwert in der Hand, damit, wenn es not täte, sofort seine Tüchtigkeit und Tapferkeit
dartun könnte. (24) Der gutgläubige Kaufmann sagte zu der Frau: „Habt keine Sorge; er soll auf jede Weise sorgfältig behandelt werden und meiner Frau will ich ihn in Hut geben." Der Hitter aber war in diesem Koffer. Und die Frau sprach: „Sagt ihr recht ernst, sie solle den Schatz gut hüten, bis der Ritter zurückkehrt. (25) Der Kauf- mann zögerte nicht; er ließ den Koffer in sein Gemach tragen; und seine Frau bat ihn so sanft, dass sie ihn dazu brachte, daß er zu Pferde stieg. Mit gewissen Leuten ging sie ihm entgegen und weiss ihn mit Worten so zu kirren, dass sie den Gatten in jenem Lande auf diese Weise wohl einen Monat Aufenthalt nehmen liess. (26) Als die Frau den Koffer in ihrem Gemache hatte, schien ihr dies eine sonderbare Ge- schichte. Als sie den darauf abgebildeten Hitter sah, sagt sie in ihrem Herzen und spricht: „Das scheint mir ja der zu sein, den ich letzthin sah, wie er in dem Schiffchen fischte! Wenn er es wäre, würde ich ihm Vergnügen bereiten, und wenn es bloss wäre, dass meinem Gatten Spott und Hohn er- wüchse." (27) Und der Hitter, der ihre Stimme vernahm und ihre Ansicht vernahm, öffnete selbst den Koffer, sprang her- aus und fiel vor der Frau auf die Knie. Als die Frau ihn sah, war sie ganz erschrocken und fiel vor Angst beinahe in Ohnmacht, aber trotzeem erkannte sie das glänzende Antlitz und umarmte den Hitter sofort. (28) Und er entdeckte ihr, was ihm fehle, und wie er dahin gekommen war. Da umarmte sie ihn mit grosser Wonne und nahm ihn in ihr Bett auf. Und er stieg auf ihren weissen Leib und büsste seine Lust mit ihr; aber bevor der helle Tag anbrach, hatte er zehn Bosen in ihrem Garten gebrochen. (29) Und nicht einmal Tristan und Isolde übertrafen sie in ihrem Liebesglück. Einen vollen ganzen Monat brachte er mit der Frau, die im Paläste eingeschlossen war, zu. Und der Bitter zeichnete eines Tages an der Mauer die Gestalt eines Verrückten, und zwar blieb dieses dergestalt an der Wand, dass er es bei seinem Weg- gehen nicht wegkratzte oder sonst zerstörte. (30) Als es der Frau des Bitters Zeit schien, dass er zrückkehre, stieg sie ohne Zögern zu Pferde und kehrte sofort nach Genua zurück und den Kaufmann liess sie sofort nach Hause begleiten; dann gab sie ihm zwei Knappen mit, um den Koffer wieder zu holen. (31) Der Bitter, der den Tag seiner Areise nicht so nahe geglaubt hatte, liess schmerzensvolle Klagen ertönen und sagte: „Ich muss eben gehen." Und auch sie war mit ihren Tränen
nicht karg. In diesem Augenblick kam der Eifersüchtige, nnd als der Ritter merkte, dass er im Hanse sei, schloss er sich sofort in seinem Koffer ein. (32) Der Eifersüchtige blieb in dem Zimmer nnd betrachtete die Frau hinter dem Bette, dann gab er den Koffer zurück, den die Knappen nach Hause trugen. Dann stieg der sinnreiche Bitter aus der Eüste und ging so- fort dahin, wo er seine Begleitung wieder fand. (33) Und der Eifersüchtige blieb in der Kammer zurück und plötzlich fiel sein Blick auf die Figur, die der Edelmann gemalt hatte, der eben weggetragen worden war. In seinem Herzen sprach und sagte er: „Bei meiner Frau ist ein Anderer gewesen; das merke ich an dieser Zeichnung.u (34) Seine Frau schrie er an: „Falsches Weib, du hast mich betrogen. Eines bösen Todes sollet du sterben und deine Sünde sühnen.u Sie ant- wortete: „Bei dem Gotte, der am Kreuze hing, bin ich un- schuldig. Nicht einmal ordentlich zu essen habe ich. Und selbst wenn ich wollte, wie könnte ich dir untreu sein? (35) Halst du mich Unglückliche nicht in diesem Turme einge- schlossen, elender als eine arme Klosterschwester! Nie ward ein Weib so eingekerkert wie ich.a Der Eifersüchtige, der ihre Hede hört, glaubt, daß sie dies Mal die Wahrheit gesagt habe, aber das Herz sagt ihm, dass sie ihm in diesem Punkte angeführt hat (36) Da sprach er: „Mein feines Lieb, Worte mögen unter uns nicht mehr gewechselt werden. Ich will dich zu dem Stein Merlin's führen, wo jeder Trug offenbar wird." Als sie hörte, dass sie ihr Gatte so behandeln wollte, sagte sie: „Um Gottes Willen bitte ich dich um Gnade; bringe mich nicht in eine solche Schmach !a (37) Dieser Stein, den Merlin dort Hess, hat näh m lieh eine soche Wunderkraft: Wo immer Mann oder Weib Übles tut, dass man ihn oder sie einen Eid schwören läset, war der Angeschuldigte rein von Schuld, erhob sich die Hand des Steinbildes, aber wenn er gefehlt hatte, packte sie ihn, (38) bis er vor Gericht geführt oder der Volksgemeinde ausgeliefert wurde. Und die Frau, die das weiss, hält sich schon für verloren, denn sie sieht keinen Ausweg, es sei denn, dass sie den Gatten bitte, sie nicht dorthin zu führen, da sie, wie sie sagt, sich in nichts ver- gangen hat; aber das nützt ihr alles bei dem Verhassten
* і й
III v/U vO.
(39) Als der Bitter die Nachricht hörte, dass jene Frau zum Stein Merline geführt werde, nicht als ob ein Yergehen an ihr entdeckt worden wäre, sondern weil der Gatte sie
— ai —
anschuldigte, schlug er sich mit beiden Handan auf die Wange, indem er sagte: „Ich Elender, mein Leben ist Toller Oram. Süsse Frau, wenn du um meinetwillen stirbst, werde ich dir bald nachfolgen.u (40) Und er hatte so grossen Schmerz und solche Qual, dass er kein Wort sprach. Als es jene erfahrt, die jedes Hülfemittel kennt, um dem Schicksal entgegenzutreten, sagte .de zu ihm : „Warum bist du so betrübt? Kann ich irgend etwas für dich tun? Sag mir die Wahrheit und verheimliche sie mir nicht!" Und er erzahlte ihr die ganze Sache. (41) Sie tröstet ihn so gut sie kann und sagt immer wieder: „Gib dich nicht langer der Traurigkeit hin, denn wenn du die Frau retten willst, muset du dich nach Art eines Narren kleiden. Wenn sie beim Stein sein wird, geh hin und nimm sie fest in die Arme und küsse sie und fliehe dann weg, und so wirst du die Frau aus dieser Schmach befreien." (42) Der Bitter sagte: „Was du befiehlst, will ich tun, um sie zu retten." Und sofort ging sie zu der Frau und hat sie unterwiesen. Heimlich kehrte sie dann zurück und richtete dem Mann die Botschaft aus. Als der andere Morgen kam, wurde sie zu dem Stein Merlins geführt. (43) Dort waren ihre Verwandten und Freunde mit vielem andern Volke, und unterdessen kam mit grossem Ungestüm der Narr an, rannte mit gesenktem Kopf in die Menge hinein, kam zu der Frau, zögerte nicht, küsste sie mit dem Munde auf das Gesicht, und er bekam Püffe genug, aber flüchtend wandte er sich nach Hause« (44) Die Frau sagte: „Ihr Herren, mein Gatte beschuldigt mich mit Unrecht und fälscherlicher Weise, dass ich ihm untreu gewesen sei In bester Treue kann ich euch schwören, dass seit meiner Ver- heiratung mich nie ein Mann berührte, als der Narr, der mich eben kuse te." (46) Als sie die Hand niederlegte, erhob sie die Maschine, denn sie hatte die Wahrheit geschworen« Ihre Brüder packten den Gatten und prügelten ihn mit ihren Stöcken ordentlich durch. Ihre Schwester aber kehrte nach Hause zurück und der Gatte war von der Sache ganz ver- dutzt. Und dem glorreichen Gotte möge es gefallen, dass es jedem Eifersüchtigen so ergehe, (46) Denn wer den Entschluss faset, sich mit den Weibern abzugeben, ist nach meiner An- sicht schlecht beraten. Ein Beispiel dessen haben wir an Salomon, an Aristoteles und Merlin; der eine starb daran, ein anderer geriet ins Gefängnis, ein dritter wurde gehängt, denn ihr Verstand genügte nicht, sich vor ihren Banken zu schützen.
VoUtrtttmMch* Dichtungen der Italiener. в
(47) Bram, Лаг Бети, glaubt meinen Stage, der malien in Florenz von -einem Weisen Terfaset werde, der sich auf das Dkhten legt nnd der Gross nnd Klein bittet, ihre Weiber zu bewachen, wenn sie den Schild ihrer las« blank erhalben woBen; sonst wkd ihm Schmach топ ihrer Seite erwachsen. Zu eurer Ehre ist dieser Gesang vwfaest.
Vfl.
Die Neocla von Prało oder die Pelle.
(1) Geweibteeter Apollo, o helles lieht, o lebendiges Bei- spiel der heiligen Dreieinigkeit; heller warmer Glanz, welcher auf Brden Früchte aller Art hervorbringt, bitte, sei du meia Führer und Leiter nicht auf meine Bitten hin, sondern durch deine Güte, und nähre mich so mit deinem Lachte, dass ich diesem erlauchten Publikum einen Spass erzählen kann. (2) Nicht viele Jahre sind es her, da war in Prato eine Fran, die тог kurzem Witwe geworden war, and wie es das Mies- geschiek 'wollte, überfielen die Gebartewehen ihre Nachbarin, die nebenan wohnte, and niemand war dort, der ihr hatte beistehen können, und so eihe die Nachbarm zu Halle, wobei sie ihr Töohterlein allein Hess. (3) CPnd kaum war sie dort angekommen, als die Wöchnerin anter grossem Geschrei eines schönen Kn&bleins genas, das die Witwe aufhob, wasch and salbte. Unterdessen kam -der ganze {Schwann der Weiber an, und die Witwe kehrte in ihr Haus zurück, wo sie ihr Töchterchen in Tranen aufgelöst fand. (4) Das Madchen haste die 'Schreie gehört und weinte and zitterte тог Angst, und es war ganz bleich geworden, wie ein einfaltig aad unerfahrenes Ding, das es war. Die Mutter sagte: „Mein susses Leben, was hast du, dass du so traurig bist?* Die Tochter sprach mit verständigen Worten: „Wer war die, welche so schrie?" (6) Die Matter antwortete ihr: „Die Frau Soundso schrie eo beim Gebaren." Die Tochter sprach: „Wer hat ihr denn so weh getan?1* Die Mutter erwiderte: »Der Schweif ihres Gatten.M „Ach", sagte das einfältige Madchen, „was für ein viehisches Ding! Nie soll mich ein Gelüste darnach an« kommen! Mutter, wer hören will, der höre! Einen Mann, der einen Schweif hat, werd ich nie zum Gatten nehmen.u
— ft* —
<«3) Di» Fnm lacht» über diese Werse und іш Friede« lebten sie so manches Jahr cUiin, und die Tochter glich, wosd mât Kleidern «ngeti«, einer Bonne. Die Mutter wollte sie durohaas verheiraten, damit West und Zeit ihr keine Ssmehuag bereiteten, und vielen Enevermittlern teüse sie ihre Aheioht «lit sar des Feu, dass eich eine gute Partie darböte. (7) Es vergingen nicht -viele Tage, und einer der Vermittler send viele geeignete Partie« fur sie, unter andern einen junges Mann der einesn Bagel ohne Flügel gtieh, von dem sie mit der Tochter viel sprach. Die Fran, die nicht anf den Kopf gefalle« war, sagte: „Ich «ahme ihn", und sie fragte die Tochter, ob sie ihn wolle. Die antwortete kurs: (8) „Sagt, smr, Mamma, hat dieser eine« Schweif?" Die Matter sasraoh: „Gott mag dir üebles schicken! Mach, dass ich nicht mehr * seiche Worte höre, Nimmt man eines Mssm, der keinen Schweif hat?" Das Mädchen sprach: „Merk dir fir alle Falle, dass ich mit den Sehwsmsen nichts «m tun habe« will!** So findet sie keinen Gasten, der ihr gefallt, und die Mutier weiss nicht, was sie machen soll.
(9) Die Geschichte sprach sich im Lande herum, Nencia wolle Moss einen sam Gatten, der keinen Schwanz habe, und dieses Gerftcht wird immer hartnäckiger. Die Mutter sucht ihr die Grillem «m vertreiben und hast sie anf Stellen, die wenig empfindlieh sind. Em geriebener junger Bureehe hörte ven dem Fall; vernehmt na«, was er anstellte! (10) Der fange Mann lebte eher in dürftigen Verhältnissen, stammte aber aus guter Familie und war als Kaufmann geschätzt. Die Net machte ihn esfmderisieh und er bedachte, er wurde einiges Geld bekomme«, wenn er der Gatte der Nencia wurde, den« ein paar hundert Dukaten besitzt sie ab Hitgift und ausser- dem ist sie gut gekleidet. Der Kaufmann sagte sieh also: Ich werde kein schlechtes Leben fuhren. (11) Und der be- sagte kaufte sieh ein Eselein und schnitt ihm den Schwans ab; dann schaffte er sich allerhand Waren an, «dt denen man Handel treibt. Der gute Kaufmann, der Kopf und Hirn hat, sog nun durch jene Strasse, und rief mit lauter Stimme, dass die Nencia es hörte: „Wer will von uns Ware ohne den Schwanz kaufen ? (IS) Kommt heraus, ihr schönen Mägdlein, wenn ihr etwas kaufen wollt; ich will euch gern befriedigen". Die Nencia, die ihn so reden hörte, sagte zu der Mutter: „Nun kanast du deinen Zweck erreichen, wenn du mich mit diesem verheiraten willst, denn er hat keinen Schweif und
6*
— 84 —
der Esel, wie du siehst, ebenso wenig." Die Mutter antwortete : „"Wenn du ihn willst, will ich ihn dir geben", und so tat sie wirklich. (13) Als die Hochzeit im Hause der Mutter statt- gefunden hatte, fährte der Gatte sein Weib nach Hause, in freund- licher Weise und mit fröhlichen Worten, um ihr das Gefass mit gutem Trank su füllen. Und wie es Gott, unserm gütigen Vater, gefiel, blieb die Gattin mit dem Gatten allein dort zurück, und sie legte sich mit ihm, der mit einem guten Werkzeug versehen war, ins Bett. (14) Der Gatte, der Łapo hiess, fuhr ihr mit der Hand über den weissen Busen und berührte ihr die Brüste, die zwei Äpfeln glichen, die man gerne betastet. Nun hört, o Publikum, wie Herr Pimpel sich hochmütig, zornig und stok zum Schleifen erhob, kräftig und ' fest wie er war. (15) Als der Gatte fühlte, dass er auf- geweckt war, nahm er seine teure Gattin bei der Hand, die er sachte über seine Brust führt und streichelt, um ihre Lust zu entzünden. Sie fand den Schwanz, der einem Wickelkinde glich, und zog sofort die Hand zurück, indem sie sagte : „Was ist denn das, Łapo, was du hier ohne Mütze auf dem Kopfe hast?" (16) Der gute Gatte antwortete ihr in wohlgesetzten Worten: „Meine liebe Nencia, fürchte dich nicht, denn das, was du gefunden, ist eine Feile, welche mir mein Gevatter geliehen hat ; sie ist fruchtbringend, süss, wertvoll und geschätzt, und besser als sie scheint". Da packte die Frau sie beim Schöpfe und sagte: „Łapo, was macht man damit?" (17) Łapo antwortete: „Man feilt damit". Die Nencia spricht: „Nimm sie nnd feile ein wenig*'. Da nähert sich der Gatte der Gattin und fängt frisch und froh zu feilen an mit der Feile, die ganz in Ordnung war und die durch das Werg fuhr, das hart neben dem Feuer lag. Mächtig feilte er das erste Mal, wie die Esel im Wonnemonat tun. (18) Und so gut gefiel den beiden das Feilen, dass die Mühle in vollem Laufe war. Die Nencia sagte: „So wahr dir Gott den heiligen Frieden geben mag, mein süsser Łapo, feile noch ein Mal ! Sicherlich ist diese Feile echt. Ach, mach doch, dass sie niemand nimmt!'* Und so scherzte sie mit dem Gatten und liess ihn zum dritten Male feilen. (19) Und mit dem dritten Male war sie nicht zufrieden, denn von neuem hiess sie ihn die Feile anwenden. Und Łapo hilft sich mit Ausflüchten : „Ich möchte nicht, dass sie in Stücke ginge. Du glaubet wohl, sie sei dreissig Soldi weit. Was meinst du wohl, Nencia, was die kostete? Die Feilen zu durchlochen wurde mit Gold
86
aufgewogen!" (20) Die Nencia sprach: „Mein teurer Gatte, das soll dich nicht am Feilen hindern; denn ich künde und verspreche dir, meiner Mutter will ich die nötigen Dukaten stehlen und für alles ein Mittel finden. Sag, wem gehört sie?14 „Einem meiner Gevatter, dem ich sie zurückgeben will, denn das ist die Pflicht eines ehrlichen Mannes, und er leiht sie mir immer, wenn ich sie nötig habe". (21) „Tu das ja nicht, gib sie ihm um keinen Preis zurück. Morgen gehe ich zu meiner Mutter; sie hat eine Kassette in einer Wiege, in dem die Dukaten liegen, die ich nehmen werde. Männchen, spiele noch ein Mal mit mir, denn was ich dir verspreche, halte ich. Hab keine Angst, mein Gatte, feile, feile; es scheint mir, sie hat oben guten Stahl." (22) Die ganze Nacht bis zum hellen Morgen erquickte sie sich an der Feile. Mit Worten und Taten drängte sie Łapo zur Arbeit mit der Feile. Als die Sonne schon hoch am Himmel stand, zögerte die Nencia nicht länger; nach dem Hause ihrer Mutter begab sie sich, um ihr mit irgend einer Luge ihr Geld zu entlocken.
(23) Als sie beim Hause der Mutter war, erchien diese auf ihr Klopfen hin. Sie ging die Stufen hinauf und ging der Mutter entgegen, nachdem sie im Wohnzimmer stand* Die Mutter sagte: „Jesus, steh uns bei! Was soll das heissen?" nnd fast fiel віє in Ohnmacht. „Was willst du hier, liebe Tochter ? Bist du verrückt, dass du so allein hierher kommst ?"
(24) Die junge Frau antwortete der Mutter: „Ich bin ge- kommen, dir einen kleinen Besuch zu machen; es scheint mir eine Ewigkeit her, dass ich dich nicht gesehen habe; ich will dir einen Kues geben. Bitte, erschrick nicht, Gott steh dir bei; gleich geh ich weg, erhol dich doch; hör mit dem Weinen auf, denn ich kehre zu meinem lieben Manne zurück.
(25) Als die gute Mutter sie reden hörte, fasste sie sich schnell und es schien, als freue sie sich nicht wenig; sie lobte es sehr und ermahnte sie auch, dass sie zu Łapo zurückkehren wolle, und sagte zu dieser, sie wolle mit ihr kommen, denn sie war immer noch besorgt wegen des Schwanzes; aber da die junge Frau davon nicht sprach, wollte sie sie begleiten. (21) Da sprach die Nencia: „0 meine Mutter, holt doch eine Flasche Tribiano, wascht zwei Gläser mit klarem Wasser, denn wir wollen zusammen fröhlich eins trinken". Die wackere Mutter war darin nicht geizig und holte Wein, die Nencia aber öffnete ganz sachte den kleinen Geldschrank und nahm die Gulden, um sie irgendwo zu verbergen. (27) Als die
_ ae —
Matter mit dem Wein zurückgekehrt war. frühstückte sie mit der Tochter und führte lie dann ins Haue ihres Gatten, am dann sofort zurückzukehren. Die Neneia zeigte fröhlich and zufrieden ihrem Manne die Dukaten; Łapa war des aaah froh und- mit zartliehen Worten küeste er sie wohl hundert MaL
(98) Nencia sprach: „Geh, mein Gatte, und bring deinen Geratter zum Frühstück mit. Laes nur mich machen, denn ich weiss, was ich zu sagen habe, waan er not mir redet. Ich habe faste Hofnong und voues Vertrauen — an Verstand bin ich nämlich nicht blind —, dass er una nur die Feile abtritt, so dass wir in aller Gemütlichkeit feilen kennen.u
(29) Da Verliese der Gatte das Haue und begab sich zu einem Freund», der in dürftigen Verhaltnissen war, und bald hatte er ihm die ganse Angelegenheit anseinandergeoatzt. Der Freund sagte: „0 liebevoller Gevatter, wenn du nur mit den Dukaten herausrückst und mit mir armen Kerl Mitleid haben willst, kannst du ruhig and sicher sein, aase iea die Feile schon verkaufe.44 (30) Wie sie es abgemacht haben, so taten sie; der Gevatter kam mit ihm zum Mittagessen. Nach dem Essen brachten sie den Handel in Ordnung and die Nencia stand nicht an, die Summe sofort zu bezahlen, um nach Belieben feilen za können. Łapo nahm die Gulden, die abgezählt wurden, und gab davon seinem Gevatter zehn Dukaten. (31) Der Gevatter ging seinen Geschäften nach, froh über das Essen und die Dukaten und der Gatte und die Gattin blieben gar froh zu Hause. Łapo sagte: „Nencia, die Feile ist nun dein. Łase aber gegenüber Niemanden ein Wort davon über aie Lippen kommen, damit man nichts von dem erfährt, was zwischen uns vorgeht". Sie sprach: „Behalte du sie, zeig sie aber niemandu.
Und wahrend sie so redeten, wurde es Abend, und als sie gut zu Nacht gespeist hatten, gingen sie zu Bette. Die Nencia sprach gar liebenswürdig : „Mannehen, feilen wiar jetzt ohne Furcht, denn die Dukaten meiner Mutter bewirken, dass wir in aller Gemächlichkeit feilen können, aad wir brauchen jetzt keine Angst mehr zu haben, sie könne in Stücke gehen, denn sie scheint mir recht harf4. (33) Łapa sagte : „Lass die Hände davon, liebe Nencia und bringen wir sie irgendwo anter ; es wird schwer halten, sie bis morgen aufzubewahren ; besüaa wir uns also damit." Łapo versank in gar sonderbare Gedanken and machte einen guten und anständigen Plan. Um der Un* anaehmlichkeit zu entgehen und sein Leben za fristen,
dachte er, seine Frau noch ein Mal za betrügen» (34) Und er sprach: „Mein Weib, morgen ist Festtag und in der Ebene von Biseaeie findet ein hübscher Tanz statt. Küste and schmücke dich, denn das ist nur anständig. Dann werden wir zu Fase oder mit einem Wagen zurückkehren." „Ich habe dort recht viele achtbare Verwandte", sagte die Nencia; „nimm nur die Fei]» mit". (3&) Gehen wir also schnell, denn ich weiss, es wird uns grosse Ehre erwiesen werden, und Madchen werden dort genug sein und wir werden bis um acht TJhr tanzen. * Und so taten sie und dann kehrte Łapo mit seiner Fran mit fröhlichem Herzen zurück, und um sich die Fusse zu waechen, gingen sie durch den Fines. Nun hört den Betrug Lapos.
(de) Als sie das erste Mai den« Fluss durchschritten, ging die Nencia voraus und Łapo hinterdrein, denn so ist es Gewohnheit und Sitte. Die Nencia sieht frohen Gemütes voraus; da sohreit Łapo laut: „Ich habe ein. Auge verloren", und schloss dabei ein Auge und stand still. Die Nencia sagte: „Mach dir nichts daraus, du hast ja noch ein anderes; pass nur auf die Feile auf;" (37) Łapo setzte sich wieder in Bewegung, die Nencia immer voraus; Łapo sprach nicht» und tat ganz verwirrt; es scheint, er habe einen schweren Kummer, üad als er wie gewohnt wieder durch den Fluss schritt, schloss er auch das andere Auge und schrie noch lauter als vorher. — Die Nencia sarach: „Was hast du, du Dickkopf?" Łapo antwortete: „Ich sehe auch auf dem andern Auge nichts mehr". (38) „Mein armer unglückseliger Gatte," sagte die Nencia, „was willst du jetzt anfangen? Halte dich an meinen Kleidern und tritt mir zur Seite, ich werde dich überall hinführen. Aber gib- auf die Feile acht, du Sorgloser, dean wenn du sie verlörest, wate das gar schlimm, da du. ja nichts siehst, und ich würde dich in diesem Fluss ersäufen. " (39) Der Gatte antwortete dem Weib»: „Führe mich nur ganz sachte, dass ick nicht anstosse". Die Nencia schickte sich an, durch den Fluss zu waten, denn das Wasser war klar und von Fischen war nichts zu sehen. Als sie in der Mitte waren, fing Łapę zu schreien an, indem er sich mit der Hand auf die Backe schlug, und zwar noch viel stärker, als er das erste Mal geschrieen, und weinend sagte er, er habe die Feile verloren. (40) Ale die. Nencia hörte, dass ihm die Feile ins Wasser gefallen sei, stiese sie ihn voller Zorn an und gab ihm Fusetritte bis an den Scheitel hinauf und zerries sich die Harnt, die Arme, und sprach: „Da das Leben
88
für mich keinen Wert mehr hat, will ich mich in diesem Flflsschen ersäufen. Weh mir, dass ich geboren bin, da die Feile mir abhanden gekommen ist" (41) Und weinend klagte und jammerte sie lauter, als man je ein Weib klagen hörte, und die Tränen rieselten ihr über die Backen hinunter und nichts konnte sie trösten. Łapo bleibt ruhig und denkt an seine Angelegenheit. Da kommen zwei Brüder des glorreichen Francisons daher mit aufgeschürzten Kleidern, um es kühler zu haben. (42) Als die beiden ehrbaren und heiligen Mönche die junge Frau mit so viel Betrübnis und so viel Klagen jammern hörten, trösteten sie sie mit guter Lehre und fragten sie mit liebreicher Miene, weswegen sie so traurig sei Das Weib antwortete ganz wütend: „Dieser schlechte Kerl hat die Feile verloren". (43) Die Mönche sagten: „Man muss danaoh suchen ; das Wasser ist hier nicht tief und wir werden sie schon finden. Wegen so wenig soll man nicht verzweifeln. Sucht, und wir werden euch dabei helfen. Das hat nichts zu bedeuten : weinet nicht. Du tust ja, als ob du Matthai am letzten wärest." Und das junge Weib sagte zu den beiden Brüdern: „Sie hat mich fünfhundert Dukaten gekostet". (44) Ab die Brüder hören, dass sie so viel wert ist, sprachen sie unter einander: „Das muss ein Juwel sein oder ein Stück ans feinem Golde oder eine Arbeit der Goldschmiedekunst, oder eine Halskette oder eine Spange sein. Helfen wir ihr die Sache suchen, wenn sie so wertvoll ist", und so machten sich die beiden Brüder daran, mit aufgeschürzten Kleidern zu suchen. (45) Und wie es ihr Miesgeschick wollte, senkten sie den Kopf und streckten den untern Teil des Bückens in die Höhe. Die Kencia sah einen unten aufmerksam an und sah die Teile des Bruders, tat einen Sprung und packte sie übermässig fest bis zum harten Teil. Der arme Bruder heulte mit Donnergeschrei: „Zerr doch nicht so, du tötest mich ja". (46) „Ha, Schuft, verruchter Mönch, ich soll nicht zerren? Zerren werde ich recht", und wohl fünfzig Mal zerrte sie an ihm, bis ihm der Saft aus dem Bückgrat lief. Drum, ihr Zuhörer, lernt auf fremder Leute Kosten und steckt die Nase nicht in Dinge, die euch nichts angehen. (47) Der andere Bruder hörte den Schreienden und wandte sich um und sah die, welche aus Leibeskräften rise, und der Fall schien ihm gar sonderbar; er wollte ihm zu Hülfe eilen und fiel dabei so, dass er der lange nach auf dem Bücken lag, und an der Stelle war er abgedeckt, wo er dem Esel glich. (48) Und
89
so stark und heftig war der Stoss, dass er nicht merkte, dass er dort abgedeckt war. Die Nencia sprang auf bei diesem Schrei, wandte sich und bemerkte den Sperber mit dem dicken Kopf und mit den zwei Schellen, und sie vergase den, den sie in der Hand hatte, und lief weg um ihn mit dem Bufe zu packen: „Das ist meine Feile". (49) Und so fest packte sie ihn, dass sich der Bruder nicht mehr um den Stoss kümmert, denn das Zerren dieser Ungebändigten bringt ihn dem Tode nahe. „Tu das nicht", schreit er, „diese Prüfung ist zu scharf". „Ah! verdammter Mönch", schreit sie, und reiset nur noch mehr an ihm; „das ist meine Feile!" Der Bruder keucht, um der bitteren Pein zu entrinnen: „So halt doch ein; wenn sie dir gehört, will ioh sie dir geben". (50) „Um Gottes willen, zerr doch nicht mehr so! Gib mir das Messer, ich will die Feile abhauen". „Ha, verfluchter Mönch, gib sie her, sonst will ich sie dir selbst abschneiden". Als die Nencia im Begriff ist, das Messer zu zucken, erhebt sich der Bruder und will fliehen. Die Nencia läuft ihm nach und ruft: „Ich bin tot! Łapo, der Mönch rennt mit der Feile fort". Die Nencia sagt: „0 ich Elende, Unglückselige!" Łapo setzt sich lachend allein nieder, und der andere Bruder macht sich ebenfalls in aller Eile davon. Nie hat ein "Weib, das das Kind verloren hat, so stark geweint und ihren Leib mies- handelt wie die Nencia, der am Leben nichts mehr liegt, da sie ihre Feile verloren hat. (62) Sie spricht, als der Mönch entflohen ist: „Was hilft es mir jetzt, zu Fest und Tanz zu gehen, da dieser elende Gatte den Mönchen gestattet hat, die Feile zu entwenden? Dem soll jetzt jede Liebesbegierde vergehen: bei Gott, in diesem Flusse will ich ihn ersäufen". Zu Lapo kehrte sie an den Band des Flusses zurück, wo sie sah, dass er das Augenlicht wieder erlangt hat. (58) „Die Augen wieder zu bekommen, hast du wohl verstanden ; kümmerte dich denn gar nicht, von den Mönchen die Feile wieder zu erhalten? Natürlich, weil dich das nichts angeht! Und doch hab ich, um sie zu bekommen, meiner Mutter die Dukaten gestohlen. Mit meiner Mutter muss ich noch diesen Abend über die Sache sprechen!" Lapo antwortete: „Hab doch Geduld; Mönche sind in Gewissensachen nicht so leichtfertig. (54) Sie werden sie nach Hause tragen; ioh habe sehr Angst, der Stahl sei beschädigt Wenn sie schwächer geworden ist, ist der Schade dein. Wir müssen die Zeit abwarten, wie die Wassermühlen, wenn der Fluss sozusagen ausgetrocknet ist,
— 90 —
warten, bis dat Wasser wieder in gewannter Menge sieb ein- gestellt hat. (55) So müssen, Nencia, auch wir verfahren nnd warten, bis das Ol sie wieder in Ordnung bringt. So können wir die Feile erhalten und dürfen sie eben anstatt zehn bloss ein Mal brauchen, denn sie fiel mir in den Fluss, weil ich sie zu oft anwandte". Die Nencia weint vor grossem Schmerz und sagt: „Łapo, wenn die Brüder sie uns wiedergeben, soll es mir genügen, vier Mal im Jahre zu feilen". (56) „Wenn du dieses Versprechen halten willst, werden die Mönche sie uns gerne zurückgeben". „Mein Gatte, dazu will ich mich gerne verpflichten, unter der Bedingung, dass du heute Abend wieder anfanget, denn ich spure, dass ich es so nicht lange aushahe und aus dem Leben scheiden musste, wenn du diesen Abend nicht ein wenig feiltest". (57) So kehrten sie einträchtig nach Hause zurück. Die Nencia sprach: „Willst du nicht zu den Mönchen gehen, um dir die Feile zurückgeben zu lassen? Wegen der Verzögerung könnten sie sie versetzen; unterlass es nicht um Geld oder Gut". Lap o macht sich mit schnellen Schritten auf, tut dergleichen, als ob er zu den Mönchen ginge und kehrt mit Erfolg zurück; nachts gehen sie wieder ins Bett. (58) Lapo verhält sich ruhig und spricht nichts. Als er aber sein Weib in der Nähe fühlt und die Bettwärme ihn durchdringt, zeigte sich Bruder Zebedäus, der im Ver- borgenen geblieben war. Die Nencia packte ihn am Kopf: „Ich habe beschlossen, dir den Hochmut abzugewöhnen und dich etwas demütig zu machen. Die Kirche will ich auf den Kirchturm setzen." (59) So stieg die Nencia auf ihn und und setzte ihm die Mütze auf den Kopf. Ob sie gut arbeitete, braucht ihr nicht zu fragen, und wie sie sich anschickt zu mahlen. „Eher werde ich dich zerbrechen, als du dich abdeckst", und damit bedrängte sie ihn so oft und führte ihn hin und her, dass Bruder Zebedäus zu weinen anfing. (60) Von dem Honig, der sich aus dem Fässchen ergoss und dem Weinen, das er angehoben, wird sie ganz nass, so dass Lapo anderer Aneicht wird', denn das Mark flieset ihm aus den Knochen. Und Bruder Zebedäus verpflasterte sich die Haare, so dass es aus- sah wie eine Leimmischung, und sich, sei es im Ernst oder imSpass, die Bäuchlein nicht mehr einander nähern wollten, (61) es sei denn, wenn es notwendig ware. So sprach er zu der Frau, und so verging ein Monat und mehr. Die Neacia empfindet bittern Schmers darüber: „Nicht befohlene Fasten läset er mich einhalten". Lapo will sie mit Schersen hinhalten, aber
91
dieser Mond laset sich nicht mit Stroh abfüttern, denn je mehr er isst, desto mehr hat er Hunger. (62) Die Nencia ist verzweifelt und kann sich nicht mehr anf den Fussen halten. „Der macht das bless, um mich zu ärgern. Diese Nacht, wenn er eingeschlafen ist, will ich ihm die Feile abschneiden, das verspreche ioh dir". Lapo geht ohne Sorge zu Bette, die Nencia aber will ihren Vorsatz in die Tat umsetzen; Lapo schläft und sie wacht, und schneidet ihm schliesslich die Feile ab, (63) und will sie in die Tasche stecken. O weh, bei lebendigem Leibe klappt sie zusammen. Lapo starb tat- sächlich and schweigt für immer; die Nencia ist voller Angst. In ganz Prato verbreitet sich die Nachricht davon, so dass auch der Podesta davon borte; sie wurde verhört und verbrannt.
Nachtrag zur Einleitung.
Die Nenela топ Prato ©der die Falle wird auf das
Urteil Librie hin von Paesane eine sehr anmutige, aber recht freie Erzählung genannt. Passano braucht sonst für derartige Erzeugnisse stärkere Ausdrücke. In der Unerfahrenheit des Mädchens erinnert die Geschichte an die Episode: Trübert Hahn im Korbe1) und die Fabel vom Kaninchen, ist aber sonst ganz eigenartig. Ich bereite einen Neudruck vor.
1) Ulrich, romanische Schelmengeschichten, Leipzig 1905.
92
Belfagor.
Der Erzteufel Belfagor wird топ Pluto in diese Welt mit der Verpflichtung geschickt, ein Weib zu nehmen* Er kommt, nimmt eins, aber da er ihren Hochmut nicht ertragen kann, zieht er es vor, wieder in die Hölle zurükzukehren.
Man liest in den alten Erinnerungen der Florentiner Dinge eine Geschichte, die auch von einem gar heiligen Manne erzahlt wird, dessen Leben von allen seinen Zeitgenossen sehr gefeiert ward. Als dieser einst in seine Gebete vertieft war, sah er mit deren Hilfe, wie unendlich viele Seelen der elenden Sterblichen, die unausgesöhnt mit ihrem Gotte starben, zur Hölle gingen, und alle, oder doch die meisten von ihnen, klagten, dass sie durch nichts anderes, als weil sie ein Weib genommen, in diesen unseligen Zustand geraten seien. Darüber waren Minos und Bhadamanthys und die andern Bichter der Unterwelt so sehr verwundert, dass sie diese Verleumdungen gegenüber dem weiblichen Geschlechte nicht glauben konnten; und da jeden Tag die Klagen wuchsen, und sie Pluto gebührend alles berichtet hatten, wurde beschlossen, diesen Fall mit allen höllischen Fürsten reiflich zu prüfen und dann einen Entschluss zu fassen, der für den besten gehalten würde, diesen Trug aufzudecken und in allem die Wahrheit zu ergründen. Als sie also zur Beratung znsammenberufen worden waren, liess sich Pluto folgendermaßen vernehmen: „Obschon ich, meine Lieben, durch himmlische Anordnung und unwiderruflichen Beschluss des Schicksals dieses Boich be- herrsche und keinem Urteil des Himmels oder der Welt unterliege, habe ich doch beschlossen, weil es von Seiten derer, welche die Macht besitzen, am besten ist, die Gesetze zu befolgen und das Urteil anderer höher zu schätzen, es möchte mir von euch ein Bat gegeben werden, wie ich mich in einem Punkte zu verhalten habe, wegen dessen unserem Beiche Schmach erwachsen könnte. Denn es sagen alle Seelen der Männer; die in unser Beich kommen, dass das Weib die Ursache gewesen sei; und da uns das unmöglich erscheint, fürchten wir, wenn wir auf diesen Bericht hin entscheiden, wir könnten als zu grausam verleumdet, und im andern Fall als zu wenig streng und als geringe Freunde der Gerechtigkeit verschrieen werden. Und weil die eine Sünde die lüderlicher
— 93 —
und die andere die ungerechter Menschen ist und wir beiden Vorwürfen, die vom einen oder vom anderen abhängen, ent- gehen möchten und keine Möglichkeit dafür sehen, haben wir euch zusammenberufen, damit mit eurem Bate ihr uns helft und Ursache seid, dass dieses Reich auch in Zukunft ohne Schmach lebt, wie es in der Vergangenheit gelebt hat." Jedem dieser Fürsten schien der Fall sehr wichtig und beachtenswert zu sein, und wenn auch alle der Ansicht waren, man müsse die Wahrheit zu erforschen suchen, so waren sie doch über die Mittel dazu Tersohiedener Meinung. Dem einen schien es, man solle einen Mann, dem andern, man solle mehrere, in diese Welt schicken, damit sie persönlich unter- suchten, ob dies wahr sei Viele andere däuchte es, man könne das ohne so viele Unannehmlichkeiten machen, indem man einige Seelen mit verschiedenen Folterqualen zwang, die Wahrheit zu bekennen. Als aber die Mehrheit rief, man solle jemanden hinschicken, traten auch die andern dieser Meinung bei Und da freiwillig keiner dieses Unternehmen auf sich nehmen wollte, wurde beschlossen, das Los solle entscheiden. Und dieses fiel auf Belfagor den Erzteufei, der aber vor seinem Fall vom Himmel Erzengel gewesen war. Obsohon er dieses Amt ungern übernahm, schickte er sich, von Plutos Befehl gezwungen, nichts destoweniger an, sich dem Beschlüsse der Versammlung zu fügen, und verpflichtete sich zu den Abmachungen, die unter ihnen feierlich getroffen worden waren. Die waren, dass man sofort dem, welcher für diesen Auftrag bestimmt werde, die Summe von zweihunderttausend Dukaten auszahle, mit denen er auf die Welt kommen und ein Weib nehmen sollte, mit dem er zehn Jahre su leben hatte; und dann sollte er desgleichen tun, als ob er sterbe, und zurückkehren, und aus Erfahrung in guten Treuen seinen Obern mitteilen, welches die Beschwerden und die Annehmlichkeiten des Ehestandes seien. Weiterhin wurde ihm kund getan, dass er sich wäh- rend der besagten Zeit allen Unannehmlichkeiten und Übeln zu unterziehen habe, denen die Menschen unterworfen sind, und alles andere Unglück, in das die Menschen laufen, es sei denn, dass er sich dem mit Trug und List entziehen könne.
Als Belfagor den Auftrag und das Geld in Empfang genommen, kam er auf die Welt, schaffte sich Pferde und ein Gefolge an, hielt einen ehrenvollen Einzug in Florenz, welche Stadt er vor allen andern als seinen Wohnsitz erwählte,
94
weil aie mm die geeigneteste schien for einen, der «ein Geld zn seinem Unterhalt gut anlegen wollte; und er neu sich Roderigo yen Kastilien nennen nnd mietete sich em in Bongo d' Qgmseaafci. Und démet man seinen Veriiälsniesea weniger anf die Spur komme, sagte er, er sei vor кшсаег Zeit von Spanien aufgebrochen, nach Syrien gegangen und habe in Aleppo ein Vermögen gemacht; nun habe er doch nach Italien keaamen wollen, um aa menschlicheren Orten ein Weib m nehmen, die auch dem bürgerlichen Leben und seinen oeelischen Anlagen mehr zusagten, atadexigo war ein gar schöner Mann und sah ungefähr wie ein Dreianiger aus; und nachdem er in wenigen Tagen geneigt hatte, was fur einen Überaus« an Reichtümern er besitze, nnd тіеіе Beispiele «einer Umgänglichkeit und Freie^hegkeit gegeben natte, kamen
ihm viele vornehme Bürger entgegen, die wenig Geld und viele Töchter beaaesen; unter dieeen allea wählte Boderige ein sehr schönes Mädchen Oneeta, Tochter des Amerigo Doaati, der noch drei andere, alle seau engen mannbar, hatte, mit aammt drei Söhnen. Und obeohon er aus einer vornehmen Famine stammte nnd er in Florens in hoher Aoatnng stand, eo war er doch seiner Dienerschaft und seinem Verkehiakraiee nach sehr arm. Rederigo hielt eine prächtige und glänzende Hoch- zeit mad versäumte anine aon den Dingen, die man bei ahn- lichen itnlnmea топ einem erwartet. Und da er durah das Gesetz, das ihm beim Verlassen aar Belle gageben worden wax, -aüem menschlichen Leidenschaften unterwarfen war, fing er plötzlich an, an den Ehren and dem Tand dieser Welt Ver* gnügen ви finden and das Lob unter den Menschen hoahau- schämen, was natürlich nicht geringe Anagaben far um aur Folge hatte. Ansäendem hatte er nicht lange mit Frau Oneeta zeeammengeiebt, als er sich über Kopf und Hak in sie verliebte und es nicht sehen konnte, wenn aie traurig oder auch nur etwas iniesgestiimnt war. Frau Oneeta hatte mit ihrem Adel und ihrer Schönheit soviel Hochmut hVs Haus gebracht, daas selbst Lueifer nie ae viel besessen; ant Roderigo, der den einen und den andern erfahren, meinte, derjenige der Frau sei der grössere. Aber er wurde noch bei weitem grösser, sobald sie bemerkte, wie sehr der <atatte in sie verlieht war; und da sie der Meinung war, sie sei Aberall Herr und Meister, erteilte sie ihm ohne Mitleid oder Rück- sicht ihre Befehle, und zweifelte nioht, sie könne etwas, das er ihr verweigerte, erreichen, indem sie ihn mit gemeinen und
— 96 —
*
beleidigenden Worte« stichelte, was fur Eoâerigo die Quelle • astgUtubüohen Ärgere wurde. Nichtsdestoweniger, brachte« iłm der Schwiegervater, die Brüder, die Verwandsehaft, da« Band der Ehe und besonders die grosse Liebe za ihr, die ihn erfasst hatte, dazu, dass er sich geduldete. Ich will die grossen Ausgaben auf der Seite lasse«, die er machen musste, um sie zufrieden au stellen, da sie natürlich alb neuen Trachten and Moden mitmachte, deren es ja in unserer Stadt, die von Haus aus die Abwechslung liebt, unzählige gab; er war auch gezwungen, wenn er mit ihr im Frieden leben wollte, seinem Schwiegervater za helfen, seine andern Töchter unter die Haube su bringen, was ihn eine ronde Summe kostete. Hier* auf musste er, wenn er mit ihr auskommen wollte, einen der Brüder mit Tüchern nach der Levante, einen andern mit Stoffen nach dem Westen schicken, einem dritten einen Gold- schmiedladen in Florens errichten, so dass in diesen Dingen der grossie Teil ociaee Vermögens draufging.
Und ausserdem wellte Frau Onesta in den Zeiten des Karnevale und um das Johanneefest herum, wo die ganze Stadt nach alter Gewohnheit vom Festtanmel ergriffen ist und viele Vornehme und reiche Bürger durch glanzende Gast- maler sich Ehren zu erwerben suchen, damit sie andern Damen nicht nachstehe, dass ihr Rodorigo mit ähnlichen Festen alle andern überrage» Aus dea obengenannten Gründen hatte er diese Dinge
ertragen und sie auszuführen hatte ihm nicht einmal schwer geschienen, wenn daraus wenigstens Buhe für sein Haas erwachsen wire und er in aller Gemächlichkeit seinen Untergang hätte abwarten können. Aber es geschah das Gegenteil, denn zu den unerträglichen Ausgaben schuf ihre unverschämte Natur ihm endlose Unannehmlichkeiten, und es war im Hanse weder Diener noch Magd, die sie auch nnr ganz karze Tage, geschweige denn längere Zeit ertragen konnten. Daraus entstand für Boderigo sehr schweres Unbe- hagen, weil er keinen Diener halten konnte, der zu seinen Sachen gesehen hätte, and abgesehen von den andern zogen es sogar die Teufel, die er mitgebracht hatte, vor, in's höllische Feuer zurückzukehren als auf der Welt unter der Herrschaft dieses Weibes zu leben. Wie -Boderigo also dieses geräusch- volle -und unruhige Leben führte und durch die ungeregelten Ausgaben schon alles aufgebraucht hatte, was er an beweglichem Gute zurückgelegt, fing er an, von der Hoffnung auf die Er- trägnisse zu leben, die er ans Ost und West erwartete und
96
da er seiner Stellung nichts vergeben wollte und nooh guten Kredit genoss, lieh er auf Wechsel, und als schon viele Mark zu seinen Lasten umliefen, wurde er von denen bemerkt, welche auf dem Geldmarkte in ahnlichen Geschäften sich ab- mühen. Und als sein Fall schon ziemlich schlimm stand, kamen plötzlich aus Ost und West Nachrichten, dass der eine Bruder der Frau Onesta all das Vermögen Boderigos verspielt habe und dass der andere, der mit einem mit seinen Waren beladenen Schiffe zuruokkehrte, mit ihm ertrunken sei, ohne die Ladung auch nur versichert zu haben. Und kaum war die Nachricht davon öffentlich bekannt geworden, so traten auch schon die Gläubiger Boderigos zusammen, und da sie der Meinung waren, er wolle sich davon machen, und man dürfe ihm doch noch nicht auf den Fersen sein, weil ihr Termin noch nicht gekommen war, beschlossen sie, es sei gut, ihn so geschickt beobachten zu lassen, dass er von einem Augenblick zum andern sich heimlich nicht entfernen könne. Boderigo andererseits sah nicht, wie er sich aus der Klemme ziehen könne, und wusste ja auch, was das höllische Gesetz ihn zu ertragen zwang; -und so gedachte er auf alle Fälle zu fliehen. So stieg er denn eines Tages zu Pferde, und da er in der Nähe der Strasse nach Prato wohnte, Verliese er die Stadt auf diesem Wege. Kaum war seine Abreise bemerkt worden, so erhob sich unter seinen Gläubigern em Lärm und sie wandten sich an die Behörden nioht nur mit Läufern, sondern verfolgten ihn im eigentlichsten Sinne des Wortes. Als sich der Lärm hinter ihm her erhob, war Boderigo kaum eine Meile von der Stadt entfernt, so dass er sich in schlimmer Lage sah und beechloss, heimlicher zu fliehen, die Landetrasse aufzugeben und durch die Felder hin sein Glück zu versuchen. Aber da er darin von den zahlreichen Gräben gebindert wurde, welche das Land durchziehen, und deswegen nicht reiten konnte, floh er zu Fuss und liess sein Beitpferd auf der Strasse, durchquerte ein mit Beben oder Röhricht be- decktes Feld nach dem andern, woran in dieser Gegend Uber- fluss ist, und kam in der Nähe von Peretola in'e Haue des Giovanni Matteo del Bricca, des Bauern des Giovanni del Bene, und zufällig fand er Giovanni Matteo, der zu Hause den Ochsen zu Fressen gab, und empfahl sich seinem Schutz, indem er versprach, ihn reich zu machen, wenn er ihn aus den Händen seiner Feinde errette, die ihn verfolgten, um ihm im Gefängnisse den Tod zu geben; und vor seinem Abschied
— 37 —
VolkttttmUoh« Diobtangm in Itftlimtr. 7
wurde er ihm eine eolehe Probe davon geben, daae er ihm Glanben schenken dürfe; und wenn das nicht der Fall sei, wolle er nichts dagegen einwenden, wenn er ihn eigenhändig seinen Feinden ausliefere. Giovanni Matteo besass ein Hera, wenn er anch nur ein Bauer war, und da es ihm sehien, er habe niohts zu verlieren, wenn er ihn rette, versprach er es ihm und versteckte ihn unter einem Misthaufen, der vor seinem Hause lag, bedeckte ihn mit Röhricht und anderm säubern Zeug zu, das er zum Verbrennen zusammengeschichtet hatte. Kaum hatte Boderigo sich vollende verbergen können, als seine Verfolger in aller Hast herbei kamen; aber mit allen Schreckmitteln konnten sie aus Giovanni Matteo nioht mehr herausbringen als dass er ihn gesehen habe, derart, dass sie weiter zogen und müde nach Florenz zurückkehrten, nachdem sie ihn umsonst an jenem und am folgenden Tage gesucht hatten.
Nachdem der Lärm vorbei war und Giovanni Matteo ihn aus seinem Versteck hervorgezogen hatte, ersuchte er ihn, sein Versprechen einzulösen. Boderigo sprach zu ihm: „Mein Bruder, ich bin dir zu grossem Danke verpflichtet und will mich erkenntlich zeigen. Und damit du glaubst, dass ich es kann, will ich dir sagen, wer ich bin." Dann erzählte er ihm sein wahres Wesen und die Bedingungen, die ihm beim Ver- lassen der Hölle auferlegt worden waren. Und wie er ein Weib genommen; und zu gleicher Zeit teilte er ihm die Art und Weise mit, wie er ihn zu bereichern gedenke und die bestände in der Hauptsache in folgendem : Sobald er, Giovanni Matteo, höre, dass ein Weib von einem Geiste besessen sei, so möge er annehmen, er, Rodrigo, sei hinter ihr her, und er werde nie aus einer fahren, es sei denn, dass er ihn heraushole; dabei würde er dann Gelegenheit haben, sieh nach seinem Belieben von deren Verwandten bezahlt zu machen; und nachdem sie diese Vereinbarungen getroffen hatten, ver- schwand er. Viele Tage vergingen. Da verbreitete sieh durch ganz Florenz das Gerücht, eine Tochter des Herrn Ambrogi Amedi, die er mit Buonajuto Tebalducci verheiratet hatte, sei von einem bösen Geiste besessen. Und es verfehlten natürlich die Verwandten nicht, bei ihr jene Mittel anzuwenden, die in ähnlichen Fällen gebräuchlich sind, indem man ihr den Schädel des heiligen Zanobi und den Mantel des heiligen Giovanni Guarberto auf's Haupt legte, was aber alles von Roderigo vereitelt wurde. Und um jeden darüber aufzuklären, dass
98
die Krankheit dee jungen Weibes ein Dämon sei und nicht etwa eine phantastische Einbildung, sprach er lateinisch, philosophierte über die letzten Dinge des Seine, und offenbarte die Sünden vieler, und besondere die eines Mönchs, der vier Jahre lang in seiner Zelle ein Weib unterhalten hatte, das nach Art eines Mönchleine gekleidet war: Dinge, welche jeden in Erstaunen versetzten. Aber Herr Ambrogio war seines Lebens gar nicht froh; er hatte schon alle Mittel umsonst angewandt und jede Hoffnung, sie zu heilen aufgegeben, als Giovanni Matteo ihn aufsuchte und ihm Heilung seiner Tochter versprach, wenn er ihm fünfhundert Gulden geben wolle, dass er sich ein Landgut in Peretola kaufen könne. Herr Ambrogio nahm den Vorschlag an, worauf Giovanni Matteo zunächst einige Messen lesen und andere Zeremonien ausführen liess, um der Sache einen bessern Anstrich zu geben, sich dann den Ohren des jungen Weibes näherte und sagte: „ Rodrigo, ich bin gekommen, dich aufzusuchen, damit du mir mein Versprechen haltest.w Worauf Rodrigo ant- wortete: „ Einverstanden ; aber das genügt nicht, dich reich zu machen. Sobald ich also von hier verschwunden bin, will ich in den Leib der Tochter Karls von Anjou, des Könige von Neapel, fahren, und ich werde sie ohne dich nicht ver- lassen. Dann bitte dir ein Trinkgeld nach deinem Belieben aus und lass mich dann in Buhe." Nachdem er dies gesagt, Verliese er diese zum Wohlgefallen und zur Verwunderung von ganz Florenz.
Es verging nicht lange Zeit und in ganz Italien ver- breitete sich die Nachricht von dem Unfall, der die Tochter des Königs Karl betroffen; und als die Mittel der Mönche nichts genützt hatten und der König von Matteo Giovanni erfahren, lies er ihn von Florenz nach Neapel kommen, wo er sie nach einer vorgeblichen Zeremonie heilte. Aber Roderigo sagte, bevor er aus ihr fuhr: „Du siehst, Giovanni Matteo, ich habe das Versprechen, dich reich zu machen, gehalten. Jetzt bin ich meiner Verpflichtung ledig und dir nichts mehr schuldig. Tritt mir also nicht mehr unter die Augen; denn während ich dir bis jetzt nur Gutes getan, hättest du in Zukunft von mir nur Böses zu erwarten."
Nachdem Giovanni Mattes sehr reich — er hatte vom König mehr als fünfzigtausend Dukaten bekommen — nach Florenz zurückgekehrt war, gedachte er, diese Beichtümer friedlich zu gemessen; immerhin nicht in der Meinung, dass
— 99 —
Boderigo darauf sinne, ihm zu schaden. Aber diese seine Absicht wurde plötzlich durch eine Nachricht gestört, dass eine Tochter Ludwigs des Siebenten, König von Frankreich, von einem Geiste besessen sei; eine Nachricht, welche den Geist Giovanni Matteos in grosse Aufregung versetzte, wenn er an das Ansehen dieses Königs und an die Worte dachte, welche Boderigo ihm gesagt hatte. Da der König für seine Tochter keine Heilung fand, Hees er ihn zunächst einfach durch einen Boten ersuchen, nach Paris zu kommen; als aber dieser ein Unwohlsein vorschützte, wurde der König gezwungen, die oberste Behörde von Florenz anzugehen, und diese nötigte Giovanni Matteo dem König zu willfahren. Ale dieser nun so ganz trostlos nach Paris gegangen war, sagte er dem König, dass er allerdings in der verflossenen Zeit einige Besessene von ihren bösen Geistern befreit habe, dass er aber deswegen nicht im Stande sei, alle zu heilen; denn einige dieser Geister seien so verruchter Art, dass man sie weder mit Drohungen noch mit Zaubersprüchen noch mit Be- schwörungemitteln austreiben könne; immerhin wolle er seine Pflicht tun, und wenn er keinen Erfolg habe, bitte er um Entschuldigung und Verzeihung. Da sah ihn der König er- zürnt an und sagte zu ihm, wenn er sie nicht heile, lasse er ihn hangen. Giovanni Matteo empfand deswegen grossen Schmerz, fasste aber doch Mut, liess die Besessene kommen, näherte sich ihrem Ohre, empfahl sich Boderigo demütig, rief ihm die erwiesene Wohltat in Erinnerung und zeigte ihm, was für ein Beispiel schwarzen Undankes er gäbe, wenn er ihn in solcher Not stecken liesse. Welchem Boderigo also ant- wortete: „Was! verräterischer Schuft, du wagst es noch, mir unter die Augen zu treten? Glaubet du, du könntest dich rühmen, durch meine Hände reich geworden zu sein? Ich will dir und jedermann zeigen, dass ich nach meinem Belieben alles geben und nehmen kann; bevor du von hier weggehst, bammelst du auf jeden Fall am Galgen.u Da Giovanni Matteo im Augenblick kein anderes Mittel sah, gedachte er, sein Glück auf anderem Wege zu versuchen, liess die Besessene von dannen gehen und sprach zu dem König: „Majestät, wie ich Euch schon gesagt habe, gibt es viele Geister, die so bösartig sind, das man mit ihnen nicht im Guten auskommt, und der ist einer von diesen. Aber ich will noch eine letzte Probe machen ; wenn die glückt, haben Eure Majestät und ich unsern Zweck erreicht; wenn sie nicht glückt, bin ich in Eurer
7*
— 100 —
Gewalt, und Ihr werdet mit mir daa Mitleid haben, das meine Schuldlosigkeit verdient. Laset also auf dem Platze unserer lieben Frau ein grosses Schaugerüst errichten, auf dem deine Ritterschaft und deine ganze Geistlichkeit der Stadt Platz hat; laset das Gerüst mit seidenen und goldenen Tüchern zieren; laset in dessen Mitte einen Altar bauen; und am nächsten Sonntag Morgen sollt Ihr mit Eurem ganzen Klerus und allen Euren Fürsten nnd Baronen, mit königlichem Ge- pränge, mit prächtigen und kostbaren Gewändern angetan Euch dort versammeln, wohin Ihr auch nach Abhaltung einer feierlichen Messe die Besessene kommen laset. Ausserdem sollen in einer Ecke des Platzes zwanzig Personen mindestens mit Trompeten, Hörnern, Trommeln, Dudelsäcken, Zimbeln und Pauken und anderen Lärminstrumanten versehen sein, die, wenn ich den Hut lüfte, mit ihrem Spiel plötzlich anheben und in der Richtung nach dem Gerüste mit klingendem Spiel marschieren. Diese Dinge werden mit andern geheimen Heil- mitteln, wie ich glaube, den Geist vertreiben." Alles wurde vom König sofort anbefohlen, und als der Sonntag Morgen gekommen, das Schaugerüst voll Leute und der Platz vom Volke gedrängt gefüllt war, wurde die Messe gefeiert und die Besessene von zwei Bischöfen an der Hand auf die Schau- bühne geführt. Als Rodrigo so viel Volk beisammen und so viel Prunk hergerichtet sah, war er sozusagen ganz betäubt und sprach bei sich selbst: „Was hat dieser Lump, dieser Bauer, ausgetüftelt? Glaubt er etwa mich mit diesem Pomp zu erschrecken? Weiss er nicht, dass ich die Pracht des Himmele und die Schrecken der Hölle zu sehen gewohnt bin? Er soll's mir auf alle Fälle hassen 1" Und als sich Giovanni Matteo ihm näherte und ihn bat, er möge ausfahren, da sagte er: „0! da hast du etwas schönes ausgeklügelt. Was willst du mit diesen Zurüstungen ausrichten? Glaubet du damit meiner Macht und dem Zorn des Königs entfliehen zu können ? Bauernlümmel, noch heute sollst du am Galgen bammeln!" Und der bat ihn von neuem wieder und dieser wiederholte seine Beschimpfungen, bis es Giovanni Matteo schien, es sei jetzt keine Zeit mehr zu verlieren, und er gab mit dem Hute das Zeichen zum Losbrechen, worauf diese ein Getöse anhüben, dass zum Himmel drang, und damit dem Gerüste näher rückten. Bei diesem Lärm richtete Roderigo seine Blicke in die Höhe, und da er nicht wusste, was das zu bedeuten habe, und sehr verwundert war, fragte er ganz verdutzt Giovanni Matteo,
101
was das sei Diesem sagte Giovanni Matteo ganz aufgeregt: „0 weh! mein Boderigo, das ist deine Frau, die dich auf- sucht!" Es war wunderbar zu sehen, was für eine Gemüts- Veränderung der Name seines Weibes bei Boderigo hervor- brachte; so gross war sie, dass er nicht einmal bedachte, ob es möglich oder auch nur wahrscheinlich sei, dass sie es sei, sondern ohne eine Antwort abzuwarten, voller Schrecken davon floh und das Weib losliess; und er wollte lieber in die Hölle zurückkehren und Rechenschaft über seine Handlungen ablegen als sich von neuem mit so viel Arger, Ingrimm und Gefahren dem Ehejoch unterwerfen. Und so kehrte Belfagor in die Hölle zurück, legte Zeugnis ab über das Elend, das eine Frau mit ins Haus bringt; und Giovanni Matteo, der davon noch mehr wusste als der Teufel, kehrte fröhlich nach Hause zurück.
Піссоїо madriapeÜTs
il mandragola. U
Deutsch von
Jakob Ulrich.
ProlOg-
Gott grues' Euch, die Ihr mit geneigtem Ohr mir zuhört, da es ja scheint, ale ob dies Wohlwollen davon abhängt, ob man es Euch zu Dank machen kann. Wenn Ihr wie jetzt keinen Lärm macht, so sollt Ihr einen neuen Fall hören, der in diesem Lande vorgekommen ist. Seht nun die Scene, auf der man dies Mal Euer Florenz vorweist; ein ander Mal wird es Born oder Pisa sein. Es ist eine Geschichte, um sich vor Lachen die Kiefer auszurenken.
Die Haustür, die sioh mir zur rechten Hand befindet, öftnet und schlisset das Haus eines Doktors, der sich ziemlich viel zusammengebüffelt hatte. Die Strasse, die in dieser Ecke liegt, ist die Strasse der Liebe, wo, wer fallt, niemals wieder aufsteht. Dann wirst du am Kleide einen Geistlichen irgend einer Stufe erkennen können, der die gegenüberliegende Kirche bewohnt; wenn du dich nicht allzu eifrig entfernst.
Ein junger Mann, Callimaco Guadagni, der vor kurzem von Paris zurückgekehrt ist, wohnt hier im Hause links. Der trägt, wenn nicht alle Zeichen trügen, unter allen fröhlichen Gesellen den Siegespreis der Anmut und feinen Sitte davon. Eine treffliche junge Frau wurde von ihm sehr geliebt und hintergangen, wie Ihr hören werdet und wie Ihr Frauen hinter- gangen würdet, wenn es nach meinem Willen ginge.
Das Stück nennt sich Mandragola und den Grund dafür werdet Ihr, wie ich mir einbilde, bei der Aufführung sehen. Der Verfasser ist nicht berühmt; immerhin, wenn Ihr nicht lacht, bin ich bereit, Euch den Wein zu bezahlen. Ein elender Verliebter, ein wenig schlauer Doktor, ein Pfaffe von schlechtem Lebenswandel, ein Parasit, der Ausbund der Bosheit, werden heute unsern Zeitvertreib ausmachen. Und wenn dieser Gegen- stand, wenn er allzu leicht ist, eines Mannes, der weise und
— 106 —
ernst scheinen will, unwürdig sein sollte, so entschuldigt ihn
damit, dass er sich Mühe gibt, mit eiteln Gedanken seine
traurige Zeit angenehmer zu gestalten, denn anderswohin kann
er sein Antlitz nicht wenden, weil es ihm verunmöglicht
worden, mit andern Unternehmen andere Tüchtigkeit zu zeigen,
da seinen Mühen kein Preis beschieden war.
Der Lohn, den man erhofft, ist, dass jeder zur Seite
...
trete und grinst, indem er übles redet von dem, was er siebt und hört. Davon rührt es ohne Zweifel her, dass sich das gegenwärtige Geschlecht ganz und gar von der alten Tüchtig- keit entfernt, weil die Leute, wenn sie sehen, dass jeder tadelt, sich nicht abmühen und abrackern, um mit tausend Un- annehmlichkeiten ein Werk zu Stande zu bringen, das der Wind verweht oder der Nebel zudeckt.
Wenn aber einer glauben sollte, dass er mit seinen Lästerreden ihn am Kragen fassen und ihn zur Seite drücken könne, so mache ich einen solchen darauf aufmerksam und sage ihm, dass auch er eine lose Zunge hat, die er in seinem ursprünglichen Berufe gebrauchte, und dass er in keinem Teile der Welt, wo die italienische Sprache erklingt, von irgend jemand glaubt, und spiele er diesem gegenüber noch so sehr den Unterwürfigen, dass er einen bessern Mantel trage als er, der Verfasser.
Aber lassen wir nun jedermann schimpfen, wie es ihm gut scheint. Kehren wir zu unserm Gegenstand zurück, dass die Zeit nicht zu rasch verstreiche. Auf die Worte muss man nicht zu sehr Acht geben und einen für ein Ungeheuer ansehen, von dem man vielleicht nicht weiss, ob er noch am Leben ist. Callimaco tritt jetzt auf und hat Syro bei sich, seinen Diener, und wird den Gegenstand entwickeln; jeder sei aufmerksam und erwarte für jetzt keinen andern Stoff.
— 107 —
Erster Akt.1)
Ente Szene.
Callimaco. Syro.
Calllmaco: Syro. geh nicht weg. Ich muss etwas mit dir reden.
Syro: Da hin ich.
Callimaco: Ich denke, du verwundertest dich über meine plötzliche Abreise von Paris; und jetzt verwunderst du dich, dass ich schon einen Monat hier bin, ohne etwas zu tun.
Syro: So ist es.
Callimaco: Wenn ich dir bis jetzt nicht gesagt habe, was ich dir jetzt sagen will, so geschah es nicht, weil ich kein Zutrauen zu dir hatte, sondern weil ich der Meinung war, Dinge, welche der Mensch erstrebe, brauche nicht jeder- mann zu wissen, und man brauche sie bloss mitzuteilen, wenn man dazu gezwungen wird. Deswegen will ich dir nun alles sagen, weil ich der Meinung bin, ich habe deine Mit- wirkung nötig.
Syro: Ich bin Euer Diener, und Diener sollen ihre Herren nie nach etwas fragen noch nach ihren Angelegenheiten forschen, aber wenn sie sie aus eigenem Antrieb mitteilen, sollen sie ihnen treu dienen, und so tat ich und gedenke ich weiterhin zu tun.
Callimaco: Ich weiss es. Ich glaube, du hast mich schon tausend Mal sagen hören — es macht aber nichts aus, wenn du es zum tausendhundersten Male hörst — dass ich als zehnjähriger Knabe nach dem Tode meines Vaters und meiner Mutter von meinen Vormündern nach Paris geschickt wurde, wo ich zwanzig Jahre geblieben bin, und weil nach Verlauf von zehn Jahren durch den Zug des Königs Karl die Kriege in Italien begannen, welche unsere Provinz in's Ver- derben stürzten, beschloes ich, gemächlich in Paris weiter zu leben und niemals nach meinem Vaterlande zurückzukehren, in der Meinung, an diesem Oste sicherer zu leben als hier.
Syro: So ist's.
Calllmaco: Und da hier alle meine Güter mit Ausnahme des Hauses verkauft worden waren, beschloes ich, weiterhin
*) Die Einteilung in Szenen stammt von mir.
— 108 —
dort su leben, wo ich in gröseter Glückseligkeit weitere zehn Jahre verbrachte.
Syro: Ich weiss es.
Calllmaco: Indem ioh so meine Zeit einteilte und sie den Studien, den Vergnügungen und den Geschäften derart widmete und mich in allen diesen Dingen so abmühte, dass keines mir den Weg zu den andern versperrte, und ich des- wegen, wie du weiset, ganz gemächlich lebte, indem ich mich jedem gegenüber hilfsbereit zeigte und mir Mühe gab, niemanden zu beleidigen, so dass es mir schien, ich sei bei Bürgern und Edelleuten, bei Fremden und Einheimischen, in gleichem Masse beliebt.
Syro : Das ist richtig.
Calllmaco: Aber da das Schicksal fand, es gehe mir zu gut, bewirkte es, dass ein Gamillo Galfucci in Paris ankam.
Syro: Ich errate allmälich Euer Unglück.
Calllmaco : Dieser war wie die andern Florentiner häufig bei mir eingeladen, und bei unserer Unterhaltung gerieten wir eines Tages in Streit, wo es schönere Frauen gebe, in Italien oder in Frankreich, und da ich nicht von den Italienerinnen reden konnte, da ich ja, als ich fortging, noch so klein war, ergriff ein anderer Florentiner, der anwesend war, die Partei der Französinnen, und Camillo die der Italienerinnen, und nachdem von beiden Seiten viele Gründe angeführt worden waren, sagte Camillo beinahe zornig, dass, wenn alle Italienerinnen Ungeheuer wären, eine seiner Ver- wandten ihre Ehre wieder herzustellen im Stande wäre.
Syro: Ich bin nun im Ellaren über das, was Ihr sagen wollt.
Calllmaco : Und er nannte den Namen der Frau Lukresia, der Gemahlin des Herrn Nicia Calfucci, der er so viel Lob spendete, sowohl was die Schönheit als die Sitten anbetrifft, dass jeder von uns wie auf den Kopf geschlagen da sass. Und seine Worte erweckten in mir einen solchen Wunsch, sie zu sehen, dass ich jede andere Überlegung zur Seite schiebe, nicht mehr an die Kriege und den Frieden Italiens denke und mich aufmache um hierher zu kommen, wo ich bei meiner Ankunft gefunden habe, dass der Buf der Frau Lukresia hinter der Wirklichkeit noch zurückbleibe, was ja selten passiert. Und jetzt bin ich so von dem Wunsche ent- flammt, bei ihr zu sein, dass ich es nirgends aushalte.
— 109 —
Syro: Wenn Ihr mit mir in Paris davon geredet hättet, könnte ich Ench einen Bat geben; aber jetzt weiss ich nicht, was ich Ench sagen soll.
Calllmaco: Ich habe dir das anch nicht gesagt um einen Rat zu erhalten, sondern um mir die Sache wenigstens vom Hersen za reden, nnd damit du dich darauf gefasst machest, mir beizustehen, wenn es die Not erfordern sollte.
Syro: Dazu bin ich ganz bereit. Aber was für eine Hoffnung hegt Ihr?
Callimaco: Acb! keine oder geringe. Und ich sage dir, dass in erster Linie ihre Art mir hinderlich ist, da віє sehr ehrbar und Liebeehändeln durchaus abgeneigt ist; dann, dass sie einen sehr reichen Mann hat, von dem sie sich ganz leiten läset; und wenn er nicht gerade jung ist, so ist er auch nicht ganz alt, wie es scheint; weiterhin, dass sie keine Ver- wandte oder Nachbarn hat, mit denen sie bei irgend einer Abendunterhaltung oder einem Peste oder einem gesellschaft- lichen Anläse, wo sich die jungen Frauen zu ergötzen pflegen, zusammenkommt; Handwerbleute kommen auch keine ins Haus; Mägde und Diener zittern alle vor ihr, sodass keine Möglichkeit irgend einer Bestechung vorhanden ist.
Syro: Was gedenkt Ihr denn ausrichten zu können?
Calllmaco: Niemals ist etwas so verzweifelt, dass man nicht einen Schimmer von Hoffnung haben dürfte. Und wenn diese Hoffnung auch schwach und eitel ist, so läset doch Wille and Wunsch, die Sache zum Ziele führen, sie nicht so erscheinen.
Syro: Was flösst Euch schliesslich etwas Hoffnng ein?
Callimaco: Zwei Dinge: Erstens die Einfalt des Herrn Nicia; denn wenn er auch Doctor juris ntriueque ist, so lebt doch in ganz Florenz kein so einfältiger und dummer Mensch wie er. Zweitens : Den Wunsch, den er und sie haben, Kinder zu bekommen, dean da sie nun sechs Jahre verheiratet ist, ist sie immer noch kinderlos, und da sie sehr reich sind, ver- gehen sie fast vor Sehnsucht, Erben zu haben. Drittens: ihre Mutter war ihrerzeit keine Spielverdarbeiin, aber sie ist so reich, dass ich nicht weiss, wie ich es anstellen soll.
Syro: Habt Ihr zu diesem Zwecke bis jetzt schon etwas versucht?
Calllmaco: Ja, aber wenig. Syro: Was denn?
Calllmaco: Du kennst Ligurio, der beständig zu mir zum Essen kommt. Der war einst Ehevermittler, dann hat er sich dem Bettel ergeben, indem er sich zu Mittag- und Abendessen einlädt. Und weil er ein unterhaltender Mann ist, lebt Herr Nicia auf dem Fusse einer engen Vertraulichkeit mit ihm. Łigurio macht sich über ihn lustig, und obschon er ihn zum Esßen nach Hause führt und ihm manchmal Geld leiht, habe ich mir ihn doch zum Freunde gemacht und habe ihm meine Liebe mitgeteilt; er hat mir versprochen, mir mit Händen und Füssen zu helfen.
Syro: Nehmt Euch in acht, dass er Euch nicht übers Ohr haut. Diese Schmarotzer pflegen es mit Treue und Glauben nicht so genau zu nehmen.
Calllmaco: Das ist richtig. Nichte desto weniger, wenn einer etwas für einen tut, darf man glauben, wenn man sich erkenntlich zeigt, er diene einem treu; ich habe ihm für den Fall des Gelingens eine hübsche Summe Geldes versprochen. Wenn es nicht gelingt, erwischt er ein Mittag- und ein Abend- essen, denn ich esse keinenfaUs allein.
Syro: Was hat er euch bis jetzt versprochen zu tun? Calllmaco: Er hat versprochen, Herrn Nicia zu über- reden, mit seiner Frau diesen Mai ins Bad zu gehen.
Syro: Was kann das Euch nützen?
Calllmaco: Was mich das nützen kann? Dieser Ort könnte eine andere Stimmung in ihr erzeugen; an solchen Orten gibt es nichts ab Festlichkeiten; und ich würde auch hingehen und aller Arten Vergnügen veranstalten und mich nicht lumpen lassen; ich würde ihr und ihres Gatten Ver- trauter oder was man so Hausfreund nennt werden ; eins gibt's andere und es braucht nur Zeit.
Syro: Das ist nicht so ungeschickt.
Calllmaco: Ligurio ging heute morgen von mir weg und sagte, er werde mit Herrn Nicia davon sprechen und mir darüber Bericht zukommen lassen.
Syro: Da kommen ja beide zusammen.
Calllmaco: Ich will zur Seite treten, um zur rechten Zeit mit Ligurio reden zu können, wenn er von dem Doktor loskommen kann. Geh du unterdessen im Hause deinen Geschäften nach, denn wenn ich dir etwas aufzutragen habe, werde ich es dir sagen.
Syro : Ich geh schon.
Zweite Szene.
Herr Nicia. Ligurio*
Herr Nicia: Ich glaube, daes deine Bäte gut seien und ich sprach gestern abend darüber mit meiner Frau; sie sagte, sie wolle mir heute Antwort sagen; aber um dir die Wahr- heit zu gestehen, ich bin nicht mit ganzer Seele dabei.
Ligurio: Warum nicht?
Herr Nicia: Ich halte mich nicht gern an fremden Orten auf. Und dann Weib, Dienstmädchen, Hausgeräte trans- portieren lassen zu müssen, das passt mir nieht. Ausserdem sprach ich gestern am Abend noch mit einigen Ärzten; der eine rät mir, nach San Filippo zu gehen« der andere nach Porretta, ein dritter nach Villa; so viel Arzte, so viel Dumm- köpfe, scheint es mir; um dir meine Meinung zu sagen, diese Doktoren der Medicin wissen sich keinen Bat.
Ligurio: Was Ihr zuerst sagtet, wird Euch eben Muhe machen: dass Ihr nämlich nicht gewohnt seid, die Kuppel des Doms aus den Augen zu verlieren.
Herr Nicia: Da irrst du. Als ich junger war, bin ich viel herumgerutscht. Nie wurde ein Markt in Prato abge- halten, ohne dass ich dabei war. Und es ist kein Kastel in der Umgebung, dass ich nicht gesehen. Ich will dir weiter nichts sagen: Ich bin in Pisa, ich bin in Livorno gewesen, geh mir.
Ligurio: Dann habt ihr wohl die Winde von Pisa gesehen?
Herr Nicia: Du willst sagen die Warze.
Ligurio: Ha, natürlich die Warze. Und in Livorno saht Ihr auch das Meer?
Herr Nicia: Selbstverständlich sah ich's.
Ligurio: Wie viel mal grösser ist es als der Arno?
Herr Nicia: Als der Arno? es ist vier Mal grösser, sechs Mal, sieben Mal. Was sag ich? Man sieht nichts als Wasser, Wasser, Wasser!
Ligurio: Da Ihr so weit herumgekommen seit, wundere ich mich, dass es Euch so schwer ankommt, in's Bad zu gehen.
Herr Nicia: Du redest wie ein Kind. Scheint es dir ein Spass, das ganze Haus drunter und drüber zu werfen? Und doch, ich habe eine solche Sehnsucht, Kinder zu haben, dass ich bereit bin, alle Opfer zu bringen. Bede also ein bischen mit den Herren Ärzten; sieh, wohin sie mir zu gehen raten, und ich will unterdessen mit der Frau reden, und nachher wollen wir uns wieder treffen.
Ligurio: Ganz richtig.
Dritte Szene.
Lfgnrlo. Calllmaco.
Ligurio: Ich glaube nicht, dass es auf der Welt einen dummern Menschen gebe als diesen! Und wie hat ihn das Schicksal begünstigt! Er ist reich; er hat eine schöne, ver- ständige Frau von guten Sitten, die wohl befähigt wäre ein Königreich zu regieren. Und es scheint mir, dass selten das Sprichwort sich erwahre: Gott erschafft die Menschen und Gleich und Gleich gesellt sich; denn oft sieht man, daas das Loos einem Menschen mit guten Eigenschaften ein Vieh be- stimmt und umgekehrt eine kluge Frau einen Narren bekommt. Aber aus der Narrheit dieses Tropfe ergibt sich wenigstens das Gute, dass Gallimaoo Hoffnung schöpfen darf. Aber da ist er ja. Wem lauerst du auf, Callimaco?
Calllmaco : Ich hatte dich mit dem Dokter gesehen und wartete, bis du dkh von ihm losgemacht hättest, um zu er- fahren, was du ausgerichtet hast.
Ligurio: Er ist ein Mann von den Eigenschaften, die du an ihm kennst: von wenig Klugheit, von weniger Verstand, und er trennt sich ungern von Florenz; und doch habe ich ihm wieder tüchtig mit der Badekur eingeheizt, und er hat mir versprochen, er wolle alles tun, und ich glaube, wenn wir wollen, bringen wir ihn zu Allem. Aber ich weiss nicht, ob wir dabei auf unsere Kosten kommen.
Calllmaco: Weswegen?
Ligurio: Was weiss ich. Du weiset, in diesen Bädern sind allerhand Leute. Es könnte dahin einer kommen, dem Frau Lukrezia ebenso in die Augen stäche wie dir, und der reicher wäre als du, der gefälliger wäre als du, so dass man Gefahr läuft, diese Unannehmlichkeit für einen andern über sich ergehen zu lassen; oder es könnte auch vorkommen, dass die Menge der Bewerber sie noch widerspenstiger macht oder, wenn sie ein menschliches Bühren spürt, sie sich einem andern als dir zuwendet.
Calllmaco: Ich erkenne, dass du die Wahrheit redest. Aber was soll ich dann machen? Welchen Entschluss soll ich fassen? Wohin soll ich mioh wenden? leb muss etwas unternehmen: etwas Grosses, etwas Gefährliches, etwas Sohaden- bringendes, etwas Ruchloses; es ist besser zu sterben, als so zu leben. Wenn ich des Nachte schlafen, wenn ich essen, wenn ich mich unterhalten, wenn ich an irgend etwas Ver-
gnugen finden könnte, kein Mensch wäre geduldiger, die Zeit abzuwarten, als ich; aber hier ist nicht zu helfen; und wenn man mir nicht einen Schimmer von Hoffnung läset, werde ich auf alle Fälle sterben; und wenn ich sehe, dass ich sterben muss, so brauche ich nichts zu fürchten, vielmehr muse ich irgend einen viehischen, graueamen, verruchten Ent- schluss faeeen.
Ligurio: Sprich nicht so; zügle vielmehr dieses Ungetüm der Seele.
Callimaco: Du siehst wohl, dass, um es zu zügeln, ich mich mit solchen Gedanken füttere; und deswegen ist es not- wendig, dass wir mit unserm Plane fortfahren, ihn in ein Bad zu schicken, oder dass wir einen anderen Weg einschlagen, damit ich mich mit einer andern, wenn auch ungegründeten, mindestens falschen Hoffnung labe, wodurch ich einen Gedanken nachhängen kann, der wenigstens zum Teil meine Qualen
Ligurio: Du hast recht und ich werde es tun.
Callimaco: Ich glaube es, obschon ich weiss, dass Leute deinesgleichen davon leben, die Leute an der Nase herumzuführen. Nichts desto weniger glaube ich nicht, dass du unter diese zählst; denn wenn du so tätest und ich es merkte, solltest du nicht so leichten Kaufs davon kommen und mit dem Verkehr in meinem Hause wäre es vorbei und der Hoffnung, das zu bekommen, was ich dir versprochen, könntest du dich entschlagen.
Ligurio: Zweifle nicht an meiner Treue; denn abgesehen von dem Nutzen, der mir in dieser Angelegenheit erwachsen kann und, wie ich hoffe, erwachsen wird, sind wir ja mit einander blutverwandt, und ich wünsche, dass dies dein Sehnen in Erfüllung gehe, ungefähr so sehr wie du. Aber lassen wir das. Der Doktor hat mir aufgetragen, einen Arzt zu suchen, von dem er erfahren mag, in welches Bad er am besten gehen soll. Nun sollst du nach meinen Anordnungen handeln und die gehen dahin, das du sagst, du habest Medizin studiert und in Paris eine Zeit lang praktiziert. Er wird es in seiner Einfalt leicht glauben, und weil du ja litterarische Bildung hast, kannst du ihm leicht etwas auf lateinisch weiss machen.
Calllmaco: Wozu soll das dienen? Ligurio: Es wird zunächst dazu dienen, dass wir ihn in das Bad schicken, das wir wollen; dann, um irgend einen
VolkttQmliche Lichtung«! der Italiener. 8
— 114 —
Zweiter Akt. Erste Szene.
Ligurio. Herr Nicia.
Ligurio : Wie ich Euch gesagt habe, glaube ich, Gott hat Euch diesen gesandt, um Euren Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen; er hat in Paris sehr grosse Erfahrungen gesammelt, und wundert Euch nicht, wenn er in Florenz seinen Beruf nicht ausgeübt hat; der erste Grund ist, dass er reich ist; zweitens steht er jeden Augenblick auf dem Sprung, nach Paris zurückzukehren.
Herr Nicia: Nun ist dies aber von grosser Wichtigkeit, denn ich möchte nicht, dass er mich in ein Wirreal hinein- führte, um mich dann in einem Sumpfe stecken zu lassen.
Ligurio : Zweifelt nicht an diesem. Einzig zu befürchten ist, dass er diese Kur nicht übernehmen will; aber wenn er
Weg einzuschlagen, den ich ausgedacht habe und der kurzer, sicherer und leichter gangbar ist als das Bad. Calllmaco: Was sagst du?
Ligurio: Ich sage, dass, wenn du Mut und Zutrauen zu mir hast, du diese Sache morgen um diese Stunde als abgemacht ansehen kannst. Und wenn er der Mann wäre — der er nicht ist, um Nachforschungen anzustellen, ob du Arzt bist oder nicht, so wird die Kurze der Zeit und die Sache an sich bewirken, dass er nicht davon spricht oder dass er nicht zur rechten Zeit unsern Plan stören kann, selbst wenn er davon redete.
Calllmaco: Du gibst mir das Leben wieder. Das ist ein zu grosses Versprechen und du labst mich mit zu süsser Hoffnung. Wie stellst du das an?
Ligurio: Du erfährst es, wenn es Zeit sein wird. Für jetzt brauche ich es dir nicht zu sagen, denn die Zeit wird nicht ausreichen, es zu machen, geschweige denn es zu sagen. Geh jetzt in's Haus und erwarte mich hier. Ich gehe den Doktor zu holen, und wenn ich ihn dir zuführe, gehst du eben auf meine Bede ein und richtest dich darnach.
Calllmaco: So will ich tun, obschon du mich mit einer Hoffnung nährst, von der ich fürchte, dass sie in Bauch aufgehe.
— 116 —
8*
aie übernimmt, so ist er nicht der Mann, sie nicht su Ende zu fuhren.
Herr Nlcla: So will ich mich in diesem Punkte auf dich verlassen. Was aber die Wissenschaft anbetrifft, so will ich dir sagen, wie ich mit ihm rede; er wird mir kein X für «in U vormachen.
Ligurio: Und weil ich Euch kenne, werde ich Euch das noch viel weniger machen. Redet also mit ihm, und wenn Ihr mit ihm geredet habt und er Euch in seinem Auftreten, seiner Wissenschaft, seiner Sprache nicht ein Mann scheint, dem man ruhig das Haupt in den Schooss legen kann, so sagt, ich sei nicht ich.
Herr Nicia: So sei es denn in Gottes Kamen! Gehen wir! Aber wo ist er denn?
Ligurio: Er wohnt an diesem Platze; da in diesem Hause, das Ihr Euch gegenüber seht.
Herr Nicia: Das trifft sich ja gut
Ligurio: Da sind wir ja schon,
Syro: Wer ist da?
Ligurio: Ist Callimaco zu Hause?
Syro: Ja.
Herr Nicia: Warum sagst du nicht Magister Callimaco? Ligurio: Er kümmert sich nicht um solche Possen. Herr Nicia: Bede nicht so. Tu deine Schuldigkeit, und wenn er es übel nimmt, so pfeife er darauf.
Zweite Szene.
Calllmaco. Herr Nicia. Ligurio«
Callimaco: Wer verlangt nach mir? Herr Nicia: Bona dies, domine magister. Callimaco: Et vobis bona, domine doctor. Ligurio: Kun, wie dünkt er Euch? Herr Nicia: Gut beim Himmel.
Ligurio: Wenn Ihr wollt, daß ich bei Euch bleibe, so redet, dass ich Euch verstehe; sonst sind wir geschiedene Leute.
Callimaco: Was steht zu Euren Diensten?
Herr Nicia : Was weiss ich ? Ich jage zwei Dingen nach, die ein anderer vielleicht fliehen würde; das ist, mir und andern Mühsal zu schaffen: ich habe keine Kinder und möchte welche haben; und um mir diese Plackerei zu verschaffen, komme ich Euch zu belästigen.
— 116 —
Calllmaco: Mir wird es nie unlieb sein, Euch und allen tüchtigen und wackern Männern wie Ihr seid, einen Gefallen zu erweisen; ich habe mich nicht umsonst so manches Jahr in Paris um das Studium abgemüht, es sei denn, um Eures- gleichen dienen zu können.
Herr Nlcla: Besten Dank. Für den Fall, dass Ihr einmal meine Kunst nötig hättet, stehe ich Euch gern zu Diensten. Aber kehren wir ad rem nostram zurück. Habt Ihr darüber nachgedacht, welches Bad am besten geeignet wäre, um meine Frau für eine Schwangerschaft günstig vor- zubereiten? Denn ich weiss, dass Ligurio hier Euch gesagt hat, was Euch zu sagen war.
Calllmaco: Das ist richtig. Aber wenn man Euren Wunsch erfüllen will, muss man die Ursachen der Unfrucht- barkeit Eurer Frau kennen, denn es können deren verschiedene sein. Nam causa sterilitatis sunt: aut in semine aut in matrice, aut in instrumentis seminariis, aut in virga, aut in causa extrinseca.
Herr Nlcla: Das ist der trefflichste Mann, den man finden kann.
Calllmaco: Ausserdem könnte diese Unfruchtbarkeit auch von Euch wegen Impotenz herrühren; und wenn das wäre, würde es natürlich kein Heilmittel dagegen geben.
Herr Nicia: Ich impotent? G, Ihr macht mich lachen. Ich glaube nicht, dass es einen kräftigern und rüstigem Mann als ich bin in Florenz gebe.
Calllmaco: Wenn das nicht der Fall ist, seid guten Mutes; wir werden schon ein Mittel für Euch finden.
Herr Nlcla: Sollte es ein anderes Mittel als Bäder geben? Ich möchte dieser Unbequemlichkeit aus dem Wege gehen und auch meine Frau würde sich nur ungern von Florenz entfernen.
Ligurio: Sicherlich gibt es welche; ich will antworten. Callimaco ist die Zurückhaltung selbst, so dass das wirklich zu weit geht. Habt Ihr mir nicht gesagt, dass Ihr einen gewissen Trank verordnen könnt, der sicher schwanger macht?
Calllmaco: Allerdings; aber mit Leuten, die ich nicht kenne, gehe ich behutsam vor; denn ich möchte nicht, dass man mich für einen Quacksalber hielte.
Herr Nicia: Zweifelt nicht an mir. Ihr habt mich derart in Staunen versetzt, dass ich alles auf der Welt, was durch Eure Hände geht, glaube und tue.
— 117 —
Ligurio: Ich glaube, man mues das Wasser sehen.
Calllmaco: Ohne Zweifel; ohne das geht es nicht.
Ligurio: Rufe Syro, dass er mit dem Doktor nach Hause gehe, um es zu holen; wir werden hier warten.
Calllmcao: Syro, geh mit ihm; und wenn Ihr einver- standen seid, Herr Doktor, so kehrt sofort wieder zurück; wir werden etwas Gutes ausdenken.
Herr Nicia: Wie, wenn ich einverstanden bin? In einem Augenblick bin ich wieder hier; denn ich habe mehr Zu- trauen zu Euch als die Ungarn in ihre Schwerter.
Dritte Szene.
Herr Nicia. Syro.
Herr Nicia: Dieser, dein Herr, ist ein sehr tüchtiger Mann. Syro: Tüchtiger als Ihr sagt
Herr Nicia: Der König von Frankreich muss ihn sehr in Ehren halten. Syro : Sehr.
Herr Nicia : Und deswegen muss er sich gern in Frank- reich aufhalten.
Syro: Ich glaube.
Herr Nicia: Hier kann er sich recht nützlich erweisen. In dieser Gegend gibt es nur Dummköpfe; irgend eine Tüchtig- keit wird da nicht geschätzt; würde er hier niedergelassen sein, sähe ihn kein Mensch an. Ich kann davon reden; ich habe mir fast die Kutteln aus dem Leibe gearbeitet, um den Spiritus asper und den Spiritus lenis unterscheiden zu können, und wenn ich davon leben musste, wäre ich schön angeschmiert.
Syro: Verdient Ihr hundert Dukaten im Jahre?
Herr Nicia: Nicht hundert Lire; nicht hundert Grossi, geh! Die Sache ist: Wenn einer in diesem Lande kein Amt hat wie unsersgleichen, findet er keinen Hund, der ihn anbellt, und wir sind zu nichts anderem gut als zu Leichenschmäusen und zu Hochzeiteseen zu gehen, und den ganzen Tag auf der Bank des Pro konsul s zu sitzen, um uns dort hin und her zu wiegen. Aber die können mir gestohlen werden; ich brauche niemanden. Ginge es jedem so, der es schlechter hat als ich! Aber ich will nichts gesagt haben; ich könnte sonst
— 118 —
einen Anstand oder eine Unannehmlichkeit kriegen, die mich zum Schwitzen brächte. Syro: Seid eicher.
Herr Nlcla: Wir sind zuhause; erwarte mich hier, ich komme sofort wieder. Syro: Geht nur.
Vierte Szene.
Syro allein.
Syro: Wenn die andern Doktoren so beschaffen wären wie der da, hätten wir es mit Steinen für Backöfen zu tun. Sicherlich führen ihn Ligurio, der schlechte Kerl und mein Herr, der verliebte Narr, an einen Grt, wo ihm Schmach angetan wird. Und ich hätte ja auch nichts dagegen, wenn ich sicher wäre, dass es nicht auskommt; denn wenn es aus- kommt, so geht es mir an den Kragen und meinem Herrn an den Kragen und an Hab und Gut. Jetzt ist er Arzt geworden; ich weiss nicht, welchen Plan sie verfolgen und wo ihr Betrug hinauswill. Aber da ist ja schon der Doktor mit der Urinflasche in der Hand. Wer sollte denn über einen solchen Schafskopf nicht lachen?
Fünfte Szene.
Herr Nicia. Syro.
Herr Nicia: In allem habe ich deinen Willen befolgt; in diesem Punkte sollet du mir gehorchen. Wenn ich geglaubt hätte, ich bekäme keine Kinder, hätte ich eher ein Bauern- mädchen zum Weibe genommen als — Bist du da, Syro? Was für eine Mühe habe ich gehabt, bis meine törichte Frau mir schliesslich dieses Wasser gegeben hat! Und das will nicht heissen, daee sie nicht auch gern Kinder hätte; sie denkt mehr daran als ich; aber sobald ich sie zu irgend etwas bringen will, setzt es eine Geschichte ab.
Syro: Habt nur Geduld; mit guten Worten kann man die Weiber dahin bringen, wo man will.
Herr Nicia: Was gute Worte! Ich habe die Geschichte satt. Geh schnell und sag dem Magister und Ligurio, dass ich hier bin.
Syro: Da treten sie ja schon heraus.
— 119 —
Sechste Szene.
Ligurio. Calllmaco. Herr Nicia.
Ligurio : Der Doktor wird leicht zu überreden sein ; die Schwierigkeit liegt bei der Frau. Aber auch dafür gibt es Bat.
Callimaco: Habt Ihr den Urin?
Herr Nicia: Syro hält ihn unterm Bock.
Callimaco: Gib ihn her. 0, dieses Wasser weist auf Schwäche der Nieren.
Herr Nicia: Es scheint mir ganz trübe, und doch ist es gerade vorhin gemacht worden.
Calllmaco: Verwundert Euch darüber nicht. Nam mulieris urinse sunt semper maj oris glossitici et albedinis et minoris pulchritudinie quam virorum; hujus autem in cetera causa est amplitudo canalium; mixtio eorum qua ex matrice exeunt cum urina.
Herr Nicia: 0, o, bei der Möse des heiligen Puccio! Der wird mir ja unter den Händen immer feiner! Wie trefflich er von diesen Dingen redet!
Callimaco : Ich furchte, die ist während der Nacht nicht gut zugedeckt und deswegen ist das Wasser so wenig fein.
Herr Nicia: Sie hat immerhin eine gute Bettdecke; aber bevor sie ins Bett kommt, braucht sie immer vier Stunden, um Vaterunser herunterzuleiern; es ist zu dumm, wie sie dabei friert.
Callimaco: Machen wir's kurz, Doktor. Entweder Ihr habt Vertrauen zu mir oder nicht. Entweder, ich werde Euch ein sicheres Mittel zeigen oder ich werde es Euch in die Hand geben; wenn Ihr Zutrauen zu mir habt, so nehmt Ihr es ; und wenn heute übers Jahr Eure Frau nicht einen Knaben im Arm hält, so zahle ich Euch zweitausend Dukaten.
Herr Nicia: Fahrt nur fort, denn ich glaube Euch in allem, und mehr als meinem Beichtvater.
Calllmaco : Ihr mtisst nämlich wissen, dass nichts sicherer ist, um eine Frau schwanger zu machen, als ihr einen Trunk von Mandragola zu trinken zu geben. Das ist eine Sache, die ich einige Male aus Erfahrung festgestellt und immer wahr erfunden habe; und wenn dem nicht so wäre, hätte die Königin von Frankreich keine Kinder, und unzählige andere Fürstinnen dieses Beiches auch nicht.
Herr Nicia: Ist das möglich?
— 120 —
Calllmaco: Es ist so, wie ich Euch sage. Und das Glück hat Euch so sehr begünstigt, daee ich alle die Ingre- dienzen hierher mitgebracht habe, die für die Bereitung des Trankes notwendig sind, und ihr könnt ihn haben, wenn es
Euch beliebt.
Nlcla: Wann soll sie ihn einnehmen?
Calllmaco: Heute Abend nach dem Nachtessen, denn der Mond hat eine günstige Stellung, und auch das Wetter kann nicht günstiger sein.
Herr Nlcla: Das ist ja nicht schwierig; macht ihn auf alle Falle bereit; ich werde dafür sorgen, dass sie ihn einnimmt.
Calllmaco: Nun muss man nur noch daran denken, dass derjenige, der zuerst mit ihr verkehrt, nachdem sie den Trank getrunken, innerhalb acht Tagen stirbt, und die ganze Welt könnte ihm nicht helfen.
Herr Nlcla: Verdammt! Von diesem garstigen Spass will ich nichts wissen.
Calllmaco: Erschreckt nicht! Auch dafür gibt es ein Mittel.
Herr Nicia: Was für eins?
Calllmaco: Sofort einen andern zu ihr legen, der indem er die ganze Nacht bei ihr bleibt, das ganze Gift der Man- dragola an sich zieht; und dann könnt Ihr ohne Gefahr bei ihr schlafen.
Herr Nicia: Das werde ich nicht tun.
Calllmaco: Weswegen nicht?
Herr Nlcla: Weil ich meine Frau nicht zur Dirne und mich nicht zum Hahnrei machen will.
Calllmaco: Was sagt ihr, Doktor? Ihr seid doch nicht so verstandig, wie ich glaubte. Ihr zögert also, das zu tun, was der König von Frankreich und so viele hohe Herren jenes Beiches getan haben?
Herr Nlcla: Wen soll ich denn finden, der eine solche Narrheit begeht? Sage ioh es ihm, wird er nicht wollen; sage ich es ihm nicht, so bin ich ein Verräter an ihm und dies ist ein Fall, der vor die Acht gehört, und ich will dabei nicht in's Unglück geraten.
Calllmaco: Wenn Euch nichts anderes stört, so laset die Sorge mein sein.
Herr Nlcla: Wie würde sich denn die Sache machen?
Calllmaco: Ich will es Euch sagen. Ich werde Euch heute Abend nach dem Nachtessen den Trank geben, und Ihr gebt
— 121 —
ihn ihr zu trinken. Dann bringt Ihr aie sofort zu Bett, und lassen wir es ungefähr vier Uhr Nachts werden. Dann werden wir uns verkleiden, Ihr, Ligurio, Syro nnd ich, und wir werden auf dem Neumarkt, dem Altmarkt und in jenen Winkeln herum suchen, und den ersten Burschen, den wir müssig finden, werden wir knebeln und unter dem Klang der Prügel in's Haus und in Eure Kammer in der Dunkelheit fuhren; dort legen wir ihn in's Bett und sagen ihm, was er zu tun hat; er wird keine Sckwierigkeiten machen; dann am Morgen schickt Ihr ihn vor Taganbruch weg; Ihr laset Eure Frau sich waschen, und bleibt bei ihr, so lang es Euch be- nagt, ohne alle Gefährde.
Herr Nlcla: Das bin ich zufrieden, da du sagst, dass auch Könige, Fürsten und hohe Heiren dieses Verfahren befolgt haben. Aber um der Acht willen soll Niemand etwas davon erfahren.
Callimaco: Was soll er denn sagen? Herr Nicia: Eine Schwierigkeit bleibt noch, und eine beträchtliche.
Callimaco: Was für eine?
Herr Nicia: Meine Frau dazu zu überreden, denn ich glaube, sie wird nie darauf eingehen.
Callimaco: Ihr sagt die Wahrheit. Aber ich möchte lieber nicht Ehmann sein, wenn ich meine Frau nicht be- stimmen könnte, nach meinem Willen zu handeln.
Ligurio: Ich habe ein Mittel gefunden.
Herr Nicia: Was für eins?
Ligurio: Wenden wir uns an den Beichtvater.
Callimaco: Wer wird aber den Beichtvater bestimmen?
Ligurio: Du, ich und das Geld; unsere Schlechtigkeit und die seine.
Herr Nicia: Ich zweifle, abgesehen von dem, was ich schon gesagt, dass sie zum Beichtvater gehen wird, um mit ihm zu sprechen.
Ligurio: Auch dafür ist Bat. Callimaco: Sprich. Ligurio: Man führt sie zur Mutter. Herr Nicia: Ja, ihr glaubt sie.
Ligurio : Und ich weiss, dass die Mutter unserer Meinung ist. Also vorwärts, sparen wir Zeit, denn es wird schon Abend. Callimaco, geh spazieren und mach, dass wir um zwei Uhr dich mit dem fertigen Trank zu Hause finden; der
— 122 —
Dritter Akt.
Erste Szene.
Sostrata. Herr Nicia. Ligurio.
Sostrata: Ich habe immer sagen hören, dass es die Aufgabe eines klugen Menschen sei, unter schlechten Ent- schlieeeungen noch die beste zu wählen. Wenn, um Kinder zu bekommen, es kein anderes Mittel gibt, so muss man dieses wählen, wenn das Gewissen dabei nicht beschwert wird.
Herr Nicia: So ist es.
Ligurio: Holt also Eure Tochter, und der Herr Doktor und ich werden den Bruder Timotheo aufsuchen, ihren Beicht- vater, und ihm den Fall erzählen, damit Ihr ihn nicht vor- zutragen braucht; Ihr werdet sehen, was er euch sagt.
Sostrata: So soil's geschehen; Euer Weg geht hier durch und ich will Lucrezia aufsuchen und sie auf jeden Fall zu dem Frater zu einer Unterhaltung bringen.
Zweite Szene.
Herr Nicia. Ligurio.
Herr Nlcla: Du wunderst dich vielleicht, Ligurio, dass es so viele Geschichten braucht, um die Einwilligung meiner Frau zu erhalten; aber wenn du alles wüsstest, würdest du dich nicht verwundern.
Ligurio: Es mag schon so sein; alle Weiber pflegen ja argwöhnisch zu sein.
Doktor und ich gehen nun zur Mutter, um eie günstig zu stimmen, denn ich kenne sie ja auch; dann gehen wir zum Mönchsbruder und wir werden dich dann auf dem Laufenden halten über das, was wir ausgerichtet haben.
Calllmaco: Ach! lass mich nicht allein!
Ligurio: Du scheinet mir recht aufgeregt zu sein.
Calllmaco: Wo soll ich denn jetzt hingehen?
Ligurio: Dahin, dorthin; schlag diesen, schlag jenen Weg ein; Florenz ist ja so gross.
Calllmaco: Ich bin verloren.
— 123 —
Herr Nlcla: Das ist es nicht. Sie war das sanfteste Ding von der Welt, und gar leicht zu behandeln. Aber als ihr von einer Nachbarin gesagt worden war, dass, wenn sie gelobe, vierzig Metten der Messe dei Servi zu hören, sie schwanger würde, gelobte sie es, und besuchte vielleicht zwanzig Metten; wiest, dass da einige von diesen dreckigen Mönchen anfingen um sie herum zu streichen, so dass sie nicht mehr dorthin zurückkehren wollte; es steht in der Tat schlimm, dass die, welche das gute Beispiel geben sollten, so beschaffen sind. Sag ich nicht die Wahrheit?
Ligurio: Zum Teufel, wie wahr ist es!
Herr Nicia: Und von dieser Zeit an ist sie furchtsam wie ein Hase; und so bald man ihr etwas sagt, macht sie tausend Schwierigkeiten.
Ligurio: Ich wundere mich nicht mehr; aber wie lief .denn dieses Gelübde aus?
Herr Nicia: Sie liess sich dispensieren.
Ligurio: Ganz recht; aber, gebt mir, wenn Ihr sie bei Euch habt, fünfundzwanzig Dukaten, denn in solchen Fällen muse man nicht auf das Geld schauen und sich den Mönch rasch zum Freunde machen, und ihm Aussicht auf mehr ein- flössen.
Herr Nlcla: Nimm sie nur; das macht mir keine Be- schwerden: ich bringe sie anderswo wieder ein.
Ligurio: Diese Mönche sind ausgemachte Schlauberger, und das ist nur begreiflich, denn sie kennen unsere Sünden und die ihrigen, Und wer keinen Verkehr mit ihnen hat, könnte sich leicht täuschen lassen und mit ihnen nicht zu seinem Ziele kommen. Ich möchte also nicht, dass ihr alles mit Eurem Beden verdürbt, denn einer Euresgleichen, der den ganzen Tag nicht aus dem Studierzimmer herauskommt, versteht eich zwar auf seine Bücher, aber von den Dingen dieser Welt weiss er nichts. (Zur Seite) Der ist so dumm, dass ich fürchte, er verdirbt uns das ganze Spiel.
Herr Nlcla: Sag mir, was ich tun soll.
Ligurio: Nur mich reden lassen, und bloss reden, wenn ich Euch einen Wink gebe.
Herr Nicia : Gern, aber was für ein Zeichen wirst du geben ?
Ligurio: Ich werde ein Auge schliessen; ich werde mich auf die Lippe beissen. Nicht doch; wir wollen es andere machen. Wie lange ist's her, dass ihr nicht mit dem Mönch gesprochen habt?
— 124 —
Herr Nicia: Mehr als zehn Jahre.
Ligurio: Schon recht; ich werde ihm sagen, Ihr seid taub geworden, und ihr gebt nur Antwort und redet, wenn wir laut sprechen.
Herr Nicia: So will ich tun.
Ligurio: Und es darf Euch auch nicht beunruhigen, wenn ich etwas sage, was mit dem, was wir wollen, nichts zu tun zu haben scheint; schliesslich wird sich alles als zweckmässig erweisen.
Herr Nicia: So seis denn!
Dritte Szene.
Bruder Timotheo. Eine Frau.
Bruder: Wenn ihr beichten wollt, so stehe ich zu Diensten.
Frau: Heute nicht; man wartet auf mich. Es genügt mir, wenn ich mir die Sache etwas vom Herzen geredet habe. Habt Ihr jene Messen unserer lieben Frau gelesen?
Bruder: Ja, Frau.
Frau: Nehmt nun diesen Gulden und lest zwei Monate lang jeden Montag die Totenmesse für meinen Mann; und wenn es auch etwas windig mit ihm stand, so hat man doch angenehme Erinnerungen. Wenn ich an ihn denke, kann ich nicht umhin, angenehme Gefühle zu empfinden. Aber glaubt Ihr wirklich, er sei im Fegefeuer?
Bruder: Ohne Zweifel
Frau: Davon verstehe ich ja nichts. Ihr wiest ja, was er hie und da mit mir anfing! 0, wie oft hatte ich mich bei Euch über ihn zu beklagen! Ich entfernte mich von ihm, so viel ich konnte. Aber er war so zudringlich! Ach! unser Herr — —
Bruder: Zweifelt nicht, die Barmherzigkeit Gottes ist gross; wenn nur der Wille vorhanden ist, fehlt auch nie die Zeit zur Bene.
Frau : Glaubt Ihr, dass der Türke heuer Italien überziehe?
Bruder: Wenn Ihr nicht betet, sicherlich.
Frau : Meiner Treu, Gott helfe uns gegen diese Teufeleien. Ich habe eine grassliche Angst vor dem Pfählen; aber ich sehe hier in der Kirche eine Frau, der ich etwas Hanf an- vertraut habe; ich will sie aufsuchen. Becht guten Tag.
Bruder: Bleibt gesund.
125
Vierte Szene.
Bruder Timotheo« Ligurio. Herr Nicia.
Bruder: Die barmherzigsten Personen, die auf der Welt sind, sind die Weiber, zugleich aber auch die langweiligsten. Wer sie verjagt, verjagt die Langweile und den Nutzen; wer es mit ihnen aushalt, hat den Nutzen und die Langweile zusammen. Es ist allerdings richtig, dass man den Honig nicht ohne die Fliegen bekommt. Was macht ihr denn, ihr wackern Leute? Erkenne ich nicht den Herren Nicia?
Ligurio: Sprecht laut, denn er ist derart taub geworden, dass er nichts mehr hört.
Bruder: Seid willkommen, Herr Doktor.
Ligurio: Lauter!
Bruder: Seid willkommen!
Herr Nicia: Seid gegrüsst, Bruder!
Bruder: Wie geht's?
Herr Nicia: Ganz gut.
Ligurio: Eichtet die Sprache an mich, ehrwürdiger Vater, denn wenn er Euch verstehen sollte, müsstet Ihr diesen ganzen Platz in Aufruhr bringen.
Bruder: Und was wollt Ihr von mir?
Ligurio: Herr Nicia hier und ein anderer wackerer Mann, von dem Ihr nachher hören werdet, wollen an Almosen ein paar hundert Dukaten ausgeben.
Herr Nicia: Hol' dich der Teufel!
Ligurio: Haltet doch einmal den Mund! Es werden ja nicht so viele sein. Wundert Euch nicht, Vater, über das, was er sagt, denn er hört nichts ; und er meint manchmal er höre, und gibt dann unzusammenhängende Antworten.
Bruder: Fahr nur fort und lass ihn sagen, was er will.
Ligurio: Aber bevor dieses Almosen gespendet wird, mfleet Ihr uns in einem sonderbaren Falle helfen, der dem Herrn Doktor passiert ist: und Ihr allein könnt da helfen, wo es sich durchaus um die Ehre seines Hauses handelt.
Bruder: Worum handelt es sich?
Ligurio: Ich weiss nicht, ob Ihr Camillo Calfucci, den Neffen des Herrn Doktors hier, kennt.
Bruder: Ja, ich kenne ihn.
Ligurio: Der ging in gewissen Geschäften vor einem Jahre nach Frankreich, und da er keine Frau hatte — sie
— 126 —
war gestorben — liess er eine mannbare Tocbter in der Obhut eines Klosters, dessen Name hier nichts zur Sache tut.
Bruder: Und was ist weiter passiert?
Ligurio: Durch die mangelhafte Aufsicht der Nonnen oder durch die Torheit des Mädchens passierte es, dass sie im vierten Monat schwanger ist, so dass, wenn man nicht mit Klugheit vorgeht, der Doktor, die Nonnen, das Mädchen, Camillo, das Haus der Calfucci in Schmach gerät; und der Doktor schätzte diese Schmach so hoch, dass er gelobt hat, falb sie nicht offenbar wird, um Gottes Willen dreihundert Dukaten zu stiften.
Herr Nicia: Was für ein dummes Gewäsch!
Ligurio: Seid ruhig. Und er wird sie durch Eure Hände verteilen lassen, und bloss Dir und die Äbtissin könnt da Hilfe schaffen.
Bruder: Wie das?
Ligurio: Indem Ihr die Äbtissin überredet, dass sie ihr einen Trank gibt, der bewirkt, dass das Mädchen abortiert.
_ _ ___ ■
Bruder: Die Sache muss überlegt werden.
Ligurio: Seht, wenn Ihr das tut, was für gute Folgen sich daraus ergeben: Ihr erhaltet dem Kloster, dem Mädchen, den У erwandten die Ehre; Ihr gebt dem Vater eine Tochter zurück; Ihr erweist dem Herrn Doktor hier einen grossen Dienet und so vielen seiner Verwandten ; Ihr spendet so viele Almosen, als Ihr mit diesen dreihundert Gulden ausrichten könnt; und auf der andern Seite schädigt Ihr nur ein noch nicht geborenes Stück Fleisch, das noch keinen Verstand hat und das auf tausend Weisen zu Grunde gehen kann ; und ich glaube, dass das gut ist, was für die Mehrzahl gut ist und zu deren Befriedigung ausfällt.
Bruder: So sei es denn in Gottes Namen, und es geschehe, was Ihr wollt, und um Gottes und der Nächsten- liebe Willen werde alles gemacht. Nennt mir das Kloster, gebt mir den Trank und wenn es Euch gut scheint, auch das Geld, damit man mit einer Wohltat beginnen kann.
Ligurio: Nun scheint Ihr mir der Gottesmann, für den ich Euch hielt. Nehmt hier diesen Teil des Geldes. Das Kloster heisst — — Aber wartet; es ist hier in der Kirche eine Frau, die mir winkt. Ich komme gleich wieder; trennt Euch nicht von Herrn Nicia, ich will ein paar Worte mit ihr sprechen.
— 127 —
Fünfte Szene.
Der Bruder und Herr Nicia.
Bruder: Wie alt iet dieses Mädchen?
Herr Nicia: Ich werde noch verrückt.
Bruder: Ich sage, wie alt dieses Mädchen ist?
Herr Nicia: Gott strafe ihn!
Bruder: Weswegen?
Herr Nlcla: Weil er ihn strafe.
Bruder: Ich möchte meinen, ich sei in einem Yiehstall; ich habe es mit einem Narren und einem Tauben zu tun. Der eine läuft weg und der andere hört nicht. Aber wenn diese Batzen da gut sind, komme ich besser davon als sie; da kehrt ja Ligurio zurück.
Sechste Szene.
Ligurio. Der Bruder. Herr Nlcla.
Ligurio: Seid ruhig, Herr Doktor. O Pater, ich habe eine grosse Neuigkeit.
Bruder: Was für eine?
Ligurio: Die Frau, mit der ich gesprochen, hat mir gesagt, dass das Mädchen die Leibesfrucht von selbst ver- loren hat.
Bruder: Gut, da geht ja das Almosen in Bauch auf. Ligurio: Was sagt Ihr?
Bruder: Ich sage, dass Ihr um so eher ein Almosen stiften sollt.
Ligurio: Das Almosen wird gestiftet sobald Ihr wollt; aber Ihr musst zum Wohle des Doktors hier etwas anderes tun. Bruder: Was denn?
Ligurio: Etwas von minderer Beschwerde, von minderer Anstössigkeit, uns angenehmer, Euch nützlicher.
Bruder: Was ist's? Ich verhandle mit Euch und es scheint mir, wir stehen nun schon auf einem so vertrauten Fusse mit einander, dass ich alles für Euch täte.
Ligurio: Ich will es Euch unter vier Augen in der Kirche sagen, und der Doktor wird es zufrieden sein, hier auf uns zu warten; wir kommen gleich wieder.
Herr Nicia: Wie die Kröte zur Egge sagte.
Bruder: Gehen wir.
— 128 —
Siebente Szene.
Herr Nicia allein.
Herr Nicia : Ist ee Tag oder Nacht ? Bin ich's oder träume ich? Bin ich betrunken und habe heute noch keinen Schluck getan, um auf dieses Geschwätz einzugehen? Wir haben dem Bruder etwas zu sagen und er sagt etwas anderes; dann musste ich den Tauben spielen und mir die Ohren yerpechen wie Ogier der Däne, wenn ich seine Narrheiten nicht hören wollte, die er gesagt hat, und Gott weise, zu welchem Zwecke. Ich habe fünfundzwanzig Dukaten weniger und von meiner An- gelegenheit ist noch kein Wort geredet worden. Und jetzt lassen sie mich hier stehen, wie den Ochsen am Berg; aber da kommen sie ja, und schlecht soll es ihnen gehen, wenn sie meine Sache nicht besprochen haben.
Achte Szene. Der Bruder. Ligurio. Herr Nlcla.
Bruder: Macht; dass die Frauen kommen! Ich weiss, was ich zu tun habe, und mein Ansehen wird mir zu statten kommen. Diese Verbindung soll heute abend zu Stande kommen.
Ligurio: Herr Nicia, Bruder Timotheo ist zu allem bereit; es bleibt nur noch übrig, die Frauen hierher zu bringen.
Herr Nlcla: Du gibst mir wahrhaftig das Leben wieder. Wird es ein Knabe sein?
Ligurio: Ein Knabe.
Herr Nlcla: Ich weine vor Bührung.
Bruder: Geht in die Kirche; ich will die Frauen hier erwarten. Stellt Euch an einem Orte auf, wo sie Euch nicht sehen, und sobald sie weg sein werden, will ich Euch mit- teilen, was sie gesagt haben.
Neunte Szene.
Bruder Timotheo allein.
Bruder: Ich weiss nicht, welcher den andern übers Ohr gehauen hat. Dieser Gauner von Ligurio kam zu mir mit der ersten Geschichte, um mich auf die Probe zu stellen, so
129
dass er mir, wenn ich mich nicht willig zeigte, die zweite nicht erzählt hätte, um nicht unnütz ihre Pläne zu offenbaren. Und um die erste Geschichte, die falsch war, kümmerten sie sich nicht mehr; da bin ich allerdings erwischt worden; aber bei diesem Hereinfall habe ich doch profitiert. Herr Nicia und Callimaco sind reiche Leute und in verschiedener Hinsicht kann ich viel aus ihnen ziehen. Die Sache muß geheim ge- halten werden« denn es liegt ihnen gerade so viel daran, sie auszuschwatzen, als mir. Sei dem, wie ihm wolle, ich bereute es nicht. Es ist allerdings richtig, dass ohne Zweifel dabei Schwierigkeiten entstehen werden; denn Frau Lukrezia ist verständig und gut, aber gerade auf ihre Gute werde ich bei meiner Üb erlistung bauen; und alle Weiber haben wenig Hirn ; und wenn eine nur zwei Wörter gacksen kann, gilt sie für ein Meerwunder, denn im Lande der Blinden ist der Ein- äugige König. Und da ist sie ja schon mit der Mutter, die eine Gans ist; die wird mir mächtige Hilfe leisten, um sie nach meinem Willen zu lenken.
Zehnte Szene.
Sostrata» Lukrezia.
S os trata: Ich glaube, meine Tochter, dass du auch der Meinung bist, ich sei auf deine Ehre bedacht wie irgend je- mand auf der Welt, und daß ich dir nichts anrate, was dir nicht ansteht. Ich habe dir gesagt und sage dir noch einmal, dass Bruder Timotheo dir sagt, dass das Gewissen nicht da- bei beschwert wird.
Lukrezia: Ich habe immer vermutet, der Wunsch des Herrn Nicia, Kinder zu bekommen, werde ihn auf eine falsche Bahn treiben, und deswegen hatte ich immer Verdacht und war auf meiner Hut, wenn er mir von etwas sprach; besonders, seit mir das passierte, was Euch bekannt ist, als ich zur Messe in die Kirche dei Servi ging; aber von allen Dingen, die man probiert hat, scheint mir dies das ungeheuerlichste, meinen Leib dieser Schmach unterwerfen zu müssen; die Ur- sache des Todes eines Menschen zu sein, um diese Schande auf mich zu laden; denn ich glaube nicht, dass mir, wenn ich allein auf der Welt zurückgeblieben wäre und es von mir abhinge, das menschliche Geschlecht fortzusetzen, derartiges zugemutet würde.
Volkstümliche Dichtungen der Italiener. 9
— 130 —
Sostrata: Ich kann dir nicht viel sagen, meine Tochter. Du wirst mit dem Bruder reden; du wirst sehen, was er dir sagt, und du wirst tun, was er dir rat in seinem, in unserm Namen, im Namen aller, die dir wohl wollen.
Lukrezia: Der Schweies bricht mir auf diesem Leidens- gange aus.
Elfte Szene.
Bruder. Lukrezia« Sostrata«
Bruder: Seid willkommen; ich weiss, was ihr von mir hören wollt, denn Herr Nicia hat mit Euch gesprochen. Wahr- haftig, ich habe mehr als zwei Stunden über den Büchern gesessen, um diesen Fall zu studieren; und nach vielen Nach- forschungen finde ich viele Dinge, die im besondern und im allgemeinen uns angehen.
Lukrezia: Sprecht Ihr im Ernste oder spasst Ihr?
Bruder: Ah, Frau Lukrezia, sind das Dinge zum Spassen? Kennt Ihr mich erst jetzt?
Lukrezia: Pater, nein; aber das scheint mir die sonder- barste Geschichte, die man je gehört hat.
Bruder: Frau Lukrezia, das glaub ich Euch; aber Ihr dürft so nicht weiter sprechen. Es gibt viele Dinge, die aus der Entfernung schrecklich, unerträglich und unerhört er- scheinen; wenn man ihnen aber näher tritt, so stellen sie sich als menschlich, erträglich, vertraut heraus, und deswegen sagt man, dass der Schrecken grösser ist als das tJbel, und dieses ist eins davon.
Lukrezia: Gott wolle es.
Bruder: Ich will zu dem zurückkehren, was ich zuerst gesagt habe. Was das Gewiesen anbetrifft, habt Ihr folgende allgemeine Grundsätze ins Auge zu fassen. Wo ein Gutes sicher und ein Übel unsicher ist, muss man das Gute aus Angst vor dem TJbel nie unterlassen. Hier ist ein Gut sicher: Ihr werdet schwanger werden und dem Herrgott eine Seele erwerben. Das unsichere Übel ist das, dass der, welcher nach dem Trank bei Euch liegt, stirbt. Aber es finden sich auch solche, die nicht sterben, aber weil die Sache zweifelhaft ist, ist es doch gut, dass Herr Nicia diese Gefahr nicht laufe. Wae nun den Akt anbetrifft, der eine Sünde sein soll, so ist das eine Fabel, denn der Wille sündigt und nicht der Leib, und die Ursache der Sünde ist das Miesvergnügen, das man
— 131 —
9*
dem Mann bereitet; nnd Ihr lebt ihm zu Gefallen, wenn Ihr Vergnügen daran findet, und Ihr habt ja Miesvergnügen. Ausserdem muss man in allen Dingen auf den Zweck sehen. Euer Zweck ist, einen Platz im Paradise zu besetzen und Euren Gatten zufrieden zu stellen. Es sagt die Bibel, dass die Töchter Lothe, als sie glaubten, sie seien allein auf dieser Welt zurückgeblieben, mit ihrem Vater verkehrten, und weil ihre Absicht gut war, sündigten sie nicht.
Lukrezia: Und wozu überredet Ihr mich also?
Sostrata: Lass dich überzeugen, meine Tochter. Siehst du nicht, dass eine Frau, die keine Kinder hat, kein Haus hai, und wenn der Gatte stirbt, wie ein dummes Tier da steht, das von jedermann im Stiche gelassen wird?
Bruder: Ich schwöre Euch, Frau Lukrezia, bei dieser geheiligten Bruet, dass in diesem Falle Eurem Gatten zu willfahren das Gewissen ebensowenig bedrückt als am Mittwoch Fleisch zu essen, eine Sünde, die man mit Weihwasser abwäscht.
Lukrezia: Wozu wollt Ihr mich bringen, Pater?
Bruder: Ich werde Euch zu Dingen bringen, für die Ihr mir zu danken immer Grund haben werdet, und das nächste Jahr wird Euch mehr Befriedigung gewähren als das heurige.
Sostrata: Sie wird tun, was Ihr wollt. Ich will sie heute abend selbst zu Bette bringen. Vor was hast du eigentlich Angst, du dummes Naschen? Fünfzig Frauen sind in diesem Lande, die Gott dafür mit aufgehobnen Händen danken würden.
Lukrezia: Ich bin's zufrieden; aber morgen früh glaube ich nicht mehr am Leben zn sein.
Bruder: Hab keine Angst, meine Tochter; ich werde für dich zu Gott beten; ich will das Gebet des Erzengels Baphael für dich hersagen, dass er dir beistehe; geht mit Gott und bereitet Euch auf das Mysterium, das eich Euch heute nacht offenbaren wird.
Sostrata: Bleibt im Frieden, Pater.
Lukrezia: Gott helfe mir und unsere liebe Frau, dass mir kein Unglück begegne.
Zwölfte Szene.
Bruder. Ligurio. Herr Nicia.
Bruder: He, Ligurio, komm her! Ligurio: Wie gehte?
— 132 —
Vierter Akt. Erste Szene«
Calllmaco allein«
Ich möchte nur hören, was diese ausgerichtet haben. Ist es möglich, dass ich Ligurio nicht wieder sehe? Und es ist erst elf Uhr; und auf zwölf war es abgemacht. In welcher Seelenangst habe ich gestanden, und steh ich noch! Es ist allerdings richtig: Glück und Natur halten die Wage gerade; sie erweisen dir nie eine Wohltat, dass nicht zuf der anderen Seite ein Unheil emporschnellt. Je mehr mir die Hoffnung wuchs, desto grösser wurde mir wieder die Furcht. Ich Unglückseliger! Ist es möglich, dass ich es in solcher Pein
Bruder: Gut; sie sind nach Hause gegangen, bereit, alles zu tun. Und es wird keine Schwierigkeiten absetzen, denn die Mutter will bei ihr bleiben und will sie zu Bett bringen.
Nicia: Sprecht Ihr die Wahrheit?
Bruder: Nun, nun, seid Ihr von der Taubheit geheilt?
Ligurio: Sankt Klemens hat ihm eine Gnade erwiesen.
Bruder: Da muss man dem heiligen Klemens eine Kerze stiften, dass Ihr nicht allzu sehr ins Kraut schiesst und ich auch meinen Schnitt mache.
Nlcla: Wir kommen da auf Allotria. Meine Frau macht also keine Schwierigkeiten, meinen Willen zu tun?
Bruder: Nein, sag ich Euch.
Nicia: Dann bin ich der zufriedenste Mensch der Welt.
Bruder: Das glaub ich. Ihr lest Euch da einen Knaben auf, und wer keinen hat, bekommt sonst keinen.
Ligurio: Geht nun Euren Gebeten nach, Bruder. Und wenn wir Euch nötig haben, wollen wir Euch holen. Ihr, Herr Doktor, geht zu ihr, um sie bei ihrem Entschluss fest- zuhalten. Und ich gehe, um den Magister Gallimaco zu suchen, dass er Euch den Trank schickt. Und um ein Uhr sorgt dafür, dass ich Euch wieder sehe, um das anzuordnen, was um vier Uhr geschehen soll.
Nicia: Du hast recht. Leb wohl.
Bruder: Geht in Frieden.
— 133 —
aushalte, durcheinander gewirbelt von so vielen Befürchtungen und so vielen Hoffnungen? Ich bin wie ein Schiff, das von verschiedenen Winden hin* und hergetrieben wird und das um so mehr fürchtet, je näher es am Hafen ist. Die Einfalt des Herrn Nicia läset mich hoffen; die Vorsicht und Härte Lukrezias läset mich fürchten. Nirgends finde ich Ruhe. Manchmal suche ich Herr meiner selbst zu werden; ich tadle diese Aufregung an mir und spreche zu mir: „Was tust du? Bis du verrückt geworden? Und wenn du sie gewinnst, was weiter? Wirst du deinen Irrtum erkennen? Wirst du deine Anstrengungen und deine Kümmernisse bereuen, die du gehabt hast? Weist du nicht, wie so wenig Gutes man an den Dingen findet, die man ersehnt hat, im Verhältnis zu dem, was er in ihnen vorausgesetzt hatte? Auf der andern Seite war ja das schlimmste, das mir bevorstand, der Tod und das Hinunterfahren in die Hölle; und es sind so viele Meuschen gestorben und so viele wackere Leute belinden sich in der Hölle, müsstest du dich schämen, dorthin zu ziehen? Zeige dem Schicksal dein Antlitz, fliehe das Übel, und wenn du ihm nicht entgehen kannst, so ertrage es wie ein Mann; lass dich nicht niederdrücken und sei nicht feige wie ein Weib; und so mache ich mir Mut, aber das hält nur kurze Zeit vor, weil mich von allen Seiten eine solche Sehnsucht übermannt, einmal mit ihr zu sein, dass ich fühle, wie ich von den Fusssohlen bis zum Scheitel aufgeregt bin; die Beine zittern mir, die Eingeweide geraten in Aufruhr, das Herz reiset sich mir aus der Brust, die Arme fallen schlapp her- unter, die Zunge verstummt, die Augen werden geblendet, das Gehirn dreht sich mir im Kopfe! Wenn ich nur Ligurio fände, hätte ich doch jemand, mit dem ich mich aussprechen könnte., Aber da kommt er ja in schnellem Schritt auf mich zu. Was er berichtet, wird mich noch ein bieschen am Leben erhalten oder mich vollends töten.
Zweite Szene.
Ligurio. Callimaco.
Ligurio: Nie wünschte ich so sehnlich, Callimaco anzu- treffen, und nie hatte ich grössere Mühe, ihn zu finden. Hätte ich ihm schlechte Neuigkeiten mitzuteilen, wäre er mir längst begegnet. Ich bin bei ihm zu Hause gewesen, auf dem Platze,
— 134 —
auf dem Markt, auf dem Pancone dei Spini, in der Loggia dei Tornaquinci und habe ihn nicht gefunden. Diese Ver- liebten haben Quecksilber unter den Füssen; sie können nie still stehen.
Callimaco: Was stehe ich da und rufe ihn nicht? Und doch scheint er fröhlich zu sein. He! Ligurio! Ligurio! Ligurio: 0, Callimaco, wo hast du gesteokt? Callimaco: Wae gibt's für Neuigkeiten? Ligurio: Gute. Calllmaco: Wirklich gute? Ligurio: Ganz gute?
Callimaco: Und Lukrezia ist einverstanden? Ligurio: Ja.
Callimaco : Hat der Bruder die Sache in Ordnung gebracht? Ligurio: Ja.
Callimaco: 0 gesegneter Bruder! Ich werde immer für ihn zu Gott beten.
Ligurio: Famos! Wie wenn man für das Böse noch Dank wüsste! Übrigens verlangt der Bruder jedenfalls anderes als Gebete.
Callimaco: Was denn?
Ligurio: Geld.
Calllmaca: Wir werden ihm solches geben. Wie viel hast du ihm versprochen?
Ligurio: Dreihundert Dukaten. Callimaco: Hast wohlgetan.
Ligurio: Der Doktor hat auch fünfundzwanzig locker gemacht.
Callimaco: Wie?
Ligurio: Es mag dir genügen, dass er sie ausgegeben hat.
Callimaco: Was hat die Mutter Lukreziens gemacht?
Ligurio: Fast alles. Sobald sie hörte, dass ihre Tochter diese Freudennacht ohne Sünde gemessen werde, hörte sie nicht auf, Lukrezia mit Bitten, Befehlen, Tröstungen zu be- arbeiten, bis sie sie schliesslich zum Bruder führte, und dort bestimmte sie sie zur Einwilligung.
Callimaco: 0 Gott, durch welches Verdienst darf ich so viel Glück gemessen? Ich sterbe noch vor Freude.
Ligurio: Was für Leute sind doch diese! Jetzt stirbt dieser sicher vor Freude, und eben starb er noch vor Schmerz. Hast du den Trank bereit?
Callimoco: Ja.
— 135 —
Ligurio: Wae wirst du ihm schicken?
Calllmaco: Einen Becher Hypokras, der für die Ge- legenheit ganz passend den Magen in Stimmung bringt und das Gehirn erheitert. O weh! o weh! Ich bin geliefert.
Ligurio: Was ist's? Was kann's sein?
Callimaco: Da ist nicht zu helfen.
Ligurio: Wae Teufels, ist's denn?
Callimaco: Ich habe mich selbst in einen Ofen ein- gemauert.
Ligurio: Wodurch? Warum sagst du es nicht? Nimm doch die Hände vom Gesicht.
Callimaco: Weiset du denn nicht, dass ich Herrn Nicia gesagt habe, dass du, er, Syro und ich einen abfangen wollen, um ihn zu seiner Frau zu legen?
Ligurio: Was ist denn dabei?
Callimaco: Was dabei ist? Wenn ich bei Euch bin, kann ich doch nicht der sein, den man abfangen soll; und wenn ich nicht dabei bin, wird er den Betrug merken.
Ligurio: Du sprichst die Wahrheit. Aber ist wirklich nichts dagegen zu machen?
Callimaco: Ich glaube nicht
Ligurio: Doch, doch.
Callimaco: Was denn?
Ligurio: Ich will ein wenig darüber nachdenken. Calllmaco: Da bin ich schön angeführt, wenn du erst jetzt darüber nachdenken musst. Ligurio: Ich hab's. Callimaco: Was?
Ligurio: Der Bruder, der uns bisher geholfen hat, muss uns bis zum Ende helfen.
Callimaco: In welcher Weise?
Ligurio: Wir werden uns ja alle verkleiden; ich werde auch den Bruder sich verkleiden lassen; er wird deine Stimme, dein Gesicht, deine Haltung nachahmen, und ich werde dem Doktor sagen, du seiest es, und er wird es glauben.
Callimaco: Das gefällt mir. Und was soll ich tun?
Ligurio: Ich würde einen ärmlichen Kittel anziehen, eine Laute in die Hand nehmen; komm dann um die Ecke seines Hauses daher, ein Liedchen trällernd.
Callimaco: Mit unbedecktem Gesicht?
Ligurio: Ja, denn wenn du eine Maske trügest, würde er Verdacht schöpfen.
— 136 —
Callimaco: Dann erkennt er mich aber.
Ligurio: Nein. Du muest ein wenig das Gesicht, ver- ziehen, den Mund öffnen, spitzen oder grinsen; schliesse ein Auge; probier'e ein wenig.
Callimaco: Ist's so recht?
Ligurio: Nein.
Callimaco: Aber so?
Ligurio: Genügt noch nicht.
Callimaco: Auf die Art?
Ligurio: Ja, ja; behalte das im Gedächtnis. Ich habe eine Nase zu Hause, du sollst sie aufsetzen.
Callimaco: Nun gut. Was dann nachher?
Ligurio: Sobald du an der Ecke erscheinet, sind wir dort; wir nehmen dir die Laute, drehen dich herum, führen dich ins Haue, legen dich ins Bett, und das Übrige muset du dann allerdings selber besorgen.
Callimaco: Die Hauptsache ist aber das Benehmen.
Liguiro: Das ist nun eben deine Sache. Zu machen, dass du zu ihr zurückkehren kannst, liegt in deiner Hand, nicht in unserer.
Callimaco: Wie?
Ligurio: Du musst sie dir in jener Nacht gewinnen; bevor du weggehet, musst du dich ihr zu erkennen geben; ent- decke ihr den Betrug; zeig ihr die Liebe, die du ihr ent- gegenbringst, sag ihr, wie gut du ihr bist und wie sie ohne Schande deine Freundin sein kann und mit grosser Schmach ihrerseits deine Feindin, und es ist unmöglich, dass sie nicht mit dir einig werde und dass sie will, dass diese Nacht die einzige sei.
Calllmaco: Glaubst du das?
Ligurio: Ich bin dessen sicher. Aber verlieren wir keine Zeit mehr, es ist schon zwei Uhr. Hufe Syro, schicke Herrn Nicia den Trank; erwarte mich zu Hause, ich werde den Bruder holen; und ihn sich verkleiden lassen; wir werden ihn herführen und den Doktor aufsuchen und tun, was noch fehlt
Callimaco: Du redest gut; geh also.
Dritte Szene.
Callimaco« Syro.
Callimaco: He, Syro! Syro: Zu Befehl.
— 137 —
Callimaco: Komm ber. Syro: Da bin ich schon.
Callimaco: Nimm den silbernen Becher in dem Schranke der Kammer und decke ihn mit ein bisschen Tuch zu ; bring ihn mir und giess ihn auf dem Wege nicht aus.
Syro: Es soll geschehen.
Callimaco: Dieser steht zehn Jahre in meinen Diensten und hat sich immer als treu erwiesen; ich glaube ihm auch in diesem Falle trauen zu dürfen; und ob ich ihm gleich von diesem Betrug nichts gesagt habe, so errät er ihn, denn er hat es hinter den Ohren, und ich sehe, dass er sich anpasst.
Syro: Da ist der Becher.
Callimaco: Schon gut. Mach dich auf nach dem Hause des Herrn Nicia und sag ihm, das sei die Medizin, die seine Frau sofort nach dem Nachtessen einzunehmen habe; und je früher sie zu Abend isst, desto besser wird es sein, und dass wir zur rechten Zeit in der Nähe der der Ecke sein werden, und er soll dafür sorgen, dass er auch dort ist. Geh schnell!
Syro: Ich geh schon.
Callimaco: Hör noch! Wenn er will, dass du auf ihn wartest, warte, und komm mit ihm hierher; wenn er nicht 'will, kehr hierher zurück, sobald du ihm den Trank gegeben und die Botschaft ausgerichtet hast.
Syro: Ja, Herr.
Vierte Szene,
Callimaco allein.
Callimaco: Ich warte, bis Ligurio mit dem Bruder zurück ist, und wenn einer sagt: das Warten ist eine harte Sache, hat er recht. Jede Stunde nehme ich zehn Pfund ab, wenn ich denke, wo ich jetzt bin, wo ich in zwei Stunden sein könnte, voller Furcht, es könnte irgend etwas entstehen, was meinen Plan zu stören im Stande wäre; denn wenn dem so wäre, schlüge die letzte Stunde meines Lebens; denn entweder werfe ich mich in den Arno, oder hänge mich auf oder ich stürze mich aus dem Fenster oder ich stosse mich auf ihrer Schwelle ein Messer in die Brust; irgend etwas muss ich tun, um zu sterben. Aber sehe ich da nicht Ligurio? Er ist's; er hat einen bei sich, der verkrüppelt und lahm scheint; sicherlich ist es der verkleidete Pfaffe. O ihr Pfaffen ! Kenne
— 138 —
einen und du kennst alle. Wer ist denn dieser andere, der ihnen zur Seite schreitet? Er scheint mir Syro zu sein, der dem Doktor die Botschaft schon ausgerichtet hat; ich will sie hier erwarten, um mit ihnen eine Verabredung zu treffen.
Fünfte Szene.
Syro. Ligurio. Der verkleidete Bruder. Callimaco.
Syro: Wer ist bei dir, Ligurio?
Ligurio: Ein wackerer Mann.
Syro: Hinkt er oder tut er dergleichen?
Ligurio: Kümmere dich um andere Sachen.
Syro: 0, er sieht wie der Oberstrolch aus.
Ligurio : He, sei doch einmal ruhig, denn du langweilst uns. Wo ist Callimaco?
Callimaco: Ich bin hier; seid willkommen.
Ligurio: Callimaco, weise doch diesen Narren, den Syrio, zurecht; er hat schon tausend Narrheiten gesagt.
Callimaco: Syro, hör' mal; du must heute abend alles tun, was dir Ligurio sagt, und nimm an, wenn er dir etwas befiehlt, ich sei es, und was du siehst und hörst, muss das tiefste Geheimnis bleiben, bei allem, was du hochschätzest: mein Gut, meine Ehre, mein Leben, und deinen Nutzen.
Syro: So soll's geschehen.
Callimaco: Hast du dem Doktor den Becher gegeben? Syro: Ja, Herr. Callimaco: Was sagte er?
Syro: Er werde gleich ganz zur Verfügung stehen. Bruder: Ist das Callimaco?
Callimaco: Ich stehe zu Eurem Befehl. Unsere Ab- machungen sollen gelten. Ihr könnt über mich und all mein Vermögen verfügen wie über Euch.
Bruder: Ich habe es gehört und glaube es; deswegen habe ich mich entschlossen, so viel für Euch zu tun, was ich nie für einen Menschen der Welt getan hätte.
Callimaco : Eure Mühe soll nicht umsonst gewesen sein.
Bruder: Es genügt, dass Ihr mir wohl wollt.
Ligurio: Lassen wir die Förmlichkeiten. Wir gehen, uns zu verkleiden, Syro und ich. Du, Callimaco, komm mit uns, um deine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, und der Bruder wird uns hier erwarten; wir kommen sofort wieder zurück, um Herrn Nicia aufzusuchen.
— 139 —
Callimaco: Du hast recht; gehen wir! Bruder: Ich erwarte Euch.
Sechste Szene.
Der verkleidete Bruder allein«
Bruder: Und diejenigen haben recht, welche sagen, dass die bösen Gesellschaften die Menschen an den Galgen bringen, und ebenso oft geht es einem schlecht, weil er zu gefällig ist, weil er zu gutmütig ist, wie weil er schlecht ist. Gott weiss, dass ich nicht daran dachte, irgendjemand zu schaden; ich war in meiner Zelle, sprach die vorgeschriebenen Gebete, unterhielt meine Gläubigen; da erscheint Ligurio, dieser Teufel, der mich den Finger in ein Versehen tauchen liess, wo ich dann den Arm hineinsteckte, und dann den ganzen Menschen ; und ich weiss noch nicht, wie weit das gehen wird. Ein Trost bleibt mir: Wenn viele ein Interesse an etwas haben, müssen dazu auch viele Sorge tragen. Aber da ist ja Ligurio und der Diener.
Siebente Szene
Der verkleidete Bruder. Ligurio* Syro.
Bruder: Seid willkommen. Ligurio: Sehen wir gut aus? Bruder: Sehr gut.
Ligurio: Es fehlt uns nur noch der Doktor. Gehen wir zu seinem Haus; es ist schon mehr als drei Uhr. Gehen wir! Syro: Wer öffnet seine Haustür? Ist es der Diener? Ligurio: Nein; er ist es. Ha ha ha! Hi hi hi! Syro: Du lachst?
Ligurio: Wer sollte da nicht lachen? Er hat ein Röcklein an, das ihm nicht einmal den Arsch bedeckt! Was Teufels hat er denn auf dem Kopf? Er sieht ja aus wie so ein Uhu von einem Kanonikus ! Und ein kurzes Schwert trägt er auch noch, ha ha! Und etwas brummt er auch noch! Treten wir zur Seite und hören wir irgend ein Unglück, das seiner Frau zugestossen ist.
Achte Szene.
Herr Nicia verkleidet.
Nicia: Wie hat sich meine Frau, die Närrin, geziert! Sie hat die Mägde zur Mutter geschickt, den Diener aufs
140
Landgut; darin kann ich sie nur loben; aber darin lobe ich sie nicht, dass sie so viele Schwierigkeiten gemacht hat, bevor віє zu Bette gehen wollte: „Ich will nicht. Wie soll ich das tun? Wozu wollt ihr mich bringen? Ach, Mutter! Und wenn ihr die Mutter nicht ordentlich die Leviten gelesen hätte, hätte sie sich kaum in jenes Bett gelegt. Das Fieber kriege sie! Es ist ja schon recht, wenn die Weiber zurück- haltend sind, aber zu viel ist zu viel. Wer hat uns denn den Verstand geraubt, Katzenhirn? Wenn jemand sagt: „Gehängt werde die verständigste Frau von Florenz!44, so würde sie sagen: „Was habe ich dir denn zu Leide getan?u
Ich weiss, dass der Türke in Konstantinopel einziehen wird; und wenn ich aus dem Spiel austrete, kann ich mit Frau Ghinga sagen: „Mit den Händen habt ihr mich gesehen!41 Ich sehe doch nicht schlecht aus. Wer würde mich erkennen? Ich scheine grösser, jünger, schlanker; es gibt gewiss kein Weib, das mir für ein Schäferstündchen Geld abnähme. Aber wo soll ich die linden?
Neunte Szene.
Ligurio« Herr Nicia. Der Bruder verkleidet« Syro.
Ligurio: Guten Abend, Herr Doktor. Nicia: Oho, he he!
Ligurio: Fürchtet Euch nicht, wir sind's.
Nicia: 0, ihr seid alle hier? Wenn ich Euch nicht gekannt hätte, hätte ich Euch mit diesem Stilet direkt durch- bohrt. Bist du Ligurio? und der? Syro; und der andere? Aha, der Magister.
Ligurio: Herr, ja!
Nicia: Sieh, der ist gut verkleidet; sicher würde ihn kein Mensch erkennen.
Ligurio: Ich habe ihm zwei Nüsse in den Mund stecken laseen, dass man ihn nicht an der Stimme erkenne.
Nicia: Du bist unverständig.
Ligurio: Weswegen?
Nicia: Warum hast du das nicht vorher gesagt? Dann hätte ich mir auch zwei in den Mund gesteckt, um nicht an der Stimme erkannt zu werden.
Ligurio: Nehmt und steckt das in den Mund.
Nicia: Was ist's?
— 141 — Ligurio: Eine Wachskugel.
Nicia: Gib sie her! Ka, pu, Ka, pu, Ko, Ku, Ku, spu! Бої dich der Teufel, verdammter Lümmel!
Ligurio: Verzeiht mir, ich habe eine mit der andern verwechselt, ohne es zu bemerken.
Nicia: Ka, Ka, pu, pu. Woraus bestand denn die?
Ligurio: Aus Aloë.
Nicia: Verdammt! Spu, Spu! Magister, sagt Ihr denn nichts dazu?
Bruder: Ligurio hat mich böse gemacht.
Nicia: 0, Ihr verstellt die Stimme gut.
Ligurio: Verlieren wir keine Zeit mehr hier. Ich will der Hauptmann sein und das Heer an diesem Tage leiten. Auf dem rechten Flügel1) sei Callimaco, auf dem linken ich; zwischen den beiden Flügeln der Doktor; Syro kommt als Kachhut und stützt den Teil, der wanken sollte. Der Schlacht- ruf ist Sankt Kukuk.
Nicia: Wer ist Sankt Kukuk?
Ligurio: Das ist der Heilige, der in Frankreich die höchsten Ehren geniesst. Gehen wir weg und legen wir an dieser Ecke den Hinterhalt. Horcht! Ich höre eine Laute.
Nicia» So ist's. Was wollen wir tun?
Ligurio: Syro, geh voraus. Weiset du, was du zu tun hast? Prüfe, überlege, kehr' bald zurück, berichte.
Syro: Ich geh schon.
Nicia: Ich möchte nicht, dass wir einen Wurmstichigen abfingen, irgend einen schwächlichen Alten oder einen Kränk- lichen, und dass das Spiel morgen abend von neuem beginnen musste.
Ligurio : Habt keine Sorge. Syro ist ein tüchtiger Mensch. Da kommt er ja schon zurück. Was findest du, Syro?
Syro: Es ist der schönste Bursche, den man gesehen hat. Er zählt keine fünfundzwanzig Jahre, und er kommt in einem Kittel daher und spielt auf der Laute.
Nicia: Das ist unser Fall, wenn du die Wahrheit sagst. Aber sieh zu, denn du hättest diese Suppe auszulöffeln.
Syro: Es ist, wie ich gesagt habe.
Ligurio: Warten wir, bis er um die Ecke kommt, und dann packen wir ihn sofort.
*) Das Original hat „Horn"; der dadurch entstehende Wort- witz kann im Deutschen nicht wiedergegeben werden.
142
Nicia: Magister, Ihr scheint ja eine Holzfigur. Da kommt er ja.
Callimaco: Der Teufel solle zu dir ins Bett steigen, da ich nicht dorthin gelangen kann.
Ligurio: Vorwärts, gib diese her.
Callimaco: O weh! was habe ich denn getan?
Nicia: Du wirst es sehen. Deck ihm den Kopf zu und 8 toss ihm einen Knebel in den Mund.
Ligurio: Dreh ihn um.
Nicia: Dreh ihn noch einmal! noch einmal! Und jetzt bringt ihn ins Haus.
Bruder: Herr Nicia, ich gehe jetzt, um auszuruhen, denn der Kopf tut mir zum Sterben weh, und da ich weiter nicht nötig bin, so komme ich morgen vormittag wieder.
Nicia: Ja, Magister, kommt nicht wieder. Wir werden jetzt selbst fertig.
Zehnte Szene.
Der Bruder allein.
Bruder: Jetzt sind sie im Hause wohl versorgt, und ich gehe ins Kloster. Und Ihr Zuschauer haltet Euch darüber nicht auf. denn in dieser Nacht wird niemand schlafen, so dass die Akte nicht durch die Zeit unterbrochen werden. Ich werde die Messe lesen, Ligurio und Syro werden zu Abend speisen, denn sie haben heute noch nicht gegessen; der Doktor wird aus der Kammer in den Saal gehen, damit die Küche sauber sei; Callimaco und Frau Lukrezia werden nicht schlafen, denn ich weiss, wenn ich an seiner und Ihr an ihrer Stelle wäret, wir nicht schlafen würden.
Fünfter Akt.
Erste Szene.
Der Bruder allein.
Ich habe diese Nacht kein Auge schliessen können; so gross ist mein Sehnen, zu hören, wie es Callimaco und den andern ergangen ist, und ich war darauf bedacht.
mir die Zeit mit verschiedenen Dingen zu vertreiben. Ich sagte die Mette, ich las ein Heiligenleben, ging in die Kirche und zündete eine Lampe an, die erloschen war, wechselte einer wundertuenden Madonna den Schleier. Wie oft habe ich doch den andern Brüdern gesagt, sie sollten sie sauber halten; und sie verwundern sich dann, wenn keine Frömmig- keit mehr da ist! Ich erinnere mich, dass einst fünfzig Bilder da waren, und jetzt sind es ihrer nur zwanzig. Daran sind wir schuld, denn wir haben es nicht verstanden, unseren Ruf hoch zu halten; nach der Compléta pflegten wir jeden Abend eine Prozession zu veranstalten und jeden Samstag dabei Lauden zu singen; wir taten da immer Gelübde, damit wir frische Büder bekämen; wir ermahnten da immer Männer und Frauen, Gelübde zu tun. Jetzt geschieht nichts mehr von all diesen Dingen, und dann wundern wir uns noch, wenn die Geschäfte flau gehen. 0, wie wenig Gehirn haben diese meine Brüder! Aber ich höre vom Hause des Herrn Nicia her einen grossen Lärm. Da sind sie, meiner Treu, und nehmen den Gefangenen heraus. Ich bin offenbar zur rechten Zeit gekommen: nun, sie haben sich beim Auströpfeln Zeit gelassen; schon steigt die Morgenröte herauf. Ich will einmal hören, was sie sagen, ohne mich zu erkennen zu geben.
Zweite Szene.
Herr Nicia. Ligurio. Syro. [Callimaco.]
Nicia: Nimm ihn von jener Seite und ich von dieser; und du, Syro, halt ihn von hinten am Kittel. Callimaco: Tut mir nicht weh!
Ligurio: Hab keine Angst; mach nur, dass du fort- kommst.
Nicia: Gehen wir nicht mehr weiter.
Ligurio: Ihr habt recht; lassen wir ihn hier laufen; drehen wir ihn ein paar Mal, dass er nicht weiss, woher er gekommen ist. Dreh' ihn einmal, Syro.
Syro: Ist geschehen.
Nicia: Dreh ihn noch einmal.
Syro: Ist auch geschehen.
Callimaco: Meine Laute!
Ligurio: Fort, du Lümmel; wenn ich dich noch einmal reden höre, hau' ich dir den Kopf ab.
— 144 —
Nicia: Er hat eich auf die Strümpfe gemacht. Legen wir uns auch noch ein bisschen aufs Ohr; wir müssen morgen früh ausgehen, damit es nicht scheint, als hätten wir die Nacht durchgewacht.
Ligurio: Dir habt recht.
Nicia: Ihr und Syro geht und sucht Meister Callimaco auf und sagt ihm, dass die Sache gut gegangen ist.
Ligurio: Was können wir ihm sagen? Wir wissen ja nichts. Ihr wiest, dass, als wir in Eurem Hause angekommen waren, wir sofort uns entfernten, um einen Trunk zu tun. Ihr und die Schwiegermutter bliebt ihr zur Hand, und wir haben uns seither nicht mehr gesehen als jetzt, wo Ihr uns rieft, um ihn hinaus zu fördern.
Nicia: Ihr habt recht. 0, ich habe Euch hübsche Dinge zu melden. Meine Frau war im Dunkeln im Bett. Sostrata erwartete mich am Herd. Ich kam mit dem Burschen herauf, und damit nichts ungeprüft bleibe, führte ich ihn in eine Vorratskammer, die über dem Speisezimmer liegt, wo ein Nachtlicht brannte, das ein bisschen Licht spendete, so zwar, dass er mir nicht ins Gesicht sehen konnte.
Ligurio: Sehr verständig.
Nicia: Ich liess ihn sich ausziehen; er klagte; ich wandte ihn wie einen Hund, so dass er es kaum erwarten konnte, bis er aus den Kleidern war, und nackt dastand. Er ist hässlich von Angesicht; er hat eine grosse Nase, einen krummen Mund, aber schöneres, weisses, weiches und doch festes Fleisch hast du nie gesehen, und nach dem übrigen braucht Ihr nicht zu fragen.
Ligurio: Davon kann man nicht gut reden; das musste man ja sehen.
Nicia: Du willst schlechte Witze machen. Nachdem ich einmal Hand ans Werk gelegt hatte, wollte ich auch auf den Grund gehen und sehen, ob er gesund sei. Wenn er venerische Ausschläge gehabt hätte, wie wäre ich dagestanden! Was sagst du dazu?
Ligurio: Ihr habt recht.
Nicia: Als ich gesehen hatte, dass er gesund war, zog ich ihn hinter mir her und führte ihn im Dunkeln in die Kammer, legte ihn ins Bett; und bevor ich wegging, wollte ich mit der Hand spüren, wie die Sache stand; denn ich bin
— 145 —
Volkfftttaüioht Diehtnngen der Italiener. 10
nicht gewohnt, mir Schweineblasen für Laternen anhängen zu lassen.
Ligurio: Mit welcher Vorsicht habt Ihr die ganze An* gelegenheit geleitet!
Nicia: Als ich alles befühlt nnd betastet hatte, ging ich aus der Kammer, schlose die Türe und ging zu meiner Schwiegermutter, die am Feuer sass, und die ganze Nacht widmeten wir der Unterhaltung.
Ligurio: Und was war denn deren Gegenstand?
Nicia: Wir redeten von der Torheit Lukrezias, und wie besser es gewesen wäre, wenn sie ohne so vieles Hin und Her gleich nachgegeben hätte. Dann redete ich von dem Kinde, das ich schon in den Armen zu halten glaubte, den lieben Schatz, bis ich ein Uhr schlagen hörte und ich fürchtete, der Tag möchte uns überraschen. Ich ging in die Kammer. Wae sagt Ihr dazu, dass ich den Lümmel kaum zu wecken im stände war?
Ligurio: Das glaub ich.
Nicia: Er hatte Geschmack an dem Bissen gefunden; dennoch erhob er sich schliesslich; ich rief Euch und wir haben ihn hinausgeführt
Ligurio: Die Sache ist gut abgelaufen.
Nicia: Was sagst du dazu, dass ich etwas bedauere?
Ligurio: Den armen jungen Mann, der nun so bald sterben muss, und den die Sache nun so teuer zu stehen kommt.
Ligurio: 0, wie unbedacht seid Ihr! Uberlaset die Sorge ihm!
Nicia: Du hast recht. Aber ich kann es kaum erwarten, bis ich Magister Callimaco antreffe und mich mit ihm freuen kann.
Ligurio: In einer Stunde wird er draussen sein. Aber es ist ja schon heller Tag. Wir legen tins ein wenig nieder» Was macht Ihr?
Nicia: Auch ich geh9 nach Hause, um frische Kleider anzuziehen. Ich lasse meine Frau ein Bad nehmen und dann in die Kirche gehen, um das Heiligtum zu betreten. Ich möchte, dass Ihr und Callimaco auch da wäret, dass wir dem .Binder dankten und uns für das, was er für uns getan hat,
1hm erkenntlich zeigten.
Ligurio: Ihr redet gut; so soll es geschehen.
— 146 —
Dritte Szene*
Der Bruder allein«
Ich habe diese Unterhaltung gehört und sie hat mir gefallen, wenn ich bedenke, wie gross die Dummheit ist, die in diesem Doktor steckt. Aber besonders der Schluss hat mich ergötzt. Da sie nun mich bei mir aufsuchen wollen, will ich nicht mehr hier bleiben, sondern in die Kirche gehen, wo meine Ware mehr wert ist. Aber wer tritt da zum Haus heraus? Es scheint mir Ligurio zu sein und mit ihm muss sich Callimaco befinden. Aus den angeführten Gründen sollen sie mich nicht sehen. Wenn sie mich nicht aufsuchen, wird es immer noch Zeit sein, zu ihnen zu gehen.
Vierte Szene.
Callimaco. Ligurio.
Callimaco: Wie ich dir gesagt habe, mein Ligurio, war mir bis neun Uhr nicht recht wohl; und obwohl ich grosses Vergnügen hatte, schien es mir nicht gut. Aber nachdem ich mich ihr zu erkennen gegeben und ich die grosse Liebe, die ich für sie hegte, ihr zu erkennen gegeben hatte, und wie leicht wir wegen der Einfalt des Mannes, ohne irgend welche Schande, glücklich leben könnten, und ich ihr versprochen, sie zur Frau zu nehmen, wenn ihm etwas menschliches begegnen sollte, und ausser den eigentlichen Gründen sie den Unter- schied gekostet hatte, der zwischen dem Liebesspiel mit mir und dem mit Nicia, zwischen den Küssen eines jungen Lieb* habere und eines alten Mannes ist, sagte sie nach einigen Seufzern: Da deine Schlauheit, die Dummheit meines Mannes, die Einfalt meiner Mutter, die Schlechtigkeit meines Beicht- vaters mich dazu gebracht haben, das zu tun, was ich von mir aus nie getan hatte, will ich der Ansicht sein, es beruhe dies auf einem göttlichen Ratschluss, der es so gewollt hat. Und ioh bin nicht im stände, das zurückzuweisen, was ich nach dem Willen des Himmels annehmen soll; und so nehme ich dich zu meinem Herrn, Beschützer, Führer, Vater, Ver- teidiger, und ich will, dass du mein ganzes Gut ausmachst. Und das, was mein Gatte für einen Abend gewollt hat, soll er nun für immer haben; werde also sein Gevatter und komm diesen Morgen zur Kirche, und von da wirst du mit uns
147 —
10*
frühstücken and das Gehen und Bleiben wird deine Sache sein und wir können zu jeder Stunde ohne Verdacht zusammen- kommen. Als ich diese Worte hörte, dachte ich vor Wonne zu sterben; ich konnte nicht das geringste von dem ant- worten, was ich gerne gesagt hätte, so dass ich jetzt der glücklichste und zufriedenste Mensch der Welt bin, und wenn dieses Glück nicht im Verlaufe der Zeit oder durch den Tod ein Ende haben musste, wäre ich seliger als die Seligen und heiliger als die Heiligen.
Ligurio: Über alles, was dir Gutes geschieht, empfinde ich grosses Vergnügen, und dir ist passiert, was ich dir vorhin sagte. Aber wohin gehen wir jetzt?
Callimaco: Gehen wir nach der Kirche, denn ich habe ihr versprochen dort zu sein; auch die Mutter und der Doktor werden hinkommen.
Ligurio: Ich höre an seine Haustür klopfen. Sie sind's und kommen aus dem Haus und haben' den Doktor hinter ihnen her.
Fünfte Szene. Herr Nicia. Lukrezia. Sostrata.
Nicia: Lukrezia, ich glaube, es sei gut, das Leben in Gottesfurcht und nicht närrisch zu führen.
Lukrezia: Was habt Ihr jetzt wieder vor?
Nicia: Sieh, wie sie antwortet! Sie ist ja eingebildeter als ein Hahn.
Sostrata: Wundert Euch nicht; sie ist ein bisschen auf- geregt.
Lukrezia: Was wollt Ihr sagen?
Nicia: Ich sage, es sei gut, wenn ich vorausgehe, um mit dem Bruder zu sprechen und ihm zu sagen, er möge dir bis auf die Schwelle der Kirche entgegenkommen, um dich in s Heiligtum zu geleiten, denn du siehst heute morgen eigentlich wie neugeboren aus.
Lukrezia: Weswegen geht Ihr nicht?
Nicia : Du bist heute sehr kühn ; gestern abend schienst du halb tot.
Lukrezia: Das bewirkt Eure Anmut
Sostrata: Sucht den Bruder auf. Aber nein, das ist nicht nötig, er steht ja ausserhalb der Kirche.
— 148 —
Sechste Szene.
Bruder. Herr Nicia. Lukrezia. Ligurio. Sostrata.
Bruder: Ich komme heraus, weil mir Callimaco und Ligurio gesagt haben, dass der Doktor und die Frauen zur Kirche kommen.
Nicia: Bona dies, Pater.
Bruder: Seid willkommen, ihr Frauen, und wohl mag es Euch, Frau Lukrezia, bekommen, dass Gott Euch zu einem schönen Jungen verhelfe.
Lukrezia: Gott wolle es.
Bruder: Er wird es auf alle Fälle wollen.
Nicia: Sehe ich nicht Ligurio und Magister Callimaco in der Kirche?
Bruder: Ja, Herr.
Nicia: Gebt Ihnen einen Wink.
Bruder: Kommt.
Callimaco: Gott grüss' Euch.
Nicia: Magister, gebt hier meiner Frau die Hand!
Callimaco: Gerne.
Nicia: Lukrezia, das ist der, welcher die Ursache sein wird, dass wir in unserm Alter einen Stab haben werden.
Lukrezia: Er ist mir recht lieb; er soll unser Haus- freund werden.
Nicia: Gesegnet seist du; er und Ligurio sollen heute vormittag mit uns zum Frühstück kommen.
Lukrezia: Auf jeden Fall.
Nicia: Und ich will ihnen den Schlüssel zu dem Zimmer im Erdgeschoss über der Laube geben, dass sie herkommen können, wenn es ihnen beliebt; denn sie haben keine Frauen zu Hauee und leben nicht wie Menschen.
Callimaco: Ich nehme ihn an, um ihn vorkommenden- falls zu gebrauchen.
Bruder: Bekomme ich das Geld für die Almosen?
Nicia: Ihr wisst wohl, noch heute werdet Ihr's bekommen.
Ligurio: An Syro denkt niemand.
Nicia: Er verlange. Was ich bei mir habe, gehört ihm. Du, Lukrezia, wie viel Grossi hast du dem Bruder zu geben, um ins Heiligtum zu treten?
Lukrezia: Gebt ihm zehn.
Nlcla: Verdammt!
— 149 —
Ende.
Bruder: Біг, Frau Sostrata, habt nach meiner Ansicht im Alter neue Kraft erlangt.
Sostrata: Wer sollte da nicht fröhlich sein?
Bruder: Gehen wir alle in die Kirche, und dort wollen wir das gewöhnliche Gebet sprechen. Nach dem Essen geht Ihr nach Eurem Belieben zum Frühstück. Ihr Zuhörer wertet nicht mehr länger, dass wir herauskommen; das Amt ist lange; ich bleibe in der Kirche und die anderen gehen durch eine Seitentùre nach Hause. Lebt wohl.
Nachwort
Niccolö Machiavelli1) wurde ale Sohn eines Florentiner Juristen am 3. Mai 1469 in der Arnostadt geboren. Von seiner Jugend wissen wir nichts; er scheint die in den * besseren Kreisen übliche Erziehung empfangen zu haben. 1498 wurde er als Sekretär des Bates der Zehn — der Dieci di libertâ e di pace — gewählt und heiratete 1502 Marietta Corsini, die ihn mit einer zahlreichen Familie beschenkte. Nachdem er im Dienste des Staates, namentlich auch als Gesandter gewirkt, wurde er mit der Rückkehr der Medici (1512) von allen Amtern entfernt und das folgende Jahr als in eine Verschwörung verwickelt gefoltert. Längere Zeit lebte er in seinem Landhause in der Nähe von Florenz, wo er neben leichtem Lebensgenuss sich ernsten Studien hingab. Das Vertrauen der Medici vermochte er nicht zu gewinnen, wurde aber auch nach ihrer Vertreibung (1527) nicht wieder mit einem Amte betraut und starb so enttäuscht im gleichen Jahre.
Machiavelli ist hauptsächlich als Träger eines „unmora- lischen" politischen Systeme bekannt, dessen Apologie am besten Cecil Rhodes geschrieben hätte; es ist in seinem Buche „vom Fürstenu (1513) entwickelt. Von seinen philosophisch- historischen Werken sind von hervorragender Bedeutung die „Unterhaltungen über die erste Dekade des T. Liviustf und die „ Florentinischen Geschichten.u
Auf dem Gebiete der schönen Litteratur ist „der Florentiner Sekretär" durch eine Komödie bekannt, welche für den Ruhm eines andern vollständig ausgereicht hätte. Auch die Man drag o la2) ist, wie der Prolog andeutet, in
*) Über Machiavelli redet am besten K. Hillebrand in Profile. Berlin. 1878. p. 296.
2) Schwarzwurz (nach der darin angeblich verwendeten Arznei)
seiner unfreiwilligen Muesezeit verfasst worden (um 1513). Machiavelli soll mit dieser Komödie sein Volk haben bessern wollen. Er hat selbst gesagt, er überlasse das Predigen den Pfaffen. Er schildert die Verderbnis der Kirche in „Fra Timotheo", aber er träumt nicht топ der Möglichkeit einer Beform wie Luther; er zeigt uns in Callimaco den reichen Müseiggänger, der mit Hilfe eines erfindungsreichen Parasiten der Tugend Fallstricke legt, aber er teilt die Illusionen Savonarolas nicht. Den Latein radebrechenden Schafskopf hat er nach dem Leben gezeichnet, aber die Doctores abzu- schaffen hat er nie gehofft. Dass nun gar Lukrezia in ihrer zweiten Hochzeitenacht ihrem Kamen hätte Ehre machen können oder sollen, war der launige Einfall eines deutschen Professors. Machiavelli war ein genialer Beobachter, der einfach sagt: „So geht's auf der Welt zu. Findet ihr nicht auch?" Er unterdrückt nichts, wenn er nieht hinzufügt: „Bessert euch!" oder: „Tröstet euch! So geht'e auoh in Born nnd Paris zu." Was Herder im 08. Briefe zur Beförderung der Humanität vom „Fürsten" sagt, gilt auoh von der Meister- komödie dieses „moralinfreien" Renaissancemenschen: er wollte weder eine Satire no eh eine Predigt schreiben; er hat die Geschichte wie das tägliche Leben als kühler Beobachter als eine Reihe von Begebenheiten angesehen.
Belfagor soll für das häusliohe Ungemach Machiavellis zeugen, meint Macaulay in seinem viel zu sehr gelobten Auf- satz. Der Stoff lässt eich bis in die altindische Literatur hinauf verfolgen; von den italienischen Novellisten haben ihn Brevio, Doni, Faginoli ebenfalls behandelt, La Fontaine hat nach Machiavelli eine seiner hübschesten Erzählungen daraus gezogen.1)
*) Vgl. G. Meyer, Essays 1, 263—268. Zürich, am 23. September 1905.
Jakob Ulrich.
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung.....................V
I. Liombruno..................1
II. Geschichte von drei verzweifelten Burschen und drei Feen 13
III. Novelle von drei Frauen, die einen Bing fanden ... 29
IV. Grillo als Arzt................42
V. Campriano..................63
VI. Der Eifersüchtige...............75
VII. Die Nencia von Prato oder die Feile........82
Nachtrag zur Einleitung...............91
Belfagor....................92
Mandragola...................103
Nachwort....................150
|